The Drums of Jeopardy

 
  • Original-Titel: The Drums of Jeopardy
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  • Regie: George B. Seitz
  • Land: USA
  • Jahr: 1931
  • Darsteller:

    Warner Oland (Dr. Boris Karlov), June Collyer (Kitty Conover), Lloyd Hughes (Prinz Nicholas Petroff), Clara Blandick (Abby Krantz), Hale Hamilton (Martin Kent), Wallace MacDonald (Prinz Gregor Petroff), George Fawcett (General Petroff), Florence Lake (Anja Karlov), Mischa Auer (Peter), Ernest Hilliard (Prinz Ivan Petroff)


Vorwort

THE DRUMS OF JEOPARDY

Prä-Hayes-Code-Hollywood ist immer für Überraschungen gut und auch die Übergangsphase vom Stummfilm zum Tonfilm an und für sich ist eine spannende Epoche. Zuzusehen, wie Filmemacher sich an die neuen Möglichkeiten herantasteten (oder auch daran verzweifelten), der Aufstieg neuer Stars und der Niedergang bislang hell funkelnder Sterne, und, nicht zuletzt auch der Drang von Studios und Regisseuren, Stoffe, die bereits als Stummfilme realisiert worden waren, nun nochmals als Tonfilm neu zu interpretieren.

So erging es z.B. auch THE DRUMS OF JEOPARDY, einem Kriminal-Broadwaystück von 1922, das bereits ein Jahr später vom hungrigen Hollywood-Moloch mit Wallace Beery in der Rolle des schurkischen Bösewichts verfilmt worden war. Nun, 1931, schien die Zeit reif für ein Remake. Tiffany Productions war ein 1922 gegründetes B-Studio, das sich mit vollem Elan in die Tonfilm-Ära gestürzt und gleich 1929 ein paar Musicals in die Kinos brachte. „Bread and butter“ der Firma waren aber hastig heruntergekurbelte Crimefetzer, Western und Schmachtfetzen. Große Stars waren bei Tiffany eher selten zu sehen, aber zumindest semi-bekannte Gesichter wie Wallace Ford, Ken Maynard oder Bob Steele konnte sich das Studio eben so leisten, und wenn alle Stricke rissen, schickte man eben einen neuen Comedy-Short mit „Tiffany’s Talking Chimps“, gedreht vom späteren PRC-Spezialisten Sam Newfield, ins Rennen. 1933 war aber für Tiffany Schluss – obschon das Studio kurz zuvor mit dem von Expressionisten-Großmeister Robert Flory Drama THE MAN CALLED BACK einen unerwarteten Ausflug in Richtung Qualität unternommen hatte. Tiffanys Katalog landete dann im Rechtefundus von 20th Century Fox.

Aber noch befinden wir uns im Jahr 1931, Tiffany sieht noch hoffnungsfroh in die Zukunft und der routinierte Regisseur George B. Seitz (THE PERILS OF PAULINE, MURDER ON THE ROOF, und später Stammregisseur der ANDY-HARDY-Serie) werkelt an THE DRUMS OF JEOPARDY…


Inhalt

Wir steigen in spät-zaristischen Zeiten in Russland ein. In einem bürgerlichen Schlafzimmer siecht Anja Karlov (Florence Lake, die ihr professinelles Glück darin fand, in den Comedy-Shorts von Edgar Kennedy sein geplagtes Eheweib zu spielen), ein attraktives junges Mädel, vor sich hin. Taisya (Ann Brody, A FOOL AND HIS MONEY), ihre Amme/Tante/Haushälterin/whatever, ist beunruhigt genug, um nach Anjas Vater zu senden, der augenscheinlich schon seit längerem durch Abwesenheit glänzt.

Well, es ist nunmal so, ein Dr. Boris Karlov (!!! – darauf werden wir noch im Analyseteil zu sprechen kommen, Warner Oland, the screens foremost CHARLIE CHAN, aber auch DR. FU MAN-CHU und tibetanischer Werwolf in DER WERWOLF VON LONDON), hat Wichtigers zu tun als in der heimischen Wohnstube rumzuhängen und die „St. Petersburg Times“ zu lesen. Dr. Karlov ist ein WISSENSCHAFTLER!! mit einem gewerkschaftlich autorisierten Kellerlabor voller Teslaspulen, funkensprühender Apparate und in (mutmaßlich) allen Regenbogenfarben schimmernden Flüssigkeiten in Reagenzgläsern und Laborkolben. Sein loyaler Diener Peter (Mischa Auer, THE MONSTER WALKS, HELLZAPOPPIN, DAS HAUS DER SIEBEN SÜNDEN) wagt es dennoch, den unter einer Gasmaske hantierenden Doktor zu stören, und a good thing, too, denn Taisyas schriftliche Botschaft entsetzt den stolzen Vater. Demnach liegt Anja im Sterben, weil sie versucht hat, sich – wie könnte es anders sein – wegen eines Kerls das Leben zu nehmen. Hinsichtlich genauerer Einzelheiten insbesondere zur Identität des Strolchs verweigert Anja konsequent die Aussage, aber auf alle Fälle wäre es wohl angebracht, wenn Dr. Karlov die Hufe in die Hand nähme, beabsichtigte er, sein Tochter noch einmal atmend zu begutachten.

