The Illusionist

 
  • Deutscher Titel: The Illusionist
  • Original-Titel: The Illusionist
  •  
  • Regie: Neil Burger
  • Land: USA
  • Jahr: 2006
  • Darsteller:

    Edward Norton (Eisenheim), Paul Giamatti (Inspektor Uhl), Jessica Biel (Sophie von Teschen), Rufus Sewell (Kronprinz Leopold), Eddie Marsan (Josef Fischer), Jake Wood (Jurka), Tom Fisher (Willigut)


Vorwort

Wien um 1900.. der Zauberkünstler Eisenheim beeindruckt mit seiner Show das Publikum, füllt die Theater und erweckt auch die Neugierde des Kronprinzen Leopold, der sogar seine gegenwärtige Gefährtin, die Herzogin Sophie von Teschen, als „Freiwillige“ für eine Illusion auf die Bühne schickt. Was niemand ahnt – Eisenheim und Sophie kennen sich aus Kindheitstagen und träumten schon damals davon, gemeinsam durchzubrennen, bevor der Standesunterschied, Eisenheim ist ein schlichter Tischlersohn, diesem Ansinnen einen schweren Riegel vorschob. Eisenheim und Sophie lassen ihre Affäre wieder aufleben, aber Leopold, der sowieso schon bestrebt ist, den Magier als Schwindler bloßzustellen, stattdessen aber bei einer Privatvorstellung in der Hofburg von Eisenheim gedemütigt wird, schöpft Verdacht und setzt Inspektor Uhl auf die beiden an. Tatsächlich schmieden Eisenheim und Sophie wieder Pläne zur gemeinsamen Flucht, aber Sophie weiß, dass sie von Leopold, der sich mit dem Gedanken des Sturzes seines Vaters trägt, politisch gebraucht wird. Nur durch eine Verlobung mit ihr könnte Leopold sich zum König von Ungarn ausrufen lassen. Sophie konfrontiert den Kronprinzen und kündigt an, die Verlobung nicht einzugehen. Am nächsten Morgen ist sie tot… Ein Mörder wird schnell präsentiert, dem Kronprinzen selbst, dem der Ruf vorauseilt, Bettgefährtinnen schon mal totzuprügeln, ist mit den ordinären Gesetzen nicht beizukommen. Eisenheim präsentiert eine neue Show, in der er die Geister von Verstorbenen zu beschwören scheint – so auch den von Sophie, was die Unruhe im Volk, Leopold könnte der Mörder sein, beflügelt; begreiflicherweise den Zorn des Kronprinzen schürend, der Eisenheims Verhaftung fordert. Entgegen Uhls eindringliche Warnung treibt Eisenheim sein Spiel weiter…


Inhalt

Praktisch überall auf der Welt lieferten sich Ende 2006/Anfang 2007 zwei period piece-Mysteryfilme über Magier ein Duell an den Kinokassen – The Prestige und „The Illusionist“; überall, nur nicht im deutschen Sprachraum, wo „The Illusionist“, in Zahlen der zweite Sieger (allerdings der größere Moneymaker, da „Prestige“ im Vergleich zu den 16,5 Mio. $, die „Illusionist“ kostete, ein Budget von 40 Mio. $ wieder einzuspielen hatte) nun als DVD-Premiere auf die Kundschaft losgelassen wird. Nun hat kommerzieller Erfolg nur eingeschränkt mit filmischer Qualität zu tun (was nicht heißen soll, dass das zahlende Publikum am Ende nicht Recht hat) – und zumindest eins kann ich schon vorweg nehmen: „The Illusionist“ hat’s nicht nötig, eine laue Science-fiction-Ausrede zur Auflösung zu bemühen.

Das Script von Regisseur Neil Burger, der hier eine Kurzgeschichte des US-Autoren Steven Millhauser (Pulitzer-Preisträger für den Roman „Martin Dressler: The Tale of an American Dreamer“) adaptiert, fabuliert frei auf der Basis äußerst vager historischer Begebenheiten und Figuren. Eisenheim, der Illusionist, soll lose an der realen Figur des 1933 ermordeten „Mentalisten“ Hanussen orientiert sein, Kronprinz Leopold und seine Verlobte Sophie hingegen an dem echten Erzherzogs Rudolf, der 1889 in Mayerling mutmaßlich erst seine Geliebte Maria Vetsera und anschließend sich selbst tötete (diverse Verschwörungstheorien, die einen politischen Mord und eine anschließende Vertuschung vermuten, kursieren selbstredend). Schon allein aus den Daten wird deutlich, dass historische Akkuratesse hier nicht im Blickpunkt stand, sondern eine rein fiktive Geschichte erzählt wird, die sich bemüht, gleichermaßen Mystery, Romanze und Politthriller zu sein und sich hierbei eindeutig mindestens eine Last zu viel auflädt.

