The Limehouse Golem

 
  • Deutscher Titel: The Limehouse Golem
  • Original-Titel: The Limehouse Golem
  •  
  • Regie: Juan Carlos Medina
  • Land: Großbritannien
  • Jahr: 2016
  • Darsteller:

    Olivia Cooke (Lizzie Cree), Bill Nighy (Inspector Kildare), Douglas Booth (Dan Leno), Sam Reid (John Cree), Daniel Mays (Flood), Eddie Marsan (Uncle), Morgan Watkins (Gissing), Maria Valverde


Vorwort

London, 1880 – wieder einmal geht ein garstiger Serienmörder um. Im Stadtviertel „Limehouse“ stapeln sich die Leichen, die Öffentlichkeit ist aufgebracht.

Scotland Yard setzt Detective Inspektor Kildare auf den Fall an – einen zwar routinierten Copper, aber ohne jegliche Erfahrung in Mordermittlungen. Und das ist auch Absicht, denn für den Yard ist Kildare nur ein bequemer „fall guy“, der nach dem erwarteten Versagen Presse und öffentlicher Meinung zum Fraß vorgeworfen werden kann, dieweil die Reputation des ausgekuckten Yard-Wunderkinds Inspektor Robins unbeschadet bleibt.

Kildare bekommt auch immerhin einen ganzen Konstabler als Unterstützung, stürzt sich aber nichtsdestotrotz engagiert in den Fall. Die Opfer wirken seltsam zusammenhanglos ausgesucht – da eine Hure, da ein kleiner Ladenbesitzer samt Familie, hier ein jüdischer Gelehrter. Kildare vermutet, dass es eine Verbindung geben *muss*, die nur noch nicht entdeckt ist. Eine Botschaft des Killers an einem Tatort führt den Inspektor in die Bibliothek, wo er in dem Buch, dem die Botschaft entnommen war, ein detailliertes Tagebuch des Mörders findet – nur leider ohne Hinweise auf seine Identität. Doch in Britannien anno 1880 hat alles seine Ordnung und die Bibliothek eine Liste aller Benutzer des entsprechenden Leseraumes. Vier Namen – darunter der des Philosophen Karl Marx (!) und ein gewisser John Cree. Da wird Konstabler Flood hellhörig, hat er doch vor kurzem Mrs. Cree wegen dringendem Verdachts auf Gattenmord verhaftet!

Lizzie Cree steht in ihrem Mordprozess auf ziemlich verlorenem Posten – Kildare findet die junge Frau sympathisch und macht sich die Rechnung auf, dass, falls Lizzie wissentlich oder nicht den „Limehouse Golem“ terminal aus dem Verkehr gezogen hat, dies bedeutende mildernde Umstände ausmachen würde. So trifft er sich mit Lizzie im Gefängnis, um ihre Geschichte zu erfahren – und taucht ein in die Welt der „Music Halls“ und ein komplexes Vierecksverhältnis um Lizzie, John Cree, den populären Music-Hall-Komiker Dan Leno und eine eifersüchtige und temperamentvolle Rivalin…


Inhalt

Das spätviktorianische London ist nicht erst seit „Penny Dreadful“ ein populärer Background für mörderische Geschichten und mit der Romanadaption „The Limehouse Golem“ stellt uns Juan Carlos Medina mit seinem zweiten Langfilm nach dem an mir völlig vorbeigelaufenen „Painless“ einen weiteren Vertreter dieses blühenden Subgenres vor.

Medina ist offensichtlich ein Spezialist für nicht geradlinig erzählte Parallelgeschichten, denn wie in seinem Debüt bekommen wir hier quasi zwei Stories zum Preis von einer, und wie die am Ende zusammenlaufen werden, In Flashbacks entfaltet sich die tragische Geschichte von Lizzie Cree – aus ärmsten Verhältnissen kommend, von Männern missbraucht, von der Mutter misshandelt, und wie sie im familiären, auf Zusammenhalt fixierten Mikrokosmos der Groschen-Theaterszene einen Platz, Halt findet, und doch auch dort nicht alles verwirklicht findet, was sie sich wünscht und wovon sie träumt – zwischen den Flashback-Blöcken ermittelt Kildare, verhört Verdächtige, untersucht die (natürlich tatsächlich existierenden) Verbindungen zwischen den Morden, stets in der Hoffnung, die anderen Verdächtigen abseits von Cree eliminieren zu können und so Lizzies attraktiven Hals vorm Galgenstrick zu retten.

