The Good Shepherd

 
  • Deutscher Titel: The Good Shepherd
  • Original-Titel: The Good Shepherd
  •  
  • Regie: Lewin Webb
  • Land: Kanada
  • Jahr: 2004
  • Darsteller:

    Christian Slater (Pater Clemens), Molly Parker (Madeline Finney), Stephen Rea (Henry), Gordon Pinsent (Kardinal)


Vorwort

Die eh schon krisengeschüttelte katholische Kirche im Nordosten der USA wird durch einen weiteren Skandal erschüttert – Pater Andrews wird über der blutüberströmten Leiche eines jugendlichen Strichers ertappt und unter chronischem Mordverdacht festgenommen. Der Priester beteuert seine Unschuld, aber alles, was er zu seiner Entlastung vorbringen könnte, sieht er vom Beichtgeheimnis geschützt. Die Kurie, die in der Angelegenheit hauptsächlich eine ungebetene Möglichkeit für mehr schlechte PR sieht, setzt ihren Fundraising- und Öffentlichkeitsarbeitspezialisten Pater Daniel Clemens auf den Fall an – nicht, um Andrews rauszupauken, sondern die ganze Misere mit möglichst geringem bleibenden Schaden für die Diözese abzuwickeln. Clemens macht sich zunächst auch in diesem Sinne an die Arbeit und spannt auch seine Ex-Freundin Madeline, eine TV-Journalistin, für seine Zwecke ein. Sein Problem – im Gegensatz zu ihm und den höheren kirchlichen Würdenträgern GLAUBT Andrews an seine christlichen Ideale. Um so mehr verwundert Clemens, dass Andrews sich in der U-Haft erhängt. Für die Kirche ist der Fall damit erfolgreich abgeschlossen, aber in Clemens wachsen Zweifel an der Schuld seines Ornatskollegens. Gegen den erklärten Willen seiner Vorgesetzten, aber mit Unterstützung von Madeline, ermittelt Clemens weiter und muss sich dabei auch die Frage stellen, inwieweit er selbst noch ein guter Priester ist…


Inhalt

Was macht eigentlich Christopher Lambert heute? Preiswerte, in Kanada gedrehte Filme produzieren! Z.B. nämlich diesen. Besetzt mit Christian Slater, dessen beste Zeiten auch schon ein Weilchen her sind, und gedreht von Lewin Webb, der bislang auch weniger als Regisseur denn als Co-Produzent billigen Action-Krempels wie dem Lundgren-Vehikel „Detention“ in Erscheinung trat, muss man „The Good Shepherd“ (offensichtlich ursprünglich unter dem deutschen Verleihtitel „Tödliches Gelübte“ [Schreibfehler authentisch aus dem Vorspann] geplante) nicht unbedingt auf der Rechnung haben. Doch siehe da – der Film ist verblüffend gut!