Beinahe zwangsläufig resultiert aus dieser Dreifachbelastung, dass keines dieser Genre-Elemente wirklich befriedigend ausgearbeitet wird. Die Liebesbeziehung zwischen Sophie und Eisenheim leidet darunter, dass zwar ihr Hintergrund in Form einer längeren Rückblende zum Filmauftakt erklärt wird, aber nie wirklich deutlich wird, warum die beiden Protagonisten sich nunmehr, beim unerwarteten Wiedersehen fünfzehn Jahre später, auch sexuell zueinander hingezogen fühlen (hierzu wird dann auch beim Abschnitt über die darstellerischen Leistungen noch zu reden sein). Der Mystery-Part krankt daran, dass den Film das „wie“ von Eisenheims Illusionen kaum interessiert. Eisenheim bestätigt zwar im Filmverlauf, dass es sich nur um Tricks handelt und gelegentlich werfen Film und Drehbuch uns vereinzelte Brocken oder zumindest Vorschläge, wie Eisenheim sein Publikum nasführt, letztlich sind Eisenheims Illusionen, die – wenn man nach dem Filmtitel geht – der „USP“, der selling point des Films sind, aber nur ein MacGuffin, um Liebesgeschichte und Polit-Krimi-Part voranzutreiben. Und was den Polit-Part angeht, der wird erstaunlich schwerhändig eingeführt: da hat man uns den Kronprinzen als trinkfreudigen, frauenverprügelnden, arroganten Widerling eingeführt, aber offensichtlich reicht das nicht, um Sophie ausreichend zu motivieren, den Deppen für ihre wahre Liebe in den Wind zu schießen, also fällt ihr, buchstäblich in der Sekunde, in der Eisenheim sie zur Flucht überredet hat, ein, dass der böse Prinz ja auch noch einen Staatsstreich plant, dafür die Unterstützung aus Ungarn braucht und die nur bekommt, wenn er sie ehelicht – expository dialogue vom Ungenießbarsten (zumal wir, wenn ich das richtig mitbekommen habe, bis dato nicht wissen, dass Sophie dem ungarischen Adel angehört oder es zumindest nicht prominent serviert bekommen haben, und es ausreichend Gelegenheit gegeben hätte, die eine oder andere Teilinformation vorher etwas eleganter ins Script zu pfriemeln). Erst recht dreist wird’s, wenn wir begreifen, dass uns Poldi (zumindest soweit halbwegs akkurat nach dem Vorbild Rudolf gezeichnet) den Staatsstreich nicht allein aus persönlichem Machtstreben plant, sondern liberale Reformen anstrengen möchte, die gerade den Standesdünkel, der Sophie und Eisenheim trennt, zumindest mildern sollten (nicht, dass Leopold aber abgeneigt wäre, im Sinne seines Vorhabens mit zugeschacherten Posten und Titeln zu protegieren).

(SPOILER) Letztlich wird Leopold also nicht – hauptsächlich – der Mord an Sophie zum Verhängnis, sondern seine liberalen Bestrebungen, und im Kontext des Films ist dies auch noch vollauf gerechtfertigt. Das könnte man böswillig reaktionär nennen (SPOILERENDE).

Schlussendlich ist das große Dilemma des Scripts, dass sich die Ereignisse nicht schlüssig auseinander entwickeln, weil die Charaktere nicht ausreichend definiert sind. Weder die gegenseitige Attraktion des Liebespaars überzeugt schreiberisch, noch Leopolds erklärter Wille, Eisenheim als Schwindler zu diskreditieren (dies schon, bevor er ahnt, dass der Magier und Sophie eine Affäre haben), und auch nicht Eisenheims Plan nach Sophies Tod, den Kronprinzen zu vernichten (SPOILER: Zumal es dafür, die Auflösung des Films herangezogen, keinen echten bzw. wirklich legitimierenden Grund gibt).

Zudem bin ich, ehrlich gesagt, kein großer Fan von Auflösungen in Form einer Montage, wie sie hier zelebriert wird. „Die üblichen Verdächtigen“ hat diese Methode so perfekt eingesetzt, dass jeder neue Aufguss eben nur noch wie eine uninspirierte Kopie wirkt.

