The Legend of Bigfoot

 
  • Original-Titel: The Legend of Bigfoot
  •  
  • Regie: Harry Winer
  • Land: USA
  • Jahr: 1976
  • Darsteller:

    Ivan Marx, Peggy Marx


Vorwort

Jäger, Fährtenleser und all-around-nature-guy Ivan Marx hält Geschichten um den mysteriösen und ausgesprochenen scheuen nordwestamerikanischen Ersatz-Yeti Bigfoot, wie es sich für einen echten Naturauskenner gehört, für Blödsinn und Typen, die ihm verkaufen wollen, ihre Kuhherden wären nicht von Koyoten oder ähnlichem Gezücht, sondern vom Sasquatch gerissen worden, für Leute, von denen man sich sicherheitshalber fern halten sollte. Bis, tja, bis er eines schönen Tages über unerklärliche Spuren stolpert, ihnen nachgeht und tatsächlich dem schrecklichen Schneemenschen Aug-in-Aug gegenübersteht und das denkwürdige Ereignis sogar noch geistesgegenwärtig fotografisch festhält.
Zu seinem Erstaunen allerdings wird dem Bildmaterial nebst seinem Augenzeugenbericht von der seriösen Wissenschaft nur höchst begrenzter Erkenntniswert beigemessen, oder, anders ausgedrückt, man hält ihn für einen Schwindler. Das kann ein echter Mann des Westens nicht auf sich sitzen lassen – bewaffnet mit einer Filmkamera zieht er los, um Bigfoot-Sichtungen nachzugehen und die geheimnisvolle Kreatur zu filmen. Nach anfänglichen Rückschlägen glaubt Marx, nachdem er kreuz und quer durch die Pazifik-Region der Staaten gepilgert ist, die Wanderrouten des haarigen Wesens unter Berücksichtigung jahreszeitlicher Bedingungen verinnerlicht zu haben. An einem Frühlingstag legt Marx sich mit seiner Kamera an einem Flußufer auf die Lauer…


Inhalt

Kaum ein der Kryptozoologie zuzuordnendes Wesen hat Low-Budget-Filmemacher in ähnlicher Manier inspiriert wie der Bigfoot (aka Sasquatch aka Abominable Snowman aka Oh-Mah), die zottelige Affenkreatur, von der schon Indianerlegenden berichten und die schon so mancher Waldläufer mit eigenen Augen gesehen haben will. Wie bei den meisten mystischen Viechern hakt die ganze Sache daran, dass niemand bislang einen schlüssigen Beweis für die Existenz des Dings vorgelegt hat – Gipsabdrücke der Bigfoot-Fährten gehen zwar zu zwölft auf ein Dutzend, sind aber als Beweis schon deswegen untauglich, weil niemand ein authentisch „echtes“ Vergleichsmuster zur Verfügung hat; Fotos und Filmaufnahmen sind, wie bei UFO-Sichtungen halt auch, stets in so schlechter Qualität aufgenommen, dass eine Fälschung prinzipiell nie ausgeschlossen werden kann; fairerweise muss man den „Patterson-Gimlin“-Film, 1967 von den Bigfoot-Forschern Roger Patterson und Robert Gimlin aufgenommen, insofern halbwegs ausnehmen, weil trotz jahrzehntelanger Analysen auch kein Experte letztlich ausschließen konnte, das es sich um authentisches Material handeln könnte (die Hauptargumente der „ist-echt“-Fraktion lauten: 1967 waren für „Normalsterbliche“ Spezialeffekte wie ein „Monster-Suit“, der dezidiert nicht-menschliches Muskelspiel abbilden konnte, nicht erschwinglich und auch für große Studios ein gewichtiges Problem; außerdem bedient sich der Bigfoot im Film einer Gangart, die Menschen nicht bewerkstelligen können – zumindest, wenn man sich darauf festlegt, dass der Patterson-Gimlin-Film nicht mit den üblichen 24 fps, sondern nur mit 18 fps gedreht wurde. Pattersons Kamera konnte von 16 fps bis 64 fps stufenlos alles, nur leider konnte sich der Filmemacher nicht daran erinnern, mit welcher Einstellung er filmte).

Sei’s drum – Ende der 60er entspann sich in den Staaten eine wahre Bigfoot-Manie und immer wieder drängten Männer ins Rampenlicht, die behaupteten, Bigfoot-Spuren gefunden oder das Tier gar selbst gesehen zu haben. Zu diesen gehörte auch Ivan Marx, im richtigen Leben tatsächlich Jäger, Spurenleser und Wildnis-Führer, der nach eigenen Angaben 1969 Bigfoot-Spuren entdeckte. Selbst die meisten Bigfoot-Enthusiasten hielten Marx eher für einen unzuverlässigen Kantonisten, was ihn nicht daran hinderte, seine Entdeckungen medienwirksam auszubeuten und 1976 (kurz bevor ein beinahe gleich betitelter Dokumentarfilm – „Sasquatch: The Legend of Bigfoot“ – herauskam, in dessen Mittelpunkt der Patterson-Gimlin-Film stand) seine Bemühungen, das Tier (das ja von seinen Proponenten für das „missing link“ zwischen Affe und Menschen gehalten wird) zu finden, abzufilmen und das Ergebnis in die Lichtspielhäuser dieser Welt zu bringen.

