The Ghastly Ones

 
  • Original-Titel: The Ghastly Ones
  • Alternative Titel: Blood Rites |
  • Regie: Andy Milligan
  • Land: USA
  • Jahr: 1968
  • Darsteller:

    Veronica Radburn (Martha), Maggie Rogers (Hattie), Hal Borske (Colin Trask), Anne Linden (Victoria), Fib LaBlaque (Rich), Carol Vogel (Elisabeth), Richard Romanus (Donald), Eileen Hayes (Veronica), Don Williams (William), Hal Sherwood (Walter), Neil Flanagan (Dobbs), Ada McAllister (Ada), Robert Adsit (Robert)


Vorwort

Es ist einigermaßen peinlich für eine Website, die sich in maßloser Selbstüberschätzung für eine der ausführlichsten und breit aufgestelltesten in ihrem Genre hält, dass sie erst nach 19,5 Jahren einen ersten Blick auf Andy Milligan wirft. Dabei ist das neben Ed Wood, Phil Tucker oder Al Adamson einer DER Namen, wenn’s darum geht, den schlimmsten Regisseur aller Zeiten zu küren…

Ich hab aber eine verhältnismäßig glaubhafte Ausrede. Von all diesen „worst-ever“-Kandidaten ist Milligan sicher der, der den geringsten Nachhall in der Populärkultur gefunden hat, und dessen Ouevre gerade international komplett an allem vorbeiging, was man so etwas wie den „Mainstream“ nennen kann. Dass eine Vielzahl seiner Frühwerke rettungslos verloren sind und selbst seine „bekannteren“ Streifen kaum nennenswerte Heimkinoveröffentlichungen erlebten, musste man, um sich kompetent zu Milligan zu äußern, lange Zeit „dabei“, also in dieser wilden Periode von vielleicht 1968 bis 1972 Stammgast in den Grindhouse-Kinos im 42nd-Street-Distrikt von New York, wo Milligans Werke regelmäßig liefen, gewesen sein. Wenn man überhaupt sagen will, dass Andy Milligan so etwas wie eine posthume Wiederentdeckung feiern konnte, so gilt das eigentlich erst für die letzten paar Jahre (gut, Fred Olen Ray hatte ihm in seinem Buch „The New Poverty Row“ ein Kapitel gewidmet, aber das Buch ist ja jetzt auch nicht gerade Literaturkanon).

Dabei ist Milligan ein faszinierender Geselle in his own right und letztendlich eine tragische Gestalt, weshalb es sich anbietet, dass ich ein paar Takte zu seiner Biographie loswerde. Milligan wuchs unter der Fuchtel einer alkoholsüchtigen und gewalttätigen Mutter auf (die nicht von ungefähr die Grundlage für einige Figuren in seiner späteren Filmographie bildete), war in einer Zeit, in der, ich wiederhole mich, das nicht unbedingt etwas war, womit man gern hausieren ging, offen schwul und dabei auch noch sadomasochistisch orientiert. Nachdem er aus seiner Heimat Milwaukee nach New York zog, fand er Aufnahme in der Subkultur der Off-Broadway-Theater, inszenierte einige Stücke und machte sich auch dank seiner rudimentären, aber immerhin vorhandenen Nähkünste auch einen Namen als Kostümdesigner (er versuchte auch mit Mode Geld zu verdienen, aber da blieb er erfolglos). In den 60er Jahren wandte er sich dann der Kunstform Film zu und erregte erstes Aufsehen mit seinem 30-Minuten-Kurzfilm VAPORS über eine Zufalls-Sexbegegnung zweier Schwuler in einer Sauna. Das führte zu einer kurzlebigen, aber produktiven Partnerschaft mit dem Sexploitation-Produzenten William Mishkin, bevor Milligan wie so mancher vor ihm realisierte, dass der einfachste Weg, mit geringen finanziellen Mitteln in der Filmbranche messbare Erfolge zu feiern, immer noch der des Horrorfilms war. Nach seinen ersten blutgetränkten Filmen THE GHASTLY ONES und TORTURE DUNGEON nahm er das Angebot des britischen Produzenten Leslie Elliot an, nach London zu ziehen und dort gemeinsame Sache zu machen. Nach dem Sexdrama NIGHTBIRDS (das immerhin mittlerweile so hoch gehandelt wird, dass es in der Blu-Ray-Reihe des British Film Institute erschienen ist), platzte die Partnerschaft und Milligan drehte, solange er noch in England weilte, drei Horrorfilme auf Rechnung von Mishkin, ehe er nach New York zurückkehrte und seine Filme vor der Haustür auf Staten Island drehte, mit Mikro-Budgets, die Ed Wood in hysterische Krämpfe versetzt hätten… THE GHASTLY ONES z.B. kostete ungefähr 13.000 Dollar und ist damit eine der finanziell aufwendigsten Milligan-Produktionen.

1977 wandte er sich wieder vestärkt dem Theater zu und gründete seine eigene Off-Broadway-Bühne, ehe 1985 an die Westküste zog, dort versuchte, einige kontemporäre Horrorfilme zu drehen, die aber zum Teil nicht mal mehr einen willigen Vertrieb fanden. Nach dem Tod seines letzten echten Freundes, B. Wayne Keeton, aufgrund AIDS-Komplikationen zog sich Milligan, hiervon schwer getroffen und auch mit dem HIV-Virus angesteckt, zurück und starb 1992 in volliger Obskurität.

Milligan blieb zeitlebens eine widersprüchliche Persönlichkeit – schwul und S/M-Fan, aber, wie William Mishkin sagte, „der moralischte Mensch, den ich je kannte“, misogynistisch bis ins Mark, frustriert vom intellektuellen Niemandsland des „glossy“ Hollywood-Kinos (selbst den guten Russ Meyer hielt Milligan für einen Schönfilmer, dessen Filme nichts mit Exploitation zu tun hätten, weil Exploitation per Definition Frauenhass erfordere), Sexfreund, aber Porno-Ablehner. Jemand sollte einen Film über ihn drehen.

