- Deutscher Titel: The Nameless
- Original-Titel: Los sin nombre
- Regie: Jaume Balaguero
- Land: Spanien
- Jahr: 1999
- Darsteller:
Claudia Horts de Gifford (Emma Vilarasau)
Bruno Massera (Karra Elajalde)
Quiroga (Tristan Ulloa)
Franco (Toni Sevilla)
Marc Gifford (Brendan Price)
Pathologe (Jordi Dauder)
Toni (Pep Tesar)
Romero (Jose Maria Domenech)
Santini (Carlos Lasarte)
Dr. Bolggen (Manuel Bronchud)
Angela (Jessica Del Pozo)
Angela mit fünf Jahren (Judith Tort)
Tipo Malcarado (Carlos Punyet)
Vorwort
Bei Horrorfilmen aus Spanien denkt der Trashfan – entweder mit Tränen der Rührung im Auge oder in epileptisch wirkende Zuckungen verfallend – vermutlich zunächst an die wilden Siebziger und den schier unendlichen Output von Regiekoryphäen wie Armando de Ossorio oder Leon Klimovsky und mehr oder weniger Erheiterndes wie die Reitenden Leichen des ersteren, die Grausamen Stunden der lebenden Leichen des Zweitgenannten, von den umpfzig hanebüchenen Werwolfplotten mit Paul Naschy mal ganz zu schweigen. Die Zeiten sind lang vorbei (Gottseidank? Leider? You decide!), und so langsam, unauffällig durchs Hintertürchen, hat sich der spanische phantastische Film generalüberholt, seine primitiven Vorfahren in die Mottenkiste gesteckt und durch die Werke von Regisseuren wie Alex de la Iglesias (nicht zu verwechseln mit dem Schlagerknödler Julio und seinem latinopoppenden Sohnemann) internationales Renommee erarbeitet – man ist wieder im Kommen (und wenn sogar Hollywood dazu übergeht, spanische Mystery-Stoffe in Hochglanzwerke wie Vanilla Sky zu überarbeiten, muss da was dran sein). Die neuentfachte Begeisterung für phantastische Stoffe bei unseren iberischen Freunden führte mittlerweile ja sogar dazu, dass altgediente US-Horrorkämpen wie Brian Yuzna und Stuart Gordon ihre Zelte in Yankeeland abbrachen und nach Spanien übersiedelten, deswegen firmieren die neuesten Erzeugnisse der beiden Kultfilmer, Beyond Re-Animator respektive Dagon auch als spanische Produktionen. Einzig wir Deutschen sind offenbar mal wieder hinterher mit der Würdigung modernen iberischen Genrekinos, das will uns aber DVD-Anbieter e-m-s austreiben und startet eine Reihe mit spanischen Thrillern und Horrorfilmen, und exemplarisch widmen wir uns heute Jaume Balagueros The Nameless, eine Adaption eines Horrorromans von Ramsey Campbell (der in Spanien offenbar populär genug ist, um inzwischen eine weitere Filmfassung eines seiner Werkes, Second Name, zu rechtfertigen). Das DVD-Cover ist gespickt mit den diversen Auszeichnungen und Preisen, die der Streifen auf seiner Festivaltour abgeräumt hat und spricht zudem vom „schockierendsten Ende seit Sieben“ (ein Wunder, dass ihr´s nicht gleich verraten habt, Leute!). „Keine Abgabe an Personen unter 18 Jahren“ noch dazu… mal sehen, ob das was wird.
Inhalt
Der Auftakt ist jedenfalls schon mal vielversprechend. Irgendwo in einer Gegend Barcelonas, wo sich das gemeine Touristenvolk eher selten hinverirrt, wird Polizeiermittler Bruno Massera von seinem Kumpel und Kollegen Franco an eine crime scene gerufen – man hat die übel zugerichtete Leiche eines kleinen Mädchens gefunden, in eine Art Abflussrohr gestopft, vielleicht hat das was mit seinem Fall zu tun (nicht, dass wir selbiges vorgekaut bekämen, aber ich gehe mal davon aus, dass er im entsprechenden Vermisstenfall ermittelt). Den mit Gasmasken ausgestatteten Cops bietet sich bei der Extrahierung des Korpus ein Bild des Grauens, denn wer auch immer dafür verantwortlich war, hat das Rohr mit einer ätzenden Säure gefüllt, was wenig appetitliche Resultate zeitigt (nicht, dass ich darauf in einem Fall wie diesem gesteigerten Wert lege, aber „echt“ wirkt die verätzte Kinderleiche nicht unbedingt… allerdings hab ich auch noch keine echte verätzte Kinderleiche begutachten müssen und kann auf dieses Privileg auch gerne verzichten). Ein Armband mit dem Namen „Angela“ hat man auch gefunden…
Und so können die Cops wenig später Angelas gramerfüllte Eltern anklingeln und zur Identifizierung bestellen. Während die Giffords sich auf den Weg machen, wird die Autopsie durchgeführt und der Herr Pathologe hat gut zu tun, das Mädchen wurde, als es noch am Leben war, grausam mit Nadeln gefoltert und anschliessend in Schwefelsäure getunkt, wodurch die gravierendsten Merkmale zur Identifizierung zerstört wurden – Fingerabdrücke, Zähne, alles perdü. Allerdings hat das Mädel ein verkürztes Bein, und das ist nach wie vor deutlich bemerkbar, für den Pathologen Indiz dafür, dass es den Tätern um die Identifizierung nicht wirklich ging – „hätte man uns behindern wollen, hätten sie das nicht übersehen!“, geschweige denn das Armband (duh!). Der Gerichtsmediziner tippt eher auf einen bestialischen Ritualmord (nicht, dass sich das meines Erachtens ausschliessen würde). Bruno erspart den trauernden Eltern gnädigerweise den grausigen Anblick und lässt das Opfer anhand des Armbands identifizieren. Paps Marc sinkt ergriffen gegen die nächstbeste Wand, Mama Claudia verabschiedet sich in einen hysterischen Heulkrampf (soll nicht despektierlich klingen, die Reaktion kann ich durchaus verstehen).
