The House of the Devil

 
  • Deutscher Titel: The House of the Devil
  • Original-Titel: The House of the Devil
  •  
  • Regie: Ti West
  • Land: USA
  • Jahr: 2009
  • Darsteller:

    Jocelin Donahue (Samantha), Tom Noonan (Mr. Ulman), Mary Woronov (Mrs. Ulman), Greta Gerwig (Megan), AJ Bowen (Victor Ulman), Dee Wallace (Landlady), Heather Robb (Heather)


Vorwort

Studentin Samantha braucht Kohle (womit sich jeder rechtschaffene Studiosus identifizeren können sollte) – zwar hat sie erfolgreich – um ihrer chaotischen und wild herumpoppenden Schlampen-Studentenheimmitbewohnerin Heather zu entkommen – ein hübsches Domizil aufgetrieben, doch wie das Vermieter lästigerweise so an sich haben, das kostet Geld. Woher die Asche nehmen, wenn man nicht gleich die eigenen Organe verscherbeln will? Babysitten bietet sich da immer wieder gern an. Mr. Ulman, Aufhänger der nicht sonderlich aussagekräftigen Flyer, ist auch ganz angetan und hat’s sehr eilig, doch den ausgemachten Termin („sofort“) zum Vorstellungsgespräch verschwitzt er. Zu Sams Überraschung meldet sich Ulman aber ganz zerknirscht wieder – für einen absoluten totalen Terror-Notfall bräuchte er Sams Sitterdienste sofort und auf der Stelle. Sam lässt sich – am Abend vor einer spektakulären Mondfinsternis – von ihrer Freundin Megan nach JWD kutschieren, wo sich Ulman als hochgradig nervöser, aber nicht unsympathischer alter Zausel entpuppt und gramgebeugt zugeben muss, dass er Sam angeschwindelt hat. Es gibt kein Baby zu sitten, sondern nur eine alte Dame (seine Schwiegermutter), und die ist eigentlich ganz selbständig, nur Mrs. Ulman ist halt ein wenig überfürsorglich. Nach harten Verhandlungen (und schlichter Erpressung – vierhundert Dollar schlägt Sam aus dem Vier-Stunden-Engagement) willigt Samantha (gegen Megans Rat) ein. Die Ulmans machen sich vom Acker, dito Megan. Sam kann’s sich bei bestellter Pizza und Gruselfilm im Fernsehen gemütlich machen, doch irgendetwas scheint im Hause nicht zu stimmen. Merkwürdige Geräusche erschrecken Sam, von einer zu betreuenden alten Lady ist weit und breit nichts zu sehen und die in einem Schrank versteckten Familienfotos sind ein wenig… seltsam…

SPOILER (irgendwie, auch wenn’s der Film in seiner ersten Tafel verrät). Das ist kein großes Wunder, denn Samantha befindet sich direktemang im Hauptquartier einer munteren Satanisten-Truppe, die zur Feier der Mondfinsternis ein ganz spezielles Ritual durchführen wollen, und Sam soll dabei die Hauptrolle spielen…


Inhalt

Ti West mal wieder. Der Jungregisseur, der mich mit The Roost – Angriff der Fledermäuse trotz des dramaturgischen Kunstgriffs, seinen Streifen als „Film-im-Film“ einer Late-Night-TV-Horrorshow abzuspulen, dezent langweilte und irgendwie den Job an Land zog, Eli Roths Cabin Fever fortsetzen zu dürfen (obwohl so recht niemand danach gefragt hatte), war beim diesjährigen FFF nicht nur mit „Cabin Fever 2“ am Start, sondern auch mit seinem unmittelbaren Vorgängerwerk „The House of the Devil“ und ging damit, zumindest beim als ziemlich kritisch bekannten Nürnberger Publikum (abzüglich des Docs, der zum Screening-Termin ein anderes Leinwand-Date hatte) mächtig baden.