Nun, wenigstens können wir heute zumindest einige seiner weniger unbekannten Filme problemlos kucken, so z.B. eben THE GHASTLY ONES, einen der handverlesenen Original-“Video Nasties“, den Fred Olen Ray zusammen mit GURU, THE MAD MONK und THE BODY BENEATH auf eine DVD gepackt hat. God bless him.

Und weil wir uns hier bei badmovies.de nicht mit halben Sachen aufhalten, stürzen wir uns gleich auf das Opus Magnum, den Film, der hartgesottenen Horrorfreaks und Trashologen noch am ehesten einfällt, wenn man ihnen den Namen Milligan an den Kopf wirft, THE GHASTLY ONES. Grausig wird das sicher werden, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass die Gründe dafür eher im unfreiwilligen Bereich zu finden sein werden….


Inhalt

Wir steigen ein mit einer pre-credit-Sequenz, die, wie das gute Sitte bei den Low-Budget-Filmern dieser Zeit war, erst nach eigentlicher Fertigstellung des Films nachgedreht wurde, damit wir gleich zu Beginn some „good stuff“ einfiedeln können, was die Filmstory per se so nicht hergeben würde (remember THE BEAST OF YUCCA FLATS). Ein junge Liebespaar, Robert (Robert Adsit) und Ada (Ada McAllister, GUTTER TRASH), stolziert durch die eher ungepflegte Botanik einer „privaten Insel“, wie Robert sich ausdrückt, und auf der sie streng genommen nichts verloren haben, aber Bobby findet die Gegend offenbar romantisch genug, um sich Hoffnungen zu machen, Ada hier aus ihren Unterröcken zu schälen (denn wir befinden uns, obwohl in New York, im viktorianischen Zeitalter so irgendwann zwischen 1890 und 1905, weil Mr. Milligan, seinen mageren finanziellen Möglichkeiten zum Trotz, ein Faible für „period pieces“ hatte). Man promeniert also über’s unsaubere Geläuf und, heidewitzka, ist die Kameraführung furchtbar… (und das sage ich gleich, sie wird nicht besser werden – weil: Andy Milligan, sein eigener Kameramann, drehte ausschließlich mit einer [1] 16-mm-Handheld-Kamera, die er mit „short ends“, also den übrig gebliebenen Filmresten anderer Produktionen fütterte, ohne Stativ und doppelten Boden, und, wie sich erweisen wird, auch ohne größere Auswahl an Objektiven, was einige, eh, interessante Bildkompositionen [boah, dass ich das tippen konnte, ohne dass mir die Finger abfielen] erzeugen wird. Und mich bringt das zur Überzeugung, dass Milligan ein großer Fan von Found-Footage-Filmen geworden wäre, hätte er lange genug gelebt). Generell klebt die Kamera in Großaufnahmen an den Darstellern, so dass der ganze Film, obwohl eigentlich nicht daraufhin angelegt und ausgerichtet, einen extrem klaustrophobischen Eindruck erweckt und dem Zuschauer das Gefühl gibt, immer viel zu nah an den Figuren zu hängen – give this guys some room to breathe, please!

Robert erweist sich als Blindgänger ersten Ranges, alldieweil er ob des Umstands, direkt in eine (gut sichtbare) Mauer zu latschen, ein völlig verblüfftes „oh! An old building!“ von sich gibt. Robert findet die ganze Sache offenbar hochspannend, im Gegensatz zu Ada, die auch nicht unbedingt das ideale Schuhwerk für eine Exkursion ins Hinterland aufgezogen hat, sich daher ins Gras hockt und Robert alleine auf Erkundungstour gehen lässt. So bekommt sie leider nicht mit, wie Robert (im Vorgarten eines anderen „old building“, I suppose) von einem hässlichen Buckligen (Milligan-Stammkraft Hal Borske, VAPOR, ALLES, WAS EROTIK BIETEN KANN, TORTURE DUNGEON, MONSTROSITY) angegriffen und verhackfleischt wird. Zumindest reimen wir uns das zusammen, denn Andys Go-To-Taktik für Kills ist es, die Kamera wild hin- und her zu schwenken, mal auf den Boden zu halten, dann in den Himmel usw. usf. Es ist blutig, okay, und als der Bucklige mit seinem teuflischen Werk fertig wird, wird der teilausgeweidete Robert gen sonstwer geschleift. Indes hat sich Ada irgendwo so komplex hingefaltet, dass sie ihre rechte Hand unnatürlich hinter sich anwinkeln muss. Das gibt dem Hunchback eine günstige Gelegenheit, sich unbemerkt anzuschleichen und ebenso unbemerkt mit seinem Hackebeil Adas Gräte abzuflexen. Er wurschtelt auch noch ein wenig im Fleisch ihrer Mannequin-Beine herum (as is: Beine einer Schaufensterpuppe, nicht „so tolle Beine, dass sie unbedingt Model-Karriere machen müsste), und bemüht sich redlich, das alles sehr eklig and stuff aussehen zu lassen.

