The Mystery of the Marie Celeste

 
  • Original-Titel: The Mystery of the Marie Celeste
  • Alternative Titel: Phantom Ship | The Mystery of the Mary Celeste |
  • Regie: Dennison Clift
  • Land: Großbritannien
  • Jahr: 1935
  • Darsteller:

    Arthur Lorenzen (Bela Lugosi)
    Sarah Briggs (Shirley Grey)
    Capt. Benjamin Briggs (Arthur Margetson)
    Toby Bilson (Edmund Willard)
    Tom Goodschard (Dennis Hoey)
    Tommy Duggan (George Mozart)
    Peter Tooley (Johnny Schofield)
    Ponta Katz (Gunner Moir)
    Hoffman (Ben Welden)
    Capt. Jim Morehead (Clifford McLaglen)


Vorwort

Abt. Olle Kamellen frisch auf den Tisch

Unser heutiges Review verdanken wir mal wieder den bereits neulich, bei She Gods of Shark Reef gewürdigten Freunden von archive.org und ihrer Fundgrube an Filmen, die in den USA ins Public Domain gefallen sind. Mit Phantom Ship, so nennt sich der Streifen in seiner wohl bekanntesten, da eben der amerikanischen, Inkarnation, schlägt mehrere Fliegen mit einer Klappe.

Zum einen kann ich endlich mal wieder Bela Lugosi, den einzig wahren Dracula, ausgiebig würdigen, zum anderen handelt es sich um eine frühe Hammer-Produktion (und ich muss den geneigten Leser jetzt hoffentlich nicht mit der Nase drauf stossen, dass Hammer ab Mitte der 50er Jahre mit seinen hauseigenen Dracula-Filmen mit Christopher Lee Kassenschlager feierte), zum dritten beschäftigt sich der Film mit einem Thema, das den Doc, überraschend (oder bekanntlich) seinen gemarteten Brägen nicht nur unterbelichteter Filmware aussetzend, sondern vielseitig interessiert, auch schon seit über 20 Jahren fasziniert.

Phantom Ship basiert nämlich auf der wahren Geschichte der „Mary Celeste“ (das „Marie“ im Original-Originaltitel ist ein schlichter Irrtum der Produzenten), die wiederum eines der ganz großen ungeklärten Mysterien der Schifffahrtshistorie angeht. Man erlaube mir daher, mal etwas weiter auszuholen (ächz – der Setzer) und die „reale“ Geschichte kurz auszubreiten, ehe wir in die filmische Interpretation der selben einsteigen.

Im Dezember 1872 entdeckte das Schiff „Dei Gratia“ unter dem Kommando von Kapitän Morehouse die voll aufgetakelte, aber scheinbar steuerlos dahintreibende Brigg „Mary Celeste“ einige hundert Meilen entfernt von den Azoren im Atlantik. Morehead, der den Kapitän der „Mary Celeste“, Benjamin Brigg (der mit seiner Frau und seiner zwei Jahre alten Tochter reiste) kannte, entschied sich zu einer Untersuchung und stellte fest, dass die „Mary Celeste“ völlig verlassen war, von der Besatzung keine Spur, die letzte Logbucheintragung zwei Wochen alt. Das Schiff war teilweise voll gelaufen, aber noch schwimmfähig, die Ladung (reiner Alkohol, der zur Weinvergärung in Frankreich vorgesehen war) unberührt. Morehouse teilte seine Besatzung auf, segelte mit beiden Schiffen nach Portugal und wollte dort das übliche Prisengeld in Anspruch nehmen. Einem britischen Marineoffizier namens Flood kam die Geschichte allerdings seltsam vor – er witterte Foulspiel seitens Morehouses und nutzte die Prisengeld-Verhandlung, um Morehouse und seiner Crew „den Prozess“ zu machen. Flood konnte nichts beweisen, unter eher fragwürdigen juristischen Umständen wurde Morehead und seinen Leuten das Prisengeld aber arg gekürzt. Schon wenig später machten abenteuerliche Theorien und Ausschmückungen der Faktenlage (die teilweise noch hundert Jahre später in „Sachbüchern“ fröhliche Urständ feierten) die Runde – die „Mary Celeste“ wurde angeblich so aufgefunden, als hätte die Besatzung das Schiff erst vor wenigen Minuten verlassen (kochendes Essen auf dem Tisch und ähnliche Scherze), Ideen wie Piratenüberfälle, Amokläufe der Besatzung aufgrund ungezügelten Alkoholgenusses aus der Ladung (ungeachtet der Tatsache, dass die Ladung erstens unberührt und zweitens ungenießbar war), Geschichten von angeblich blinden Passagieren, die sich unerkannt gerettet haben wollten und nun wirre und von keinerlei Beweisen unterfütterte dumme Storys auftischten, die von ernsthaften Autoren für bare Münze gehalten wurden, und natürlich versuchten in späterer Zeit auch die üblichen Verdächtigen das „Mary Celeste“-Rätsel für sich zu vereinnahmen – Entführung der Besatzung durch Außerirdische wurde ebenso „plausibel“ vorgetragen wie natürlich auch das unvermeidliche (obwohl geographisch tausende Seemeilen entfernte) Bermuda-Dreieck…

Das Geheimnis der „Mary Celeste“ wurde nie gelöst und wird wohl auch nie endgültig gelöst werden können (das Schiff, das bereits vor dem Vorfall als „Unglücksschiff“ galt, wurde übrigens nach 1872 noch zwölf Jahre benutzt und dann von seinem neuen Eigner im Zuge eines versuchten Versicherungsbetrugs versenkt; das Wrack wurde 2001 von Bestsellerautor Clive Cussler und seiner NUMA entdeckt) und wird noch Generationen von Seefahrts-Romantikern zu wüsten Spekulationen motivieren. Dabei ist die wahrscheinlichste Erklärung ziemlich profan (und deswegen auch herzlich unromantisch) – demnach ist davon auszugehen, dass die Besatzung aufgrund eines vermeintlich drohenden Alkohol-Schwelbrands oder einer Alkohol-Gas-Entwicklung das Schiff im (bei Entdeckung der Brigg fehlenden) Rettungsboot verließ, um abzuwarten, was passieren würde, dabei aber die Vertäuung zum Schiff riss und die Menschen zum Opfer des Atlantiks wurden.

