The Frightened Woman

 
  • Deutscher Titel: The Frightened Woman
  • Original-Titel: Femina Ridens
  • Alternative Titel: The Laughing Woman |
  • Regie: Pietro Schiavazappa
  • Land: Italien
  • Jahr: 1969
  • Darsteller:

    Dr. Sayer (Philippe Leroy)
    Mary (Dagmar Lassander)
    Gida (Lorenza Guerrieri)
    Administrator (Varo Solerei)
    Sayer´s Sekretärin (Maria Cumani Quasimodo)
    Streetwalker (Mirella Pamphili)


Vorwort

Italien ist bekanntlich ein Land, dessen Filmproduktion hunderte von BADMOVIE-Seiten auf Jahre hinaus beschäftigen könnte. Im Gegensatz zu anderen Billig- bzw. Schundproduzenten haben viele italienische Regisseure aber einen gewissen künstlerischen Anspruch, was dazu führt, dass drittklassige Splatterorgien von bildverliebten Kamerakomponisten in Szene gesetzt werden, als würde LAWRENCE OF ARABIA neu verfilmt. Dario Argento-Fans können davon ein Lied singen. Optisch eine Augenweide, vergisst Argento immer wieder, dass ein guter Film vielleicht auch ein Drehbuch brauchen könnte. Beschäftigt man sich ein wenig tiefer mit der italienischen (S)Exploitation-Geschichte, fördert man da manch unbekannte vergessene Perle zu Tage, an die sich heutzutage eigentlich niemand mehr erinnert. FEMINA RIDENS, ein Vorreiter des psychedelisch-psychologischen Erotikfilms der Siebziger Jahre aus der Feder von Piero Schivazappa, ist so ein Streifen. Wohl kaum ein Mensch kann ernsthaft behaupten, diesen Film zu kennen. Ist es ein Versäumnis? Das Cover der US-Import-DVD verspricht jedenfalls „eine Erfahrung der Unterwerfung“, „fabelhafte Sex-Kreationen“, eine „stunning visual tour“, „Diabolique meets DeSade“ etc. Da werden einem ja die Äuglein feucht… Mal sehen, was dahintersteckt…


Inhalt

Unser Main Character heisst Sayer, ist promoviert und hat regelmässige Wochenenden mit einer Prostituierten, die die IMDB schamhaft als „Streetwalker“ bezeichnet. Schon die Eröffnungsszene im Nobelschlitten des Doktors, der die Dame zurückkutschiert, macht klar, dass wir es hier nicht mit einem Schmusesoftiwarmduscher zu tun haben. „Dieses Mal hast du mir wirlich wehgetan,“ klagt das Blondchen und pflegt seine Wunden, hauptsächlich mit dem Gegenwert des wortlos ausgestellten Schecks des Auftraggebers. Unser Doktor ist beruflich in einer Art Museum höherer Angestellter und nimmt als solcher tags darauf den Bericht einer schönen jungen Journalistin (Praktikantin?) namens Maria entgegen. Man(n) macht Avancen und lädt die Schönheit zu einem gemeinsamen Wochenende ein (wir als Zuschauer wissen mehr – die Stamm-Besucherin kann nicht). Gesagt getan. Beim gemeinsamen Champagnerschlürfen demonstriert Sayer galant seine gepflegte Sammlung an mittelalterlichen Dolchen, darunter ein Prunkstück, das einst den Medicis selbst gehört haben soll. Ob dieser Eröffnung fällt Maria in Ohnmacht, allerdings hat der gute Doktor auch ein Schlafpülverchen in den Drink gerührt.

Als Maria wieder zu sich kommt, steht sie sprichwörtlich an der Wand, mit Handschellen unbequem gefesselt. Und Sayer macht auch gleich klar, was er von ihr hält. Frauen, so erläutert er, legten es auf die Weltherrschaft an und scherten sich dabei einen feuchten Kehricht um die hauptsächlich sexuellen Bedürfnisse der diesbezüglich ausgehungerten Männer. Man müsse die Frauen an weiterer Ausbreitung hindern, denn sonst würden sie eines Tages noch lernen, sich ohne männliche Beteiligung zu reproduzieren. Ob soviel gequirlter Exkremente verliert Maria wieder das Bewusstsein. Beim nächsten Erwachen ist sie nicht mehr gefesselt und ergreift die Flucht, wird aber schon auf der Zufahrt zum High-Tech-Anwesen des Meisters von selbigem gestellt und wieder eingefangen. Langsam wird uns klarer, wie der gute Doktor tickt, nämlich nicht ganz richtig. Er beginnt mit seinen Unterwerfungs-Spielereien, denn, so Doktor Sayer, die Frau hat gefälligst zu parieren und dem Mann zu Diensten zu sein. So zwingt Sayer Maria zum Sex mit einer Gummipuppenausgabe seiner selbst. Und das Rollenspielen geht fröhlich weiter.