Da wir heute, anno 2009, den Bigfoot immer noch ins Reich der Fabelwesen einsortieren können, dürfte ihm die ganze Operation außer Spesen und einem vermutlich eher kärglichen Reibach ob der filmischen Auswertung (sonst könnte ich den Kram heute nicht als Schäbo-PD-Fassung als Bestandteil von Mill Creeks „Drive-In Movie Classics“-Box sichten) nicht sonderlich viel eingebracht haben. Dementsprechend waren meine Erwartungen an das stolze Werk nicht gerade turmhoch, aber auf ein bissi campy-70er-Jahre-Fun hoffte ich dann trotzdem).

Leider ist „The Legend of Bigfoot“ (inszeniert und co-geschrieben übrigens von Harry Winer, der inzwischen als Regisseur für gar nicht mal schlechte TV-Serien wie „Alias“ oder „Vernoica Mars“ seine Brötchen verdient und 1996 mit der Jamie-Lee-Curtis-Komödie „House Arrest“ einen kommerziell gescheiterten Ausflug auf die große Leinwand unternahm) eine ausgesprochen langweilige Angelegenheit (und dabei habe ich bei der Recherche mit gewissem Schrecken festgestellt, dass es eine Version des Films gibt, die sich nicht mit den charmanten 75 Minuten begnügt, sondern ihr dröges Spiel auf satte 92 Minuten aufbläht. Wääh). Der Streifen besteht zu, na, sagen wir 90 % aus gelegentlich hübsch anzusehenden, aber hochgradig belanglosen Naturaufnahmen, die ich mir bei Sielmann oder Grzimek auch hätte ansehen können, ohne mit Marxens pathetischen voiceover belästigt zu werden. Wer sich für Eichhörnchen, Bären oder – besonders – Elche interessiert, könnte auf seine Kosten kommen (wenn er den Ton abdreht) und die pure Majestät der Redwood-Baumriesen ist an und für sich beeindruckend, jedoch plärrt Marx die Bilder entweder mit verzweifelten Versuchen, seine x-beliebigen Tierfilmereien in einen Kontext mit der Bigfoot-Suche zu bringen oder gibt gleich auf und rhabarbert völlig zusammenhanglosen Mumpitz, der nur aus purem Zufall mal etwas mit dem Gezeigten zu tun hat. Statt sinnvollem Kommentar – wie z.B. einer historischen Einführung in die Bigfoot-Legende, die immerhin den Titel des Films ausmacht, Informationen über verschiedene Sichtungen, geographische Einordnung derselben und Analyse ihres Faktengehalts – hören wir Gemmen wie Marx‘ Selbsteinschätzung, in seiner Eigenschaft als Jäger nur „böse“ Tiere zu töten, um „unschuldige (Tiere)“ zu schützen (leider nicht oft genug, um dem ganzen Kram wenigstens durch solide unfreiwillige Komik eine gewisse Hysterie zu verleihen) oder stetiges Genöle über „die“, die ihm seine tollen Erkenntnisse nicht abkaufen wollen, garniert mit Platitüden über die schier unendliche Weite der amerikanischen Wälder, in denen Bigfoot sich unerkannt herumtreiben könne; Marx‘ Kommentar schwankt zwischen plumper Selbstbeweihräucherung, nicht minder plumpen Allgemeinplätzen zur Natur, deren Grausamkeiten und der menschlichen Beteiligung hieran an sich („wenigstens“ unterlegt von ein paar realen Aufnahmen von massenhaftem Karibu-Abschuss. Tiersnuff-Fans rejoice!) und schierem Geschwafel.

Höhepunkte der cineastischen Kunst sind ausufernde Sequenzen, in denen die Kamera ein verletztes Eichhörnchen auf seiner Flucht vor einem Raubvogel in ein Erdloch beobachtet oder ein ungeheuer aufregender Kampf zwischen zwei Elchbullen. Mörderisch spannend, sofern man noch nie einen Tierfilm gesehen hat. Aber halt, es ist ja ein „Bigfoot“-Film, eine Bigfoot-Doku, also muss Marx uns freilich auch mit Bigfoot-Footage kommen, sonst würde er ja seinen Ruf als Sasquatch-Aufspürer ersten Ranges verlieren. Also bekommen wir auch Bigfoot-Aufnahmen (in zwei größeren Sequenzen; die eine schildert angeblich seine erste Begegnung mit der Kreatur, was Tinnef ist, weil Marx‘ eigener Off-Kommentar ausführt, dass er das Ding nur fotografiert, nicht aber gefilmt habe, und überdies vor Erscheinen dieses Films nicht behauptete, Bigfoot selbst, sondern nur seine Spuren gesehen zu haben; die zweite ist der apostrophierte „Showdown“). Bei aller Freundschaft, jeder Menge zugedrückter Hühneraugen und jeglichem aufbringbaren guten Willen sieht der Bigfoot (der selbstverständlich, schließlich ist man Experte, in bewährter Griesel-Optik gezeigt wird, obschon das restliche Filmmaterial von deutlich besserer Qualität ist) in keiner Sekunde anders aus als ein Statist, den man in ein Zottelfell gehüllt hat; nicht mal den Hinweis des Patterson-Gimlin-Films, dass ein Bigfoot sich nicht einfach bewegt wie ein Mensch, den man in ein Fell gesteckt hat, sondern gewisse „un-menschliche“ Bewegungsabläufe aufweist, haben Marx und Winer bedacht. Jeder „Planet der Affen“-Komparse bewegt sich fremdartiger als Marxens Pseudo-Bigfoot (und dramaturgisch fällt die finale Begegnung mit dem Fabelwesen schon deshalb flach, weil Winer und Marx uns bereits eine Stunde vorher Bigfoot-Footage gezeigt haben).