Dessen ungeachtet hat der Film seine herausragenden Momente – die Privat-Vorführung in der Hofburg, Eisenheims letzte öffentliche Vorstellung, Uhls finale Konfrontation mit dem Prinzen, das sind gut geschriebene und ebenso gut filmisch umgesetzte Szenen, die andeuten, welch Potential im Stoff steckt, aber leider von Neil Burger, der 2002 mit „Interview with an Assassin“, einem Kammerspiel/Mockumentary über den „zweiten Schützen“ des Kennedy-Attentats debütierte, nicht mit dem notwendigen Verve ausgespielt wird. Burgers Inszenierung ist größtenteils gefällig, aber nie zwingend – über die 110 Minuten Laufzeit schleicht sich die ein oder andere Länge ein, speziell die erste Hälfte, in der vom letztlich *relevanten* Plot noch keine Spur zu sehen ist und der Film sich in Richtung period-piece-unlucky-romance zu entwickeln droht, kann schon zu einer Geduldsprobe werden.

An Ausstattung und Production Values (Prag gibt ein würdiges Double für’s Wien der letzten Aufwallungen der k.u.k.-Zeit her) liegt’s nicht, auch nicht an der (eher unerwartet) opulenten Fotografie von Mike Leighs Stammkameramann Dick Pope („Secrets & Lies“, „Naked“, „Vera Drake“), auch nicht an den dosiert eingesetzten Spezialeffekten (für die meisten Tricks Eisenheims verzichtete man auf CGI, sondern liess Edward Norton von zwei Bühnenzauberern zum „Magier“ ausbilden), sondern einfach an Burgers Entscheidung, den Film in gemächlicher Gangart, zweifellos der Dekadenz der Epoche angemessen, zu erzählen und sich auf sein hochkarätiges Schauspielerensemble zu verlassen, erst zum Finale hin zieht Burger die Spannungsschraube deutlich an.

Nur leider lässt ihn das zumindest in Person des eigentlich stets zuverlässigen Edward Norton („American History X“, „Fight Club“, „Red Dragon“) im Stich. Norton überzeugt mich nur in seinen Illusions-Auftritten in der ersten Hälfte wirklich, in den Charakterszenen speziell zwischen ihm und Jessica Biel (die die Rolle kurzfristig vor Drehbeginn von der abgesprungenen Liv Tyler übernahm) fehlt es an Chemie, die die Beziehung glaubhaft erscheinen lässt. Biel selbst beschränkt sich mehr oder weniger darauf, schmückendes Beiwerk zu sein. Rufus Sewell („Dark City“, „Ritter aus Leidenschaft“) spielt den Kronprinzen angemessen aufgedreht widerlich (aber den Sozialreformer will man ihm nicht wirklich abkaufen), aber das darstellerische Highlight ist ohne Zweifel Paul Giamatti als Inspektor Uhl. Ich halte Giamatti ja spätestens seit American Splendor für einen der besten Schauspieler der Gegenwart und auch in „The Illusionist“ beweist er seine Sonderklasse, indem er in den „Duell-Situationen“ sowohl Sewell als auch Norton mühelos an die Wand spielt und als einer der wenigen wirklich durchschimmern lässt, *warum* seine Figur so tickt, wie sie’s tut.

Bild/Ton/Extras: Ascot Elite bringt den Film in anamorphem 1.85:1-Widescreen, deutschem und englischen Ton in Dolby 5.1 und dts sowie einem Rudel Extras (Audiokommentar, Behind the Scenes, Cast- und Crew-Interviews, Hintergrundinformationen, Trailer). Mir lag die Vorab-Presse-DVD ohne Extras vor.

Fazit: „The Illusionist“ kann leider nicht voll überzeugen – unentschlossen zwischen Romanze, Mystery und Politkrimi pendelnd, und geprägt von der eher trägen Regie Burgers und nicht voll ausgearbeiteten Charakteren kann der Film trotz des durchaus interessanten Storykonstrukts nur selten fesseln. Die letzten 20-25 Minuten (abgesehen von meinem oben genannten Grundsatzproblem mit der Auflösung) sind spannend und straff inszeniert (wenn auch die angesprochenen moralischen Fragen bestehen), der Streifen sieht ohne Zweifel schick aus und Paul Giamattis darstellerische Leistung ist nicht hoch genug zu bewerten, ein gnädigeres Endurteil als „Durchschnitt“ kann ich aber nicht verkünden. Hätte man eines den Politthrill-Teil weggelassen, hätte man einen schönes romantic mystery zum Kucken mit Frau oder Freundin basteln können, mir persönlich wäre es wohl lieber gewesen, Burger hätte die Love Story zugunsten einer deutlicheren Gewichtung zugunsten der Spannung zurückgefahren. Your mileage may vary.

3/5
(c) 2008 Dr. Acula


mm
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