The Evil Clergyman

 
  • Original-Titel: The Evil Clergyman
  •  
  • Regie: Charles Band
  • Land: USA
  • Jahr: 1988/2012
  • Darsteller:

    Barbara Crampton (Said Brady), Jeffrey Combs (Jonathan), David Warner (Bischof), Una Brandon-Jones (Vermieterin), David Gale (Rattenwesen)


Vorwort

Nachdem sie vom Selbstmord ihres Liebhabers Jonathan, eines anglikanischen Priesters, unterrichtet wurde, kehrt Said Brady in die schlossartige Villa zurück, in der die beiden so manche heiße Liebesnacht verbracht haben. Die Vermieterin des Anwesens ist nicht nur nicht besonders scharf drauf, Said wiederzusehen, sondern gibt auch zu Protokoll, das aus des Verblichenen Kemenate des Nächtens merkwürdige Geräusche erklingen. Said lässt sich davon nicht abhalten, ihren Frieden mit dem Ableben des Gottesmanns zu machen.

Doch zu ihrer gelinden Überraschung erscheint ihr Jonathan in voller Lebensgröße und auf den ersten, zweiten und dritten Blick ausgesprochen un-tot. Fragen werden aus allgemeiner Wiedersehensfreude zurückgestellt und Matratzenakrobatik vollzogen. Was Said aber später aus postkoitalem Morpheusknuddeln weckt, ist nicht etwas ein zehenlutschender Priester, sondern eine gar abscheuliche Rattenkreatur mit menschlichem Gesicht! Da darf frau schon mal kreischen, erst recht, wenn sie sich eingeschlossen findet und statt des erhofften Liebhabers einen Bischof mit eingeschlagenem Schädel vorfindet, der ebenfalls etwas sehr lebendig für seinen Zustand wirkt und Said warnt: Jonathan sollte wegen verschiedentlicher blasphemischer Umtriebe aus der Kirche ausgestoßen werden, hat aber den Bischof in Ausübung dieses Vorgangs erschlagen. Worauf Jonathan und die Rattenkreatur, unter deren Einfluss er stehe, hinaus wollten, sei Saids Seele…


Inhalt

Kommen wir zu einem der ganz großen Mysterien der Filmgeschichte – naja, zumindest zu der Sorte Filmgeschichte, die uns auf diesen Seiten ganz besonders interessiert, der Geschichte des modernen B-Films.

1987 fiel es Charles Band, damals noch Oberhaupt von Empire Pictures bei, einen Anthologiefilm zu drehen, der Mini-Sequels zu drei seiner größten Erfolge beinhalten sollte: „The Dungeonmaster“, „Trancers“ und „Re-Animator“. Der Film wurde unter dem Titel „Pulse Pounders“ ausgiebig beworben und auch vollständig abgedreht, doch ging 1988 das einzige Negativ des Streifens verloren – laut Charles Band verbummelte das Labor das Material, und da Empire Pictures zu der Zeit vorrangig damit beschäftigt war, couragiert pleite zu gehen, kümmerte sich nicht wirklich jemand um den Vorgang. Für viele Band-Fans wurde „Pulse Pounders“ zu so etwas wie dem Heiligen Gral des B-Films, ein vielversprechendes Projekt, das tatsächlich mit allen Stars der Originalfilme gedreht worden war, aber wohl nie das Licht der Öffentlichkeit erblicken würde.

Flash Forward nach 2011 – völlig überraschend entdeckte Charles Band einen Workprint des Films auf (festhalten) VHS und entschied, sozial veranlagt, wie er ist, dass das die drei Segmente restauriert, einen professionellen Soundmix und einen neu komponierten Score erhalten und danach zunächst auf Filmfestivals gezeigt und dann – getrennt, weil Charles Band nach wie vor weiß, wie man aus seinen Fans möglichst viele Dollar rausquetscht – auf DVD veröffentlicht werden (den „Pulse Pounders“, so wie er sein sollte, wird man, sobald auch die dritte Episode restauriert wurde, voraussichtlich nächstes Jahr auf Full Moons Streaming-Plattform bewundern können).