Nun, eine solche Geschichte ist zwar tragisch, aber nicht wirklich großes Kino und so ist davon auszugehen, dass eine Filmproduktion, noch dazu eine, die sich mit Bela Lugosi eines großen zeitgenössischen Stars bedient, nicht wirklich um Realitätsnähe bemüht sein wird (auch und vor allem, wenn es sich für das produzierende Studio um eine ambitionierte Produktion handelt).Bedenklich stimmt ein wenig die kurze Laufzeit – kann man eine solche Mysteriengeschichte in knapp einer Stunde abhandeln? Andererseits ist der TV-geschädigte Doc auch wieder dankbar – heutige Produzenten würden vermutlich einen TV-Event-Dreiteiler draus machen…


Inhalt

Zunächst mal informiert uns eine Texteinblendung, dass das nachfolgende Drama auf den staatsanwaltschaftlichen Akten des tatsächlichen Ermittlungsverfahrens beruht (was ich, ohne diese Akten persönlich zu kennen, mal locker-flockig ins Fabelreich verweisen möchte).

Anschließend finden wir uns in New York wieder, anno 1872, und zwar genau am Hafen, wo die „Mary Celeste“ mit ihrer alkoholischen Fracht beladen wird. Kapitän Brigg hat zwar ein Schiff, eine Ladung und einen ersten Maat, den grummlig-rauen Seebären Bilson, aber es mangelt ihm an einer entscheidenden Zutat zur erfolgreichen Atlantiküberquerung – eine Besatzung. Bilson hätte da schon seine Vorstellungen – die benötigten Seeleute könnte man doch einfach shanghaien (für nautlisch unbeleckte Mitlesende: der ausersehene Kandidat wird bis zur Besinnungslosgikeit mit Alkohol oder ähnlichen Substanzen abgefüllt, an Bord geschleift und muss dann sehen, wie er zurecht kommt). Captain Brigg lehnt diese Methode entschieden ab und hat außerdem noch einen schwer erfüllbaren Sonderspezialwunsch – die Seeleute dürfen auf der Fahrt nicht fluchen oder sich sonstwie unanständig benehmen, weil seine Frau mit von der Partie sein wird.

Sarah, so heißt die Holde, weiß noch nichts von ihrem Glück, und das gleich in zweifacher Hinsicht. D.h. sie wird von Benjamin Brigg nicht nur mit der Aussicht auf eine Italien-Reise überrascht, sondern auch mit dem (selbstverständlich in keiner Sekunde eine potentielle Ablehnung erwartend) Heiratsantrag. Mir dünkt, Captain Brigg ist recht optimistisch. Das mit dem Heiraten würde Sarah sich ja noch eingehen lassen, aber die Schiffsreise ist ihr suspekt – einzige Frau unter lauter Seebären, das taugt ihr nicht wirklich (verdenken kann ich´s ihr nicht. Kenn doch Männer…). Aber Brigg macht ihr den Trip wortreich und süßholzraspelnd als Honeymoon schmackhaft. Da gibt´s nur noch ein klitzekleines Problem, und das heißt Captain Jim Morehead, ist ein alter Kumpel von Brigg und, da wird´s interessant, ebenfalls stark daran interessiert, Sarah baldmöglichst in den Hafen der Ehe zu lotsen. Und im Gegensatz zu Brigg hätte Morehead sogar noch einen entscheidenden Vorteil – er wäre dazu bereit, für sie die ganze Seefahrerei sausen zu lassen und stinkende Landratte zu werden. Gut, dass sie ihn nicht liebt, steht auf ´nem anderen Blatt, aber sorgfältig abwägen muss frau das schon.

Da trifft es sich ganz günstig, dass Morehead justament in der Sekunde ebenfalls bei Sarah seine Aufwartung macht, um ihr seinerseits ´nen Antrag zu machen. Als Brigg freudestrahlend von baldig bimmelnden Hochzeitsglocken faselt, entgleisen Morehead programmgemäß ein bis drei Gesichtszüge – schließlich hat er erst Sarah und Brigg miteinander bekannt gemacht (drum empfehle ich immer wieder gern: eine Maid, auf die man selbst ein Auge geworfen hat, empfiehlt man im Freundeskreis nicht weiter. Gibt nur Ärger). Tut Brigg ja auch irgendwie ganz doll leid, aber ändert nichts an seiner Willenserklärung. Immerhin fragt er mal bei Sarah nach, ob sie Morehads Antrag stattgegeben hätte. Sarah verneint, was Brigg einerseits beruhigt, andererseits wär´s ihm eh wurscht gewesen: „Ich hätte sie auch genommen, wenn sie ´ja´ gesagt hätte.“ Soviel zum Mitspracherecht der Frau in Liebesdingen. Ans Herz wächst mir Kamerad Brigg jetzt nicht pauselos. Morehead schimpft Brigg einen gar fiesen Backstabber – beinah gehen sich die Herren an die Wäsche, aber Morehead mimt den Klügeren, der nachgibt, und stapft mit einem offensichtlich an Brigg adressierten „Ich will dich nie wieder sehen“ wutig von hinne. Sarah fühlt sich gar schrecklich, aber Brigg hat die kleine Episode offenbar längst verdrängt: „Aber warum denn?“

Okay, das ist jetzt möglicherweise großes Liebesdrama, bringt uns in Sachen „Mary Celeste“ auf den ersten Blick nicht weiter (obwohl die Morehead-Connection… hmmm…).

Schalten wir also um zum nominellen Star der Plotte, Bela Lugosi. Der schlurcht als extrem abgewrackter abgehalfteter früh ergrauter Seemann in eine vermutlich übel beleumundete Hafenspelunke, schmeißt seinen Seesack auf die Theke, und ordert sowie verhaftet einen Whiskey, ohne allerdings die finanzielle Gegenleistung von 10 Cent (das waren noch Preise) leisten zu wollen oder können. Für solche üblen Zechpreller hat eine ordentliche Hafenspelunke natürlich immer ausreichend Muskelmasse am Start und die schiebt sich, angeführt von Spelunkeneigner Jack Sampson, auch schon bedrohlich in den Dunstkries des Pleitegeiers. Uns Bela verklickert Sampson und dem Barkeeper, dass die beiden ihn durchaus kennen, Arthur Lorentzen heisst er hier und hat ersichtlich schon mal bessere Zeiten gesehen. „Ich dachte, du wärst tot“, entfährt es den angesichts seines abgewirtschafteten Altbekannten schockierten ampson. Lorentzen will seine Lebensgeschichte ersichtlich nicht vor breitem Publikum ausplaudern und lässt sich in ein Hinterzimmer geleiten, von Scheitel bis zur Sohle eine gebeugte verbitterte und gebrochene Hülle eines Mannes (in Englisch kläng das besser: a bitter, broken and broke shell of a man). Unter vier Augen verrät Lorentzen, was ihn so früh hat altern lassen – er wurde vor Jahren shanghait und musste schwerst schuften und leiden. Jack ist entsetzt; Lorentzen kunftet aus, nur noch weg zu wollen.