Das ist nicht rasant und im Einstieg in die Story gelegentlich sperrig, eben da sich die beiden Erzählstränge nicht von Anfang an harmonisch zusammenfügen, entfaltet aber mit zunehmender Laufzeit einen echten Sog, zumal Medina auch ein Händchen hat, die abgefahreneren Ideen der Vorlage zu visualisieren – ich meine, wann sieht man schon mal eine brutale Slashersequenz, in der Karl Marx als fröhlicher Meuchel-Metzler amtiert?

So spannend – trotz der Flashback-Struktur (und bookends, die die Geschichte quasi als ihre eigene Music-Hall-Grand-Guignol-Theateradaption fixieren) – die Mörderjagd auch ist, am Ende ist das Herzstück des Films die Psychologisierung von Lizzie Cree und die vielleicht unprofessionelle Faszination, die sie als prototypische damsel-in-distress auf den eigentlich taffen Detective ausübt und oft genug droht, sein eigenes Ermittlungsziel zu vernachlässigen (wie auch Flood nachfragt, ob Kildare nun eigentlich den Golem zu fangen gedenkt oder doch lieber Lizzie retten will).

Das Tempo ist bedächtig, aber das wird durch die Detailverliebtheit der Produktion und die darstellerischen Leistungen locker ausgeglichen. Einen so authentisch wirkenden Blick in die Proletariats-Theater-Szene des viktorianischen London hat man wohl noch nicht gesehen, auch wenn das sujet in den letzten Jahren bereits filmisch gewürdigt wurde (auch u.a. in „Penny Dreadful“) – obwohl der Film sicher auch nicht in Geld schwimmt, ist der Look fantastisch, die Kostüme, die Kulissen, die Sets, alles von ungeheuer viel vergossenem Herzblut gekennzeichnet.

Olivia Cooke („Bates Motel“, „Ouija“) beweist, dass sie mehr als nur another pretty face ist – ob zerbrechlich-verletzlich vor Gericht, ansteckend-fröhlich auf der Bühne, berechnend hinter der Kulisse, sie bringt’s auf den Punkt. Bill Nighy („Fluch der Karibik“, „Tatsächlich… Liebe“, „Harry Potter und die Heiligtümer des Todes“) ist praktisch perfekt als zwischen Dienstpflicht und Gerechtigkeitswahn zerriebener Inspektor, Douglas Booth („Stolz und Vorurteil & Zombies“, „Noah“, „Jupiter Ascending“) überzeugt als Music-Hall-Komik-Star Dan Leno, Sam Reid („Anonymous“) ist ebenso ausgezeichnet als John Cree wie Maria Valverde („Exodus: Götter und König“) als manipulative Schlampe im Hintergrund.

Der Gorefreund freut sich über einige rüde Kills und Ergebnisse der selben. So explizit hätte es das für mich nicht unbedingt gebraucht, bin ich doch der Ansicht, dass „The Limehouse Golem“ vielleicht noch besser als TV-Zweiteiler, mit noch mehr Charakter-Tiefgang, mehr Zeit, manchen Storyturn vorzubereiten und auszuspielen, funktioniert hätte (das mag sich damit beißen, dass „The Limehouse Golem“ nicht ganz ohne Längen auskommt, insbesondere so in der Phase des Übergangs vom ersten in den zweiten Akt, aber da hätte man schon beim scriptwriting basteln können… vielleicht die Flashbacks nicht in chronologischer Reihenfolge bringen und damit den Zuschauer etwas mehr zur mentalen Mitarbeit anhalten oder so). Aber auch so – wer ein Faible für gepflegte Chills in viktorianischem Setting hat, und noch dazu ein Herz für große schauspielerische Leistungen, kommt trotz der ein oder anderen kleinen Schwäche an „The Limehouse Golem“ nicht vorbei.

3,5/5

(c) 2017 Dr. Acula


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