Fünf Jahre später… Claudia arbeitet in einem Verlag oder in einer Agentur o.ä. und redigiert gerade eine anstehende Veröffentlichung, einen Bildband über Tattoos und Piercings (also, ich will mal ehrlich hoffen, man hat ihr seitens der Polizei nicht gesagt, wie ihre Tochter getötet wurde, sonst würde ich das für *etwas* geschmacklos halten), ist aber nicht ganz bei der Sache, da sich der Tod Angelas mal wieder jährt und „da fühle ich mich immer etwas lächerlich“ (hm?). Ihre Sekretärin empfiehlt ihr, sich den Tag besser freizunehmen. Claudia akzeptiert den Vorschlag und düst mit der U-Bahn hinfort, wo sie von einem leicht gesichtstechnisch missgestalteten Mitfahrgast aus der Fassung gebracht wird. Zwecks Beruhigung plantscht sie in einem Schwimmbad ein paar Pool-Runden und wird dort von einer Bekannten angequatscht. Ein gewisser Toni hätte dieser erzählt, er und Claudia wären wieder zusammen. Claudia verweist dies ins Reich der Fabel und Tonis Wunschdenkens. Dann fährt sie heim und sieht sich alte Familien-Videos an (jaja, nicht ganz unverständlich, aber wohl nicht die unbedingt nervenschonendste Therapie bei solchen Anlässen, oder?). Toni ruft an, wird aber ignoriert.
Am nächsten Tag kommt Claudia nicht ins Büro, was Toni nervt, der nicht nur offensichtlich ihr Ex-Lover, sondern auch ein wesentlicher künstlerisch Beteiligter am Tattoo-Bildband ist und Fotos abliefern möchte. Claudia indes rüsselt auf dem heimischen Fernsehsessel und wird erst vom klingelnden Telefon geweckt. Dran ist aber weder Büro noch Toni, sondern ein Mädchen: „Mama? Ich bin´s!“ Nachvollziehbarerweise interpretiert Claudia den Anruf als „falsch verbunden“ oder „schlechter Scherz“ und legt auf. Die geheimnisvolle Anruferin klingelt aber erneut durch und insistiert, Claudias vermeintlich tote Tochter Angela zu sein: „Die wollen nur, dass du glaubst, ich sei tot!“ Claudia ist zumindest mal am Haken. „Sie wollen mir wehtun, komm zum Sanatorium am Strand, aber geh nicht zur Polizei!“
Sanatorium am Strand? Claudia geht rasch noch mal die Ausflugsvideos durch und in der Tat, nahe des bevorzugten Ausflugsstrands der einst glücklichen Familie steht ein ehemaliges Sanatorium. Sie macht sich auf den Weg und untersucht das verlassene und verwüstete Anwesen, findet seltsame Zeitungsausschnitte, Fotos, an die Decke gepinnte Bilder und einen toten und verwesten Vogel in seinem Käfig (wie eklig) und noch etwas – was man uns noch nicht verrät.
Auch Bruno Massera gibt´s noch – der räumt gerade seinen Schreibtisch bei den Cops aus und scherzt mit Franco, liefert seine Dienstwaffe ab, kann aber seine Hundemarke nicht finden. Eine Polizistin vermittelt ihm Claudias dringenden Rückrufwunsch und obwohl Bruno seinen Dienst quittiert hat, ist er bereit, sich mit ihr in einem Diner (die Dinger sind überall) zu treffen. Claudia erzählt ihm die Story und zeigt ihm einige der gefundenen Fotos (von verunstalteten Engeln o.ä.). Bruno weiss nicht so recht, was er von der Geschichte halten soll und reitet darauf rum, dass Angela zweifelsfrei identifiziert worden wäre. Claudia knallt ihm das geheimnisvolle gefundene Objekt, eine Gehhilfe, die einst ihrer Tochter gehört haben soll, sowie die Tatsache, dass man ihr ja nicht mal gestattet habe, ihre tote Tochter zu sehen, um die Ohren. Nebenbei erfahren wir noch, dass Marc Claudia ein knappes Jahr nach der Tragödie verlassen und sich nach England verzupft habe. Bruno wirkt nicht gesteigert überzeugt, verspricht aber in der Tat, etwas herumzuschnüffeln (trifft sich wirklich günstig, dass er offiziell kein Bulle mehr ist, newa).
Tja, warum mischt Bruno mit? Weil er natürlich sein eigenes kleines Trauma mit sich herumschleppt – und symbolisiert durch einen Tagtraum, in dem er in seiner – verwahrlosten – Wohnung seine schwangere Frau sieht. Is wohl auch nicht mehr, die Gute… Nun, Bruno mag kein echter Bulle mehr sein, aber Beziehungen bestehen noch immer und so bestellt er nonchalant ein komplettes Geburtsregister aller in Spanien zwischen 1987 und 1992 geborenen Mädchen. Während sein Gesprächspartner am anderen Ende der Teflonstrippe vermutlich noch überlegt, mit welcher Spedition er den Container senden soll, schränkt Bruno ein „mit einem verkürzten Bein“ (mit zwei verkürzten Beinen wäre irgendwie auch etwas… witzlos).
Claudia wird währenddessen ein wenig emotional und erleidet Flashbacks in glückliche Family-Zeiten, gekreuzt mit hektischen Zwischenschnitten der offensichtlich fatal schief gelaufenen Entbindung von Brunos Frau, bzw. ihrem Kind, so ich mich etwas unglücklich ausgedrückt habe). Bruno erwacht aus seinem eigenen Alptraum und macht sich daran, die bereits angelieferte Liste zu bearbeiten, schon auf Seite 1 wird er bei „Aguirre“ fündig (nachdem er Kinder mit multiplen Missbildungen gestrichen hat) und sucht das entsprechende Hospital auf. Der dort regierende Königspinguin (sprich Nonne) mag eine Adresse nicht rausrücken, aber ein treuherziger Augenaufschlag, der Hinweis auf eine „lange Geschichte“ (und die nicht im Film, aber interessanterweise im Making-of vertretene Vorzeige der Polizei-Dienstmarke… dzdz, Amtsanmassung) leiern dem Pingu schliesslich doch eine Anschrift aus dem Kreuz.
