The Manipulator

 
  • Original-Titel: The Manipulator
  • Alternative Titel: B.J. Lang Presents | B.J. Presents |
  • Regie: Yabo Yablonsky
  • Land: USA
  • Jahr: 1971
  • Darsteller:

    Mickey Rooney (B.J. Lang), Luana Anders (Carlotta), Keenan Wynn (Old Charlie)


Vorwort

B.J. Lang, ein alternder Ex-Hollywood-Make-up-Artist, lebt in einem alten Lagerhaus (offenbar hinter einem Schlachthof) in einem Sammelsurium aus alten Filmrequisiten, Schaufensterpuppen und anderem Krempel im Kreise einiger eingebildeter Freunde und „dreht“ mit denen „Filme“. Aber nicht alle seine Mitbewohner sind imaginärer Natur – B.J. hält Carlotta, eine junge Schauspielerin, gefangen und an einen Rollstuhl gefesselt (im Sinne von „dran festgebunden“). Klar, B.J. hat nicht mal mehr einen Kieselstein auf der Schleuder und zwingt Carlotta (durch couragiertes Vorenthalten von Nahrung) zur Mitwirkung in seinem neuesten großen Filmepos, einer Adaption des klassischen französischen Theaterstücks „Cyrano de Bergerac“, in dem er selbst (mit angeklebter Langnase) den Cyrano und Carlotta die Roxane geben soll. Carlottas Motivation hält sich begreiflicherweise in Grenzen, andererseits ist der bekloppte B.J. bei allem Wahn, der ihm aus den Poren trieft, ihre einzige Überlebenschance – als B.J. als kleine unangekündigte Demonstration seiner Schauspielkünste ein herzinfarktbedingtes Dahinscheiden simuliert, ist bei Carlotta die Panik groß. Eine weitere Komplikation des „Drehs“ bildet das unplamäßige Eintreffen des Penners Charlie, das B.J., der die Cyrano-Rolle mittlerweile vollkommen verinnerlicht hat, nun gar nicht in den Kram passt. Aber vielleicht bietet sich ja dadurch für Carlotta eine Fluchtmöglichkeit?


Inhalt

Ach ja, die frühen 70er – wilde Zeiten, in denen man schon LSD und Acid in Großhandelspackungen einwerfen musste, um als unabhängiger Filmemacher von der Subkultur ernst genommen zu werden. Auch Yabo Yablonsky dürfte, nimmt man „The Manipulator“ als Maßstab, beim Dealer seines Vertrauens Stammkunde gewesen sein – ich halte es für schlichtweg mit den grundlegenden Naturgesetzen nicht für vereinbar, ohne Zuhilfenahme von Psychopharmaka einen Film wie diesen zu schreiben und zu drehen. Kein Wunder, dass mir das Ding, das nach einem mikrobenhaft kurzen Kinoeinsatz für fast ein Jahrzehnt spurlos verschwand, ehe es bei kleinen Kabelsendern wieder auftauchte, auf der Mill-Creek-„Drive-In Movie Classics“-Box über den Weg läuft, wo man bekanntlich mit jeder Abseitigkeit rechnen muss.

Theoretisch könnte dieses Kidnapping- und Demütigungs-Drama ein passabler Psychothriller sein, wenn man’s denn straight schreiben und filmen würde, aber nichts lag Meister Yablonsky ferner, der Zutaten wie eine stringente Handlung, eine sinnvolle Dramaturgie, nachvollziehbare Dialoge und glaubwürdige Charaktere für völlig vernachlässigbaren Zinnober hielt, der sich im Zweifelsfall jedem blöden Kameratrick, jeder optischen Verfremdung, jedem Lichteffekt und jedem sonst noch irgendwo denkbaren Gimmick aus dem Zauberkasten unterzuordnen hat – das einzig erklärte Ziel von „The Manipulator“ ist, ohne dass ich dafür Yablonsky persönlich befragen müsste (was sich angesichts seines Ablebens 2005 auch schwierig gestalten würde), so psychedelisch wie möglich zu sein. Freakout, baby!