Mittlerweile hat auch Bilson die Bar aufgesucht, um dort ein paar seetüchtige Kämpen für die „Mary Celeste“ aufzugabeln. Jack Sampson ist zunächst unkooperativ, aber willig, gegen eine Kopfprämie von 5 Dollar pro vermitteltem Seemann die Werbetrommel zu rühren (tja, heutzutage klappt das auch nicht mehr, siehe Vermittlungsscheinfiasko). Wobei die Sache mehr oder weniger so ausfällt, dass Jack sich ein paar seiner üblichen Verdächtigen auskuckt und den entsprechenden verdutzten Lokalgästen verklickert, ab sofort in einem Anstellungsverhältnis mit dem Kapitän der „Mary Celeste“ zu stehen. Damit auf der Fahrt auch für ausreichend musikalische Unterhaltung gesorgt ist, befinden sich unter den Angeheuertern auch ein Schifferklavierspieler und ein Geiger. Na, zumindest langweilig kann´s nicht werden.

Ben und sein (bereits angetrautes? Naja, so schnell kann´s auch wieder nicht gehen) Weibchen entern die „Mary Celeste“. Bilson scheint der Anwesenheit von Weibsvolk an Bord einen unspezifizierten Unenthusiasmus entgegenzubringen, beim ein oder anderen geistig eher schlicht gestrickten Seemann sieht die Sache schon ganz anders aus. „Bevor diese Reise vorbei ist, ist sie meine Braut“, sabbert einer der grobschlächtigen Männer (dessen Namen ich nicht mitgekriegt habe, und ich bin jetzt zu faul, im Vorspann nachzusehen, wo alle wesentlichen Beteiligten mit Bild vorgestellt werden). Für Spannungsfelder ist also gesorgt…

Und es wird nicht das letzte bleiben… Jack ist ein wahrer Freund und denkt auch an Lorentzen und seinen dringenden Wunsch, Land bzw. See zu gewinnen: „Ich hab ein Schiff für dich!“ Natürlich die „Mary Celeste“ und bei der Erwähnung dieses Namens jagt ein wahrer kalter Schauer durch den alten Mann: „Wer ist der erste Maat?“ Bilson, berichtet Jack wahrheitsgemäß. Lorentzen fletscht die Zähne: „Wilson HIER???“ Jack interpretiert den leicht cholerischen Anfall seines alten Kumpels sicherheitshalber mal als Ablehnung, aber Lorentzen belehrt in energisch eines besseren – er WILL diesen Job. Und heuert deshalb eine Szene später unter falschem Namen bei Bilson an. Der Maat erkennt Lorentzen, wohl aufgrund dessen körperlichen Verfalls, nicht wieder. Damit hätten wir also schon ein zweites Spannungsfeld…

Nachdem Ben Brigg nebst Sarah kurz mit dem Besitzer des Schiffs, einem Mr. Winchester, palavert und der viel Spaß bei der Hochzeitsreise wünscht, wendet sich der Kapitän an Bilson – trotz aller Bemühungen fehlt immer noch ein Mann (also, ich glaub nicht, dass sich ein Kapitän 1872 ernsthaft ins Knie gepinkelt hat, wenn EIN Mann zu wenig an Bord ist), und weil er nicht understaffed auslaufen will, verfällt er auf einen Plan, den selbst ich spontan für ausgesprochen dusselig halte. Er latscht zu Morehead, der ja bekanntlich bestens auf ihn zu sprechen ist, und bittet freundlichst und ohne Groll um leihweise Überlassung eines der bei Morehead beschäftigten Arbeitnehmers (! Brigg ist der Erfinder der Zeitarbeit!) Zu allgemeiner Überraschung, zumindest meiner, ist Morehead gern bereit, seinem Rivalen um die Gunst der schönen Sarah mit einem Mann auszuhelfen (ein bisschen ZU hilfsbereit, wenn man mich fragt). Ein Kerl namens Groot (I am?) wird sich bei Brigg melden, verspricht Morehead und wünscht speziell Sarah eine gute Reise. Aber bevor er Groot auf die „Mary Celeste“ schickt, spricht Morehead noch ein persönliches Wort mit dem Leiharbeiter – nicht nur, dass er ihm den unermesslichen Reichtum von 38 $ als Entlohnung für die Fahrt vorab in die wettergegerbte Patschhand blättert, nein, er hat da noch so eine leise Ahnung, dass während der Reise „Brigg ja irgendetwas zustossen könnte…“. Nein, wie hundsgemein!!! Immerhin, damit haben wir schon drei Topverdächtige für das sich zweifellos anbahnende Murder Mystery. Jetzt wär´s nur noch schick, wenn wir langsam in See stechen könnten, der Film ist nämlich schon zu einem Drittel rum…

Na, als hätte ich´s geahnt – schon setzt die „Mary Celeste“ die Segel und schippert los, der Schifferklaviermann hält sich arbeitstechnisch merklich zurück, um seine schuftenden Kollegen mit wunderbaren Shanties beschallen zu können und Fiddler Duggan (dessen hauptamtliche Funktion Steward und Koch ist) spielt Sarah den gleichen Song in der Kabine vor. Bilson weckt recht rabiat zwei auf Deck ratzende Männer (hat er die shanghait? Die kommen mir aus Jacks Hafenbar nicht bekannt vor) , was den einen der so brutal ins Wachstadium transformierten Kerle so gut gefällt, dass er Bilson an die Gurgel geht (Sarah sieht angewidert-entsetzt dem Zweikampf zu). Bilson entscheidet den Fight kraft seiner Autorität als erstem Maat (und mit dem sollte man sich, auch wenn man gepresst wurde, als Seemann nicht anlegen, wenn man´s auf der Reise leicht haben will) für sich, doch ergeht sich der Unterlegene in düsteren Drohungen: „I´m gonna crack your skull wide open!“ (Macht keine Versprechungen, die ihr nicht halten könnt, Leute). Sarah wendet sich protestierend an Brigg und schimpft über die Shanghai-Methoden. Brigg entschuldigt sich, aber in der Eile war anderweitig sonst keine Crew zusammenzubekommen, verteidigt er sich.

