
- Original-Titel: Yau Cha
- Regie: Herman Yau
- Land: Hongkong
- Jahr: 1999
- Darsteller:
Jordan Chan (Wah)
Blackie Ko (Guy)
Louis Koo (Tai)
Grace Yip (Siu-Yu)
Vorwort
Abt. Mal außerhalb der Reihe (aber ja, schon wieder Asien)
Es ist jetzt nicht so, dass ich hier nicht auch spontan mal Filme besprechen würde, aber normalerweise habe ich einfach so viele in petto, dass ich doch ein wenig in voraus plane. Das liegt daran, dass manchmal ein wenig Zeit zwischen der Sichtung und der Besprechung verstreicht, weil ich noch ein wenig Hintergrund recherchiere oder noch andere Reviews in der Mache habe. Aber in manchen Fällen bricht es auch einfach mal aus mir heraus, da kommt ein Film, der mich entweder so begeistert oder auch nur sprachlos zurücklässt, dass ich das zu (virtuellen) Papier bringen muss. Vor ein paar Jahren hatte ich von einem Kumpel auf Facebook mal einige Hongkong-DVDs und -VCDs abgekauft, die ich erst jetzt, im Laufe einiger Jahre, nach und nach eingeworfen habe. THE MASKED PROSECUTOR fiel dann jetzt gerade an, weil ich Louis Koo gerade in einem späten Film von Ringo Lam, WILD CITY, gesehen, und mich erinnerte, dass ich eben diese noch ungesehen hier liegen hatte. Dass dann noch Herman Yau (THE UNTOLD STORY, EBOLA SYNDROME, TAXI HUNTER) auf dem Regiestuhl saß, trug natürlich auch nicht unwesentlich zu diesem Entschluss bei. Und ich habe das nicht bereut…
Inhalt
Ein maskierter Rächer serviert der Hongkonger Polizei den Gangster Leung auf dem Silbertablett, gefesselt und geständig. Die Befragung übernimmt Inspektor Wah, der zuerst die Wunden des anscheinend auch vergewaltigten Leung inspiziert und sich dann mit Partner Guy an die Arbeit macht. Denn Leung ist schon inzwischen das vierte Opfer des Vigilanten, der es auf Verbrecher abgesehen hat, die der Justiz auch vor Gericht durch die Finger geglitten sind. Der Verdacht fällt recht schnell auf Guys Adoptivsohn Tai, der nach einem Fall von Selbstjustiz einige Jahre hinter Gittern verbringen musste. Dazu war er auch noch der Verlobte von Guys leiblicher Tochter Siu-Yu, die jetzt Wah sehr zugetan ist. Es entspinnt sich ein perfides Katz-und-Maus-Spiel zwischen den Kontrahenten…
Besprechung:
Ich muss zugeben, die Inhaltsangabe liest sich sicherlich erst einmal recht unspektakulär, von der Vigilanten-Sache ala THE PUNISHER mal abgesehen. Doch dieser kleine, bösartige Thriller offenbart seine Qualitäten eher in den kleinen Details am Rand, denn dem großen Ganzen. Auch wenn das wahre Gesicht des Täters schon ziemlich früh im Film zu sehen ist, könnte man denken, dass, wie so oft, Hintergründe und Demaskierung des Täters die Szenerie dominieren würden. Doch es geht mehr um die handelnden Personen und ihre Konstellation, auf die Herman Yau sein Hauptaugenmerk richtet, was die ganze Sache dann schon wieder richtig interessant und originell erscheinen lässt. Wir haben hier also Wah als neuen Partner, und Vorgesetzen, vom altgedienten Guy, der kurz vor dem Ruhestand steht. Dessen Zieh- und Adoptivsohn Tai steht dann im Visier der Ermittlungen, ist zudem eben noch der ehemalige Verlobte von Siu-Yu, die nun Wah anhimmelt. Aber nicht genug davon, denn Guy war auch einmal der Vorgesetzte Tais, und bei einem gemeinsamen Einsatz kam dessen Partner ums Leben, worauf Tai schon einmal Selbstjustiz verübte, indem er den Mördern in den Rücken schoss. Dabei kann einem schon leicht schwindelig werden. Dies ist dann jedoch immer noch nicht das Tüpfelchen auf dem „i“.