Nach Ansicht des Streifens mache ich dafür ursächlich zwei Faktoren verantwortlich – ungünstige Programmierung (nach meiner Erinnerung lief der Schinken in einem Mitternachtsslot, und das ist nun mal naturbedingt eher die Stunde für juxig-flotten Funsplatter oder zumindest knackigen Radau) und irreführende Bewerbung. „The House of the Devil“ wurde als Hommage an den 80er-Horror angekündigt und, da lehne ich mich mal gerne weit aus dem Fenster, falscher wäre höchstens noch die Annoncierung als romantische Komödie. Ja, „The House of the Devil“ ist eine filmische Remineszenz an längst dahingegangene Zeiten, nur bei der Datierung vertaten sich die Promoter um ein lockeres Jahrzehnt. Wests Werk steht eindeutig – und da muss man nun wirklich kein Allesseher und Genre-Nerd sein – in der Tradition des 70er-Okkult-Horrors (wir dürften uns weitgehend einig sein, dass Okkult-Horror in den 80ern bereits mausetot war) und schuldet seine Inspiration eindeutig Klassikern wie Rosemary’s Baby mit einem Touch von „When a Stranger Calls“ – fraglos nicht auf dem Niveau eines Roman Polanski, aber doch deutlich über dem, was ich von Ti West erwartete (es beginnt schon im Vorspann mit der Copyright-Angabe direkt unter dem Titel, wie in den alte Schinken üblich).

Freilich – es ist ein ausgesprochen unmoderner Film, und es erstaunt mich nicht wirklich, dass die von mir interviewten FFF-Zuseher unisono von „80 Minuten passiert nichts und dann 10 Minuten lang nicht viel“ redeten. Wer zeitgemäßes Horror-Kino mit seinen Schockeffekten im Minutentakt, expliziten Splattereinlagen und Schnittstakkato gewohnt ist, für den stellt „The House of the Devil“ eine echte Herausforderung dar, denn West (der den Streifen auch schrieb und schnitt) lässt sich wirklich viel Zeit – zweieinhalb Akte lang verwendet er auf die Etablierung seiner Hauptperson (bevor sie überhaupt das „Haus“ betritt, vergeht eine gute halbe Stunde) und das Aufbauen einer schleichenden, paranoiden Bedrohung aus latentem, aber eigentlich (wenn man davon absieht, dass der Film seine entscheidende Karte nicht nur durch den Titel, sondern auch eben die erste Texteinblendung überhaupt vorzeitig ausspielt) nur bestenfalls vage begründetem Unbehagen. Als Zuschauer können wir uns – sofern wir bereit sind, uns auf diese Entdeckung der Langsamkeit einzulassen – ganz im Hitchcock’schen Suspense-Sinne an unserem Wissensvorsprung gegenüber der Protagonistin ergötzen. Während wir (Titel und Texteinblendung sei dank) ja genau wissen, dass die ganze Sache übel ausgehen muss, versucht Samantha sich praktisch den ganzen zweiten Akt über einzureden, dass ihre Befürchtungen und Ängste irrational sind, und das durchaus mit nachvollziehbarer Argumentation, denn welchen Anlass hat sie hierfür eigentlich? Ihr Auftraggeber ist hochgradig nervös und unsicher, ja, aber das ist verständlich, wenn man einen lieben Menschen jemandem anvertraut, den man nicht kennt (und der einem hierfür horrende Geldbeträge aus dem Kreuz geleiert hat), ja, er hat bestenfalls ausweichend auf die Frage geantwortet, wo er und die Misses denn sein werden (aber er lässt eine Telefonnummer, unter der er zu erreichen ist, da), aber das geht Sam ja auch nichts an, und ja, er hat sie angeschwindelt, aber ist es nicht völlig richtig, dass es leichter ist, einen Babysitter aufzutreiben als jemanden, der freiwillig Altenbetreuung übernimmt? Das psychologische Dilemma, in dem Sam steckt, ist also zweifellos ein durchaus glaubhaftes und Wests Methode, es aufzubauen, im Sinne der traditionellen Vorgänger recht versiert. In Konzession an modernere Sehgewohnheiten ist der direkte Übergang von diesem zurückhaltend-behutsam gewerkeltem Spannungsaufbau in einen im direkten Vergleich fulminanten Showdown ein relativ harter Stilbruch, allerdings auch ein befriedigender pay-off.