Maria darf Sayer nach der Dusche die Füsse massieren, beim Frühstück mampft Sayer der gefesselten und geknebelten Maria fröhlich eins vor. Als er sie losbindet, versucht sie ihn zu erdolchen, was zu einer Gartenschlauchabkühlung im leeren Swimmingpool führt. Sayer greift zu härteren Methoden – ein einer Art „Clockwork Orange“-Sequenz (vor Kubrick!) führt er Maria Aufnahmen seiner früheren Opfer vor, inklusive einer nackten jungen Frau, die gefesselt auf einem Steinblock getötet wurde. Maria ist sich nun sicher, einem psychopathischen Frauenhasser in die Fänge geraten zu sein, zumal Sayer ihr eröffnet, sie schlussendlich ebenfalls zu töten, die Frage sei nur, wann. Maria überlegt, dass ihre einzige Chance ist, Sayer zu „bekehren“ und ihn zu überzeugen, dass Frauen doch zu was gut sein können, d.h. im Kontext der Zeit hauptsächlich Sex. Sie legt einen (wirklich erotischen) Tanz für Sayer hin und die „Therapie“ scheint anzuschlagen. Sayer und Maria kommen sich näher, allerdings immer noch im Rollenspiel. Beim „Klavierlehrerspiel“ scheint Sayer über seinen Schatten springen zu können, doch bevor das erotische Techtelmechtel zum sexuellen Ernstfall wird, greift die Psychose wieder durch. Wutentbrannt schleift Sayer seine Gefangene zum Hinrichtungsstein, kettet sie an, schneidet ihr die Haarpracht ab und setzt an, sie mit der Haarschere zu töten. In ihrer Verzweiflung fährt Maria Sayer an, er möge doch zustossen und der Sache ein Ende bereiten. Einzig, Sayer bringt´s nicht übers Herz, denn in tiefer Seele ist er halt doch ein Schattenparker. Er bindet Maria los, pflegt und hegt sie und eröffnet ihr, sie angelogen zu haben. Zwar sei er wirklich ein Frauenhasser, aber er habe noch nie eine Frau getötet oder auch nur mit einer geschlafen, sondern nur in Rollenspielen seine Fantasien befriedigt.

Maria beginnt nach Genesung mit der Fortsetzung ihrer Therapie und reisst Sayer aus der Einsamkeit seines selbstgewählten Refugiums und bricht zu einer Landpartie auf. Es wird herumgealbert, verstecken gespielt, Cabrio gefahren und gelacht. Sayer lädt Maria in ein Schloss ein, wo man es beinahe im mittelalterlichen Himmelbett eines dahingeschiedenen Fürsten treibt, würde man nicht von anderen Besuchern überrascht. Beim Essen im Schlossrestaurant wird gefusselt, dass es eine Freude ist. Nach Heimkehr ist Sayer „geheilt“ und bereit, seine Psychose zu überwinden und den Sexualakt mit einer Frau zu vollführen, Ort der Klimax soll der jetzt gefüllte Pool sein.

Doch die Überraschungen reissen nicht ab. Als es zur Sache geht, streikt des Doktors krankes Herz und plötzlich treibt er tot im Swimmingpool. Und noch mehr Überraschung… Maria ist mitnichten unbedarftes Opfer. Sie reisst sich eine Perücke vom Kopf, fährt weg, zahlt Sayers Stamm-Prostituierte aus und klebt in ihrem trauten Heim Sayers Bild in ihr Trophäen-Album ein. Der gute Mann hatte schlussendlich doch recht… die Frauen wollen die Männer nur loswerden, es war ein gezielter „Mord“…

Die Inhaltsangabe ist beabsichtigt diesmal etwas kürzer als sonst, denn viel Plot hat der Streifen eh nicht zu bieten, und die detailliertere Schilderung der gezeigten Praktiken und Rollenspiele überlasse ich dann doch lieber eigener Anschauung des geneigten Filmverächters, und da die breiten Raum einnehmen, ebenso wie psychologisch verbrämter Gedankenschwurbel, will ich es dann doch bei dem oben beschriebenen belassen. Wie erwähnt, haben wir es also mit einem ziemlich verquasten Psycho-Blödsinn aus gekränkter italienischer Macho-Seele zu tun, was an sich noch nicht strafbar ist, schliesslich hat jeder ein Recht auf seine eigene Meinung, auch italienische Macho-Seelen, und wenn sie genug Geld dafür auftreiben, sollen sie meinetwegen auch Filme drüber machen können. Und, bevor mich jemand falsch versteht, es sind schon frauenfeindlichere Filme gedreht worden (frag nach bei Joe D´Amato, Jess Franco etc.).