Bei Claudia klingelt mal wieder das Telefon, aber es ist keine weitere Botschaft von Angela, sondern nur Toni, der unbedingt mit ihr in persona reden möchte, aber ziemlich heftig abgebügelt wird. Sauer beendet Claudia das Telefonat vorzeitig, begibt sich zum Arzneimittelschrank und pfeift sich eine Fuhre Valium ein.
Die Aguirre-Adresse entpuppt sich als ziemlich heruntergekommener Mietsbunker, wo Bruno vom (ziemlich schepsen) Bewohner der entsprechenden Wohnung recht deutlich zu verstehen gegeben wird, dass er sich doch verpissen solle. Ein Rollstuhlfahrer, der etwas unschlüssig auf dem Flur rumrollt, ist auskunftsfreudiger, auch wenn seine konfusen Angaben von Bruno in die richtige Richtung geleitet werden müsse. Jedenfalls weiss unser Ermittler nun, dass die Aguirres vor ungefähr fünf Jahren weggezogen sei, nachdem ihre Tochter verschwunden oder entführt worden sei. Mit dieser heissen Spur im Ärmel ruft Bruno Claudia an und bestellt sie zur Universität.
Dieweil, in einer Kirche. Der Chef eines Revolverblatts und sein hoffnungsvoller Juniorreporter sind vom Messner alarmiert worden. „Hoffentlich keine blutende Jungfrau,“ brummt Junior Quiroga, bevor ihm sein Chef noch einen anonymen Umschlag in die Hand drückt, der der Redaktion übermittelt worden ist, Inhalt vermutlich ein Video. Dann macht Quiroga mit angemessen entsetztem Gesichtsausdruck Aufnahmen von was auch immer den Messner auf die Palme gebracht hat.
Bruno und Claudia suchen theologischen Beistand bei einem Unitätsprof der Jesuiten-Zunft, der den beiden auch prompt Auskünfte über die „Namenlosen“ erteilt (entweder bin ich zwischendurch mal eingeschlafen oder mir erschiesst sich tatsächlich nicht, wie der Zusammenhang mit den „Namenlosen“ überhaupt aufgeworfen wird… bislang gab´s für deren Existenz, geschweige denn Verwicklung in die ganze Plotte nicht den geringsten Anhaltspunkt). Die „Namenlosen“ sind eine obskure esoterische Sekte, deren Guru, ein gewisser Santini sei. Überall, wo die Namenlosen eine Filiale eröffnet hätten, seien Menschen verschwunden. Santini sei aber vor einiger Zeit verhaftet und dauerhaft eingeknastet worden, ausserdem glaubt der Jesuit nicht, dass die Namenlosen etwas mit kleinen Kinder anfangen könnten. Was sind diese Namenlosen nun eigentlich für Gesellen? Dafür hat der Jesuit einen alten Artikel von Santini auf Lager, indem dieser über die Attraktivität des absoluten Bösen schwadroniert, Läuterung durch Verstümmelung propagiert und essentiell zu der Ansicht gelangt, Zugang zu einer höheren Daseinsform wäre nur durch die Begehung eines Akts unvorstellbarer Grausamkeit möglich. Jo, der Mann hat einen ander Waffel, aber zumindest seine historischen Vorbilder, der nordisch-germanische Thule-Bund, dem auch diverse Nazigrössen inklusive dem Führer himself angehörten, habe die identische Philosophie verfolgt (von Thule hab ich schon gehört, aber den ideologischen Background müsste ich mal verifizieren, wenn ich Lust habe). Und die „Namenlosen“ nennen sie sich, weil sie ihre Namen eben ablegen, ohne Namen gibt es keine menschliche Moral, so die These der Sektierer. Der Pfaffe produziert noch ein Foto eines Sekten-Anwesens und Claudia platzt zu allgemeiner Überraschung (und ohne, dass wir darauf noch mal zurückkommen würden) damit heraus, das Haus zu kennen: „Ich war dort!“ (Meint sie das Sanatorium? Das Bild hat aber wenig Ähnlichkeit mit dem…)
Was Quiroga in der Kirche ausgefreaked hat, ist nicht unspektakuläreres als eine „Blut“ weinende Knabenstatue (?). In der Redaktion packt man die Videokassette aus, auf deren Label eine Telefonnummer vermerkt ist, die Quiroga umgehend, aber zunächst erfolglos anruft, während Bruno in einem Bibliotheksarchiv nach Santini und seinem Verbleib forscht und schliesslich herausfindet, dass jener tatsächlich wegen Kindesmissbrauchs u.a. für 80 Jahre verknackt wurde (harte Sitten, gelle, könnten sich unsere Richter was von abschneiden), ein zweiter Tatverdächtiger aber aufgrund Mangels an Beweisen laufengelassen wurde.
Letztendlich stellt sich heraus, dass die ominöse Telefonnummer auf dem noch ominöseren Band dem wenig ominösen Telefonanschluss Claudias zugeordnet ist. Man, sprich Quiroga, Claudia und Bruno trifft sich in der Redaktion, um herauszufinden, was auf dem Video zu sehen ist. „Wir wissen es nicht,“ bekundet Quiroga und legt das Tape ein und vor den entsetzten Augen der Betrachter spielt sich eine Snuff-Szene ab, eine nackte junge Frau wird gefoltert und/oder vergewaltigt (ähnlich wie in 8 mm überlässt man hier der schmutzigen Fantasie des Zuschauers die blumigen Details). „Es kommt noch besser,“ knurrt Quiroga und überführt sich damit selbst der Lüge (denn angeblich hat das Band ja noch keiner angeschaut“, „sie werden sich selbst sehen“. Und schon kann sich Claudia bei ihrem Rundgang durchs Sanatorium bewundern. Claudia und Bruno sind angemessen geplättet. Quiroga wittert eine Riesenstory, aber sein Chef bürstet ihn ab – die Leser interessieren sich nicht für Schwurbel um „namenlose“ Snuffkünstler-Sekten, sondern sie wollen „esoterischen Scheiss“ lesen, also hat Quiroga solchen ranzuschaffen. Immerhin kann Quiroga seinem Boss aus der Nase ziehen, dass das Blättchen vor Jahren einen Artikel über die Namenlosen gebracht hatte, geschrieben von einem gewissen Romero, der sich in die Materie ziemlich reingesteigert habe. Quiroga kombiniert, dass die Namenlosen darauf spekulierten, Romero sei immer noch Redakteur der Zeitschrift.