Nach der Titelsequenz schalten wir um nach Philadelphia, ins traute Heim von Victoria (Anne Linden, THE DEGENERATES, DEPRAVED!, COMPASS ROSE) und ihrem Göttergatten Richard (Fib LaBlaque), der auf den ersten Blick ungefähr zehn Jahre zu jung für den eher leicht cougarig-wirkenden Rotschopf aussieht. Nichtsdestotrotz sind die beiden truly, madly, deeply in love. Victoria bekommt Post, von einem Rechtsanwalt namens Dobbs. Das zieht Richard vor Begeisterung fast die Schuhe aus, denn er ist selbst (mäßig erfolgreicher) Winkeladvokat und hat seine studentisch-juristische Bildung überwiegend aus Standardwerken Dobb’scher Feder – SO standardmäßig, dass Richard vermutete, Dobbs würde sich längst die Paragraphen im Jenseits betrachten. Nun, er lebt noch, und wie Victoria erklärt, ist er der langjährige Familienanwalt derer von und zu Crenkshaw, mithin der Sippe, der sie fleisch- und blutmäßig angehört. Dobbs bittet darum, dass sich Victoria, wie ihre beiden Schwestern, in baldigster Bälde in seiner New Yorker Kanzlei einfindet. Nette Idee, meint Richard, aber leider gibt die Familienkasse der Eheleute keinen Jux-und-Dollereien-Trip in einen anderen Bundesstaat her. Dafür hätte Victoria ein Lösung – man könnte sich die benötigten Kröten doch bei Richards wohlhabendem Bruder Walter (Co-Autor Hal Sherwood, THE PROMISCUOUS SEX, VAPORS) ausborgen – Walter hat schon immer darauf bestanden, dass das Paar im Falle von Geld- oder sonstigen Sorgen auf ihn zukommen solle, aber Richard, als kleiner Bruder mit genetisch einprogrammiertem Stolz versehen, lehnt das aus eher grundsätzlichen Erwägungen ab. Nicht nur, dass es ihm von Haus aus peinlich ist, bei der Verwandschaft auf Betteltour zu gehen, mutmaßt Richard, dass Walter an die Leihgabe Bedingungen knüpfen wird.

Ganz wie im richtigen Leben setzt sich das Weib durch und Walter ist geradezu begeistert, seinem Bruder unter die Arme greifen zu können. Er sieht ihn und Vicky eh viel zu selten, die melden sich nie, rufen nicht an, schicken keine WhatsApp-Nachrichten, the whole deal. Die 150 Dollar für die Bahnreise nach New York spuckt er gerne aus, bei der Gelegenheit, und da kommen die Bedingungen ins Spiel, mögen Richard und Vicky noch den ein oder anderen Bekannten Walters aufsuchen, ein paar Bestellungen abholen usw. usf. Und außerdem, und das ist der recht unangenehme Teil, macht Walter seinem Bruder recht unverhohlen aufdringliche Avancen der eindeutig zweideutigen Art… Richard windet sich mittelmäßig angewidert aus Walters Zugriff.

Wie schon angedeutet ist Victoria nicht die einzige Empfängerin einer solchen kryptischen Einladung. Elisabeth (Carol Vogel, DEPRAVED!, INTIMATE STRANGERS) und ihr Hubby Donald (Richard Romanus, HEXENKESSEL, RUSSISCHES ROULETTE, FREITAG DER 713., MURPHYS GESETZ, HEAVY METAL, DER COUCH-TRIP – jemand, der also tatsächlich trotz seines Debüts bei Andy Milligan eine ordentliche Karriere hingelegt hat), haben weniger Sorgen, den Termin einzuhalten, die wohnen erheblich näher an New York.

Direkt in New York residiert die dritte und jüngste Schwester, Veronica (Eileen Hayes, SEEDS) nebst Gemahl Bill (Don Williams, KISS ME, KISS ME, KISS ME!), und die ist erst recht begeistert, hat sie doch die Schwestern schon Jahre nicht mehr gesehen und freut sich darauf, die ganze Baggage in ihrer Wohnung unterbringen zu dürfen.

Aber zunächst treffen sich die Crenkshaw Sisters in einem Restaurant (der Tonspur nach gut frequentiert, im Bild aber bis auf den von ihnen besetzten Tisch gähnend leer) und gehen nach dem Eröffnungssmalltalk auf die berechtigte Frage ein, was zum Geier Dobbs von ihnen will. Vickys Ansicht nach kann es dafür nur einen vernünftigen Grund geben – das Testament ihres Vaters wird endlich vollstreckt. Papa Crenkshaw war wohl ein recht exzentrischer Zeitgenosse und hat die meiste Zeit seiner Ehe auf seinen umfänglichen südamerikanischen Plantagen verbracht. Nur fünf kurze Besuche bei seiner holden Gattin hat sich Daddy gegönnt, und daraus sind dann gleich unsere drei Schnepfen hervorgegangen. Keine schlechte Quote. Und wie Victoria ihre Geschwister erinnert, hat er festgelegt, dass das Erbe erst verteilt wird, wenn alle Schwestern verheiratet sind und sich eine sichere Existenz aufgebaut haben. Vicky ist nunmehr seit sieben Jahren verehelicht, Elisabeth seit fünf, und Veronica seit drei – augenscheinlich ist nun der Zeitpunkt gekommen, an dem das Fell des Bären verteilt werden kann.

In seiner Kanzlei weist der ungefähr hundertzwanzig Jahre alte Anwalt (Neil Flanagan, TORTURE DUNGEON, GURU, THE MAD MONK, S.O.B. – HOLLYWOODS LETZTER HEULER – sein „old age makeup“, das daraus besteht, dass man ihm einen Eimer Talkumpuder ins Gesicht geworfen und die ganze Rübe mit einem Schal umwickelt hat, muss der Trashologe mal gesehen haben) darauf hin, dass das nunmehr von ihm verkündete Testament ausgesprochen „irregulär“, nixdestoweniger aber hundertpro legal wäre; Daddy hat es von südamerikanischen Rechtsverdrehern aufsetzen lassen. Die Konditionen sind wie folgt:

1. Die Schwestern nebst jeweiligen besseren Hälften haben drei Tage in der alten Familienvilla auf Crenkshaw Island zu verbringen.

2. Am Morgen des dritten Tages wird Dobbs eintreffen, um einen mit einem „B“ gekennzeichneten Umschlag zu öffnen und den Inhalt zu verlesen.