Eine wirkliche Story, die sich zu analysieren lohnen würde, ist nicht vorhanden – die beiden Charaktere (Keenan Wynn absolviert einen vielleicht dreiminütigen Cameo-Auftritt), und deren „Psychoduell“ theoretisch der Quell der Spannung und Erbauung sein sollte, sind einfach nur „da“. Sie haben keinen Hintergrund (bei B.J. versucht Yablonsky immerhin, ihm mit ein paar Flashbacksequenzen, die aber angesichts der psychedelischen Konzeption des Streifens nicht unbedingt „wahr“ sein müssen, ein wenig Background in Form von „ungeliebt“ und „einsam“ zu geben, für Carlotta gibt es schlichtweg NICHTS, worauf ihr Charakter sich stützen könnte. Demzufolge bestreitet B.J. auch ungefähr 90 % der Dialoge), es gibt kein echtes „Drama“ zwischen den Figuren, nur eine konfuse Aneinanderreihung von Szenen – wahlweise: B.J. gibt seinem imaginären Filmteam Regieanweisungen, B.J. hält einen unverständlichen Monolog über unverständliche Dinge, Carlotta versucht halbherzig, B.J. zu ihrer Freilasung zu bewegen, random psychedelic imagery oder, bevorzugt, minutenlange Direktzitate aus „Cyrano de Bergerac“, gerne mehrfach hintereinander, und, als wäre das nicht schon genug zu verarbeiten, ist ein ganzer Schwung dieses Krams nur Halluzination von B.J. und/oder Carlotta. Da kriegste Plaque, Alda! Ich hab ja mittlerweile mein gerüttelt Maß „psychotronischer“ Filme gesehen und bei den meisten davon konnte ich immerhin noch erahnen, dass da irgendwo vor, während oder zwischen den Drogenräuschen ihrer Macher ein künstlerisches Konzept bestand, irgendeine Vision vorhanden war, eine Aussage gemacht werden wollte, aber bei „The Manipulator“ kann man sich irgendwann nur noch dem geballten Nonsens ergeben, den Unterkiefer ausklappen und sich einen Sabberlatz umbinden. Dabei ist nicht jede Szene schlecht – es gibt vereinzelte Momente, die in einem besseren Film (d.h. einem mit einem Script, das irgendwo *HIN* will) bewegen könnten (Carlotta hat eine schöne Solo-Szene, in der sie alleine inmitten der unheimlichen Requisiten und Schaufensterpuppen im Rollstuhl sitzt und vermuten muss, B.J. habe sie ihrem Schicksal überlassen. Leider ist das auch eine der Szenen, die sich als Halluzination entpuppt), aber überwiegend ist es Kappes mit einem ganz großen Kah. Die Story hat keinen Flow, keinen Rhythmus, und wie in so vielen Zwei-Personen-Stücken von minderen Autoren, gehen Yablonsky nach einer guten Stunde die Ideen aus (was bemerkenswert genug ist, weil er bis dahin eh eigentlich nur irgendwelchen zusammenhanglosen Schmu deliriert) und muss mit einer dritten Figur, dem Penner Charlie, einen dritten Charakter einführen, damit die Plotte überhaupt wieder in die Gänge kommt (auch wenn B.J. Charlie nach drei Minuten mit seinem „Degen“, mit dem man im richtigen Leben nicht mal ein Blatt Abpauspapier durchstoßen könnte, killt). Der Krampf endet dann auch, wie er eigentlich enden muss – nach einem gescheiterten Fluchtversuch (öh, ich SPOILERE jetzt heftig das Finale) verspricht B.J. Carlotta, sie freizulassen, sofern sie ihm ihre Liebe gesteht, sie lacht ihn aus, er verabschiedet sich vom La-La-Land, das er eh schon bewohnt, ins Land der Gigantodelleninhaber, entleibt sich und Carlotta übernimmt seinen Wahn und verbeugt sich vor einem imaginären applaudierenden Publikum (das in den Lichtspielhäusern wird’s vermutlich eher nicht gewesen sein). Großartig. Kunst. Oder so.