Tiefschürfender Einschub. Natürlich stellt sich hinsichtlich des Selbstmordversuchs eine gewisse Frage. Welche Art von „Selbstmord“ bringt einen dazu, tagelang todkrank im Bett zu liegen und dann irgendwann an generellem Siechtum zu verrecken? Nun, ich habe eine Theorie. Wenn THE DRUMS OF JEOPARDY hier von einem Versuch, sich das Leben zu nehmen, spricht, meint der Film meiner Ansicht nach etwas anderes. Wir mögen in der Zeit vor Etablierung des alle möglichen Dinge tabuisierenden Hayes-Codes sein, aber trotzdem immer noch im Jahr 1931, und gewisse Dinge… waren auch vor Hayes-Code-Zeiten in einem Mainstream-Film unaussprechlich. So etwas wie „unverheiratet & schwanger“ z.B., und, dies konsequent weiter gedacht… „Abtreibung“. Ja, meine persönliche Hypothese ist, dass Anja nach Feststellung einer unerwünschten Schwangerschaft zu einer Engelmacherin pilgerte und dieser Eingriff gelinde gesagt katastrophal (aber eben auch nicht unüblich für Zeit & Gegend, in der der Film spielt) verlaufen ist. Die Drehbuchautoren gingen sicher davon aus, dass der geneigte Zuschauer, der den Film nicht nur als zeittotschlagendes Berieselungsprogramm an sich vorbeihuschen lassen würde, entsprechend zwischen den Zeilen lesen konnte. Tiefschürfender Einschub Ende.

Okay, Karlov erreicht den Hof mit Müh und Not, das Pferd ist vielleicht tot, aber das Mädchen lebt noch. Betonung auf „noch“. Papa ist bestürzt, auch über die Tatsache, dass Anja eher so mittelbegeistert über sein Erscheinen ist, hoffte sie doch, abnippeln zu können, bevor sie sich ihrem alten Herrn am Ende noch erklären muss. Nun, erklären tut Anja trotzdem nichts, und Karlov scheint auch weniger über das anstehende Dahinscheiden seiner Tochter wutig zu sein als vielmehr darüber, dass die ums Verrecken (hehe) nicht damit rausrückt, welcher schuftige Sackträger für den ganzen Kladderadatsch verantwortlicherweise zuständig ist. Leider – aus Anjas Sicht – ist sie ein wenig entkräftet und so fällt ihr etwas bislang Verborgenes aus der Hand und aus dem Bett – ein Rubingeschmeide in Halskettenformat, das Karlov, being obviously not a Kostverächter, sofort als die legendären „Trommeln der Gefahr“ aus dem Besitz der adligen Familie Petroff identifiziert. Damit muss der unglückselige Über-die-Bande-Mädchen-Ermorder fraglos einer derer von und zu Petroff sein, und potentielle Kandidaten gibt’s drei – Prinz Ivan, den ältesten der heiratsfähigen Petroffs, Gregor den Mittleren, und Nicholas, das Nesthäkchen der Familie. Eins, Zwei oder Drei, du musst dich entscheiden… Anja bezieht sich weiterhin auf ihr Aussageverweigerungsrecht, aber das lässt Karlov nur den bewährten Schluss „wenn’s keiner war, dann waren’s alle“ ziehen und er bricht mit einer Pistole bewaffnet auf, um bei den Petroffs mal dezent auf den Tisch zu klopfen. Das führt zu einer spontanen Wunderheilung bei Anja (ich hab’s gewusst, Simulantin!), die sofort aus dem Bett kraxelt und im Nachthemdchen in selbige, nämlich die Nacht, hinauseilt…