THE MASKED PROSECUTOR zieht den Großteil seines Unterhaltungswert nämlich eben nicht aus der Krimi-Plotte und nur zum Teil aus dieser Konstellation, es ist die Art, wie Yau die Szenen in diesem Zusammenhang ausspielt und die erst nach und nach ein, mehr oder weniger, rundes Ganzes präsentieren. Denn inmitten dieser Serienkiller-Plotte mit ihren eher unglaubwürdigen Zufällen blitzt immer wieder der schwarze Humor des Regisseurs durch, wie er ihn z.B. EBOLA SYNDROME schon auf die Spitze zu treiben wusste. Das praktiziert er in diesem Fall nun etwas dezenter, (gerade mit fortschreitender Handlung) weniger augenscheinlich dosiert. Am Anfang äußert sich dies schon in der Untersuchung Wahs von Leung, dessen Wunde er wenig sensibel inspeziert, ihm beim Aufzählen seiner fünf durch Stockhiebe verursachte Wunden mit einer Gerte immer wieder auf dieselben schlägt (der Verbrecher wähnt in ihm in diesem Moment immer noch den herbeigerufenden Arzt). Daneben behandeln ihn die anderen Polizeibeamten deutlich abfällig, und als das Missverständnis aufgeklärt wird, der echte Arzt erscheint, worauf Leung in der Folge lautstark protestiert, verpasst ihm Guy einfach mal so eine Schelle, um ihn ruhig zu stellen. Direkt im Anschluss baggert Siu-Yu, die die ganze Zeit dem inoffiziellen Verhör beiwohnte (ich hab keinen Schimmer, wieso die da nun dabei sein sollte – Vater-Tochter-Tag bei Arbeit, oder was?), ganz unverhohlen den lieben Inspektor, also den Partner und Vorgesetzten ihres Vaters (wir haben zu diesem Zeitpunkt noch keine Ahnung, in welchem Verhältnis die stehen) an. Das wirkt schon in der Momentaufnahme leicht surreal, im Rückblick sogar noch mehr.
Genauso wie Guy dann im Laufe der Ermittlungen Verständnis für die Taten des Maskierten offenbart, werden wir uns auch gewahr, durch kleine Szenen und Dialoge, dass dieser und Inspektor Wah an ähnliche buddhistische Grundsätze wie Karma glauben und sich tatsächlich recht ähnlich scheinen. Und das geht bei der Wahl der Darsteller dann noch weiter, denn – scheiße, ich bin zwar nicht perfekt, aber kann asiatische Darsteller inwzischen, so denke ich, recht gut auseinanderhalten – Jordan Chan als Ermittler Wah und Louis Koo (nur in wenigen Szenen ohne Brille oder Maske zu sehen) sehen sich wirklich sehr, sehr ähnlich, was dann auch im Hinblick auf die Sympathien von Siu-Yun für zuerst den einen und dann den anderen Sinn ergibt. Gut, ich verrate zugegebenermaßen hier recht viel, doch der Film ist immer noch so obskur wie kurios, und im Endeffekt, denke ich, entfaltet sich sein Potenzial erst dann, wenn man ihn erst einmal zu sehen bekommt. Denn es geht eben nicht um die, mal ehrlich, eher vorhersehbaren Twists. Da macht auch das Ende keine Ausnahme. Mal abgesehen von kurzen Szenen der Bestrafung (oder einen Blick auf den mit Kondom überzogenen, blutigen Bambusstock des Rächers), spart sich Herman Yau gröbere Gewaltentgleisungen aus. Auch großartige Action Set Pieces, abgesehen von der Rückblende Tais und dem Finale, sollte man hier nicht erwarten.