Dass die erste „Auskopplung“ das spirituelle Sequel zu „Re-Animator“ war, beweist mal wieder Charlies Geschäftssinn – um der Wiedervereinigung von Jeffrey Combs, Barbara Crampton und David Gale unter Gefechtsbedingungen entgegenzugeifern, muss man noch nicht mal spezieller Band-Fan sein. Band und sein Drehbuchscherge Dennis Paoli (Re-Animator“, „From Beyond“, Meister des Grauens, „Castle Freak“, „Dagon“) widerstanden der Versuchung, ein „echtes“ Sequel zu drehen, sondern adaptierten lieber eine andere, vergleichsweise unbekannte Lovecraft-Story. „The Evil Clergyman“ wurde 1939 posthum veröffentlicht und ist in seiner Urform eigentlich nur ein Fragment, die Nacherzählung eines Traumes des Meisters, die er in einem Brief an seinen Freund Bernard Austin Dwyer schilderte, und vom Autor selbst nie ausgearbeitet wurde (Lovecraft-Scholaren sind sich auch unschlüssig, wie er die in der vorliegenden Fassung vergleichsweise konventionelle Spukgeschichte ausgebaut hätte). Paolis Adaption ist dabei – wen wundert’s – nicht spektakulär werkgetreu. Er verwendet das Grundkonstrukt der Geschichte (Priester, der in schwarzmagischen Geheimnissen herumdabbelt) und kombiniert sie mit Motiven aus „Die Ratten im Gemäuer“ und der später von Stuart Gordon für Masters of Horror verfilmten Geschichte „Dreams in the Witch-House“ (aus der kommt der menschengesichtige Ratten-„Familiar“). Auf diese Elemente packt er eine Liebesgeschichte die – obwohl die Story nunmehr offenkundig in der relativen Gegenwart spielt – an übernatürliche Romanzen aus gothisch-viktorianischen Schauergeschichten erinnert. Das sollte sich eigentlich, gerade weil Lovecraft und Romantik nun erwiesenermaßen nicht gerade Freunde für’s Leben sind, nicht ergänzen, tut’s aber erstaunlicherweise überraschend gut.

Das Problem, wenn man Lovecraft für die Leinwand (oder wenigstens den Fernsehschirm) adaptieren will, ist dass seine Stärke bekanntlich die Kurzgeschichte ist und es in diesem Format nicht so ins Gewicht fällt, dass seine Figuren oft unzugänglich bis straight-up unlikeable sind – sind sind lediglich Vehikel, mit denen Lovecraft den Leser an die Stellen seines großen Mythos dirigiert, an dem er sie haben will. Diese Herangehensweise funktioniert filmisch nur in den seltensten Fällen, hier wollen wir als Zuschauer brauchbare Protagonisten mit halbwegs glaubwürdigen Motivationen. Paolis Kunstgriff, den namenlosen Erzähler aus Lovecrafts Vorlage in die Geliebte des bösen Priesters zu verwandeln, erledigt das quasi im Handstreich. Liebe ist nun mal der stärkste Motivator und selbst, wenn man das als freudloser Mensch nicht glaubt, muss man zugeben, dass es eine bessere Erklärung ist als die „unerklärliche Macht“, die Lovecraft bemüht, um seinen Erzähler in die Geschichte hineinzuziehen – zudem verstärkt es die Bosheit des titelgebenden Pfaffen, weil er dadurch auch als herausragender Manipulator dasteht, der Said bewusst für seine Zwecke benutzt (im Vergleich zur Zufallsbegegnung in der Vorlage). Dass Jonathan unter dem Einfluss eines „Familiar“ steht, verleiht nicht nur dem Mann der Kurie eine konkrete Motivation, sondern linkt die Story auch noch zum Cthulhu-Mythos (auch wenn die Verbindung von Brown Jenkin, dem Rat-Familiar aus „Dreams in the Witch House“ in den Mythos hauptsächlich durch August Derleths Interpretation entspringt).

Was für Band, gerade im Zusammenhang mit einem Anthologiefilm, sehr attraktiv war, ist, dass „The Evil Clergyman“ sich als Kammerspiel gestaltet – zwei (eindrucksvolle) Sets, fünf Darsteller, das ist leicht zu bewerkstelligen (auch wenn’s ein paar Jahre später noch einfacher für Band gewesen wäre, dann hätte er den Kram einfach auf seinem italienischen Schloss drehen können und hätte die Sets für die großartige Eingangshalle und die Wohnräume des Priesters nicht bauen lassen müssen). Band inszeniert das Stück dann auch als „mood piece“, als eine Art Alptraumszenario, wie es Lovecraft – abzüglich der romantischen Elemente, ähm – sicherlich gefallen hätte. Routinier Mac Ahlberg hinter der Kamera sorgt für einige beeindruckende Bilder (wenn David Warner als geisterhafter Bischof durch den Raum schwebt, ist das zweifellos ein simpler Trick, aber es wirkt einmal mehr) und Richard Band’s Score zieht alle Register – nicht nur die von ihm zu erwartenden Bernard-Herrman-beeinflussten Klänge, sondern auch gefühlvolle, romantische Sounds.