Bei Petroffs herrscht indes grad Partystimmung. Der Clan hat Besuch, den amerikanischen Diplomaten Martin West (Hale Hamilton, MILLIONÄRE BEVORZUGT, ICH BIN EIN ENTFLOHENER KETTENSTRÄFLING, die 1926er-Fassung von THE GREAT GATSBY), der for no specified reasons bei den Petroffs rumhängt und von General Petroff (George Fawcett, KAMPF IM TAL DER REISEN, DIE LADY VON DER STRASSE, ANNA KARENINA) und dessen… Bruder? Neffen? Ivan (Ernest Hilliard, RED HOT RHYTHM, SECOND HONEY MOON) gerade mit ein paar Schwänken aus der Familienchronik unterhalten wird. So z.B. der lustigen Geschichte, wie der gegenwärtigen Petroffs Urgroßvater einst dem Eheweib eines indischen Monarchen eigenfüßig die berühmten „Trommeln der Gefahr“ vom Halse gerissen hat. Imperialistisches Raubrittertum – immer wieder lustig! Warum aber eigentlich „Trommeln“? Und „Gefahr“? Martin ist neugierig, und die Petroffs klären gerne auf. „Trommeln“, weil die Rubine in Figuren indischer Trommler gefasst sind, was die Steine selbst wie die Trommelfelle aussehen. Und „Gefahr“? Weil es natürlich eine Legende gibt, wonach jemand, der ein einzelnes Stück der Halskette zugestellt bekommt, binnen 24 Stunden das Zeitliche segnen werde. Ein Spaß! Der General ist der Ansicht , dass die Geschichte noch viel wirkungsvoller erzählt werden kann, wenn Martin sich die Steine tatsächlich mit eigenen Glubschern ankucken kann, weswegen Gregor (Wallace McDonald, AUTOBANDITEN, DIE ABENTEUER DES BUFFALO BILL, THE PHANTOM EMPIRE) beauftragt wird, die Steine aus dem Safe zu apportieren. Gregor ist sichtlich unwohl und herumdrucksend – eh… es ist schon so lange her, dass er etwas mit der Kette angefangen hat, er hat doch glatt die Safe-Kombination vergessen, schwitz-zitter. Das würde ihm nicht mal meine selige Großmutter abkaufen, und die glaubte praktisch alles, was in der Zeitung steht, aber die Petroffs sind offenbar ein gutgläubiger Haufen. Dann soll das eben der junge Nicholas (Lloyd Hughes, DIE VERLORENE WELT, 1925er-Ausgabe, THE MYSTERIOUS ISLAND, 1929er-Variante) besorgen, hat der auch was zu tun. Nicholas ist im Petroff-Clan eh so etwas wie der personifizierte Sonderfall, war seine Mutter (offenbar früh verstorben) doch Amerikanerin und hat Nicholas sich seine Bildung in Yale abholen dürfen (und muss daher auch nicht so tun, als spräche er mit russischem Akzent). Nicholas bringt das gewünschte Kistchen, doch ob der Öffnung machen die Petroffs kollektiv Gary-Oldman-in-DAS-FÜNFTE-ELEMENT-Gesichter: „Da ist ja gar nix drin!“ Ja stockschwerenot, wo sind denn die Kleinodien?

Bevor diese Frage in irgendeiner Form gewinnbringend diskutiert werden kann, platzt Anja via offener Terrassentür in die Abendgesellschaft. Respekt. Das todkranke Mädchen zu Fuß war schneller als sein Vater mit Pferd, Kutsche und einer amtlichen Motivation. SO SCHLIMM KANNS ALSO NICHT GEWESEN SEIN, MISTSTÜCK. Da Anja sich Gregor an den Hals wirft, ist damit für uns wohl auch die Frage geklärt, wer der Schmutzfink ist, der seinen Schniedelwutz nicht rechtzeitig rausziehen konnte. Anja kann im Zustand weiblicher Hysterie keine sinnvolle Aussage tätigen, was zum Geier sie eigentlich hier will, und bevor sich’s die versammelten Petroffs, ihre Gäste, die Dienerschaft und die uniformierte Leibgarde, die man als russischer Nobelmann nun mal um sich hat, versieht, kippt Anja aus den Latschen und ist tot. Pardauz. Und das ist natürlich der exakt passende Moment für den großen Auftritt von Boris Karlov. Welch schöne anklagende Rede er sich auch immer ausgedacht haben mag, sie hat sich überholt. Die Laune des Doktors verbessert sich begreiflicherweise aber nicht und mit gezücktem Schießprügel verlangt er Satisfaktion und Auslieferung des Mädchenschänders. Gerechte Wut ist jedoch meistens kein Mittel gegen zahlenmäßige Unterlegenheit und so wird Karlov recht einfach überwältigt und hinfortgeschleift. Wobei noch die Frage des Geschmeides zu klären ist… das hat er, stellt Karlov dar, und zurückbekommen werden es die Petroffs nur einer nach dem anderen in Einzelteilen. Muwaha usw. usf.

Springen wir ins Jahr 1930. Was in der Zwischenzeit passiert ist, bekommen wir in einem teils per Texteinblendung, teils per Dialog vermitteltem Exposition Dump, den ich wie folgt zusammenfasse. Karlov wurde nach Sibirien deportiert, es gelang ihm aber die Flucht. Während Oktoberrevolution und russischem Bürgerkrieg warf er seinen Support voll hinter die Bolschewiken, und da die, wie uns die Geschichtsbücher informieren, gewonnen haben, ist er by 1930 zu einer einflussreichen Persönlichkeit mit konsiderablem Machtpotential aufgestiegen. Die Petroffs hingegen, unwillig, von den kommunistischen Adelsfeinden an die nächste Wand gestellt zu werden, haben sich ins Pariser Exil geflüchtet, werden jedoch auch dort ihres Lebens nicht froh, courtesy of Karlov. Der hat dem greisen General ein Bruchstück der Trommeln zukommen lassen, und hastenichtgesehen, hat der alte Zausel den Löffel geworfen. Europa ist also, so die Meinung der überlebenden Petröffe (die übrigens keinen Tag gealtert sind. Offenbar baden russische Aristokraten regelmäßig in Jungfrauenblut. Würde jetzt auch wieder Anjas Zustand erklären…), zu klein geworden. Zum Glück ist auch Martin West mittlerweile aufgestiegen – er ist Chef der Russland-Abteilung des Geheimdienstes und daher genau DER Mann, den man kennen muss, sucht man als russischer Exilant Schutz und Sicherheit im Zeichen des Weißkopfseeadlers. Ergo bucht der Russen-Clan eine Suite oder drei auf einem Ozeandampfer und informiert Kent über das baldige Erscheinen in New York. Nun sitzt Karlov aber wie eine Spinne in der Mitte eines umfangreichen Informanten-Netzwerks, das über alle Schritte der Petroffs argwöhnisch wacht und so erreicht eine Kopie des Schreibens an Kent auch den nachtragenden Vater (auch Karlov und sein immer noch siamenisch mit ihm verbundener Leibdiener Peter sind keinen Tag gealtert)…

