The Line – Tausend Meilen bis zur Hölle

 
  • Deutscher Titel: The Line - Tausend Meilen bis zur Hölle
  • Original-Titel: The Line
  •  
  • Regie: Robert J. Siegel
  • Land: USA
  • Jahr: 1980
  • Darsteller:

    Russ Thacker (Rusty), Brad Sullivan (Sgt. Hook), Kathleen Tolan (Janie), Lewis J. Stadlen (Potofski), Erik Estrada (Chicano), David Doyle (Captain Jinx)


Vorwort

Ohio, 1968 – der neunzehnjährige Wehrpflichtige Rusty Novik, der mental nicht verarbeitet hat, im Dschungelkrieg von Vietnam irrtümlich ein kleines Mädchen erschossen zu haben, setzt sich von der Truppe ab und kehrt nach Hause zurück. Dumpfbacke, die er ist, sagt er nicht nur kurz „Hallo“ und türmt nach Kanada, sondern läßt seine Beziehung mit Girlfriend Jenny wiederaufleben und wohnt bei seinen Eltern, denen er natürlich nicht auf die Nase gebunden hat, desertiert zu sein (Daddy ist ein Kriegsheld). In ihrer bodenlosen Naivität klingelt Mama Novik mal zu Rustys Einheit durch, wo man ihr zu verstehen gibt, der Sohnemann sei „verwirrt“ und brauche psychiatrische Betreuung in Army-Händen – wenig später stehen zwei Militärpolizisten vor der Tür und arrestieren den verblüfften Rusty… der sich in sofort mit einer Reihe anderer Deserteure und Befehlsverweigerer in einem knallhart geführten Militärstraflager wiederfindet, wo der sadistische Sergeant Hook (gibt es andere?) sich durch allerlei Schikanen, Demütigungen und psychische Folterungen beste Mühe gibt, den Willen der Gefangenen zu brechen. Rusty kompensiert dies durch Entwicklung einer 1-a-mit-Gütesiegel-Klatsche, Halluzinationen und diversen Selbstmordversuchen, die vom verständnisvollen Armeepersonal selbstredend nicht als zu heilender Dachschaden, sondern schlichtes Drückebergertum interpretiert werden. Bei einem Arbeitseinsatz unternimmt Rusty einen eher schlicht gestrickten Fluchtversuch und wird von einem vollkommen überforderten Wachtposten erschossen… Dieses Schockerlebnis führt dazu, dass die restlichen Gefangenen unter der Führung des von Hook eh schon ob seines Judentums und fortgeschrittener Renitenz angefeindeten Potofski sich solidarisieren und sich nicht mehr alles bieten lassen…


Inhalt

Robert J. Siegel legt mit „The Line“, einer 1980 erfolgten Neubearbeitung seines bereits 1972 gedrehten Films „Parades“ (man sieht dem Film an, dass er aus tatsächlich aus den 70ern stammt) ein herbes Militärdrama vor – die 72er-Fassung scheint sich nach mir vorliegenden Informationen ausschließlich auf die Vorfälle im Militärgefängnis zu beziehen, der Prolog um Rustys Heimkehr, sein Vietnam-Trauma und seine Festnahme ist wohl für die Neufassung von 1980 zusätzlich gedreht worden (mir kam Rusty, obgleich der gleiche Darsteller agiert, in den Prologszenen deutlich älter vor, und das liegt nicht nur am Vollbart).
Eines kann man Regisseur Siegel nicht vorwerfen – dass er nicht Stellung beziehen würde. Im Klartext heisst das, dass „The Line“ gar nicht erst versucht, ein objektives Bild zu zeichnen, sondern sich von Beginn an strikt auf einen antimilitaristischen Kurs festlegt (was mir als altem Verweigerer natürlich hochsympathisch ist) – Siegel zeichnet ausnahmslos alle Army-Verantwortungsträger als gewissenlose Dreckschweine (inklusive des Gefängniskaplans), die ihren Untergebenen jegliche Menschenwürde absprechen und in ihnen nicht mehr sehen als zum Abschlachten vorgesehenes Vieh und jeder, der diese Ansicht auch nur dezent in Frage zu stellen wagt (im Film repräsentiert durch einen einberufenen Psychologen, der vorübergehend Rusty betreut), muss sich den unterschwelligen Vorwurf, Kommunist oder zumindest Vaterlandsverräter zu sein, gefallen lassen (hm, das kommt mir in aktuellem Zusammenhang irgendwie bekannt vor). Die Message jedenfalls ist unverkennbar – dies ist ein Film, der keine Frage offen läßt, ob er nun mit einer Antikriegsgesinnung gedreht wurde oder nicht.