Unter Deck, in den Mannschaftsquartieren, plant Groot bereits die Meuterei, die er am angeblich ungenießbaren Schiffszwieback, den Duggan den Männern kredenzt, festmacht. Seine werten Mitseebären sehen die Lage erheblich weniger dramatisch, was Groot nicht daran hindert, bei Brigg vorstellig zu werden und bessere Versorgung zu reklamieren. Brigg outet sich als harter Hund, bezichtigt Groot der glatten Lüge und beauftragt Bilson, „some decency“ in den Nörgler zu prügeln. Mit Betriebsrat wär das nicht passiert. Bilson geht mit sichtlicher Freude daran, Groot für sein ungebührliches Betragen zu bestrafen (den eigentlichen Akt der Bestrafung dürfen wir uns allerdings nur ausmalen), Sarah ist weiterhin schockiert und Brigg grübelt, das Groot wohl irgendeinen hinterhältigen Plan verfolgt (mein Gott, wie hast du dein Kapitänspatent bekommen, Meister? Zähl doch mal 2 und 2 zusammen, ist doch wirklich nicht scher).

Später in der Nacht – Brigg hält höchstpersönlich das Steuer. Groot schleicht sich an ihn heran und plant, den Kapitän fieserweise zu meucheln, doch der aufmerksame Duggan eilt seinem Kapitän zu Hilfe und ersticht den Bösewicht mit seienm Küchenmesser. Brigg stellt fest, dass irgendetwas nicht stimmt (ein echtes Hellchen, der Skipper. Gegen den war der Titanic-Captain ein Ausbund an Kompetenz und Weitblick) und befiehlt Bilson, die Männer verstärkt unter Beobachtung zu halten.

Sarah klimpert auf ihrem (historisch belegten) Cembalo ein hübsches Lied (das aber lustigerweise von der Tonspur aber voll orchestriert klingt), was Brigg beim Logbuchschreiben leicht zu nerven scheint. Aber noch bevor er sein Schatzi zur Schnecke machen kann, bricht die schon von ganz allein in Tränen aus: „Ich versuche, tapfer zu sein, aber ich gehöre nicht auf dieses Schiff!“, schnieft sie, „Ich wußte nicht, dass Männer so brutal sein können!“ (Oah, das Mädel ist behütet aufgewachsen… die wird sich noch umschauen im richtigen Leben). Brigg behauptet wider besseres Wissen, das alles in Ordnung sei und bittet um Wiederaufnahme der Singerei, was sein Schnuckiputz dann auch (wieder voll fröhlich-motiviert… ich wär vorsichtig mit der, die ist launisch) erledigt.

Bilson trifft dieweil an Deck fast der Schlag – eine schwarze Katze läuft ihm über den Weg! Und Lorentzen füttert und streichelt das Vieh auch noch. Nun sind Schiffskatzen per se nichts wirklich verwerfliches, die halten schließlich die Nagerpopulationen im Rumpf kurz, aber Bilson ist wie alle anständigen Seebären ordentlich abergläubisch – dreizehn Seelen an Bord UND noch ´ne schwarze Katze, das ist ein bissl zu viel der bösen Omen (hier irrt der Film mal wieder, was die historischen Gegebenheiten angeht – auf der realen „Mary Celeste“ befanden sich lediglich 10 Personen). Bilson, der scheinbar nicht ganz mitgekriegt hat, dass Groot ja schon hinüber ist und sich das mit den 13 Seelen rein mathematisch bereits erledigt hat, möchte das Katzenproblem unbürokratisch lösen, indem er das Vieh über Bord werfen will, damit es seine neun Leben im Ozean verbraucht. Lorentzen ist für einen alten Knaben noch ziemlich schnell und verhindert den Katzenmord mit handfestem körperlichen einsatz. Schätze, dass er sich bei Bilson damit nicht populär gemacht hat, aber man hat eh schnell andere Sorgen, denn ein Sturm zieht auf.

Sarah schiebt in ihrer Kabine Panik, aber Lorentzen (was treibt der da??) spendet Trost: „Haben Sie keine Angst. Da ist jemand, der über uns wacht!“ Jau, Lorentzen ist tatsächlich (oder zumindest spielt er die Rolle) ein bibelfester Gottesmann. Sarah mit ein paar theologischen Ratschlägen versorgt, zieht ers ich zurück, doch da… der Grobschlächtige, der schon beim Ablegen ein paar begehrliche Augen auf Sarah geworfen hat, meint, die anderweitige Beschäftigung des Kapitäns mit Wind & Wetter für seine Zwecke nutzen und sich die Frau mit plumper Gewalt nehmen zu können. Lorentzen erweist sich als Retter in der Not und nietet den Spontanbesamungswilligen mit einer Machete um. Während Lorentzen als gottesfürchtiger Mensch von Seelenqualen zerfressen auf die Knie sinkt und alle Ungerechtigkeiten der Welt auf sich nimmt, schlägt ihm von seiten der hinzueilenden Brigg und Bilson höchster Respekt entgegen. „Sie haben eine Ratte getötet,“ freut sich Bilson und Brigg zollt dem Bewahrer der Unschuld seiner Zukünftigen ebenfalls höchsten Respekt: „Ich hätte es selbst getan!“

Der Bodycount nimmt indes dramatische Folgen an, weil einer der Seeleute, ein gewisser Charlie Kay, ganz ohne gewaltsames Eingreifen im Kampf mit den Elementen den Heldentod gestorben ist (langsam versteh ich, warum Brigg eine vielköpfige Besatzung haben wollte). Charlie bekommt eine 1-A-Seebestattung; Sarah singt ein wonnig Lied und Lorentzen, mit der Bibel auf Du und Du, hält den Trauersermon, findet aber auch noch Zeit, die moralisch schwer angeschlagene Sarah erneut zu trösten: „Sie brauchen vor dem Tod keine Angst zu haben. Wenn dieses Schiff segelt, segelt der Tod mit!“ Hm, ich könnte mir auf Anhieb jetzt ein paar beruhigendere Sprüche vorstellen und in der Tat wird Sarahs angegriffenes Nervenkostüm durch derartige kryptische Bemerkungen nicht entscheidend entstrapaziert. Brigg tut den düsteren Spruch als puren Aberglauben ab.

Drei Tote hin oder her, der harte Seemann lässt sich von derlei Lappalien nicht von seinen Freizeitbeschäftigungen abbringen. Daher wird unter Deck weiter gesoffen, gesungen und (mit ordentlich Schummeln) Karten gespielt. Nur Lorentzen, der sich an seine Bibel klammert, kuckt irgendwie recht skeptisch. Da hat er auch allen Grund dazu, denn est reibt weiterhin ein Killer an Bord sein Unwesen. Seemann Hoffman ereilt sein Schicksal am Ruder in Form akuter Metallvergiftung – er wurde erstochen. Brigg wundert sich doch sehr und bittet, den erneuten Todesfall vor Sarah geheimzuhalten (äh, für wie blöd hält der seine Schnalle eigentlich? Der wird doch irgendwann mal auffallen, das von der zahlenmäßig doch eher überschaubaren Besatzung einer fehlt).