Und so feiern die Petroffs am Vorabend des Einlaufens in den Hafen von Neu-Amsterdam bei einer Pulle Champagner die erfolgreiche Überfahrt, als ein verschlagen wirkender Stewart Ivan Petroff einen Brief überreicht, frisch eingetroffen von einem Lotsenschiff. Der Brief bestellt Ivan freundliche Grüße von Karlov, und als Präsent ist ein weiterer kleiner indischer Trommler beigefügt. Panik! Aufruhr! Man schickt nach dem Kapitän, auch wenn mir nicht ganz klar ist, was der nun ob dieser Information tun sollte (Selbstversenkung, um Karlov eins auszuwischen?), aber der Petroff-Diener, dem diese verantwortungsvolle Aufgabe zugedacht wurde, wird auf dem Weg von dem bewussten Steward und einigen Karlov-Goons überwältigt und über Bord geworfen. Platsch. Es klopft wieder an der Petroffs Kabinentür und jetzt steht ein finster dreinblickender Herr vor der Tür, der sich als einer von Kents Agenten vorstellt und mitteilt, dass die Petroffs bereits jetzt auf einen kleinen Kajütkreuzer übersetzen und mit dem inkongnito nach New York gondeln sollen. Als aufmerksame Zuschauer erkennen wir den vermeintlichen Agenten unschwer als Peter, den die Petroffs aber nicht kennen. Kennen tun sie allerdings Karlov, der sie an Bord des Hafenhüpfers mit gewinnendem Lächeln und dem ganzen Charme eines gut gelaunten Psychopathen erwartet. Das ist jetzt irgendwie blöd gelaufen.

Nun spräche auf den ersten Blick nichts dagegen, wenn Karlov seinen Gefangenen von seinen Schlägern ein-zwei heftige Schläge auf den Hinterkopf verpassen und sie dann die Fische besuchen lassen würde, damit der Rache Genüge getan ist, aber so einfach geht das natürlich nicht. Der Film wäre dann ja schon nach 25 Minuten vorbei. Also wird die ganze Petroff-Blase tatsächlich in New York an einem verlassenen Pier an Land gesetzt. Wer ein anständiger russischer Edelmann ist, weiß sich seiner Haut aber einigermaßen zu wehren und so gelingt es Gregor und Nicholas, ihren jeweiligen Bewachern ein bis zwei deftige Nasenstüber zu verabreichen und zu türmen. Ivan hat weniger Glück. Während Gregor ohne weitere filmreife Ereignisse in die Nacht entkommt, heften sich Karlovs schießfreudige Gorillas enthusiastisch an die Fersen des flüchtenden Nicholas. Zum Glück ist New York berühmt für seine Feuerleitern, und so erklimmt Nicholas eine solche und verschafft sich so Zugang – nachdem er sich einen Streifschuss an der Denkerstirn eingefangen hat – in eine luxuriöse Penthouse-Wohnung und dort ins Schlafzimmer, wo er erschöpft erst mal zusammensackt. Das Penthouse steht aber nicht leer, sondern ist Wohn- und Schlafstatt von Kitty Conover (June Collyer, THE GHOST WALKS, MURDER BY TELEVISION), die sich durch den Eindringling empfindlich in ihrer Nachtruhe gestört fühlt. Nicholas wilde Story von Verfolgern, die ihn umbringen wollen, macht ihn nicht unbedingt zum vertrauenseinflößendsten nächtlichen Besucher der Weltgeschichte, aber immerhin gestattet sie dem Angeschlagenen einen klärenden Telefonanruf von Martin West. Dessen Nummer muss Kitty allerdings erst aus dem Telefonbuch raussuchen und weil Nicholas nunmehr auch temporär mit Blindheit geschlagen ist, muss sie sogar noch für ihn wählen. Nicholas kann ein paar rudimentäre Informationsfetzen und immerhin Kittys Adresse durchgeben, ehe er sich ins Land der Bewusstlosen verabschiedet. Kitty macht sich nun doch Sorgen um den attraktiven Fremden und befiehlt ihrer mitbewohnenden und zukünftig für comic relief sorgenden Tante Abbie Krantz (Clara Blandick, DER ZAUBERER VON OZ, EIN RASTLOSES LEBEN), einen Medizinmann zu apportieren.

Leider hat Kitty ihr nicht vermittelt, sich dem nächstbesten suspekt aussehenden Passanten mit diesbezüglichen Anfragen an den Hals zu werfen, dann wäre sie nämlich nicht ausgerechnet an den die Straßen auf der Suche nach Nicholas patrouillerenden Peter geraten. Der kennt NATÜRLICH einen Arzt, zumindest einen Doktor, und ist auch zu gern bereit, den sofort und auf der Stelle zu organisieren. Wohin genau, bitteschön, soll der Doktor doch noch mal genau kommen?