Apropos Kunst. Yablonsky, der nach diesem Werk nie wieder Regie führen durfte, aber ein paar Drehbücher verkaufen konnte, darunter das für John Hustons „Flucht oder Sieg“ (in dem Stallone an der Seite von Pele spielte), sein Kameramann Baird Bryant („Jugular Wine“, „Celebration at Big Sur“) und Schnittmeister Leonard Malek („3 Engel für Charlie“, die Serie) bauen jedes erdenkliche Gizmo ein, das (vermutlich) unter Drogeneinfluss den Betrachter von hier bis in die 13. Dimension beamt – endlose Zeitlupensequenzen, Zeitraffer, Lichteffekte, sekundenbruchteilskurze Zwischenschnitte auf irgendwelche Visagen, obskure Kameraeinstellungen, harte Schnitte auf reaction shots, noch mehr Zeitlupensequenzen. Dazu kommen grandiose Einfälle wie der, Mickey Rooney (einen altverdienten Hollywoodkämpen) eine Sequenz von zehn Minuten Länge mit Tunten-Make-up absolvieren zu lassen (da sieht er dann aus wie Divine mit Weihnachtsmannbart), surreale Bilder, die ohne Sinn und Verstand auf die Leinwand geklatscht werden, ach-so-tiefsinnige Rückblenden, in denen B.J. inmitten eines Haufen Freaks „LOVE! LOVE! LOVE!“ schreit und schließlich ein nacktes Baby, das in diesem Bacchanal rumturnt, umarmt, hochgespeedete „Tanzszenen“ für Mickey Rooney und mehrfache, äh, „Sangesimprovisationen“ des Stars (immer basierend auf einer mir bislang offensichtlich verborgen gebliebenen „Chatanooga Choo Choo“-Variante), eine slow-mo-Verfolgungsjagd durch Rinder- und Schweinehälften, alles garniert mit einem enervierenden electronic jazz-Score von Gil Melle (der ungefähr zeitgleich „Andromeda – Tödlicher Staub aus dem All“ beschallte und später die Klänge für so unterschiedliche Werke wie „Der 6-Millionen-Dollar-Mann“, „Evil Knievel“, „Embryo“, „Starship Invasions“ oder „Blood Beach“ beisteuerte), der mit seiner gewollten Dissonanz jedes Trommelfell martert. Auf der Haben-Seite verbucht „The Manipulator“ lediglich das für das vermutlich kaum meßbare Budget des Streifens ordentlich creepy geratene set design (dem Film kommt finanzmäßig natürlich zupass, dass er komplett auf einer Soundstage geschossen werden konnte und man diesen Umstand nicht wirklich tarnen muss), gestaltet von Larry Cohen (vermutlich dem späteren Genre-Regisseur, auch wenn ich das nicht endgültig verifizieren konnte. Spricht aber schon aufgrund des zeitlichen Zusammenhangs einiges dafür). Tempo oder Spannungsentwicklung liegen Yablonsky erwiesenermaßen nicht – das plätschert alles vor sich hin, wird immer wieder durch die langwierigen Cyrano-Zitate eingebremst, es liegt an den Schauspielern, den Zuschauer, der sich blöderweise vor Filmstart keine Pillen eingeworfen hat, bei Laune zu halten.

In Filmdatenbanken wird „The Manipulator“ gerne mal unter „Horror“ einsortiert – mag daran liegen, dass für unvorbereitete Gemüter die Ansicht des Streifens in der Tat ein ausgesprochen horribles Erlebnis sein mag, ein Horrorfilm im Wortsinne ist der Streifen nicht, er will wohl ein Psychothriller sein. Gewalttätigkeiten beschränken sich daher auf ein Minimum – Carlotta tritt auf den am Boden liegenden B.J. ein, B.J. sticht Charlie ab und rammt sich zu guter Letzt selbst einen Dolch in die Plauze, alles recht zivil. In den Flashback- und surrealen Traum-/Halluzinationssequenzen meine ich den ein oder anderen unbedeckten Schniepel im Hintergrund entdeckt zu haben, ein Satz nackter Frauenbrüste (nicht die von Carlotta) ist ebenfalls zu vermelden.