Was bei FEMINA RIDENS auffällt, ist mehrerlei. Erst mal das Positive: Der betriebene künsterlische Aufwand ist beachtlich. Das Production Design, sprich die Bauten und Kulissen, dürften jedem Freund von früher Siebziger-Jahre-Inneneinrichtung Freudentränen in Sturzbächen über die Wangen treiben, wie man sich überhaupt für die hochtechnisierte Behausung des Psychopathen einige nette technische Gadgets ausgedacht hat. Auch die Kostüme sind hübsch zeitgemäss.
Das zweite, was auffällt, ist der Mangel jeglicher Ironie. Der komplette Streifen ist todernst und so spielen auch die Hauptdarsteller Philippe Leroy (grosse Nummer im was der Amerikaner „Art House“-Film der 60er und 70er nennt) sowie Dagmar Lassander (einem breiteren Publikum später in Lucio Fulcis berüchtigtem HOUSE BY THE CEMETARY ein Begriff geworden) – Ironie geht dem Streifen völlig ab, was ihn um so umfreiwillig komischer macht. Wenn Philippe Leroy als Sayer seinen Machismo-Psycho-Quark ablässt, kann man kaum ernst bleiben.
Drittens, bemerkenswert für einen Sexploitaiter (zu dem er allerdings mehr durch den US-Vertrieb gemacht wurde), alles bleibt erstaunlich sauber – d.h. nackte Tatsachen werden kaum geboten. Lassander ist ein- oder zweimal oben ohne zu bewundern (was ihr aber auf keinen Fall Schande bereitet, auch die Lassander ist eine Augenweide), ansonsten bleibt der Streifen fast klinisch rein, trotzdem reichte es in den USA noch für ein X-Rating, ohne aber an Explizität zu verlieren.
Viertens, und das ist allerdings der Oberhammer, die aufgesetzte Symbolik werkelt derart penetrant mit dem Holzhammer, dass der alte Wiener Siggi Freud seine Freude dran haben würde. So darf Philippe Leroy in einer Parallemontage zu seiner Sterbeszene allen Ernstes durch eine überdimensierte Vagina-Skulptur schreiten, um (teilweise) als qualmender Totenschädel wieder zum Vorschein zu kommen. Die Botschaft des Streifens dürfte damit klar sein, was auch deutlich macht, dass der Film eigentlich einen vollkommen irreführenden Titel hat, statt „The Frightened Woman“ sollte das Werk eigentlich unter „The Frightened Man“ firmieren, was allerdings natürlich die Schlusspointe vorwegnehmen würde.

Als kleines Kuriosum am Rande sei noch angemerkt, dass die „Spezialeffekte“ von Carlo Rambaldi stammen, der später in die Werkstatt von Dino De Laurentiis wechselte, u.a. für die Effekte von „King Kong“, „Katzenauge“, „Der Werwolf von Tarker Mills“ und „Rhea M.“ verantwortlich war und später auch half, Spielbergs „E.T.“ das Laufen beizubringen.

Schauspielerisch kann man nicht viel sagen, da nicht viel verlangt wird. Philippe Leroy gibt seinen Dr. Sayer ausgesprochen hölzern, Dagmar Lassander sieht gut aus, hinterlässt aber auch gemessen an der Anforderung ihres Rollenprofils einen guten Eindruck.
Regisseur Schivazappa gelingt es allerdings kaum, seiner Psychomär auch so etwas wie Spannung zu verleihen, das Tempo ist sehr gemässigt und die Zweiteilung des Streifens in eine Hälfte S/M-Beziehung und eine Hälfte „Therapie“ lässt vorhandenes Interesse nach der Klimax der Beinahe-Hinrichtung Marias schnell erlahmen. Allerdings ist die mir vorliegende US-DVD-Fassung um satte 18 Minuten gegenüber der italienischen Originalfassung gekürzt, so dass ein endgültiges Urteil schwer fällt. Als Zeitdokument ist FEMINA RIDENS sicher nicht uninteressant, da der Film so manchem Manne der entsprechenden Epoche, der der aufkommenden Emanzipationsbewegung skeptisch gegenüber stand, aus der Seele gesprochen haben dürfte (ja, ich weiss, durchaus auch heute noch). Gelegentlich ist das ganze durchaus erotisch, handwerklich mehr als ordentlich gemacht, aber über die komplette Laufzeit etwas anstrengend und auf die Dauer langweilig, man ist des öfteren versucht, zur nächsten interessanten Stelle vorzuspulen. Als echter Trashfilm qualifiziert sich FEMINA RIDENS sicherlich nicht, dafür ist das ganze zu bierernst vorgetragen und wohl auch gemeint. Italo-Komplettisten, Kuriositätensammler und an Roleplay-Thematik Interessierte können sich den Streifen mal reinziehen, eine Bildungslücke behebt man aber sicherlich nicht.

In den USA ist der Film auf DVD erhältlich. Radley Metzger, fleissiger Anhänger von Euro-Erotik, importierte den Film bereits Anfang der 70er Jahre für seine Firma Audobon in die Staaten, bevor er begann, mit selbst inszenierten Filmen ähnliches Terrain abzugraben, bevorzugt ebenfalls in Europa mit europäischen Darstellerinnen, dies nur als Fussnote. Technisch gesehen ist die DVD in Ordnung, bietet gute Bildqualität und immerhin den Original-Kinotrailer als Bonus.

(c) 2000 Dr. Acula


BOMBEN-Skala: 5

BIER-Skala: 3


mm
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