Karlov, der sein temporäres Hauptquartier justament im NEBENHAUS aufgeschlagen hat (und auf gleicher Höhe zu Kittys Penthouse), ist gerade dabei Ivan nach allen Regeln der Kunst zur Schnecke zu machen. Heldenhaft, wie ein russischer Adeliger ist, offeriert Ivan sein eigenes armseliges Leben im Austausch gegen die Versicherung, Karlov würde seine Neffen in Ruhe lassen, aber es überrascht sicher niemanden, dass Karlov diesem Ansinnen gegenüber negativ gestimmt ist. Anstatt dem Vorschlag zuzustimmen, erwürgt er Ivan lieber eigenhändig (in Form eines Schattenspiels). Peters Information, dass Nicholas nur ein Häusl weiter nur darauf wartet, dass ihm jemand den Garaus macht, nimmt Karlov schon deutlich erfreuter zur Kenntnis. Schnell ist eine Arzttasche gepackt…

Karlov muss also nur einmal die Treppe runter und auf der anderen Seite wieder rauf, um seinem Feind gegenüber zu stehen. Bzw. über ihm zu stehen, Nicholas parkt immer noch nicht Herr seiner Sinne, auf der Couch. Peter begleitet zu Abbys Verwunderung den Doktor, doch er erklärt, dass es ja seine heilige Bürgerpflicht sei als der, der mit der Arztherbeibringung beauftragt worden zu sein, auch die weiteren Schritte wohlwollend zu überwachen. Karlov diagnostiziert fachmännisch, dass Nicholas praktisch schon tot ist und wenn überhaupt, man nur in seiner Praxis etwas für den Maladen tun könnte. Als er aber abgeschleppt werden soll, kommt Nicholas zu sich und erkennt das Gesicht seiner Nemesis über seinem eigenen Antlitz schwebend. Klar, er bricht sofort in hysterisches Geschrei aus, was Karlov aber recht unproblematisch als Halluzinationen eines schwer am Kopfe angeschossenen Verletzten wegpalavern kann. Es wäre angebracht, meint er, den Patienten mit einem kleinen Sedativum ruhigzustellen. Karlov zieht die Spritze auf, aber Nicholas fleht und bettelt Kitty an, die Anpieksung zu verhindern. Und er hat Erfolg damit. Kitty schlägt Karlov die Spritze aus der Hand, aber bevor der russische Gangster nunmehr andere Saiten aufziehen kann, brechen Martin Kent und seine Noch-Nicht-FBI-und-CIA-Agenten durch die Tür. Peter schaltet geistesgegenwärtig das Licht aus – Gut und Böse beballern sich aus ihren jeweiligen Bleispritzen, und als das Licht wieder an ist, sind Karlov und seine Genossen am Flitzen über die Feuerleiter der Dachterrasse. Nicholas, ebenfalls Begünstigter einer spontanen Wunderheilung, ballert mit seiner eigenen Kugelgebe in das via einer Silhouette am Fenster als Karlovs Domizil ausgemachten Nachbarwohnung, verpasst damit aber nur Ivan einen Blattschuss. Braucht aber kein schlechtes Gewissen zu haben, unser Held, der mitgebrachte Gerichtsmediziner kann ohne weiteres feststellen, dass der Onkel schon vor dem finalen Rettungsschuss mit Ivan dem Schrecklichen dem Kasatschok im Himmel tanzte.

Nichtdestoalles ist die Situation für Gutens ausgesprochen unbefriedigend. Karlov ist entkommen, offenbar Herr einer kleinen Privatarmee und nach wie vor vor nichts zurückschreckend, um Gregor und Nicholas ins frühe Grab zu befördern. Man müsste also ein safehouse finden, in dem die Petroffs unterschlüpfen könnten, bis Karlov dingfest gemacht und die offensichtlich vorhandene undichte Stelle im Geheimdienstapparat zum Schweigen gebracht worden ist. Kitty schlägt spontan das Landhaus ihrer Familie vor, was allgemein für eine hervorragende Idee in Tüten gehalten wird.

Der Plan wird sofort in die Tat umgesetzt. Gregor und Nicholas ziehen ins Landhaus, Kitty und Abby leisten den russischen Herren gerne Gesellschaft, und damit nichts Schlimmes passiert, passen Martin Kent persönlich und der fähige Agent Brett (Broderick O’Farrell, WHO KILLED GAIL PRESTON?, EASY MONEY, BADGE OF HONOR, und Character-Player in einem Schwung Laurel & Hardy-Shorts) auf, während in New York der Geheimdienst alles daran setzt, den fiesen Karlov auszuschalten.

D.h. wir nehmen uns eine kurze Atempause, was die bisherige ziemlich non-stop-Action angeht und widmen uns zweierlei – der zart aufblühenden Romanze zwischen dem eh schon amerikanisierten Nicholas und Kitty, und Abbys sarkastischen Bemerkungen, deren Zielscheibe oft und gern Gregor ist. Aber Gefahr ist im Verzug. Ein mysteriöser Mann nähert sich dem Anwesen und klopft an die Tür. Es wird nach Kent verlangt. Der Besucher behauptet, Agent zu sein, aber erst jüngst von der Westküste hierher versetzt, weswegen Kent ihn nicht kennt, aber mit guten Nachrichten im Köcher. Karlov, so kunftet er aus, hat’s dahingerafft. Nachdem ein Verräter in seiner Organisation seinen Hideout auspalavert hatte, hat Karlov es beim Sturm der Uniformträger vorgezogen, sich mittels einer Bombe ins Jenseits zu befördern. Von der Leiche ist nicht viel übrig, aber das, was noch da ist, möchte Kent sich doch bitte mal in NY anschauen. Kent packt Mantel und Hut und flüstert Brett ein paar letzte Instruktionen ins Ohr.