Sarah ist aber sowieso mit anderen Dingen okkupiert – sie hat eine Nähmaschine dabei (auch das ist belegt) und hat ihrem zukünftigen Göttergatten ein paar Unterhosen geklöppelt. Brigg weigert sich aber aus puren Peinlichkeitserwägungen, die Dinger zut ragen. Ersatzweise präsentiert Sarah sich ihm in ihrem selbstgemachten Hochzeitskleid (also, bei aller Liebe, dass DAS Unglück bringt, das weiß sogar ich). Das Unglück kommt auch schneller als selbst der abergläubischte Zuschauer es sich denkt – durch ein Bullauge schiebt sich eine Pistole und feuert einen Schuss ab. Der Absender der Kugel ist allerdings ein schlechter Schütze und trifft nichts, außer vielleicht Briggs hochsensiblen „hier-stimmt-was-nicht“-Sensor. Der Kapitän schreitet zur sofortigen Untersuchung der Angelegenheit und inspiziert Bilson, der als einziger an Bord legitim eine Schusswaffe tragen zu dürfen scheint, bzw. dessen Kanone. Der fehlt allerdings keine Patrone, womit der Maat offenkundig als Täter ausscheidet. Der Rest der schnell zusammengetrommelten Mannschaft stellt sich komplett auf den „von-uns-war´s-ganz-bestimmt-keiner“-Standpunkt. Brigg – diese Geistesleistung möchte man ihm gar nicht zutrauen – kommt zu dem Schluss, dass einer der Gesellen die Unwahrheit spricht und droht mit finsteren Konsequenzen: „Ich hab hier eine Kugel, die ganz wild drauf ist, das Reden zu übernehmen!“ Die versammelte Besatzung scheint aber glaubhaft entsetzt und unwissend zu sein.

Und die Katastrophen reißen nicht ab – traurig präsentiert Lorentzen dem Kapitän Duggans charakteristischen Hut. Ich gehe mal davon aus, dass Lorentzen nicht unter die Kopfbedeckungsmodekritiker gegangen ist, sondern der Smutje ebenfalls den Abgang gemacht hat. Brigg hat nun endgültig die Nase voll und zitiert seine Jungs an Deck. So viele sind´s ja nicht mehr und selbst von denen fehlt noch einer, Gilling. Tooley wird beauftragt, Gilling aufzutreiben. Brigg verdächtigt grundsätzlich alles und jeden. Tooley entdeckt eine schöne Bescherung im Laderaum (die wir aber, this being a 1935 movie, nicht sehen dürfen) und gerät in eine erlesene Supersonderextraklassenpanik, erklimmt den Großmast und stürzt sich, unbeeindruckt von den Rufen seiner Kumpane, von dort direktemang ins Meer (hm, kann es sein, dass der Knabe dezent überreagiert? Absaufen soll nicht einer der allerschönsten Tode sein). Brigg entscheidet spontan, dass es für Kinkerlitzchen wie Rettungsboot zu Wasser lassen o.ä. zu spät ist („armer Teufel“). Lorentzen trabt in Sarahs Kabine, während der Rest Tooleys Entdeckung unter Deck nachvollzieht (hm, ich weiß nicht genau, was ich daraus machen soll, dass Brigg „Take him down“ kommandiert. Hat Gilling sich aufgehängt? Und wenn ja, warum sagt mir das keiner?).

Lorentzen hält Sarah indes ungefragt einen kryptisch-inkoherenten Vortrag (bzw. Bela Lugosi hat jetzt seine große dramatische Szene), in dem er ihr blumige Details einer tragischen Vergangenheit als übel misshandelter shanghaiter Seemann auf die Nase bindet. Sarah ist angemessen beeindruckt und wirft sich ihrem Herzensschönen an den Hals: „Ich halte es nicht mehr aus!“ (Was willst du tun, Schätzchen? Nach Hause schwimmen?). Brigg empfiehlt ihr, sich einzuschliessen.

Obwohl die Mannschaft nunmehr auf ein absolutes Mindestmaß minimiert wurde, wird unter Deck immer noch Shanty gesungen. Bilson erweist sich als vergleichsweise nervenschwach und verlangt gereizt die Einstellung aller sangestechnischer Aktivitäten, aber einer der Überlebenden (auch hier wieder das „keine-Ahnung-wie-der-heißt“-Syndrom, ich nenn ihn einfach „extremely tattooed guy“ – cuz that´s what he is – oder nachfolgend kurz ETG) bittet den Sänger, doch weiterzumachen. Bilson befiehlt Lorentzen ans Ruder.

Wenig später ist die Quetsche endgültig kaputt – und mit ihr ihr Besitzer (d.h. der ist verschwunden, aber wir können uns ja denken, was mit dem passiert ist). Auch Kapitän Brigg und Sarah sind unauffindbar (hui, der Film geht aber ziemlich lässig mit den Hauptfiguren um). Bilson ordnet eine Durchsuchung des Schiffs von Bug bis Heck an, aber gefunden wird nichts und niemand. Das macht die Sache aus Bilsons Sicht nicht erfreulich, aber zumindest eindeutig – da nur noch er, Lorentzen und ETG übrig sind und er selbst nach eigener unbescheidener Ansicht schlechthin nicht der Killer sein kann, muss es einer der beiden anderen sein: „Wenn der nächste verschwunden ist, weiß ich, wer´s ist!“, kombiniert Bilson laut (äh, hm, ja, schon, lässt sich rein logisch nichts gegen sagen, nur wenn ich der Kille wäre, täte ich jetzt Bilson als nächsten umlegen). ETG stellt sich unkreativ auf den exakt gleichen Standpunkt und Lorentzen differiert nur unwesentlich: „Einer von euch wird den anderen umbringen und dann weiß ich, was ich zu tun habe!“ Insgesamt sind wir aber genau so schlau als wie zuvor (andererseits können wir uns ja im simplen Ausschlußverfahren zusammenreimen, wer der Killer ist. Wieviele Verdächtige hatten wir noch mal konstruiert? Und wer davon ist noch am Leben?). Gegenseitiges Misstrauen is quite a bitch.