Nun sind Filme, die das priesterliche Beichtgeheimnis für eine Thriller-/Krimihandlung thematisieren, nicht die allerneueste Idee, aber glücklicherweise ist dieses Plot Device nur ein Aspekt des Films und seines Drehbuchs – das geht soweit, dass das Script das eigentliche murder mystery schon mal in den Hintergrund drängt, um sein vielleicht noch zentraleres Anliegen in den Mittelpunkt zu stellen: eine kritische Zustandsbeschreibung der katholischen Kirche im modernen Nordamerika und ihrer Repräsentanten (lustigerweise behauptet Regisseur Webb im making-of, dass man ganz bewußt keinen „kritischen „, sondern einen „ehrlichen“ Film über die Kirche gemacht habe. Hm, schlagt mich, wenn ich falsch liege, aber einen Film, der Bischöfe und Kardinäle an hauptsächlich am öffentlichen Image und den zahlreich eintrudelnden Spendengeldern zeigt und dabei mehr als deutlich macht, dass ihnen die religiösen Probleme ihrer Schäfchen und der Glaube an sich ungefähr so nah am Herz liegen wie George Bush jr. ein Übertritt zum Islam, kann man wohl doch mit Fug und Recht „kritisch“ nennen), personifiziert in Daniel Clemens, der zu Beginn des Films mit dem lokalen Jet-Set auf Du und Du ist, einen fetten Cadillac fährt, eine schicke Golduhr trägt und in einem bestens ausgestatteten Appartment mit 16:9-Plasmafernseher residiert, dafür aber schon ein paar Maal die Heilige Messe geschwänzt hat. Es wäre zu leicht, den Film auf das klassische Plotschema „vom Glauben abgefallener Priester findet seinen Weg zu Gott zurück“ zu reduzieren, denn das trifft es nicht. Clemens mag zwar völlig aus der eigentlichen Seelsorgearbeit ausgestiegen sein und die Wurzeln seiner Aufgabe vergessen haben, aber es ist nur eingeschränkt seine Schuld, denn der Apparat der Kirche benutzt ihn gezielt – so drückt sich sogar der Kardinal aus: Man legt Wert auf seine wirtschaftlichen Fähigkeiten, nicht auf seine theologischen. Der Kontakt mit Andrews, der wirklich aus tiefster Seele an das glaubt, was er tut, setzt einen Denkprozess in Gang, keinen, der sofort Wirkung zeigt, sondern der sich langsam entwickelt. In dieser Hinsicht ist Clemens‘ Katharsis und sein Konflikt mit den Kirchenoberen der eigentliche Motor des Plots – die Verzahnung mit dem Mord erfolgt, nachdem der Streifen recht geschickt eine falsche Fährte konstruiert (leider bleibt diese etwas unaufgeklärt), recht geschickt und nicht aus dem luftleeren Raum.

Man wird sich als geneigter Leser schon aus Vorstehendem zusammengereimt haben, dass „The Good Shepherd“ kein edge-of-the-seat-Reißer ist. Regisseur Webb bezeichnet den Film als „leisen Thriller“ und ich bin geneigt, ihm zuzustimmen. Das Tempo des Films ist angemessen zurückgenommen und lässt den Charakteren Raum zur Entwicklung (d.h. hauptsächlich dem einen zentralen Charakter Clemens) – im Schlussakt wird die Sache dann etwas angezogen und fast schon zu gehetzt (zumal das Finale, leicht unangemessen zum Restfilm, ein wenig arg plakativ daher kommt). Trotz des bedächtigen Aufbaus (zudem auch das winterliche Setting gut passt) entwickelt der Film durchaus einen soliden Spannungsaufbau. Formal ist der Streifen ansprechend gelöst – obschon man die typischen Eigenheiten einer nicht gerade überfinanzierten kanadischen Produktion durchschimmern sieht, ist der Film gut fotografiert (mit einigen hübsch vorwitzigen Kameraperspektiven), souverän geschnitten und insgesamt unspektakulär, aber sehr solide inszeniert. Dafür, dass „The Good Shepherd“ erst Webbs zweite Regiearbeit ist, sieht das schon sehr gut aus. Der Score schwankt zwischen harmonisch auf den Film abgestimmt und leicht monumental-übertreibend.