Nun, selbst ein gehirnamputierter Schimpanse ohne Filmerfahrung erkennt eine Falle wie diese auf zehn Kilometer gegen den Wind, und selbstverständlich bekommt Kent, kaum außer Sichtweite des Anwesens, vom vermeintlichen Agenten und einigen hinter den Büschen lauernden Komplizen was über den Nüschel gezogen.

Trotzdem beginnt das Abenddinner bei Conovers in relativ guter Stimmung, besonders Gregor ist gut gelaunt. Doch draußen vor der Tür braut sich etwas zusammen. Zunächst mal z.B. ein Gewitter, und gegen Gewitter hat Abby ganz grundsätzliche Einwendungen. Vermutlich schon allein wegen Kitty, denn Thunderbolt and Lightning, very very frightening Kitty. „Blitze“, doziert Abby, „waren noch nie für irgendetwas gut, außer für Blitzableitervertreter.“ Da mag sie Recht haben. Kitty meint, im Blitzeschein eine auf der Terrasse herumschlurchende Gestalt ausgemacht zu haben. Nicholas offeriert eine Inspektionstour, aber nicht mit Brett – solange keine offizielle Entwarnung gegeben ist, ist das ein Job für den Agenten. Hätte er mal lieber Nicholas machen lassen, so im Hinblick auf seine selbstpersönliche körperliche Unversehrtheit. Als Brett ein Minütchen später oder so an der Hauptpforte klopft, ist er praktisch schon tot und kann nur noch ein „Karlov lebt!“ brummen, ehe er von der Bank kippt, auf die die Petroffs ihn angerichtet haben, und seinen Odem aushaucht. In seiner Tasche findet sich aber noch ein an Gregor adressierter Trommler…

Zurück zu Kent. Selbst Karlov, der selbstredend mitnichten in Hackfleischform in einem Leichenschauhaus upstate liegt, sondern vielmehr in einer verlassenen Mühle sein neustes Hauptquartier aufgeschlagen hat, ist persönlich und menschlich zutiefst enttäuscht, wie einfach Kent ihm in die Falle gestiefelt ist. Kent widerspricht freundlich – er ist vielleicht blöd, aber nicht SO blöd, und hat natürlich erkannt, dass es sich hier um eine fiese Falle handelt, in die er höchst freiwillig getappt ist. Warum? Als von der Verstümmelung der vermeintlichen Karlov-Leiche die Rede war, kombinierte Kent zutreffend, dass der Schurke sich in Sicherheit gebracht und statt dessen den Verräter in seiner Organisation gesprengt hat. Weil Karlovs Schergen nun bei der Durchsuchung zwar seinen Dienstrevolver, nicht aber die im Schuh versteckte zweite Pistole entdeckt haben, gedenkt er Karlov nun höchstpersönlich ein paar zusätzliche Luftlöcher in die Anatomie zu stanzen. Gesagt, getan. Karlov revidiert seine Meinung über die intellektuelle Kapazität seines Widerparts, aber genützt hat’s trotzdem nichts. Seit den bleihaltigen Auseinandersetzungen im revolutionären Russland ist Karlov dazu übergegangen, stets eine kugelsichere Weste zu tragen. Anyway, points for trying, aber nun möge Kent sich doch bitte freundlicherweise irgendwo einsperren lassen, vielleicht kann man den Kerl ja noch mal brauchen (genau gesagt schwadroniert Karlov sogar, dass Kent „seine Trumpfkarte“ wäre, aber das ist ein Plotpoint, den die Autoren bis zum Ende des Films vergessen haben).

Die Petroffs latschen in der Zwischenzeit Furchen in den guten Parkettboden, über das weitere Vorgehen räsonnierend. Gregor wäre dafür, sich unbürokratisch zu verpieseln, alldieweil die Schurken ja jetzt wissen, wo sie sich verstecken, und schon allein die Sicherheit der Damenwelt auf dem Spiel steht. Karlov hat, so sieht Gregor das, ja keinen Beef mit den Schnepfen und würde sie vermutlich in Ruhe lassen, täten die Petroffs sich gen Nimmerland verzupfen. Nicholas ist dagegen (obwohl Gregors Argumente an und für sich was für sich haben) – nirgendwo, meint er, wäre es momentan sicherer, vermutlich kommt eh niemand weit, der jetzt das Haus verlässt, und überdies, das allerdings bindet er seinem Bruder nicht an die Krawatte, ist er mittlerweile heftig in Kitty verschossen. Wer sich das alles nicht länger anhören kann, ist Abby, die jetzt das Heft in die Hand nimmt. Gregor kann sich erst mal nützlich machen und Kohlen aus dem Keller holen (der Aristokrat ist gelinde verstört, zu dieser niederen Handlangerarbeit verdonnert zu werden) und sie selbst wird sich auf die Selbstgestrickten machen und im nächsten Ort den Sheriff alarmieren.