ETG und Lorentzen sitzen unter Deck zusammen; ETG versucht offenbar, eine Allianz zu schmieden, indem er Lorentzen für unschuldig erklärt: „Du hast geweint wie ein Kind und um Vergebung gefleht“, meint er (und bezieht sich dabei auf den stürmischen Abend, als Lorentzen Sarahs Vergewaltiger plättete). Die nachfolgende Denksportaufgabe bewältigt selbst ein rumumnebeltes Seebärenhirn mühelos – dann kann nur Bilson der Böse sein. ETG stürmt an Deck und verwickelt den Maat in einen Kampf auf Leben und Tod (von dem wir aber optisch nichts mitbekommen, da die Kamera auf Lorentzens undurchschaubare Miene geheftet bleibt). Es macht PLATSCH. So, wer kann nur der Sieger gewesen sein? Natürlich Bilson, der nunmehr erst recht davon überzeugt ist, dass ETG der Killer war und da das nun geklärt ist, könnte man gepflegt zum angenehmen Teil des Abends übergehen und des Captains Spiritousenkollektion plündern.

Das ausgerufene Besäufnis entwickelt sich aber zu einer recht einseitigen Angelegenheit – Bilson pichelt, Lorentzen starrt nur finster vor sich hin, während der recht flott angedüdelte Bilson, der sich bereits zum Kapitän ausgerufen hat, Pläne schmiedet. Man sollte die Azoren anlaufen, dort die Ladung verhökern und mit dem verdienten Reibach nach China segeln und dort reich werden und Frauen aufreißen. Lorentzen, von Bilson beauftragt, die Schiffskasse zu holen, bringt nicht die erhoffte Penunze, sondern eignet sich Briggs Revolver an und erklärt Bilson, dass er nicht, wie bislang von ihm behauptet, Gottlieb heiße. Bilson versteht das mal wieder grundfalsch, sondern hält es für eine ganz töfte Idee, die Namen zu ändern: „Ich wollte schon immer Abercrombie heißen“, grinst er (okay, Bilson ist nicht gerade der allertollste Name, aber „Abercrombie“? Nööö, das tut doch nicht Not), „und wie heißt du?“ Lorentzen stellt sich mit sienem RICHTIGEN Namen vor und in der Tat läutet der Name bei Bilson ein leise klingelndes Glöcklein.

Es ist Zeit für die große Enthüllung – sechs Jahre zuvor wurde Lorentzen auf eben dieses Schiff, die „Mary Celeste“ shanghait, und zwar von niemand anderem als einem gewissen ersten Maat namens … Bilson! Und weil Lorentzen die grundsätzliche Versauung seines Lebens sehr nachtragend übel nimmt, hat er rachedurstig alle anderen umgebracht! Brigg, so erklärt er, habe zwar versucht, mit Sarah auf einem Floß zu entkommen (und davon soll Bilson nichts mitbekommen haben? Dann ist er als erster Maat eh untauglich), aber „ich hab sie erwischt!“ Und zur Komplettierung seiner Rache möchte er nun eben noch Bilson, den er, wie das Schiff, nie vergessen hat und aus tiefster Seele inbrünstig hasst, entleiben. Bilson versucht zu flüchten, aber Lorentzen schießt ihm erst in den Hintern und dann ein paar mal in vermutlich lebenswichtigere Körperteile.

Lorentzen ist nicht nur ein rachedurstiger Killer, sondern hat auch ein Faible für schwarzen Humor und wirft Bilsons Leiche, mit einem Tau am Schiff befestigt, als Haifutter über Bord (tatsächlich werden ein paar Haie, und zwar größere Apparate als Roger Corman für seinen Shark Reef-Heuler gewinnen konnte, kurz eingeblendet). Vielleicht hätte er aber auf die Takelage achten sollen – denn ein plötzlicher Windstoß reißt ein Segel herum und das Rah knallt ihm an die Rübe, was einen mittelschweren Dachschaden auslöst. Plötzlich kann Lorentzen sich an seine Taten nicht mehr erinnern, er stolpert verwirrt übers Deck und sucht Bilson und die anderen Männer, findet aber nur die Katze. Hochgradig durch den Wind fällt Lorentzen über Bord…

Und so findet Moreheads „Dei Gratia“ die „Mary Celeste“ unter vollen Segeln dahintreiben. Da auf Zuruf niemand an Bord der „Mary Celeste“ reagiert, entscheidet Morehead, mal persönlich nachzusehen. Das Schiff ist verlassen, bis auf die schwarze Katze („das ist schlecht“, kommentiert Morehead bissig). Komischerweise negiert der Film sich jetzt praktisch selbst – denn Morehead und seine Männer finden auf dem eingeschalteten Herd Hühnchen kochend und einen angefangenen Brief auf einem Tisch („sieht so aus, als hätten sie das Schiff in Eile verlassen“). Morehead segelt die „Mary Celeste“ nach Portugal, erhält 1700 Pfund Prisengeld, aber er ist zerknirscht – denn er muss an Sarah denken… Ende.

Hui, ich kann´s ja doch noch kurz, ich bin von mir regelrecht begeistert… gut, manche Leute sagen, je mehr ich schreibe, desto schlimmer ist der Film und desto besser die Reviews, aber Phantom Ship kann ich guten Gewissens nicht einen schlechten Film schimpfen. Es handelt sich zweifellos um keinen ganz großen Klassiker, den man umgehend aus seinem Dasein der Obskurität erlösen und auf ein Podest stellen sollte, aber im Vergleich zu vielen anderen, nicht prestigeträchtigen Filmchen aus der gleichen Ära ist Phantom Ship (ich bleib der Kürze wegen beim US-Titel, außerdem ist´s auch die von mir gesichtete Version) ein auch siebzig Jahre später gut goutierbarer Streifen.

Bevor ich tiefer einsteige, möchte ich noch kurz den amerikanischen Verleiher zu einer Entscheidung beglückwünschen, die Filmpuristen wahrscheinlich zur Weißglut treibt – nämlich zur Kürzung des Films von 80 auf 62 Minuten. Die britische Originalversion beinhaltete nämlich in den fehlenden Minuten eine dem Vernehmen nach eher langatmige Abhandlung über das sich der Bergung der „Mary Celeste“ anschließende Gerichtsverfahren – schwerlich der Stoff, aus dem die großen Thriller sind, zumal allgemein bekannt ist, dass niemand der dort Gehörten wirklich sinnvolles zum Hergang der Ereignisse beitragen konnte. Die Kürzung auf 62 Minuten und damit auf das eigentliche Mystery of the Mary Celeste tut daher dem (eh trotz der kurzen Laufzeit schon, vor allem im Auftaktdrittel, etwas zzähen) Film nur gut.