3. Hierzu soll ein Schrankkoffer aus Crenkshaws Besitz, der in der Villa verstaut ist, beigebracht werden.

4. Im Falle unvorhergesehener Ereignisse geht das Erbe an Victoria.

Ooookay, wir spielen also das gute alte „old dark house“-Spiel mit einer großen Erbschaft als Prämie. Eine völlig neue Idee, noch nie dagewesen. Die diversen Crenkshaw-Paare haben den Nachteil, dass zu ihrer Zeit der old-dark-house-Film noch nicht erfunden war, daher können sie nicht die naheliegenden Schlüsse ziehen, sondern sich nur darüber wundern, dass der alte Herr offenbar beim Verfassen seines letzten Willens ein bis mehrere Schrauben locker hatte.

Crenkshaw Island ist, wie sich das gehört, nur per Boot zu erreichen, und das kommt nur alle paar Tage; sobald die ganze Blase angelandet ist, muss sie bis zum nächsten Eintreffen der Fähre warten. Für Kost und Logis sorgen die Bediensteten der Crenkshaw-Villa, die in Sachen „Aufrechterhaltung des Immobilienwertes“ bis dato nicht überwältigend gute Arbeit geleistet haben. Es handelt sich hierbei um Martha (Veronica Radburn, DER STADTNEUROTIKER), Hattie (Maggie Rogers, TRICKS OF THE TRADE, TORTURE DUNGEON) und den buckligen und voll-retardierten Colin (a-ha!) Trask, drei Geschwister, die seit dem Pleistozäikum in Crenkshaw-Diensten stehen und die alle drei mit einem Neonschild „ICH BIN VERDÄCHTIG! VERDÄCHTIG, HÖRT IHR!!!“ nicht wesentlich unauffälliger sein könnten.

Und als ob wir dafür noch Anschauungsmaterial brauchten, begrüßen wir Colin dabei, wie er einen kleinen, arglos am Wegesrand mümmelnden Hoppelhasen packt und a la sushi in seine Verdauungsorgane befördert. Martha ist entsetzt und verprügelt den Zurückgebliebenen mit einem Gürtel. Wie sie den Gästen erklärt (die zum Glück die Hasenfütterung nicht miterlebt haben), ist Colin eigentlich ein guter Kerl, aber manchmal muss man ihm den Gehorsam eben einprügeln.

Uns aufmerksamen Filmekuckern entgeht natürlich nicht, dass Martha und Hattie den Gästen gegenüber so scheißfreundlich bis zum Erbrechen sind, dass völlig klar ist, dass sich die Begeisterung der Dienstboten über ihre Logiergäste in äußerst knapp umrissenen Grenzen hält.

Nach Verteilung der Paare auf die diversen Zimmer treffen sich 5/6 der potentiellen Erbengemeinschaft im Salon des Hauses – Richard hat eine Bibliothek gefunden und studiert erst mal lieber Bücher. Die Salon-Szene liefert ein hervorragendes Beispiel für die Probleme, denen ein Filmemacher ausgesetzt ist, der nur eine Kamera und wohl auch nur ein Objektiv hat – er kann die Szene nicht so so einfangen, dass alle handelnden Personen voll im Bild sind. Von Elisabeth und Veronica, die sich auf eine Couch gepflanzt haben, sehen wir nur die direkt unterhalb des Kinns abgeschnittenen Köpfe. Hätte Milligan mehr von den Ladies gezeigt, wären Victoria, Don und William, die stehen, kopflos… Man talkt Belanglosigkeiten, nach einer Weile erbarmt sich auch Richard, die Gesellschaft mit seiner Anwesenheit und seinem Sonderwunsch, anstelle Sherry nur Brandy süffeln zu wollen, zu beehren und stellt sich so dicht an den Kamin, dass ich ernstlich befürchtete, ihm würde bald die Hose brennen. Der Salon ist wohl nicht für sechs Personen konzipiert…

So plätschert die Unterhaltung vor sich hin, bis Veronica plötzlich aus keinem erkennbaren Grund aufschreit. Besorgt wird die junge Frau umringt, die zu Protokoll gibt, „eine kalte Hand hätte sich auf ihr Herz gelegt“. Irgendetwas, diagnostiziert sie, stimmt in diesem Hause nicht. Das erweist sich als Stimmungstöter, und da die Dienstbotenschaft sowieso gerade mit dem Wunsch vorstellig wird, pennen gehen zu dürfen, wird zur allgemeinen Nachtruhe geblasen. Victoria beordert „in meinem Haus“ alle auf ihre Zimmer – die Redewendung wird natürlich von den Schwestern kritisch gewürdigt, aber Vicky zieht sich auf einen schlichten Versprecher zurück. So leicht ist allerdings nicht der halb ausgeweidete Hase zu erklären, der in Veronicas Bettchen geparkt wurde. Entsetzen! Martha und Hattie schieben die Sache auf Colin, der vermutlich auf seine beschränkt-behinderte Weise einen Scherz machen wollte.

Victoria ist besorgt. Was Richard nicht weiß, ihm aber jetzt ans Knie genagelt wird, ist, dass Veronica im Kreise der Crenkshaw-Schwestern als mit der Gabe der Vorahnung gesegnet sei, so habe sie z.B. den Tod ihrer Mutter vorhergesagt. Wenn Veronica also gespürt hat, dass hier Dinge vor sich gehen, die nicht vor sich gehen sollten, wird da wohl etwas dran sein. Richard hält das natürlich für blühenden Blödsinn, aber als plötzlich eine Blutlache durch den Türspalt suppt, muss er notgedrungen seine Ansichten überdenken. Quelle der roten Flut ist wenigstens keine Leiche, sondern „nur“ ein mannshohes in Blut gepinseltes X an der Zimmertür. Das kann schon die Laune verderben. Entgegen Victorias Wunsch beschließt Richard, einen passenden Verdächtigen für die Missetat zu finden. Finden tut er erst mal nur Donald, der vom Gekreische und allgemeinen Tohuwabohu geweckt wurde und ob Richards Bericht angemessen entgeistert ist (das corpus delicti darf er sich aber nicht ansehen). Donald meint, einen „Schatten“ gesehen zu haben, also kann man den auch aufspüren. Aber erst schütten sich die Gentlemen ein bis drei Drinks hinter die Lampe. Danach wird nach dem in Horrorfilmen stets blöden Motto „getrennt marschieren, vereint zuschlagen“ verfahren. Es ist etwas undurchschaubar, aber offenbar hat jemand sicherheitshalber beide Pullen (wir wissen – Donald ist Sherry-Typ, Richard Brandy-Fan) mit Schlafpulver versetzt. Donald bricht auf der Türschwelle schnarchend zusammen, dieweil Richard jemanden trifft, den er zu erkennen scheint…