Das hält zwar so ziemlich jeder außer Abby für das Altdamen-Äquivalent eines Himmelfahrtskommandos, aber man kann der Ollen auch nichts ausreden. Gregor nimmt Abby aber noch mal kurz bei Seite. Seiner bescheidenen Ansicht nach wird Abby eh von den Schurken aufgegriffen werden, und da man das als gegebene Tatsache voraussetzen kann, könnte sie doch gleich eine Botschaft für Karlov mitnehmen. Dafür, dass ihre Stealth-Ninja-Kapazitäten von Gregor offensichtlich nicht hoch eingeschätzt werden, reagiert Abby relativ versöhnlich auf dieses Anliegen und willigt ein. Dann watschelt sie hinaus in den Sturm und wird nach ungefähr sechseinhalb Metern von einer Horde Karlov-Schläger eingesackt.

Karlov hat also ein Maul mehr zu füttern und vor allem erst mal ein Maul mehr, das ihm moralische Vorträge hält. Abby verklickert dem nicht unamüsierten Schurken, dass es ihm ergehen werde wie allem anderen kriminellen Gezücht, am Ende wird er hängen. Karlov hält das für eine sehr wagemutige Interpretation der aktuellen Sach- und Rechtslage und lässt Abby dann wegsperren, weil ihm ihr Gekeife dann doch etwas zu sehr auf die russische Trinkerleber fällt. Die Botschaft Gregors wird aber interessiert aufgenommen – das rückgratlose Weichei offeriert den Namen des Töchterschänders im Gegenzug zu Karlovs Versicherung, ihn selbst nicht anzurühren. Aus Karlovs Sicht ist das jetzt kein besonders werthaltiger Deal. Die Anzahl der restlichen Verdächtigen ist mit „2“ eher überschaubar, und da wohl auch Karlov Gregor den Geistesblitz nicht zutraut, sich selbst anzuklagen und dann auf das Versprechen zu verweisen, dass man ihm nix tun darf, wird er wohl Nicholas verpfeifen wollen. Aber seine Ganoven sollen Gregor trotzdem anschleifen, denn… „auch Ratten können nützlich sein“, wie Karlov Peter verrät.

Das wird dann auch umgehend erledigt. Wie nicht anders erwartet bezichtigt Gregor seinen kleinen Bruder der pikanten Schweinerei mit Anja, aber ehrlich gesagt ist Karlov wohl mittlerweile ziemlich wurscht, wer jetzt im Einzelnen die Schuld trägt, sein Plan ist längst darauf ausgelegt, die Petroffs mit Stumpf, Stiel und ihrem gesamten Stammbaum komplett auszulöschen. Gregor ist irritiert – Karlov hat doch versprochen, keine Hand an ihn zu legen. Nun, Karlov ist jemand, der solche Versprechen nicht interpretiert, nach dem Empfängerhorizont oder nach dem AGB-Gesetz auslegt, sondern dem exakten Wort- und Buchstabenlaut folgt. ER wird Gregor sicher nicht anfassen, aber das gilt ja nicht zwangsläufig auch für seine gedungenen Schlägertypen. Die schmeißen Gregor dann auch unsanft in eine Kellerkammer und in der darf Gregor der Wissenschaft einen großen Dienst erweisen! Karlov hat nämlich ein neues, superschnell tödliches Gas erfunden, ist sich aber nicht sicher, ob die Formel schon ganz perfektioniert ist. Gregor darf sie ausprobieren. Durch eine kleine Klappe lässt Karlov eine Phiole mit dem Kampfstoff fallen und schon Augenblicke später hat Gregor einen passend werfbaren Löffel gefunden. „Die Formel war wohl doch korrekt“, bemerkt der Mad Scientist trocken.

Wir sehen, wir gehen aufs Finale zu. Gelogen oder nicht, Karlov hat jetzt zumindest ein nominelles Geständnis und d.h., er wird nun Nicholas damit konfrontieren. Einen fingierten Stromausfall später haben seine Handlanger Nicholas und Kitty auch schon entführt und in die Mühle gebracht. Dort sitzt Nicholas im Kellerabteil aber erst mal Karlov solo gegenüber. Karlov berichtet von Gregors finsteren Anschuldigungen, und Nicholas weist diese natürlich empört und mutmaßlich richtigerweise zurück. Aber, wie gesagt, ob Nicholas nun der Schuldige ist oder nicht, ist wirklich nicht mehr der entscheidende Faktor, jetzt geht es nur noch um blanken psychologischen Terror. Nicholas geht mit gewisser Berechtigung davon aus, dass Karlov ihn nun zu exekutieren gedenkt, aber der Schurke hat sich inzwischen etwas viel Schöneres einfallen lassen. Auch dem Madman from Moscow ist aufgefallen, dass Nicholas sich zu Kitty hingezogen fühlt, und deswegen wird Kitty nun in das Racheschema hineingezogen. Karlov überreicht Nicholas ein größeres Messer und unterbreitet ein unmoralisches Angebot – Nicholas muss nicht mehr tun, als das Messer mit Schmackes in Kitty zu stecken, und schon ist er frei, seiner Wege zu ziehen, in der Erkenntnis, wie auch Karlov sein Liebstes verloren zu haben, und das dann auch noch von eigener Hand. Und, als kleine Motivation, dafür hat er exakt so lange Zeit, wie eine an einer Schnur aufgehängte, an beiden Seiten angezündete Kerze brennt. Ist die Tat bis dahin nicht getan… well… dann wird Karlov vermutlich andere Geschütze auffahren. Karlovs Goons hasseln Kitty in die Kammer und Karlov verabschiedet sich mit einem gewinnenden Lächeln.