Funktioniert natürlich auch nur, weil Samantha für einen B-Horrorfilm von 2009 ein gut geschriebener Charakter ist; sympathisch, aber eben auch frech genug, Ulman in seiner vermeintlichen Notlage kräftig über den Tisch zu ziehen, willens, auf eigenen Füßen zu stehen, jedoch innerlich noch „schwach“ und wenig selbstbewusst – im Vergleich zu quasi allen Horrorfilm-End-Teenagern seit „Halloween“ selig mal wirklich eine Figur, die man * glauben * kann.

Auch filmisch bedient sich West Mitteln, die direkt aus den 70ern entsprungen sein könnten. Er schätzt lange, statische Shots, in denen sich Figuren aus dem Hintergrund nach vorne bewegen, Kamerafahrten, bei denen sich die Kamera langsamer bewegt als das fotografierte Objekt und so ein gewisser „asynchroner“, traumwandlerischer Effekt erzielt wird und spielt speziell, wenn sich das Geschehen erst mal in das „Teufelshaus“ verlagert hat, mit den Möglichkeiten, die ihm die Architektur des Hauses mit seiner Vielzahl an Zimmern, Kammern und Treppen gibt, nutzt da und dort mal einen frechen Kamerawinkel. Wie gesagt, Adrenalin-Junkies wenden sich mit Grausen ab, wer die alte Schule jedoch noch schätzt, dürfte sich freuen. Trotz des in der Tat bestenfalls moderaten Tempos und dem Verzicht auf „Action“ im Wortsinne (bis zum Showdown baut West tatsächlich mal gerade eine kurze, dafür aber rüde Schocksequenz ungefähr zur Halbzeit als Hallowach ein) wird „The House of the Devil“ kurioserweise nicht langweilig, da es West – ohne Zutaten wie Trockeneisnebel oder hintergrundbeleuchtete Shots der Fulci-Schule bemühen zu müssen – gelingt, eine eigentümliche, eindringliche Atmosphäre aufzubauen, die selbst Szenen, in denen Samantha lediglich eine Pizza bestellt oder mit ihrem authentischen 80er-Jahre-Walkman durchs Haus schwoft, essentiell wichtig und notwendig erscheinen lässt.

Auch der Score von Jeff Grace übt sich in (besonders, wenn man sich das zu-Tode-plärren jeder auch nur annähernd „spannenden“ oder „erschreckenden“ Szene in modernen Horrorfilmen ins Ohr zurückruft) vornehmer Zurückhaltung, lediglich das schön-scheußliche Poprock-Instrumental-Titelthema (das so gut auch in einen Tomas-Tang-Ninjafilm passen würde) mag tatsächlich als „80er-Hommage“ durchgehen.

Die FSK-16-Freigabe ist angemessen – speziell für einen ziemlich harten (wenn auch technisch schlichten) Kopfschuss. Der Rest des „Splatters“ im Finale hätte in anderen Zeiten vermutlich für eine Beschlagnahme gereicht (ein bissl eye violence, ein Kehlenschnitt und ein paar Stabbings), geht heute aber an einem guten Tag eben locker mit blauem Papperl durch.