Ein Freund, ein guter Freund, das ist das schönste was es gibt auf der Welt, denkt sich auch Bruno und belabert seinen Kumpel Franco, der einen enorm aufregenden Rummelplatzunfall aufzuklären hat und sich dabei königlich langweilt, ihm nicht nur eine Kanone zu besorgen, sondern auch einen Besuchstermin bei Santini, der in der geschlossenen Abteilung eines Knasts schmort, weil er zwei Kinder vergewaltigt und ihnen Finger abgeschnitten habe (ein echter Bösmann mit Gütesiegel also).
Quiroga besucht Romero im Seniorenheim und leiert ihm weitere Fakten aus dem Kreuz, ein deutscher Arzt namens Dr. Bolggen habe sich damals an Romero gewandt. Bolggen hätte während der Nazizeit für das Deutsche Institut für Hygiene geforscht (und wir wissen ja alle, wie das abging) und sei später von Santini dazu überredet worden, seine Forschungen auf dem Gebiet des Schmerzes für die Namenlosen fortzuführen (ein Angebot, das man als aufrechter Scientist natürlich nicht ablehnen kann). Dann sei allerdings Santinis Verhaftung dazwischengekommen und Bolggen war der zweite Angeklagte, den man freilassen musste. Seitdem lebe Bolggen – m.E. aus eher unerfindlichen Gründe – in panischer Angst vor den restlichen Namenlosen. Quiroga bricht in des Doktors Wohnung ein und findet dort Akten über Nazi-Forschungen mit entsprechendem Bildmaterial und ähnlichen Unrat. Der tattergreisige Doktor wird im Schlafgemach wach und wird panisch, allerdings weniger wegen dem Einbrecher Quiroga als aus Angst vor den Namenlosen: „Die Wände haben Ohren!“ Quiroga schleppt den Mümmelgreis ab.
Für einen Film, der – da werd ich unten noch drauf eingehen – sich redlich um Atmosphäre und visuelle Kniffe bemüht, ist es schon ein ziemliches Armutszeugnis, wenn er bei allem guten Willen nicht um einen idiotischen false jump scare rumkommt. Und so erschreckt Toni die heimkehrende Claudia. Toni ist in tiefer Sorge um seine Ex-Geliebte, die schon seit Wochen nicht mehr zur Arbeit gehe und überhaupt fühle er sich zuständig für ihren Schutz usw. „Wenn Du Ärger hast, sollst du zu mir kommen und nicht deine Tabletten schlucken!“ Ein gut gemeinter Rat, der aber von einem zutiefst Angesoffenen ein wenig an Überzeugungskraft verliert. Toni gelobt jedenfalls entgegen Claudias Protesten, sie zu beobachten und gibt zu verstehen, dies auch schon getan zu haben: „Mit dem anderen Kerl sahst du wie eine Schlampe aus!“ Claudia knallt dem Knallkopf die Tür vor der Nase zu, aber der lässt sich nicht davon abbringen: „Du weisst nicht, wozu ich fähig bin!“ Welch Drohung!
Die unheimliche Begegnung der toni´schen Art hat Claudia jedenfalls emotional angeschlagen, deswegen sucht sie Schutz und Sicherheit im Zeichen der Burg, eh, bei Bruno, der ihr erzählt, dass sie am nächsten Tag eine Audienz bei Santini hagben. Und als Claudia sich nach der Frau auf einem rumstehenden Foto erkundigt, schüttet Bruno sein Herzeleid über seine tote Frau aus und hat nun seien eigenen kleinen Breakdown. Claudia versteht, dass Bruno ihr hilft, um damit irgendwie auch seinen Frieden mit der verblichenen Angetrauten zu finden.
Weil Quiroga entgegen der strikten dienstlichen Anweisung keine massenkompatible Esoterik-Story abliefert, sondern sich in den Namenlosen-Fall verbeisst, wird er gefeuert. Toni, von dem wir alle nicht wissen, wozu er fähig ist, ist immerhin dazu fähig, sich ein Tattoo stechen zu lassen (ich bin enorm beeindruckt).
Und in der geschlossenen Abteilung des Knasts lässt Santini seinen Besuchern überraschenderweise ausrichten, dass er ausschliesslich mit Claudia zu sprechen gedenke, obwohl – zitter-argh-beb – er überhaupt nicht wusste, dass sie mitkommen würde! Der verantwortliche Knastdirektor warnt Claudia noch, Santini nicht auf seine Hautkrankheit, ein Souvenir aus KZ-Tagen in Dachau, anzusprechen, sonst könnte der alte Knacker ausrasten.
Toni (wir wissen, dass er dazu fähig ist, sich tatöwieren zu lassen) ist auch dazu fähig, sich in Schwierigkeiten zu bringen, denn er führt in einer Bar sein neues „Claudiä-Tattoo (sentimentaler Trottel) einem ominösen Typen mit leichter Gesichtsentgleisung vor, den wir als den Claudia-Schreck aus der U-Bahn von ziemlich am Anfang wiedererkennen und der unbürokratisch vorschlägt, das neue Tattoo müsse der Angebetenen doch sofort vorgeführt werden, weswegen man sich am besten gleich in deren Wohnung begebe. Zum Glück hat Toni aus Zeiten der gemeinsamen Liason noch die Schlüssel. Schätze, das war nicht Tonis allercleverste Idee, zumal Toni und seinem neuen Freund ein paar mysteriöse Gesellen folgen.