Herman Yau könnte man eigentlich vortrefflich als Hongkonger Pendant zu seinem japanischen Kollegen Takashi Miike betrachten, der in den 90er-Jahren, dank eben CAT III-Streifens wie THE UNTOLD STORY, TAXI HUNTER und EBOLA SYNDROM als Enfant Terrible galt, sich dann im neuen Jahrtausend dann wundersamerweise als Mainstream-Lieferant – u.a. TURNING POINT 1+2, SHOCKWAVE und CITY UNDER FIRE – etablierte. Einen blutigen Schocker wie eben seine skandalträchtigen Werke mit Anthony Wong braucht man hier aber nicht zu erwarten – einige blutige Wunden, einen Bambusstab mit blutigen Kondom übergezogen und eine Erschießung sind schon das höchste der Gefühle, auch wenn der THE MASKED PROSECUTOR ansonsten schon ziemlich düster ist. Wie gesagt, die beiden Kontrahenten Jordan Chan und Louis Koo sahen sich damals (man vergleiche Fotos von um und bei 1999) verdammt ähnlich sahen und es müsste mit dem Teufel zugehen, wenn das Zufall war. Louis Koo etablierte sich als Hauptdarsteller auch unter Herman Yau in einigen Filmen der TROUBLESOME NIGHT-Reihe, reifte dann unter der Regie von Johnnie To (THROW DOWN, ELECTION 1+2, DRUG WAR) zum Star, setzte selbst in Actionfilmen seine Duftmarke (FLASH POINT, LETHAL WARRIOR, PARADOX – KILL ZONE BANGKOK). Jordan Chan seinerseits, nebenher als Sänger erfolgreich, hatte sich in den 90ern schon mit den YOUNG AND DANGEROUS-Filmen oder THE BIG BULLET von Benny Chan etabliert. Beide liefern nun wirklich keine große Schau ab, geben ihre Parts eher stoisch, was die Ähnlichkeit aber eben nur noch verstärkt (anfangs dachte ich wirklich, Koo wäre der Inspektor). Blackie Ko, ein ehemaliger Stuntman, der eigentlich auf den bösen Henchman abonniert war, spielt glaubwürdig den alternden Cop, der auch daraus eine komische Note bezieht, dass er immer fest an Wah und Tai gleichsam festhält, den einen als eben den Adoptivsohn, den er groß gezogen hat und immer noch liebt, wie den anderen als etwaigen Schwiegersohn in spe (wie es eben Wah auch war), und dadurch irgendwie das Bindeglied zwischen den beiden Charakteren darstellt, was Stirnrunzeln auslösen kann, dennoch irgendwie Sympathien weckt. Grace Yip hingegen ist schön anzuschauen, sie ist wirklich süß, ist aber in ihrer Rolle auch nicht dazu angedacht, irgendwelche Akzente abseits dessen zu setzen (sprich, sie ist schmückendes Beiwerk).
Fassung:
Bisher gibt es den Film leider nur als VCD und DVD von Mei Ah aus Hongkong, zumindest mit passablen englischen Untertiteln versehen, die nur gelegentlich Rechtschreibfehler aufweisen. Das Bild ist nicht anamorph kodiert, aber mehr als brauchbar, auch wenn man es auf 16:9 aufplustert, was schon lobenswert ist. Der Ton ist da schon eine andere Sache – egal ob nun Kantonesisch oder Mandarin, er weist ein unschönes Echo auf, der berüchtigte Blechdosen-Effekt, weshalb es immer ein bisschen so klingt, als hätte man ihn in einem Kinosaal mit einem Mikrofon mitgeschnitten. Dabei ist die kantonesische Tonspur dennoch vorzuziehen, da hier die Dialoge dezent besser rüberkommen. Ein Wermutstropfen ist es ohnehin. Über eine Neuveröffentlichung in HD würde ich mich freuen, aber zu rechnen ist damit sicherlich nicht.
Fazit:
Die abschließende Frage wäre nun, ob THE MASKED PROSECUTOR denn ein guter Film sei. Da kommt es wieder stark auf den Standpunkt an, die Rezeption. Ich habe mir nach der Sichtung auch einige andere Reviews zum Film durchgelesen, und ich war erstaunt, dass der sich durch den Film ziehende schwarze Humor anscheinend niemanden wirklich aufgefallen ist. Ich für meinen Teil habe mich schon nach der ersten richtigen Szene, sprich des Verhörs vom misshandelten Gangster Leung, richtiggehend beömmelt. Zugegeben, danach handhabt das Yau doch um einiges dezenter, aber wenn man eben auf die ganzen Kleinigkeiten, von denen ich nur ein paar exemplarisch aufgezählt habe, achtet, könnte man das Ganze doch eher als schwarze Komödie als ernstgemeinten Serial-Killer-Thriller sehen. Als Fan des Hongkong-Kinos und auch der Filme von Herman Yau (soweit ich sie kenne; da besteht auch noch ein gewisses Defizit) kann ich aber dieses Kuriosum (so man es denn so sehen will) nur weiterempfehlen. Ich hatte auf jeden Fall meinen Spaß damit.
BOMBEN-Skala: 4
BIER-Skala: 7
Review verfasst am: 15.05.2025