Das Drehbuch selbst bietet als Auflösung des Rätsels eine vergleichsweise plausible Variante an – in der Tat wurde seinerzeit auch spekuliert, ob die Mannschaft an Bord der „Mary Celeste“ einem aus irgendwelchen Gründen amoklaufenden Matrosen zum Opfer gefallen sei – insgesamt passt die Theorie, die das Script postuliert, recht gut zur tatsächlichen Faktenlage, wenn man von – wohl der besseren dramaturgischen Wirkung geschuldeten – Abweichungen wie der Anzahl der Personen an Bord (mehr Besatzungsmitglieder als in Wirklichkeit, dafür Brigg und Sarah noch nicht verheiratet und demzufolge auch noch ohne Nahcwuchs) absieht. Mit den ausgelegten red herrings der Eifersuchtsgeschichte um den sich von Sarah zurückgesetzt fühlenden Morehead und dem sexhungrigen Seemann nickt die Geschichte auch wohlwollend in Richtung zweier weiterer gern postulierter Thesen, nämlich zum einen der, dass Morehead mit dem Mysterium mehr zu tun hatte, als er vor Gericht zugeben wollte (auch wenn sich diese These auf nichts weiter stützt, als dass Morehead und Brigg sich kannten, was aber wohl, wenn beide New York als Heimathafen hatten, nicht so arg ungewöhnlich gewesen sein kann), zum anderen eben der Idee, dass die Anwesenheit von Sarah Brigg an Bord und damit ihre Rolle als einzige Frau unter sexuell ständig als Notstandsgebiet zu bezeichnenden Matrosen zu einer Entladung der Gewalt geführt haben könnte. Auf jeden Fall ist die von Phantom Ship vorgestellte Version erheblich schlüssiger als die, die etwa zur Entstehungszeit des Films als wahrscheinlichste kursierende (die basiert auf Briefen eines angeblich als blinden Passagiers mitgereisten Überlebenden [der Film greift immerhin die Idee auf, dass dieser blinde Passagier schleuniggst aus den USA abreisen wollte, wie es Lorentzen im Film ursprünglich plant]. Demnach habe Brigg für seine Frau ein zusätzliches Aussichtsdeck am Heck anbrinen lassen und dann mit einem seiner Matrosen gewettet, dass man in voller Bekleidung das – fahrende – Schiff umschwimmen könne. Einer der Schwimmer sei dann von einem Hai angefallen worden, der Rest der Besatzung inklusive Sarah und ihrer Tochter sei auf das Aussichsdeck gestürmt, dieses unter der Belastung zusammengebrochen und alle ins Meer gestürzt. Der Briefeschreiber konnte sich angeblich an ein Stück Holz klammern und nach Afrika schwimmen. Eine völlig hanebüchene Theorie, die sich aber dennoch in gewissen Kreisen heute noch hält).

Zum Glück hält sich Phantom Ship nicht mit derartig abseitig-abstrusen Spekulationen auf, sondern versteht sich selbst als klassisches Murder Mystery, quasi ein marines Gegenstück zu den in dieser Zeit sehr beliebten „Old Dark House“-Filmen (auch wenn der Film mit dem Epilog der Entdeckung durch die „Dei Gratia“ ein paar der kolportierten Klischees, wie z.B. das kochende Essen auf dem Herd, bedient; aufgrund der Kürzung des Films ist aber nicht klar, ob diese Episode vielleicht nur eine Erzählung der „Dei Gratia“-Crew vor Gericht, also quasi ein Flashback, ist). Dabei plagt den Film, eingedenk der Tatsache, dass er auf einer wahren Begebenheit fußt, das grundsätzliche Problem, dass – zumindest einem Großteil des Publikums, das von der Story schon mal was gehört hat – von Anfang an klar ist, dass der Film kein Happy End haben wird und demzufolge ein Element, das „Mitfiebern“ mit den nominellen Helden, wegfällt und sich das Interesse auf das „wer war´s und wie“ reduziert. Ob absichtlich oder nicht, das ist im Nachhinein natürlich schwer festzustellen, erweist sich das zumindest in einer Hinsicht sogar als Vorteil – der Film kann es sich erlauben, eben ganz auf eine Heldenfigur zu verzichten, sondern schlichtweg alle Charaktere (mal mit Ausnahme von Sarah, mit der der Film nicht viel mehr anzufangen weiß, als sie angstvoll und entsetzt kucken zu lassen) mit positiven und negativen Facetten zu zeichnen, also als echte Charaktere mit Ecken und Kanten, was gerade für einen Film aus den Dreißigern, also einer Zeit, in der bekanntlich doch stark auf Schwarz-Weiß-Malerei (nicht nur, was die verwendete Technik angeht, gelle) gesetzt wurde, doch eher ungewöhnlich ist. Lorentzen z.B. ist zwar letztendlich der Killer, aber eindeutig eine tragische Figur (wie sich dann konsequenterweise auch für ihn ein tragisches Ende entwickelt), Bilson mag zwar von Scripts wegen der eigentliche Schurke sein, ist aber eigentlich nur ein Kind seiner Zeit und der harte Hund, der er in seinem Job als erster Maat sein muss, damit die Disziplin an Bord nicht leidet. Kapitän Brigg wiederum ist nicht der strahlende Edelmann, sondern in vieler Hinsicht ein Egoist (und nicht gerade ein Blitzmerker), der für seine persönlichen Ziele auch Ungerechtigkeiten gegenüber Dritten in Kauf nimmt – so entwickelt sich durchaus bereits allein durch die Charakterisierungen das schon in der Inhaltsangabe erwähnte Spannungsfeld; in der Konstellation, in der die soeben genannten Charaktere (und auch die jetzt nicht speziell erwähnten) aufeinandertreffen, muss es zwangsläufig zu Konflikten kommen.

Was nicht heißen soll, dass das Script dieses Set-up perfekt nutzt… die „falschen Verdächtigen“ werden sehr schnell enttarnt und dann bleibt nur noch Lorentzen, der als einziger weitiger Verdächtiger aufgebaut wurde, eben schnell als singulär in Frage kommender Täter übrig (zwar hält sich der Film relativ lang und geschickt über die wahren Intentionen Lorentzens bedeck, aber er ist halt de facto der einzige, der noch in Frage kommt). Ein anderes Problem liegt im Pacing des Films – selbst bei nur 62 Minuten kann man da noch ganz schön ins Schlingern kommen. Die Auftaktphase, die die verschiedenen Charaktere und Konflikte etabliert, ist zwar notwendig, aber in Anbetracht zur Restlaufzeit einfach zu lang, das bedeutet nämlich, dass der komplette „good stuff“, also das Meucheln der Besatzung im schönsten „10-kleine-Negerlein“-Prinzip in gut 20 Minuten gedrängt werden muss – und das hat wiederum zur Folge, dass vergleichsweise nebensächliche Randfiguren vergleichsweise ausführlich umgebracht werden, die eigentlichen „Hauptfiguren“ Brigg und Sarah dagegen off-screen und nur nachträglich per zwei-drei Dialogzeilen erklärt, entsorgt werden; das ist zweifellos innerhalb des Kontextes des Films richtig, da sonst das Geheimnis zu früh gelüftet würde, aber formal unverhältnismäßig.