Claudia sieht sich indes Santini gegenüber – und abgesehen davon, dass Santini nicht festgeschnallt mit Maske hinter Sicherheitsglas fixiert ist, könnte man glatt auf die Idee kommen, dass hier jemand The Silence of the Lambs gesehen hat. Zumal Santini auch Claudia gleich mal mit Komplimenten („Du bist wunderschön“) überhäuft und ausschweifig über seine Vergangenheit als KZ-Opfer („sie steckten mich in eine Kobalt-Kapsel“) schwadroniert. Aber nicht alle Nazis seien seine Feinde gewesen, manche waren auch nett und hätten Santini alles gelehrt, an das er glaube. „Ich bin nicht verrückt, ich bin Wissenschaftler!“ (bei diese Zeile juchzen Trashfreunde aller Generationen und speziell Lyz von And You Call Yourself A Scientist wird hier in helles Entzücken ausbrechen), und als solcher müsse man nun einfach forschen. Weitere Anklänge an Dr. Lecter – Santini „kennt“ Claudia „aus meinen Träumen“. „Ich kenne deinen Schmerz“ – als Mutter strebe man schliesslich danach, es seinen Kindern an nichts mangeln zu lassen, sie auf den richtigen Weg zu lenken usw. Dann lässt sich der Madman zu einem Gleichnis herab: „Ich bin wie dieser Tisch!“ Nein, er ist nicht vierbeinig und hat ´ne PVC-Oberfläche, sondern, so wie der Tisch innerlich von Termiten angenagt werde, so werde er, Santini selbst, von Maden zerfressen, was ihm unerträgliche Schmerzen zufüge (er demonstriert dies mit einer kurzen Schmerzattacke, die selbst Pucki, den badmovie-Kater, aus seinem gepflegten Halbschlaf weckte). Claudia versucht während all diesen Schmafusis , Santini in die Richtung tauglicher Hinweise zu lotsen, letztendlich rückt der aber von selber mit einem kryptischen Hinweis heraus: „Deine Tochter wartet auf dich, du solltest sie holen, du bist doch eine gute Mutter. Sie ist an dem Ort, an dem alles begonnen hat!“ Claudia kapiert den üblichen Bahnhof, aber Santini hat sich in seine eigene Geisteswelt zurückgezogen. Bruno ist bei der Nachbesprechung begeistert: „Alles fügt sich zusammen!“ (ach ehrlich? Ganz so weit bin ich noch nicht), Santinis KZ-Vergangenheit sei das fehlende Bindeglied zwischen Thule-Bund und Namenlosen. Plötzlich springt Santini noch mal gegen die Glasscheibe: „Das Böse ist der Schlüssel! Meine Kinder sind soweit!“ Und mit einem kurzen abfälligen Blick auf Bruno: „Und du bist so gut wie tot!“ Charmant, der Kerl.
Bruno drängt Claudia, den Hinweis zu entschlüsseln, aber die ist oberhysterisch: „Meine Tochter wird vielleicht gerade vergewaltigt und ich soll ein Puzzle lösen!“ Wäre vielleicht besser, um ersteres zu verhindern, mylady. Jedenfalls ist Bruno sicher, dass die Sektierer irgendein grosses Ding vorhaben und Claudia in ihrer Wohnung nicht mehr sicher sei. Man fährt nur noch mal kurz hin, um das Nötigste zusammenzupacken (und nach Claudias Ansicht ist das Nötigste der Inhalt ihres Medizin-Schränkchens) – jedoch stolpert Bruno im Wohnzimmer über eine schöne Bescherung: Toni, nackt, mit durchgeschnittener Kehle und demzufolge reichlich hinüber. „Sie wollen dir Angst machen,“ stellt Bruno (MdEOT-Absolvent) fest und an der Decke (!) findet sich die mit Blut geschriebene Botschaft „Sie ist nicht tot“ (soweit waren wir ja mittlerweile auch schon – ausserdem, wenn die Namenlosen Claudia Angst einjagen wollen, warum hinterlassen sie dann eine Botschaft, die offenkundig darauf aus ist, dass Claudia am Ball bleibt?)
Bruno alpträumt und wird von einem Quiroga-Anruf geweckt. Der glaubt, die Namenlosen aufgespürt zu haben, in einem verlassenen Hotel an der Stadtgrenze. Bruno verspricht, mit Claudia sofort dorthin zu kommen, aber Quiroga (Dösbattel) will nicht so lange warten und die Location allein auschecken. „Ich hoffe, er weiss, was er tut,“ meint Bruno (ich glaube, er weiss es nicht). Quiroga durchsucht das Hotel und findet prompt diverse esoterisch-gewalttätige Schriften und entsprechendes Bildmaterial. Die Adresse stimmt wohl (woher auch immer er sie übrigens hat).
Als Claudia und Bruno zum Hotel fahren, fällt es der Dame wie Schuppen aus den Haaren – sie kennt das Hotel: „Dort wurde Angela gezeugt!“ Bingo, wenn das nicht der Ort ist, wo alles angefangen hat… „Sie ziehen sich in verlassene Häuser zurück“, kombiniert Bruno (was sollen sie auch sonst tun – Leuchtreklamen aufstellen?) und entscheidet sich, Quiroga zu folgen. Claudia soll warten, mag aber nicht, aber Bruno bemerkt korrekt, dass die gute Frau wieder mal hysterisch ist (und sich grad auch ein paar Psychopharmaka eingeworfen hat) und vermutlich keine grosse Hilfe darstellen würde. Vielmehr soll sie, wenn Bruno in 30 Minuten nicht wieder zurück ist, die Polente alarmieren.
Quiroga macht indes die Bekanntschaft einiger Namenlosen, hat aber nicht viel davon, weil die stantepete über ihn herfallen und grausam-brutal zu Tode foltern. Bruno hört Quirogas Schreie und folgt ihnen…
Claudia bekommt einen Anruf und zwar von ihrer Tochter: „Ich glaube, deine Freunde sind tot! Hilf mir, beeil dich!“ Der freundlichen Bitte mag sich Claudia nicht entziehen. Im Hotel findet sie auch gleich eine Namenlose: „Wir haben auf dich gewartet – du hast lang gebraucht!“ Und übrigens, Claudias Tochter „sei jetzt eine von uns!“ „Sie gehört zu mir“, schreit Claudia, doch da…
Ich will ausnahmsweise das Ende nicht verraten – wer´s dennoch wissen will, scrolle nach gaaanz unten.