Davon hat er aber nicht viel, denn am nächsten Morgen wird Richard tot und an den Füßen aufgehängt im Treppenhaus gefunden. Donald (dem ansonsten nichts passiert ist und der sein eigenes Entschnorcheln nicht der Erwähnung wert findet… aber das ist wohl weniger Auswurf eines red herring als schlampiges Filmemachen) und William spekulieren, dass Richard im Zustand der schlafmittelbewerkstelligten Bewusstlosigkeit ermordet und aufgehängt wurde. Naturgemäß richtet sich der Verdacht erst mal auf den geistig behinderten Buckligen, doch Martha und Hattie geben ihrem Bruder ein wasserdichtes Alibi – von dem allerdings speziell Hattie nicht sehr überzeugt ist und Martha ausquetscht, ob sie den Hunchback denn *wirklich* wie jede Nacht angekettet habe…

Da die Insel, wie wir wissen, von der Außenwelt komplett abgeschnitten ist, bleibt den verbleibenden Möchtegern-Erben nicht viel mehr, als vor sich hin zu brüten und im eigenen Saft zu schmoren, dieweil die Dienstboten eine geradezu enervierende „show must go on“-Stimmung verbreiten. Martha, die sowieso eifrig Verdacht auf sich lenkt (so z.B. mit der Aussage gegenüber Hattie, dass sie die drei Crenkshaw-Kids nie so geliebt habe wie Hattie), weist darauf hin, dass die Herrschaften es ja sicher gern kuschlig warm hätten, und Colin auch gern Feuerholz sammelt, aber leider Gottes furchtbare Angst vor der Säge haben. Ob nicht einer der Herren, z.B. Donald, dem armen Jungen ein wenig zur Hand gehen könnte? Donald fragt nicht etwa nach, ob Martha wegen dem eigentlich gottgewollten Autoritätsgefälle zwischen Herrschaft und Domestiken der Kittel brennt, sondern lässt sich breitschlagen (foreshadowing, hihi). Martha empfiehlt ihm, sicherheitshalber den Gürtel mitzunehmen, weil Colin manchmal gewisse Aggressivitätsschübe erleide, und dann hilft nur noch Prügel. Donald ist angewidert.

Nun, im Keller des Gemäuers schwitzt er dann wenig später beim Zurechtsägen der von Colin angeschleppten Holzböcke, eh, -blöcke. Doch da! Erst wird Colin von unbekannter Hand niedergeschlagen, dann wird Donald von einem capetragenden Unbekannten verfolgt. Nach kurzem Gestalke greift der geheimnisvolle Killer Donald mit einem Hackmesser an – das ist offenbar das erste Dum-Dum-Messer der Kriminalgeschichte, denn der einzige Einstich, den ich guten Gewissens bestätigen könnte, verursacht ein Loch in Donalds Bauch, in das man einen Fußball stecken könnte. Und dann greift der böse Mörder zur Säge…

Die Abwesenheit Donalds bleibt nicht unbemerkt, zumal die Dienstboten zum Dinner rufen. Elisabeth hat sich auf ihr Zimmer zurückgezogen, um dort auf Donnie zu warten, der traurige Rest der Gesellschaft befindet, dass es unhöflich gegenüber den Lakaien wäre, das aufwendig zubereitete Nachtmahl kalt werden zu lassen und pflanzen sich an die Tafel. Martha und Hattie schleppen Töpfe und Pfannen an, doch der Schock lässt nicht auf sich warten, als Martha die Glocke von einem der Tabletts hebt. Der Hauptgang heißt heute „Rübe sushi a la Elisabeth“. Jau, Sissis säuberlich abgetrennte Denkmurmel offenbart sich den geschockten Hungrigen! Das hättet Ihr jetzt nicht erwartet, wa, Freunde?

Obwohl wir nun davon ausgehen können, dass sich die Erbengemeinschaft mittlerweile halbiert hat, ist das für den Rest immer noch kein besonderer Grund zur Veranlassung. Klar, das ist alles sehr schrecklich und überhaupt, aber während normale Menschen vermutlich längst ausgelotet hätten, ob man die Distanz zum Festland schwimmend überbrücken oder aus ein paar alten Weinfässern ein Floß zimmern kann, sind Vicky, Veronica und William in einer angespannten, aber nichtsdestotrotz als „shit-happens“-Stimmung aufzufassenden Laune. Martha gibt den jungen Leuten den Rat, die Zimmertüren abzusperren. William immerhin entscheidet sich für eine gewisse Proaktivität und begibt sich auf die Suche nach Donald im Keller. Er findet auch was – ein blutiges Tuch und ein Foto, das einen Gentleman, offenbar Mr. Crenkshaw sr., ein kleines Kind und eine Widmung „von WC an AC“ zeigt. Bevor er dies allerdings näher untersuchen kann, stürzt sich Colin auf ihn – nicht in mörderischer Absicht, sondern lediglich im erklärten (wenn auch wenig artikulierten) Willen, sein rechtmäßiges Eigentum zurückzuerlangen. William ist auf Colins Schlafplatz und seinen persönlichen stash sentimentaler Reichtümer gestoßen. Was ihm nicht sonderlich weiter hilft, zumal Martha eine potentielle Frage- und Antwortstunde durch Einsatz ihres Gürtels vehement unterbindet.