Was den Streifen trotz seiner völligen konzeptionellen Fehlgeburt und den ungefähr 5.285 inszenatorischen und dramaturgischen Fehlentscheidungen seines Regisseurs in gewisser Weise sehenswert macht, sind die darstellerischen Leistungen. Mickey Rooney, der seine Karriere noch zu Stummfilmzeiten im zarten Alter von fünf Jahren als Kinderstar begann und bis zum heutigen Tag aktiv ist (es gibt nicht viele Schauspieler, die in neun Dekaden tätig waren. Wenn er noch zwei Jahre durchhält, wird das ein Rekord für die Ewigkeit) und Genrefans vielleicht aus „Silent Night, Deadly Night V: The Toymaker“ bekannt sein dürfte (andere populäre Werke: „Erik der Wikinger“, „Eliot das Schmunzelmonster“, „Skidoo“ [ein anderer psychedelischer Film von und mit Leuten, die’s hätten besser wissen müssen], „It’s a Mad Mad Mad Mad World“, „Requiem for a Heavyweight“, „Frühstück bei Tiffany’s“, „Der kleine Lord“) hatte offensichtlich nur die Regieanweisung „gib alles“, und das tut er auch. Es ist eine tour de force, in der Rooney nach Herzenslust überdreht, dramatisiert, dann wieder unvermittelt leise Töne anschlägt, um dann eine slapstick-artige Tanzeinlage nachzuschieben. Rooney arbeitet in 90 Minuten so ziemlich das gesamte Spektrum der Schauspielerei durch, es ist eine Schau. Luana Anders („Dementia 13“, „Easy Rider“, „Pit and the Pendulum“) hat angesichts Rooneys one-man-show nicht viele Gelegenheiten, sich wirklich auszuzeichnen, aber zwei-drei großartige Szenen, in denen sie völlig aus sich herausgehen kann (Anders wechselte später übrigens ins Drehbuchfach und schrieb die Plotten für Limit Up und Fire on the Amazon). Keenan Wynn („Dallas“, „Parts – The Clonus Horror“, „Piranha“) nuschelt sich durch zehn Zeilen Dialog (die größtenteils aus „I’m just Old Charlie“ bestehen) und, wie ein anderer Reviewer meint, „has the decency to look embarrassed“ (vielleicht ist er aber auch nur stockbesoffen).

Bildqualität: Mill Creek hat einen recht plausiblen Vollbildprint aufgetrieben, der für die Verhältnisse der Drive-In-Box überdurchschnittliche Schärfe- und Kontrastwerte bietet und kaum Verschmutzungen aufweist (d.h. übersetzt Best Entertainment würde sich nicht grämen, den Print 1:1 zu klauen).

Tonqualität: Relativ verhaltenes Grundrauschen, gut verständlicher Ton (wenn auch etwas leise), ausschließlich auf Englisch (mono), sehr flacher Musikmix (angesichts der Töne aber nicht sehr bedauerlich).

Extras: –

Fazit: Öhm. Ja, sowas erwartet Ihr auch noch… „The Manipulator“ ist, offen gesagt, ein furchtbarer Film, der in seine 91 Minuten Laufzeit alles packt, was am psychedelischen End-60er/Früh-70er-Kino falsch war. Völliger Verzicht auf Struktur und Dramaturgie, Abgedrehtheit um der Abgedrehtheit willen, Bild-, Licht- und Toneffekte, die auf Acid möglicherweise einen echt geilen Trip unterstützen können, aber für einen neutralen Betrachter einfach nur nerven, das alles sollte eigentlich Grund genug sein, um eine tiefe Grube zu graben und sämtliche existierenden Kopien des Films dort zu verbuddeln, auf das Archäologen in 3000 Jahren sich die Köpfe darüber zerbrechen können, ob „wir“ wirklich mit „denen“ verwandt sein konnten, aber die schlichtweg enthusiastische Performance von Rooney, der sichtlich genießt, wirklich jeden Scheiß, der ihm gerade einfällt, durchziehen zu können, ohne vom Regisseur verprügelt zu werden, und die streckenweise durchaus eindrucksvolle Leistung von Anders lassen es mir verdammt schwer fallen, den Streifen total zu verdammen. Es ist diese rare Art von Film, bei der schauspielerische Leistungen, selbst wenn sie, wie bei Rooney zweifellos, purer camp sind, vom ganzen Rest (also Drehbuch, Handwerk, Dramaturgie) getrennt betrachtet werden sollte. Daher verbleibe ich mit dem salomonischen Schlusswort – als FILM eine Katastrophe, als Showcase für Rooneys Spielfreude und Enthusiasmus aber ein Meilenstein. Ich vergebe im Endeffekt „neutrale“ 2 Punkte – der Streifen verdient bestenfalls eine, aber Rooney alleine drei. Der Rest ist Mathematik 🙂

2/5
(c) 2009 Dr. Acula


mm
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