Glaubt mir, ich würde herzlich gerne eine enthusiastische Kritik zu The Nameless schreiben, denn das Jaume Balaguero eines der ganz grossen Talente des Horrorkinos ist, kann man nach Ansicht dieses Films nicht guten Gewissens bestreiten. Blosses Talent (das allerdings in rauhen Mengen, wie ich gleich noch spezifizieren werde) reicht aber dann nicht aus, wenn man sich auch wie Balaguero´ bemüssigt fühlt, seine eigenen Drehbücher zu schreiben, und da hapert´s dann doch. Ich will nicht verkennen, dass in der von Ramsey Campbell einst erdachten Plotte eine faszinierende Geschichte steckt und da ich das entsprechende Buch nicht gelesen hab, kann ich auch nicht beurteilen, ob die Schwächen nun letztendlich auf Balagueros Mist gewachsen sind oder schon in der Vorlage stecken – dennoch wirkt das Drehbuch schlussendlich ein wenig unausgereift, wobei man natürlich gleich mal klarstellen muss, dass The Nameless nur im weitesten Sinne als Horrorfilm zu sehen ist, das ganze als einen düsteren Thriller, irgendwie doch in der Tradition von Se7en zu etikettieren, kommt der Sache vermutlich am nächsten.
Dabei ist die Grundidee, wie gesagt, durchaus gut und die Umsetzung bedient sich durchaus des richtigen Wegs, die Protagonisten in einer Art Schnitzeljagd kryptische Hinweisen folgen zu lassen, ist immer wieder, zumindest von mir, gern gesehen (auch wenn man sich immer wieder fragt, warum die Schurken nicht einfach einen Brief mit der Adresse, an der sich der Held bzw. die Heldin einfinden soll, schreibt, anstelle Ratespiele mit zweifelhaftem Ausgang zu veranstalten). Was ich allerdings bemängeln muss – das ganze ist nicht immer logisch und erweckt gelegentlich den Eindruck, man würde nur Bruchstücke der eigentliche Geschichte sehen. Ganz besonders auffällig ist das an der Stelle, an der Bruno den Geistesblitz hat, einen Theologen zu Rate zu ziehen, obgleich er bis dahin nur ermittelt hat, dass ein anderes Mädchen zum etwa gleichen Zeitpunkt verschwunden ist – von dem etwas unglaubhaften Glückstreffer, dass gleich der erste von ihm näherer Untersuchung unterzogene Fall auf die richtige Spur führt, ganz abgesehen; gut, man kann das natürlich insofern vertreten, als das eine langwierigere Ermittlung den Film eingebremst hätte, aber man hätte ja gut eine Zeile Dialog einbauen können, dass Bruno schon ein Dutzend Spuren erfolglos verfolgt hat – wie Bruno letztendlich überhaupt auf die Idee kommt, in die Richtung zu recherchieren, bleibt unklar; ähnlich liegt es bei Quirogas finaler Aufspürung des Namenlosen-Hideouts im Hotel: woher weiss er davon? Hat Bolggen es ihm erzählt? Wenn ja, warum zeigt man uns das nicht? Wie schon öfters erwähnt, ich habe nichts gegen Filme, bei denen man etwas mitdenken muss, aber es wäre schön, wenn die Scripts dann wenigstens Anhaltspunkte liefern würde. Dramaturgisch ähnlich zweifelhaft, da letztendlich irrelevant ist z.B. der Mord an Toni (inklusive der vorangehenden Tattoo-Szene, die man komplett hätte schneiden können; in den deleted scenes der DVD findet sich sogar noch eine längere Fassung der Szene im Tattoo-Studio, wobei die im Gesamtkontext sogar noch mehr Sinn macht, allerdings den Film heftigst aufgehalten hätte. Die Restszene, die letztendlich im Film landete, ist aber komplett unnötig).
Was ich dem Film allerdings nicht vorwerfen möchte, zumindest nicht in übertriebener Weise, ist sein eher bedächtiges Tempo – The Nameless lebt von seiner Atmosphäre und hier zeigt sich Balagueros ganzes Können – er ist ein Virtouse im Umgang mit den Mitteln der modernen Filmtechnik, hat das Gespür dafür, wann eine lange, bedrohliche Kamerafahrt angebracht ist, wann man eine Szene durch hektische Zwischenschnitte aufregender gestalten kann, und, ganz besonders, ist ein wahrer Meister im Einsatz von Soundeffekten. Geräuscheffekte und die damit erzielbare Wirkung sind leider im modernen Film ziemlich in Vergessenheit geraten, ausser es dreht sich um ohrenbetäubend laute KNALL-BUMM-Explosionseffekte. Balaguero´ versteht es dagegen ausgezeichnet, allein mit Geräuschen Bedrohungskulissen aufzubauen und Schauer auszulösen – da braucht er dann keine Schockeffekte in Form von Splattereinlagen mehr (der FSK-18-Sticker ist einmal mehr ein eher aus marktstrategischen Erwägungen denn wahrlich gewalttätigen Blutgehalts o.ä. zu verstehen). The Nameless braucht keine Gewaltorgien, um seine düstere, bedrohliche Stimmung zu erzeugen, es reicht das Zusammenspiel von grandioser Kamerarbeit, ausgezeichneten Bildkompositionen und den unheimlichen Geräuschen. Nur schade, wie gesagt, dass die Story selbst nicht noch einen Tacken besser ist (zumal vielgeübte Allesseher die grosse Schlussüberraschung – und möglicherweise sogar das Schock-Ende – nicht so wahnsinnig unvorbereitet trifft – obgleich natürlich rein storytechnisch der ein oder andere kleine Anhaltspunkt dafür nicht schlecht gewesen wäre und auch in der Rückbetrachtung, also unter Einbeziehung aller uns verratenen Tatsachen, sich nicht alles vollkommen logisch auflösen lässt).