Zur Besetzung. Christian Slater – aus dem Burschen hätte, nach seinem fulminanten Psychopathenauftritt in Michael Lehmanns erst spät gebührend gewürdigter Teenie-Groteske „Heathers“ richtig was werden können (und wurde auch kurzzeitig: „Robin Hood, König der Diebe“, „Young Guns II“, „True Romance“). Eine Kombination aus glückloser Rollenauswahl („Kuffs“) und persönlicher Eskapaden, die ihn mehrfach mit dem Gesetz in Konflikt brachten, verhinderten den ganz großen Durchbruch, obwohl Slater immer wieder gute kleinere oder größere lukrative Rollen wie in „Interview mit einem Vampir“ respektive „Operation Broken Arrow“ lancieren konnte. In den letzten Jahren musste er sich aber zunehmend mit Nebenrollen in gefloppten Großproduktionen wie „Mindhunters“ oder „Crime is King“ oder Auftritten in B-Movies wie „Very Bad Things“ oder eben diesem begnügen (und aktuell floppte Slater mit Uwe Bolls „Alone in the Dark“ im US-Kino). Slater, den man trotz seiner gezeitgen Versatilität nicht unbedingt mit eher charakterorientierten dramatischen Rollen in Verbindung bringt, zieht sich hier verblüffend gut aus der Affäre. Er erweist sich als gereifter Akteur, der mittlerweile auch mit subtileren Mitteln Wirkung erzielen kann und sich insgesamt als Glücksgriff für die Rolle erweist. Die Kanadierin Molly Parker (die etwas verschnupft wirkt), kam durch das skandalträchtige Nekromantik-Drama „Kissed“ zu Ruhm und Preis bei liberaleren Kritikern und war u.a. auch in der TV-Verfilmung des Koontz-Romans „Intensity“ (jüngst gerippt von „High Tension“) mit von der Partie. Der brillante irische Charaktermime Stephen Rea („The Butcher Boy“, „Still Crazy“, „Michael Collins“) liefert eine kurze, aber sehenswerte Performance als Slaters business-orientierter Freund ab.

Bildqualität: Musste ich bei „Schöne Venus“ eben noch schimpfen, kann ich Sunfilm heute mal wieder loben. Gut, der Film ist auch brandneu, da kann man schon erwarten, dass der anamorphe 1.85:1-Widescreen-Transfer wie aus dem Ei gepellt aussieht. Ist er denn auch, da gibt’s wirklich kaum Ansatz zur Klage. Die Farben sind ausgezeichnet (wobei die Streifen bewußt eher in hellen Tönen gehalten ist), Detail- und Kantenschärfe auf gutem Niveau, ebenso der Kontrast. Die Kompression könnte ein wenig dezenter arbeiten. Summa summarum aber ein sehr anständiger Transfer.

Tonqualität: Sunfilm bietet uns drei Tonspuren an, die deutsche Sprachfassung in Dolby 5.1 und dts, den englischen O-Ton in Dolby 5.1. Heute habe ich mich mal wieder für den Originaltrack entschieden (deutsche Untertitel sind dabei), der sehr angenehm ausgefallen ist. Natürlich ist auch „The Good Shepherd“ kein Festtag für die Dolby-Anlage, da es sich auch rein akustisch um einen Film der leisen Töne handelt, aber der Mix ist sehr schön, die Sprachqualität ausgezeichnet.

Extras: Neben dem Trailer und Text-Biographien für Slater, Parker und Rea findet sich ein 22-minütiges Making-of, das eine Mischung aus Behind-the-scenes-Aufnahmen, Filmschnippseln und stark promotion-orientierten Interviews mit Slater, Parker, Nebendarsteller Pinsent und Regisseur Webb liefert. Trotz der üblichen euphorischen Einstellung der Beteiligten lässt sich dem Making-of doch die ein oder andere interessante Information entnehmen. Eine kurze Sunfilm-Trailershow darf natürlich nicht fehlen.

Fazit: Von „The Good Shepherd“ hatte ich, ehrlich gesagt, nichts besonderes erwartet. Zu meiner Überraschung bekam ich dann doch einen interessanten und stellenweise fesselnden Thriller serviert, der zu meiner besonderen Freude auch vor harscher Kritik am Ist-Zustand der katholischen Kirche (als nicht-praktizierender bzw. von seiner derzeitigen Kurie ziemlich angepisster Kathole freut mich sowas immer wieder) nicht zurückschreckt (und das noch nicht mal für echte „Kritik“ hält). Spannend, gut gespielt und nicht auf plumpe Oberflächlichkeiten hin gestrickt – das gefällt dem Reviewer, zumal Sunfilm sich mal wieder eine richtig gute DVD aus dem Ärmel geschüttelt hat. Thumbs up!

3,5/5
(c) 2005 Dr. Acula


mm
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