Die Nacht vergeht ohne weitere Morde, und der dritte Tag bricht an. Vicky, Vroni und William fiebern der Ankunft des Boots entgegen, aber Martha und Hattie haben den eigentlichen Grund für die Bredouille nicht vergessen. Zu Dobbs‘ Erscheinen soll der bewusste Schrankkoffer heruntergetragen werden, und, naja, wie das so ist, Colin kann das nicht alleine. Ob William nicht helfen möchte? Angesichts des bisherigen track records von Leuten, die Colin geholfen haben, würde ich an Williams Stelle höfliche Erkundigungen über den Geisteszustand der Dienstboten einziehen, aber William ist trotz seiner mysteriösen Entdeckung aus der vorigen Nacht ganz der hilfsbereite Volltrottel. Es gelingt auch ohne Blutvergießen, den Koffer aus Veronicas und Williams Zimmer, wo er verstaut war (was Martha und Hattie genau jetzt verraten), in den Salon zu wuchten.

Als sich William vom Rest der Gruppe entfernt und noch mal prophylaktisch gen Keller orientiert, wird er vom Killer im Cape verfolgt ( (großartig: als William sich umdreht, weil er einen Verfolger in seinem Nacken wähnt, entzieht sich der Unbekannte der Sichtung, in dem er sich kurz hinkniet!). Das Ende vom Lied – William wird halssseitig mit einer Mistforke durchbohrt. Martha macht während dessen mal wieder Colin zur Schnecke, weil sie seinen Geheimstash an Reliquien inklusive des bewussten Fotos entdeckt hat. Doch sie erlebt Überraschung ihres Lebens – gleichzeitig auch die letzte -, als sie von dem Killer-im-Cape ermordet wird. There goes the prime suspect, bitches!

Wir müssen auch kein großes Gedöns drum machen, denn der Killer offenbart sich nun auch den überlebenden Crenkshaw-Schwestern – es ist Hattie! Naja, ist ja auch niemand sonst übrig. Was wir allerdings brauchen, ist eine convoluted back story, die ihre Motivation erklärt. Bevor Mr. Crenkshaw nämlich die Mutter der drei Schwestern ehelichte, war er schon mal verheiratet, mit der eigentlichen Liebe seines Lebens, und mit der zeugte er eine Tochter – Hattie! Nachdem die erste Mrs. Crenkshaw an der Pest verröchelte (Typus würde ich kaufen, aber die Pest? Nun, vielleicht erzählt Hattie die Geschichte eher frei…), heiratete er, weil er dies seinem gesellschaftlichen Stand offenbar schuldete, neu, konnte die Neue aber nicht leiden und zog sich nach Südamerika zurück, mit Ausnahme der bekannten fünf Kurzbesuche mit drei Volltreffern. Wie das so vorkommen soll, lag Mrs. Crenkshaw II. nicht sehr viel an der Nachkommenschaft ihrer Vorgängerin, und als sie mit Martha und Colin zwei junge Dienstboten aufnahm, packte sie Hattie einfach dazu und gab sie als deren Schwester aus. Als elende Kackbratze von Dienstherrin sorgte Mrs. Crenkshaw dann persönlich dafür, den Verstand aus Colin zu prügeln. Wenn Papa Crenkshaw auf Besuch kam, wurde Heile Welt gespielt, danach ging’s für Hattie wieder in den metaphorischen Kohlenkeller. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob das alles wirklich zusammengeht, aber es muss ja auch nicht unbedingt logisch sein, wenn sich ein Psychokiller seine Justifikation zusammenfabuliert. Jedenfalls hat sich Hattie die Rechnung aufgemacht, dass der Crenkshaw Estate zwangsläufig an sie fällt, sofern alle anderen potentiellen Erben die Radieschen von unten betrachten. Als Hattie sich diesbezüglich Veronica und Vicky zuwendet, stellt sich ihr überraschend Colin in den Weg. Der mag Hasen bei lebendigem Leib fressen und unerwünschte Eindringlinge zu Haschee verarbeiten, ist aber am Ende doch ein Guter Kerl ™ und versucht die Schwestern zu beschützen. Hattie zündet ihn an und jagt, dieses Problem gelöst glaubend, die Schwestern die Treppe hoch, wohl wissend, dass das Haus irgendwann mal keine Stockwerke mehr hat und die Girls in der Falle sitzen. Aber Colin, obwohl brennend, kraucht mit letzter Kraft die Treppe hinterher und rammt Hattie ein Messer ins Kreuz… Abgang beide.

Veronica und Vicky halten sich gegenseitig fest, aber da ertönt ein Geräusch vom Kai. Das Boot mit Mr. Dobbs kommt! ENDE! What? (Ich hätte es jetzt lustig gefunden, wenn die Schwestern noch aufeinander los gegangen wären, um das Erbe für sich zu sichern).