Selbst aus Trash-Gesichtspunkten kann man sich nicht wirklich daran erfreuen – zu wenig tun Winer und Marx dafür, ihre vermeintlichen Sensationsaufnahmen auch als solche zu präsentieren: abgesehen von völlig unsubstantiierten Behauptungen des Narrators, dass diese Aufnahmen ja jetzt der untrügliche Beweis für die Richtigkeit seiner Theorien seien, behandelt der Film seine Bigfoot-Aufnahmen auch nicht anders als die von Elchen, Erdhörnchen oder anderweitigem Getier. Das Gefühl, einer bahnbrechenden Entdeckung beizuwohnen, wird nicht mal im Ansatz vermittelt (und dass man das selbst bei einem gefaketen Documentary erreichen kann, bewies Peter Jackson mit „Forgotten Silver“).

So bleibt „The Legend of Bigfoot“ ein eher trauriges Erlebnis – Marx selbst ist mit seinem Kommentar, der in einer Tonlage zwischen schamloser Selbstüberschätzung und großväterlichem Habitus dargeboten wird, nicht in der Lage, dem Streifen etwas Feuer, etwas Enthusiasmus mitzugeben; die Aufnahmen selbst sind zwar ganz nett anzusehen, aber da tut’s wahlweise ein Reisevideo über den amerikanischen Nordwesten (interessiert man sich für die Landschaften) oder eine beliebige Tiersendung im TV (ist man mehr ein Fauna-Fan). Da hilft dann auch ein heftig übertreibender Score (komponiert von Don Peake, der später noch die Soundtracks zu „The Hills Have Eyes“, „The People Under the Stairs“, „Lunarcop“ und 72 Episoden „Knight Rider“ fabrizieren sollte) nicht weiter.

Bildqualität: Mill Creek legt den Film in non-anamorphem ca. 1.85:1-Widescreen vor. Defekte und Drop-outs stellen sich in noch erträglicher Zahl ein, Schärfe und Kontrast sind auf der eben noch so mittelprächtig zu nennenden Seite, dafür hat irgendeine eifrige Putzfee dem verwendeten Print mit Ariel Super Aufdringlich Futur erfolgreich die Farben rausgewaschen.

Tonqualität: Sofern man Wert darauf legt, Marx‘ Kommentar zu lauschen (anderweitige Texte, Dialoge oder Geräusche gibt’s nicht), kann man dies in passabler Mono-Qualität tun. Der Score ist ein wenig matschig, aber ebenfalls noch zu ertragen.

Extras: –

Fazit: Naaa, des wor nix. „The Legend of Bigfoot“ versagt sowohl als, hüstel, ernstgemeinte Dokumentation, die dem geneigten interessierten Zuschauer ein paar wissenswerte Infos über das titelgebende Wesen vermitteln könnte, als auch – leider – als die von mir erhoffte Trashpackung; dafür ist die Präsentation zu bieder, zu langatmig und zu egoistisch; zwar verzichtet Marx wenigstens darauf, sich auch noch ausgiebig ins Bild zu setzen, aber sein omnipräsenter und -blödsinniger Kommentar reicht locker, um anstelle von Lach- Magenkrämpfe auszulösen. Wie’s „richtig“ gemacht wird, zeigte vier Jahre zuvor Charles B. Pierce mit dem zumindest lustigen fake documentary „The Legend of Boggy Creek“ (das seinerseits ein entfernter Ahne des „Blair Witch Project“ ist) – und selbst Snowbeast aus der gleichen Mill-Creek-Box ist nicht *gut*, aber deutlich unterhaltsamer. Die Winer/Marx-Kollaboration kann man dagegen aus jedem erdenklichen Gesichtspunkt betrachtet vergessen – ihr einziger Pluspunkt in der Mill-Creek-Fassung: sie ist kurz… (gut, andererseits – wer ein Faible dafür hat, ein Weilchen lang einem von sich ausgesprochen überzeugten „deranged mind“ zuzuhören, darf mal reinkuck-, naja, besser -hören).

1/5
(c) 2009 Dr. Acula


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