Mein grösstes Problem mit dem Drehbuch ist letztlich, dass es arg auf seine (durchaus böse) Schlusspointe hinkonstruiert wirkt – zum wiederholten Ansehen regt der Streifen nicht unbedingt an. Ändert nichts daran, dass der Film visuell ein Genuss und der bewusste Einsatz von Soundeffekten in dieser Klasse ebenfalls selten gesehen, eh, gehört ist. Wenn Balaguero´ jetzt noch lernt, bessere Drehbücher zu schreiben oder über seinen Schatten springt und mal mit einem amtlichen Autor zusammenarbeitet (bislang steht der Junge wohl auf dem Standpunkt, nur eigene Scripts zu verfilmen), ist er einer der wenigen Kandidaten, die es auf der Pfanne haben, einen wirklich furchteinflössenden Horrorfilm ohne übermässige Zuhilfename von Blut und Gedärm zu fabrizieren. Sein mittlerweile abgedrehtes Zweitwerk Darkness, das allerdings nach der Schilderung des Regisseurs zu urteilen auch nur eine eher unkreative Spukhaus-Plotte sein könnte, tät mich schon mal interessieren.
Kurz gesagt möchte ich folgendes festhalten: Jaume Balaguero ist einer der seltenen Sorte Regisseure, die sich darüber im klaren sind, dass man technische Mätzchen wie Wechsel von Super-8-, Video- und High-End-Digitalaufnahmen wie Geräuscheffekte nicht nur als blosse Selbstbeweihräucherung (nach dem Motto: „Was Oliver Stone kann, kann ich schon dreimal“), sondern als bewusste Mittel einsetzen kann, um den Plot vorwärts zu treiben, Atmosphäre und ganz einfach Emotion beim Zuschauer zu erzeugen. Balaguero´ versteht es, die modernen technischen Möglichkeiten im Sinne des Films und seiner Geschichte auszureizen, und von der Sorte gibt´s nicht so wahnsinnig viele.
Schauspielerisch leisten die durch die Bank einheimischen Darsteller Beachtliches. Emma Vilarasau überzeugt als gepeinigte Mutter, wobei allerdings diejenigen, die beim Anblick ständig am Rande des Nervenzusammenbruchs stehender Frauen (subtile Almodovar-Referenz) automatisch ihre Fluchtreflexe anschalten, den Streifen grossräumig umschiffen sollten: die von der Rollengestalt Claudia verlangten emotionalen Varianten bestehen nämlich exklusiv aus den Zuständen „leidend“, „extrem leidend“ und „hysterisch“. Wie gesagt, die Rolle will es so und Vilarasaus Leistung ist ausgezeichnet, aber ich könnte verstehen, wenn einem Claudia über die Laufzeit hinweg zunehmend auf die Nerven geht.
Karra Elajalde legt seinen Bruno, wenn ihr mich fragt, an einer typisch brummigen Jean-Reno-Performance an, und das ist angemessen (ersatzweise nominiere ich den Kerl, der in dem ansonsten total zu vergessenden Hannibal den italienischen Polizisten spielte, hab jetzt den Namen nicht im Kopf und keine Lust, die IMDB zu konsultieren). Ihm kommt auch zupass, dass seine Rolle eine grössere dramatische Bandbreite aufweist.
Dem ein oder andere Cineasten könnte Tristan Ulloa bekannt vorkommen, war der doch schon in Almodovars Kika und in Aktion Mutante am Werk. Hier hat er mit der undankbaren Rolle des Quiroga zu kämpfen, der mir ein wenig zu sehr ins Klischee abgleitet. Ulloa macht aber noch das Bestmögliche daraus.
The Nameless wurde von e-m-s im Rahmen seiner Reihe spanischer Genre-Filme in einer Doppel-DVD auf den Markt gebracht, wobei sich Zusatzmaterial von ca. 90 Minuten Dauer anfindet. Das hätte man natürlich bei bösem Willen auch auf die eigentliche Film-DVD kleistern können, aber ich rechne es e-m-s positiv an, dass man zugunsten der Qualität einen Extrasilberling beilegt und auf der Film-DVD eben nur den Film (plus dem deutschen Trailer) unterbrachte. So erfreut ein grösstenteils superber 1.85:1-Widescreen-Transfer des Auge des Betrachters, der dem High-End-Look des Films absolut entgegenkommt und die kühle Bedrohlichkeit der düsteren Aufnahmen überwältigend auf die heimische Glotze überträgt. Wenn nicht ein paar kleine Störblitze immer wieder mal auffunken würden, wäre das ein perfekter Transfer. Ebenfalls perfekt der deutsche Dolby-Digital-5.1-Ton, der ganz besonders dem Einsatz der Geräuscheffekte absolut gerecht wird (ausserdem findet sich spanischer Originalton, englische Synchronfassung – beides in 5.1 – sowie deutsche Tonspuren in DD 2.0 und DTS, wobei letztere einmal mehr bei mir nicht funzen wollte, auf der Disc).
Die Extras auf Disc 2 sind zahlreich: neben spanischen und englischsprachigem Trailer freuen wir uns über zwei spanische TV-Spots, Biographien zu Balaguero und den wesentlichen Darstellern, eine mit Musik unterlegte Fotogalerie und vier ganz besonders zu erwähnende Punkte. Erstens ein gut zwanzigminütiges, wohl fürs spanische TV produzierte Making-of, dessen Informationsgehalt leider nicht besonders überwältigend ist, da es hauptsächlich aus Filmausschnitten und Interviewschnipseln besteht und kaum auf die eigentliche Produktion eingeht. Interessant ist ein über dreissigminütiges Videointerview mit Balaguero´, in dem dieser sich hauptsächlich über Darkness und seine zukünftigen Ideen und Projekte auslässt, ein wenig über seine Einflüsse redet, aber eigentlich kaum auf The Nameless eingeht. Drittens findet sich ein Musikvideo der spanischen Kapelle Fang, die den End-Credit-Song beisteuerte, für eben dieses Lied („My Black Dress“, eine Art Gothic-Pop-Nummer, ganz nett, nur sollte irgendjemand der Sängerin ein paar Englischstunden spendieren – die Aussprache ist fürchterlich), von Balaguero unter Zuhilfenahme etlicher Filmausschnitte inszeniert. Für Sammler vermutlich am interessantesten sind zwei Kurzfilme, mit denen Balaguero´ 1994 bzw. 1995 diverse Festival-Preise abräumte. In „Aliciä (8 min, s/w) wird ein nur mit Slip bekleidetes Mädchen von zwei „Gummimenschen“ mit Gasmasken zu einer fetten „Muttergestalt“ geschleppt – das ganze wirkt mehr nach einer schlechten Sadomaso-Fantasie als nach einem ernstzunehmenden Kurzfilm (und lässt mich einmal mehr über „Publikumspreise“ bei Fantasy-Filmfesten spekulieren). Interessant gefilmt zweifellos, aber inhaltlich doch ziemliche Gülle und auch künstlerisch nicht wertvoll. „Days without Light“ (11 min) hab ich dagegen gleich gar nicht verstanden. Es geht um einen einsamen kleinen Jungen, der von seiner Mutter verlassen wird, nachdem der Papa in den „chemischen Kriegen“ draufgegangen ist und bei Ersatzeltern landet, wobei die Pflegemutter eine Domina ist und eines Tages den Pflegepapa totprügelt. Das ganze wird dialogfrei per Voiceover kommentiert. FIlmisch über jeden Zweifel erhaben und mit dem ein oder anderen saftigen Effekt aufgepeppt, aber die Intention ist mir wirklich nicht klar (ausser dass ich ernsthaft darüber nachdenke, ob Balaguero tatsächlich noch alle Latten am Zaun hat – aber das muss einem Horrorregisseur nicht zwangsläufig schaden).