Erfreulicherweise stimmen auch die darstellerischen Leistungen, speziell von Hauptdarstellerin Jocelin Donahue, die den Streifen praktisch im Alleingang auf ihren schmalen Schultern stemmen muss, bestreitet sie doch mal grob geschätzt rund die Hälfte des Films als Solo-Artistin. Donahue, die auch keines dieser üblichen austauschbaren Model-Faces ist, mit denen man Teenage-Heroinen heutzutage so gerne besetzt, sondern vielmehr diesen gewissen natürlichen junge-Sandra-Bullock-Charme ausstrahlt, für den ich amtsbekannt schwer anfällig bin, macht sich durchaus beeindruckend und empfiehlt sich für weitere Aufgaben. In den wesentlichen Nebenrollen ist ein wenig Stunt-Casting zu vermelden (wobei ich an der Stelle aber auch mal eine Relativierung anbringen muss… klar ist es Kalkül, Genre-Fans durch die Mitwirkung alter Heroen zur Investition in einen Kinobesuch oder DVD-Erwerb zu überreden, aber auf der anderen Seite haben eben auch diese Veteranen Hypotheken oder Mieten zu bezahlen und wer seinen Namen im Horrorfach gemacht hat, hat’s bekanntlich schwer, andere Rollen an Land zu ziehe. Ist also gewissermaßen ein Teufelskreis) – hier ist’s nicht ganz so schlimm wie z.B. bei Kurtzmans „The Rage“, in dem Reggie Bannister ersichtlich nur wegen seines überschaubaren „Phantasm“-Ruhms (und dem Absondern entsprechender one-liner) verpflichtet wurde – Tom Noonan („Wolfen“) und die einstige Paul-Bartel-Muse Mary Woronov (Death Race 2000, „Eat the Rich“, „Prison A-Go-Go“) sind ja jetzt auch nicht unbedingt Namen, bei denen dem Gorebauern von Welt der Sabber der Erwartung von den Lippen trieft. Noonan ist als hypernervöser Mr. Ulman sehr spaßig anzusehen, Mary Woronov versucht’s mit der Karen-Black-Schule und fährt dabei auch nicht ganz schlecht. Eher bedeutungslos ist der Prä-Vorspann-Auftritt von Dee Wallace (Ex-Stone, „Critters“, „Cujo“) als Samanthas potentielle Vermieterin.

Bildqualität: Alive präsentiert den Film in passablem ca. 1.85:1-Widescreen (anamorph) mit soliden Schärfe- und guten Kontrastwerten, problemloser Kompression und frei von Defekten und Störungen (über HDMI-Blu-Ray-Player abgespielt wird’s ein wenig grobkörnig, aber das verleiht dem Ding dann sogar noch eine Art zusätzlichen Grindhouse-Charme…).

Tonqualität: Deutscher Synchronton (von mir nicht angetestet) steht in dts und Dolby 5.1 zur Verfügung, englischer O-Ton in Dolby 5.1. Die Originalsprachfassung bietet ausgezeichnete Sprachqualität und einen angenehmen Musik- und Effektmix, wobei der Streifen, wie erwähnt, auch in Sachen Akustik kein Effektfeuerwerk abbrennt.

Extras: Hier werden zwei Audiokommentare (Ti West mit wechselnder Begleitung), ein Making-of sowie deleted scenes geboten.

Fazit: „The House of the Devil“ ist, denke ich mal, ein Film für eine eingeschränkte Zielgruppe – Freunde des klassischen Okkultgrusels in der Tradition der frühen 70er, die keine spekulativen Splatterorgien und MTV-Generation-orientierte Tempoinszenierung brauchen, könnten mit dem Streifen eine überraschende Entdeckung machen. Wests Film ist auf angenehme Weise altmodisch, über weite Strecken, bis auf das „finale furioso“ ruhig und bedächtig im Aufbau, ironiefrei und kommt (bis auf den obligatorischen Kicker) ohne Bräsigkeiten aus. Ich muss zugeben, dass ich nach dem platten und belanglosen „The Roost“ und den wenig euphorischen FFF-Kommentaren nicht gerade unvoreingenommen war, aber „The House of the Devil“ hat mich mit seinem spröden old-school-Charme überzeugt (aber um so mehr wundert mich Wests Berufung für „Cabin Fever 2“). Nicht mit Polanskis Geniestreich zu verwechseln, doch eine sympathische Ausnahmeerscheinung im vom Splatterwahn verseuchten B-Horror-Sujet. Dafür wohlverdiente 3 Silberscheiben.

3/5
(c) 2010 Dr. Acula


mm
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