Nun, das ist zumindest löblich, aber kein alleiniges Qualitätsindiz. Erstaunlicherweise funktioniert der Film aber auch jenseits der bloßen Meinungsmache – das Drehbuch entwickelt sich fast schon verblüffend folgerichtig (wenngleich mir einige Charakterzeichnungen etwas zu überdreht erscheinen, andererseits, Hook ist auch nicht übertriebener als der Drill Sergeant aus „Full Metal Jacket“), die Knastszenen wirken eindringlich und stellenweise sogar richtiggehend packend. Ohne es zu wollen, wurde ich mit fortschreitender Laufzeit durchaus in den Bann des Films gerissen – eigentlich hatte ich den Streifen ohne gesteigertes Interesse eingelegt, aber je länger der Film lief, desto berührter (wie gesagt, als KDV, der aber aufgrund widriger Umstände auch Teile der Grundausbildung absolvieren „durfte“, bin ich für dieses Thema etwas sensibilisiert) und gespannter sass ich vor der Glotze. Einige Szenen bleiben auch aufgrund ihrer (eher psychisch als physischen) Härte im Gedächtnis – z.B. Rustys dritter Selbstmordversuch und sein Tod. Unnötig (da auch gnadenlos billig realisiert) sind die ersichtlich angetackerten Vietnam-Szenen, ebenso ein Satz unbedeckter Frauenbrüste in Form von Kathleen Tolan. Trotzdem bleibt die Siegels Inszenierung größtenteils treffend, ist vom Pacing her angemessen (der Streifen wird nie langweilig) und gelegentlich schimmert sogar ein bisschen morbider Humor durch.

Zum richtig großen Kino fehlt’s an darstellerischer Klasse. Russ Thacker als Rusty liefert zwar eine durchaus engagierte Performance ab, dennoch kann ich ihm den Charakter nicht voll abkaufen. Dagegen verdient sich der routinierte character actor Brad Sullivan als Hook Höchstnoten in der Kategorie „durchgeknallte Leuteschinder“, Lewis J. Stadlen gibt einen überzeugende Potofski ab. In einer kleinen Nebenrolle ist der spätere „CHiPs“-TV-Star Erik Estrada zu bewundern (erkannt hab ich ihn, ehrlich gesagt, nicht).
Für Filmfreunde ist der Soundtrack noch erwähnenswert – Barry Manilow (the same) steuerte schon für die 1972er-Fassung einen Original-Song bei und die Neuauflage von 1980 ziert sich mit einigen (aber eher ho-hum-mäßigen) Songs von Alan Menken, der später „Little Shop of Horrors“ durchkomponierte und seither zahlreiche Disney-Streifen mit seinen musikalischen Gemmen veredelte.
Leider scheint der Streifen um ca. sechs Minuten gekürzt zu sein.

Bildqualität: Leider hat CTI wieder nur einen ausgesprochen lausigen Print aufgetrieben, der noch nicht mal VHS-Niveau erreicht. Das Bild ist unscharf und sehr grobkörnig, zahlreiche Störstreifen trüben den Filmgenuss, oftmals bleibt es zu dunkel (in Nachtszenen gibt’s mal wieder praktisch gar keinen Kontrast) ebenso gönnt sich der Vollbildtransfer zahlreiche Nachzieher und leichte Hänger (ganz abgesehen von den CTI-typischen Hängern beim obligaten Titelwechsel).

Tonqualität: Die einzig vorhandene deutsche Tonspur ist für die Verhältnisse eines schnell hingerotzten Budget-Produkts eben so akzeptabel. Die Dialoge sind recht gut verständlich, Soundeffekte und Musik kranken unter dem wie schon bei „Karate Warrior 2“ ziemlich dumpf-matschigen Mix.

Ausstattung: CTI bietet keinerlei Zusatzfeatures.

Fazit: „The Line“ war für mich eine kleine Überraschung – ein Film, von dem ich nichts erwartete, entwickelte sich unerwartererweise in ein kleines, aber kraftvolles Drama von eindeutiger Aussage und Zielsetzung – wer für pazifistische und antimilitaristische Botschaften dieser Art empfänglich ist, wird trotz einiger kleiner Schwächen in der Dramaturgie und der nicht erstklassigen Besetzung sicher emotional ein wenig angegriffen werden. Insgesamt ein guter, empfehlenswerter Film (natürlich nicht für die „Rambo-III“- und Hurra-Militaristen-Fraktion geeignet), der eine deutlich bessere DVD-Umsetzung verdient hätte. Dennoch: im Ouevre von CTI schlummert mit diesem Film eine kleine, mattschimmernde Perle.

3/5
(c) 2003 Dr. Acula


mm
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