Betrachten wir THE GHASTLY ONES nur von der Storyseite her, ist der Streifen nicht sonderlich denkwürdig – es ist eben am Ende nicht mehr als die gute alte „wir-metzeln-die-Erben-nieder“-Geschichte, und wenn so eine Plotte in den 30ern von jedem Z-Filmemacher, der was auf sich hielt, dazu genutzt worden wäre, einen Mann im Gorillakostüm einzubauen, der Verdacht auf sich lenkt, haben wir hier halt Colin, den degenerierten Hunchback, der quasi die identische Funktion ausübt. Gutwillig könnten wir uns aus dem Fenster lehnen und den Streifen als einen Proto-Slasher (oder meinetwegen US-Giallo) bezeichnen, da Milligan weniger Wert auf das „warum“ als das „wie“ der Mörderei legt und mit der unter der Cape-Kapuze verborgenen Killergestalt den maskierten Killer, wie er sich einige Jahre später dutzendfach durch Heerscharen hilfloser Opfer hacken sollte, vorwegnimmt. Eine Vorbildwirkung will ich dem Film aber sicher nicht unterstellen, dafür müsste ihn jemand (und insbesondere jemand, der später selbst ins Business einstieg) gesehen haben, aber man kommt nicht umhin, dass Milligan – sicher ohne den italienischen Weg, sich über gothic horror und German krimi zum Giallo zu entwickeln – zu ähnlichen Schlussfolgerungen kam wie die Kollegen jenseits des Großen Wassers.

Dass Milligan jenseits des Willens, blutige Morde zu zeigen, kein großer Storyteller war, schimmert nicht nur an allen Ecken und Enden durch, das wird quasi mit Leuchtschrift bekanntgegeben. Keine der Figuren hat auch nur ansatzweise etwas, was man einen distinkten Charakter nennen könnte. Die drei Erben-Paare sind vollkommen austauschbar (der einzige Ausreißer ist die kurze Sequenz mit Richard und Walter, die wohl so etwas wie Milligans „Nod“ in Richtung gay scene war), aber ansonsten erfahren wir nichts über die Figuren, und auch alles, was wir über den Killer lernen, bekommen wir in einem exposition dump im Showdown zu hören (in gewisser Weise notwendig, weil Milligan vorab seine prinzipiellen red herrings Colin und Martha nicht unterminieren will). Der Versuch, Colin, den Buckligen, zu einer tragischen Figur zu stilisieren, missbraucht von wirklich jedem, der in seinem Leben bislang wichtig war, und aus ihm quasi das „unschuldige Monster“ im Fahrwasser des 31er-FRANKENSTEIN zu machen, ist theoretisch ein sympathischer Zug, allerdings haben wir ja in der pre-credit-Sequenz gesehen, wie er unprovoziert zwei Menschen filettiert, also hat sich das mit der Unschuld erledigt, bevor wir überhaupt wissen, was los ist (ja, das liegt natürlich daran, dass die pre-credit-Szene nachträglich drangetackert wurde, aber das ist allenfalls eine Erklärung, doch keine Entschuldigung).

Also, rein vom Narrativ her – nothing special to be seen here. Aber bei Milligan geht’s nicht um den Narrativ…

Spätestens nach drei Minuten THE GHASTLY ONES (und, ich erinnere daran, dass ist der Film, den Milligan-Connoisseure nicht nur als seinen „aufwendigsten“, sondern mehr oder minder seinen „besten“ betrachten) wünscht man sich die handwerklichen Fähigkeiten und die künstlerische Ambition eines Herschell-Gordon-Lewis-Frühwerks wie BLOOD FEAST, der gegen THE GHASTLY ONES wie ein moderner Trillionen-Dollar-Blockbuster aussieht. Ich gebe, wie gesagt, zu, dass THE GHASTLY ONES mein erster Milligan ist und mir vielleicht sogar noch der Vergleich fehlt, aber ich habe definitiv keinen Film gesehen, der miserabler fotografiert ist als dieser hier (SHOWGIRLS: EXPOSED ist, wie wir alle wissen, kein Film sondern ein „Photoplay“. Ich denke an Euch Klugscheißer, gell?). Ich habe ja erklärt, warum ungefähr der Film so aussieht, wie er es tut, Miligan wollte oder konnte es nicht besser mit seinem primitiven Equipment, aber keine Sekunde lang sieht das, was er auf sein 16-mm-Material bannt, anders aus als „home movies“ eines besonders unbegabten Amateurfilmers, der jedes Weihnachten oder zu runden Geburtstag die Kamera rausholte.

Ich führte es schon aus – Milligan klebt an den Darstellergesichtern, ist in jeder Einstellung die bewusste Armlänge zu dicht dran, kann aus technischen Gründen nie in eine Totale aufziehen, und muss daher alle möglichen Abkürzungen nehmen, um das, was er im Bild haben will, tatsächlich einzufangen. Er versucht, mit relativ schnellem, aber handwerklich dilettantischem Schnitt (durchgeführt von ihm selbst unter dem Pseudonym Gerald Jackson) die Statik der Charakter-Szenen, in denen ja doch meistens nur rumgestanden oder –gesessen wird, aufzubrechen, aber ich glaube, selbst wenn ich jemanden beauftragen würde, das Filmmaterial mit bloßen Händen zu zerreißen und dann mit Tesa wieder zusammenzukleben, würde das Resultat besser aussehen. Ich kann aber nicht verleugnen – diese klaustrophobische Kamera, dieser rumpelige Schnitt, dieses ständige Fixieren auf Gesichter, es erzeugt eine gewisse Atmosphäre der „uneasyness“, sie verstört, als ob wir nicht einer fiktiven Geschichte beiwohnen, sondern tatsächlich realen Ereignissen beiwohnen, die von jemandem, der selbst schockiert von dem ist, was sich abspielt, mitgefilmt werden – ich schrob oben, Milligan hätte das Found-Footage-Genre sicher begeistert aufgenommen, obschon er praktisch die Goldmedaille in der Disziplin errungen hat, ohne es überhaupt zu beabsichtigen. THE GHASTLY ONES erschafft eine unangenehm „reale“ Atmosphäre, ohne es zu wollen, viel wirkungsvoller als jeder BLAIR-WITCH-Epigone, beinahe wie eine outsider-art-Interpretation des cinema verité.