Im Gegensatz zu „Re-Animator“ ist „The Evil Clergyman“ natürlich keine Splatterorgie – die Make-ups beschränken sich auf die Kopfverletzung des Bischofs und das Ganzkörperrattenkostüm, in dem man den armen David Gale gestopft hat. Und das ist leider – man darf vor der Wahrheit ja nicht die Augen verschließen – lächerlich, sieht aus wie ein dreimal im Wäschetrockner spazierengefahrener und dann noch zweimal vom Lkw überrollter Biberrattenmutant – für eins der „key visuals“ des Films ist das leider Cthulhus ein totaler Fehlschlag, den ich nicht mal bei einem Krippenspiel der Sonderschulabbrecher Harzbüttel-Ost gelten lassen würde, es untergräbt die „creepyness“ des Szenarios doch merklich; auch die perspektivischen Shots und oversized props, die die im Filmsinne etwa katzengroße Kreatur mit den „normalgroßen“ Charakteren interagieren lassen, sind nicht immer völlig gelungen (aber Band & Co. geben sich Mühe).

Bei den Darstellern gibt’s wenig Grund zu meckern – Barbara Crampton, deren Show es letztendlich ist, hat hier schauspielerisch sicher mehr zu tun als in „Re-Animator“ und „From Beyond“ zusammen, weil sie hier die volle Bandbreite von trauernder Geliebter, überwältigter Wiedersehensfreude bis hin zur cold-hearted bitch zelebrieren darf (für Freunde der Anatomie von Frau Crampton: ja, sie zieht sich aus, es gibt ja eine Sexszene, aber wir sehen nur ihre rückwärtigen Partien). Jeffrey Combs ist zuverlässig wie immer und David Warners zwei kleine Szenen ausgezeichnet (Warner, der in seinen „Glanzzeiten“ vermutlich auch den Belag auf einem Butterbrot gespielt hätte, ist erfreulicherweise einer von der Sorte Schauspieler, der sich von Wertigkeit der Produktion und Größe seiner Rolle kaum in seiner Herangehensweise beeindrucken ließ). David Gale tut mir im Rattenkostüm ehrlich leid. Dagegen ist Una Brandon-Jones („Withnail & I“) als miesgelaunte Vermieterin durchaus überzeugend.

Bildqualität: Wir erwähnten es – die einzig verfügbare Quelle war ein VHS-Workprint. Demzufolge sind die qualitativen Ansprüche stark zurückzufahren. Es ist halt ein VHS-Print, den man einigermaßen soweit entrümpelt hat, dass man sich das Resultat ansehen kann, mehr aber auch nicht. Irgendwie ist das allerdings auch ein nostalgischer Rückblick in Zeiten, in denen man sich mit Freuden die Fourth-Generation-Copy von „Dawn of the Dead“ zu Gemüte geführt hat. Immerhin hat Band das Material widescreen-tauglich gemacht (dürfte so in der Gegend um 1.66:1 liegen).

Tonqualität: Auch hier darf man nicht zu viel erwarten – mehr als der Workprint-Dialogton war eben nicht vorhanden, und so rauscht’s und knistert’s natürlich schon vernehmilch. Der Score ist dagegen neu aufgenommen und haut gut rein.

Extras: Neben einem Trailer auf „Trancers 1.5“ und einer Full-Moon-Trailershow gibt’s eine kleine Featurette von der Weltpremiere des „Evil Clergyman“ mit Publikumsreaktionen und Ausschnitten aus einem Panel mit Charles und Richard Band, Barbara Crampton und Jeffrey Combs. Die DVD ist übrigens codefrei.

Fazit: Nachdem ich an „The Evil Clergyman“ mit einer Art „ich-will’s-wenigstens-mal-gesehen-haben“-Einstellung, ergo ohne große Erwartungen heranging, konstatiere ich – von den Schwächen im Monster-Design abgesehen ist das eine kleine, feine Schauergeschichte, gekonnt inszeniert und souverän gespielt. Womöglich nicht gerade das, was man als inoffiziellen „Re-Animator“-Nachfolger erwartet hat, aber auf jeden Fall ein Beweis dafür, dass Charlie Band, wenn er mal Sorgfalt walten ließ, auch als Regisseur was auf dem Kasten hatte (ich nehme vorsichtshalber nicht die Gegenwartsform…) und auch einen vergleichsweise ruhigen Stoff, der der Vorlage nicht auf den Buchstaben genau folgt, aber ihr doch gerecht wird, adäquat umsetzen konnte. Eine wirkliche Entdeckung, der ich die erwähnten Schwachpunkte doch mal freudig nachsehe.

4/5
(c) 2014 Dr. Acula


mm
Subscribe
Benachrichtige mich zu:
guest
0 Comments
Inline Feedbacks
View all comments