Wie gesagt – die Kurzfilme sind nicht exakt mein cup-of-tea, aber für Balaguero-Fans und solche, die es vielleicht werden wollen, sicherlich hochinteressant, so dass ich summa summarum zur e-m-s´schen DVD schon meinen Segen geben würde.
Was also sind die entscheidenen letzten Worte? Vielleicht die, dass ich mir einmal untreu werde und entgegen meiner sonstigen Gepflogenheiten einen Film vorsichtig empfehlen möchte, bei dem letztendlich „style over content“, also Stil über Inhalt siegt. Der Film ist stilistisch einfach so überwältigend gelungen, dass ich über die inhaltlichen Schwächen fast hinwegsehen kann – allerdings mit der Einschränkung, dass ich The Nameless bei aller Atmosphäre und aller Düsternis nicht für überwältigend spannend oder schockierend halte, sondern manchmal etwas vorhersehbar, an anderer Stelle etwas abkupfernd (das erwähnte Silence of the Lambs-„Zitat“), aber nichtsdestotrotz für den brillanten Showcase eines ambitionierten Regisseurs, der das Zeug dazu hat, dem Horrorgenre und seinen Fans mit einem amtlichen Drehbuch irgendwann einmal tatsächlich einen echten Hammer vor den Latz zu knallen. Die Anlagen dazu hat Balaguero sicher. Letztendlich sollte man den Film einfach mal antesten, es ist noch nicht die Revolution des Horrorfilms, aber vielleicht ein Aufgalopp.
(c) 2000 Dr. Acula
… „Und auch zu mir,“ grinst Claudia jemand an – niemand anderes, als ihr alter angeblich abgehauener Ehemann Marc (naja, so´ne Überraschung ist das nu auch wieder nicht). Marc lächelt fröhlich vor sich hin: „Du wolltest doch immer die Wahrheit!“ Es ging von Anfang an um Angela, den „Inbegriff der Reinheit, die wir ihr ausgetrieben haben“, die nun ein Werkzeug, und zwar das beste von allen, der Namenlosen sei. Durch ihre Hinweise hätten die Namenlosen Claudia hergelockt, und die sei auch treu und brav allen ausgelegten Spuren gefolgt und sei nun reif für die ultimate Enthüllung. „Unser Ziel ist nicht mehr fern,“ sülzt Marc, „wir werden schaffen, was noch nie jemand vor uns erreicht hat!“ Und zwar nicht weniger als die „Vervollkommnung des Bösen in seiner ursprünglichen Form“ – hochgesteckte Ziele… und Claudia habe die Ehre, als Zeugin demselben beiwohnen zu dürfen. Verständlicherweise bekommt Claudia eine mittlere kleine Krise und versucht eine halbherzige Flucht, was Marc gelinde amüsiert. „Du hast alles arrangiert,“ krakeelt Claudia und Marc schütttelt lächelnd den Kopf: „Ich nicht!“ Wer dann? Dreimal dürft ihr raten… Bruno ist´s nicht, denn der liegt tot rum. „Das war ich, Mama!“ Jaja, die Angela, aber „ich habe keinen Namen“, versichert das undankbare Balg seiner entgeisterten Mama. Während Claudia die liebe-Mutti-Tour versucht, erklärt Marc, dass die Namenlosen die „Synthese vervollkommnet“ haben. Es ist nicht genug, nur zu zerstören und zu foltern, man müsse auch „das Herz“ töten (uff), um die totale Umkehrung des Guten zu bewerkstelligen. Claudia flüchtet sich in ein Hotelzimmer, Angela hinterher, bewaffnet mit Brunos Knarre. Paps steht draussen vor der Tür und feuert das Kind an, Claudia zu erschiessen. „Sie benutzen dich nur,“ fleht Claudia und tatsächlich scheint bei dem Gör ein Denkprozess einzusetzen. Oder aber Papa Marc geht ihr irgendwann nur auf die Nerven – sie knallt ihn mit den Worten „sei still“ durch die Türe ab. „Ich konnte es nicht mehr ertragen,“ heult das Mädel und fällt der Mami um den Hals: „Verzeih mir! Du hast mich doch immer noch lieb?“ Claudia versichert selbiges. Happy End? Nö, nicht ganz… denn in der innigsten Umarmung verwandelt sich Angelas Blick in absolute Bösartigkeit: „Gut, denn dann leidest du mehr! Was dich erwartet, ist tausendmal schlimmer als der Tod!“ Und weil Angela ein wirklich böses Miststück ist, will sie diese Moment des totalen Triumphs des Bösen nicht mit den Namenlosen teilen: „Das ist nur für uns!“
„Ich ruf dich wieder an,“ sagt das Kind noch und schiebt sich dann den Lauf der Pistole in den Mund…
BOMBEN-Skala: 3
BIER-Skala: 6
Review verfasst am: 01.09.2000