Der Film entfaltet dennoch eine gewisse Spannung und Wirkung, was weniger der doch eher statischen Regie von Denison Clift, einem Veteranen der Stummfilmzeit, für den dieser Film die letzte Regiearbeit darstellte (danach schrieb er noch einige Drehbücher), die grundsätzlich eher an ein abgefilmtes Bühnenstück erinnert, als der guten, sich offenbar in manchen Einstellungen stark am deutschen expressionistischen Stil orientierenden Kameraarbeit von Eric Cross und Gregory Faithfull geschuldet ist. Den Kameraleuten gelingen einige sehr eindrucksvolle Einstellungen, besonders, wenn mit Schatteneffekten gearbeitet wird (und dann wiederum vor allem in Close-ups, vor allem auf Lugosis zerfurchtes Gesicht) – in seinen besten Momenten erhält der Film so die notwendige Aura des Geheimnisvoll-Mysteriösen und wird dann seiner (eigentlich irreführenden) in vielen Filmlisten behaupteten Klassifizierung als „Horror“ gerecht.

Natürlich ist der Film aus geschilderten Umständen kein Tempo-Burner, aber er vergeht doch deutlich flotter als z.B. der 20 Jahre später gedrehte, kürzlich besprochene plotlose Corman-Hobel She Gods of Shark Reef (klar, die Filme haben eigentlich keine Berührungspunkte, aber es ist halt für mich grad ein günstiger Vergleich, da ich die Filme in relativ kurzem Abstand voneinander gesehen habe, mich durch Corman quälen musste, mit Phantom Ship aber einen vergleichsweise kurzweiligen Nachmittag verbracht habe).

Da spielt selbstverständlich auch eine Rolle, dass Bela Lugosi eben eine solche, nämlich eine Rolle spielt, und dann noch, man muss es einfach sagen, eindeutig eine seiner besseren. Lugosi war sicherlich nie der allergrößte Schauspieler – er kam vom Theater und hatte daher begreiflicherweise die dem damaligen Zeitgeist geschuldeten Anflüge von, naja, Theatralik eben. Das passt manchmal zum Film, wenn der Stoff stimmt, oft aber auch nicht. Für Phantom Ship erweist sich Lugosi allerdings als Glücksgriff – obwohl er von der reinen Screenzeit vielleicht nicht die Nummer 1 des Films ist (topgebillt ist er allerdings), so reißt er den Film durch seine Präsenz an sich; er ist die Idealbesetzung für einen durchaus – in diesem Fall positiv gemeint – theatralischen Charakter. Seine zwei großen dramatischen Szenen (drei, wenn man die kürzere Szene in Jacks Hafenspelunke dazu zählen will) zählen zweifellos zum wirkungsvollsten, was Lugosi im Laufe seiner Karriere, abseits von Dracula geboten hat – er vermittelt durchaus glaubhaft die Tragik seiner Rollengestalt, ohne zu sehr in reines overacting zu verfallen. Auch sein ungarischer Akzent stört nicht – erstens verleiht er seinen Worten durchaus zusätzlich dramatische Wucht, zum anderen ist ja allein durch den Charakternamen „Lorentzen“ klar, dass er keinen Amerikaner spielt (auch das ist historisch durchaus richtig, die Mannschaft der „Mary Celeste“ bestand zum Großteil aus Holländern).

Seine Co-Stars fallen ein wenig ab, ohne komplett durch den Rost zu rutschen. Aus Shirley Grey (einer Bühnenschauspielerin, die zwischen 1930 und 1935 in einer kurzen, aber heftigen Filmkarriere 45 Streifen herunterkurbelte und u.a. neben einem jungen John Wayne agierte) und Arthur Margotson wurde im Anschluß an die Dreharbeiten tatsächlich ein Ehepaar (die Ehe endete aber in Scheidung). Die beiden haben durchaus eine gewisse Chemistry (soweit man in einem Film von 1935, der in dieser Hinsicht nicht wirklich viel zeigen konnte und durfte), auch wenn Grey scriptbedingt nicht viel zu tun hat. Margutson verkörpert den zwiespältigen Kapitän durchaus akzeptabel. Edmund Willard gibt einen angemessen fiesen Maat ab. Von den Nebendarstellern wären vielleicht noch George Mozart, hauptberuflich eigentlich Musiker, zu erwähnen, der für ein wenig comic relief sorgt, und vor allem Dennis Hoey zu erwähnen, der in den 40er Jahren in einigen Sherlock Holmes-Filmen aus der Basil-Rathbone-Ära den Inspektor Lestrade spielte (und in Frankenstein meets the Wolf Man, einem eher ungeliebten Stiefkind der Universal-Monsterfilme, wieder auf Bela Lugosi traf, der dort das Frankenstein-Monster spielen musste).

Wie oben erwähnt, ist Phantom Ship frei downloadbar bei archive.org erhältlich. Die Qualität des von mir gesichteten MPG4-Files ist überraschend gut (auch bei Vollbild auf dem 17-Zöller), im Gegensatz zu She Gods of Shark Reef ist das Bild klar und unverpixelt, der Ton größtenteils gut verständlich. Ersatzweise kann man sich natürlich auch in den USA eine DVD ordern.

Fazit: Phantom Ship ist sicher kein Klassiker im Range eines Universal- Dracula oder -Frankenstein, aber ein solides, sicher altmodisches, aber immer noch gut ansehbares Murder Mystery auf hoher See, dass die realen Gegebenheiten nicht zu sehr verfälscht, sondern ein verhältnismässig glaubhaftes Szenario schildert, gute, expressionistisch angehauchte Fotografie und einen hervorragend aufgelegten Bela Lugosi zu bieten hat. Wer klassischen Grusel-/Mystery-Kintopp mag, dürfte an diesem Film seine helle, zumindest aber schwarz-weiße Freude haben. Nicht für ´ne Trashparty geeignet, wohl aber für eine stimmungsvolle stürmische Gewitternacht…

(c) 2006 Dr. Acula


BOMBEN-Skala: 4

BIER-Skala: 5


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