Die Kehrseite ist, dass THE GHASTLY ONES durchaus anstrengend in der Betrachtung ist. Die Verweigerung an eine herkömmliche filmische Machart, an ein vernünftiges set-up von Shots und Szenen, an sinnvollen Schnitt, strapaziert den Zuschauer – ich war durchaus froh, dass Milligan es hier bei knapp 72 Minuten belässt. Jede Minute mehr wäre eine (Seh-)Nervenmühle…

Ebenfalls nicht wegzudiskutieren ist, dass Milligan in der Tat ein Splatter- und Gore-Pionier war. Natürlich sind die Gore-Effekte totaler Kokolores, und oft genug sorgt die scheußliche Kameraarbeit ganz unbeabsichtigt dafür, dass wir die Kills und die blut- und eingeweidetriefenden Ergebnisse derselben nicht wirklich zu würdigen imstande sind, aber… 1968 mit Gedärm zu kommen, ist schon relativ heftig (und ob man’s glaubt oder nicht – THE GHASTLY ONES kam einen knappen Monat vor NIGHT OF THE LIVING DEAD in die Kinos und ist im Gegensatz zu Romeros Gore-Pionierleistung in Farbe!). Dass Milligan sich vor irgendwelchen Tabus gedrückt hätte, kann man jedenfalls nicht behaupten.

Die Musik ist zusammengeklaut oder aus stock librarys zusammengesetzt – ich würde mich normalerweise beschweren, dass sie so klingt wie aus den frühen 40ern (und wahrscheinlich auch von da datiert), aber THE GHASTLY ONES ist nun mal ein period piece, da ist altmodische Musik nicht unangemessen. Stichwort period piece – die Kostüme nähte Mr. Milligan auch persönlich zusammen (unter seinem Modeschöpfer-Moniker „Raffine“) und dieweil die Oberbekleidung durchaus authentisch wirkt, tragen die Damen untendrunter erstaunlich neumodische BHs oder Nylon-Nightties. An der Stelle kann ich auf das Thema „Sex“ eingehen. Anne Linden und Carol Young zeigen kurz ihre Brüste, und eine handgreifliche Beruhigung der hysterischen Veronica durch William (Anhänger der „I slap you calm“-Schule), artet in eine Vergewaltigung in der Ehe aus (die aber niemand, insbesondere Veronica, krumm nimmt), aber das Exploitation in THE GHASTLY ONES steigert sich nicht in Sexploitation. Andy Milligan trennt seine Genres offenbar recht säuberlich.

Die schauspielerischen Leistungen von Milligans Stamm-Truppe, verstärkt um wen-auch-immer der Regisseur vor Ort zwangsverpflichten konnte, sind zwar nicht gut, aber überraschenderweise teilweise gar nicht SO brechreizerregend. Ich hätte vielleicht nicht unbedingt Carol Young und Richard Romanus als diejenigen herausgepickt, die langjährige Karrieren als character player vor sich haben, sondern eher Anne Linden und Don Williams, aber keiner von den sechs jungen Leuten blamiert sich wirklich. Sure, es sind Performances für einen Low-Budget-Horrorfilm, aber ich hab da schon ganz andere Knallchargen an ähnlichen Aufgaben schmählich scheitern sehen. Die Dienstbotenfraktion fährt weniger gut, Veronica Radburns Martha ist viel zu „broad“, um als red herring ernstgenommen werden zu können, Maggie Rogers dafür wieder zu zurückhaltend und steif, und Hal Borske… naja, das Zahnteil, dass man ihm zwischen die Lippen gespannt hat, sollte man als abschreckendes Beispiel mal gewürdigt haben.

Der Print in Retromedias „The Andy Milligan Grindhouse Experience“-Box (naja, Box ist übertrieben, alle drei Filme teilen sich eine DVD) ist ordnungsgemäß ramponiert („authentic grindhouse experience“, nennt Fred das auf dem Cover), aber immerhin in anamorphem Widescreen (1.66:1), der Ton ist arschleise, aber, wenn man seinen Fernseher bis zum Anschlag der Lautstärkeregelung zwingt, halbwegs verständlich. Fred Olen Ray steuert einen Audiokommentar bei.

Wort zum Sonntag, heute am Montag. Direkt nach Filmansicht war ich der felsenfesten Überzeugung, dass THE GHASTLY ONES nur ein mieser Schundfilm unter vielen ist, der sich nur durch die noch üblere technische-handwerkliche Machart von anderem unterbelichteten Schlock abhebt. Nach nochmaligem Drüberschlafen und ein wenig Nachdenken… sehe ich das nicht grundsätzlich anders, es IST ein mieser Schundfilm von geradezu enervierend furchtbarer Handwerkskunst, aber, und auch wenn Andy Milligan sicher der letzte ist, der das so beabsichtigte, er hat eine gewisse Wirkung, eine eigentümliche Atmosphäre, die sich gerade aus den technischen Unzulänglichkeiten ergibt – wie zweimal minus doch plus ergibt, fügen sich hier die entsetzliche Kameraführung, der Reißwolfschnitt und die rüde Brutalität sicher nicht zu einem Meisterwerk zusammen, aber zu etwas, das doch etwas mehr ist als die Summe seiner einzelnen Teile, etwas, das auf seine krude Weise „authentisch“ wirkt und stärker auf den Magen schlägt als die meisten Extrem-Gore-Filme unserer Zeit. Ich bin mir noch nicht sicher, ob das als Kompliment gemeint ist, und ich nehme an, ich werde dahingehend erst zu einer Entscheidung kommen, wenn ich mehr Milligan-Filme gesehen habe (und zwei hab ich ja noch vor mir), aber ich versteige mich beinahe zu einer Empfehlung für den experimentierfreudigen und der Outsider-Art aufgeschlossenen Horrorfreunden.

© 2019 Dr. Acula


BOMBEN-Skala: 9

BIER-Skala: 4


mm
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Diamond Bentley
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Diamond Bentley
9. September 2019 22:45

Outsider Art ist immer gut. Was bei den Shaggs richtig war kann hier nicht falsch sein.