Karlov lässt sich Abby und Kent zuführen, damit die an der Tragödie letztem Akt von den besten Plätzen teilhaben können. Kent weist Karlov auf einen Schwachpunkt seines perfiden Plans hin. Nicholas ist ein Ehrenmann und wird NIEMALS Kitty ein Leid zufügen. Und in der Tat hat Nicholas nichts dergleichen im Sinn, hingegen sein Adlerauge auf ein paar lose Ziegel in der Wand gerichtet. Wenn man mit dem Messer etwas nachhilft, räsonniert er, sollte es möglich sein, ein Loch in die Mauer zu kratzen, das groß genug ist, um den jungen Liebenden die Flucht zu ermöglichen. Eine Etage weiter oben grinst sich Karlov die Barthaare ab. Nichts anderes hat der schuftige Widerling in berechnender Manier einkalkuliert! Hinter den von Nicholas mühsam herausgepuhlten Ziegelsteinen findet sich nämlich nicht die Freiheit – sondern der an der Mühle vorbeifließende Fluss – und dessen Wassermassen ergießen sich nun in das sich rasch füllende Kellerabteil… Das ist jetzt natürlich irgendwie blöd für das junge Paar… Kent ist machtlos ob der Übermacht des kriminellen Gesocks und kann nur entsetzt zukucken.

Doch da!!! Draußen wird auf einmal heftig geballert. Karlov spickt aus dem Fenster und sieht mit entzündeter Pupille ganze Horden schwer bewaffneter Uniformierter durch den Wald krauchen. Jetzt ist’s an Kent, sich eins zu grinsen – als er vorhin Brett die geheimen Instruktionen einflüsterte, war ein elementarer Bestandteil derselben die Herbeischaffung ordentlicher Verstärkung (it’s anybody’s guess, wie die Cops die Mühle als Karlovs HQ ausgemacht haben, aber wir müssen zum Ende kommen und können uns jetzt nicht mehr der Klärung von unwesentlichen Detailfragen widmen, gell?). Ein heftiger Shoot-out entbrennt und zum ersten Mal in Karlovs krimineller Karriere sieht er seine Felle davonschwimmen. Dass Nicholas und Kitty momentan versuchen, in Windeseile zu Kiemenatmern zu devolutionieren, ist ihm ein kleiner Trost, und zur Deckung seines eigenen Rückzugs (selbst Peter hat sich mittlerweile eine Kugel eingefangen) hat er noch eine Portion seines Giftgases. Während Kent und Abby Nicholas und Kitty in letzter Sekunde aus dem vollgelaufenen Keller zerren, ist Karlov willig, den Gasbehälter seinen Feinden, z.B. Kent mit Schwung an den Kopf zu werfen. Ausgerechnet Abby bringt Karlov mit dem Griff ihres geliebten Regenschirms aus dem Gleichgewicht – der elende Bolschewik stürzt mitsamt seiner tödlichen Erfindung in den feuchten Keller, geistesgegenwärtig hämmern Kent und Nicholas die Falltür zu, und Karlov kann sich aussuchen, ob er ersäuft oder an seinem Giftgas erstickt…

Nicholas und Kitty sind zwar pitschepatschenass, aber sie können sich trotzdem – wie romantisch – inmitten der angehäuften Leichenberge abbusseln. Ein Happy End, wie’s im Buche steht!

Man muss schon ab und zu vor den Regisseuren der kleinen B-Programmer aus den Low-Budget-Studios der 30er den Hut ziehen. Wie viel Plot und Action George B. Seitz in gerade mal 66 Minuten Laufzeit packt, ist bemerkenswert. „Fettfrei“ inszeniert nennt man das heutzutage wohl, straff und geradlinig ist es allemal. Selbstverständlich ist die Story, in der sich ein in den Wahnsinn getriebener Verzweifelter an den Verursachern vermeintlich geschehenen Unrechts rächt, per se nicht neu, aber THE DRUMS OF JEOPARDY – der Titel ist wahrscheinlich der große Schwachpunkt des Films, denn am Ende des Tages tun die Trommeln der Gefahr für den Plot nicht wirklich viel zur Sache – macht vieles, was seine Zeitgenossen verkehrt (oder zumindest aus heutiger Sicht fürchterlich) machten, richtig.

Der Film verschwendet nicht viel Zeit auf den sonst üblichen Schmalz – man kann kritteln, dass sich die Liebesgeschichte zwischen Nicholas und Kitty ein bisschen sehr explosionsartig entwickelt, aber ich bin mit Sicherheit der letzte, der sich darüber beschwert, dass ein 30er-Jahre-Chiller sich nicht weiter damit aufhält, einen romantischen Subplot zu etablieren, sondern uns die Beziehung mit dem Äquivalent eines „hier, die lieben sich, get over it“ hinschmeißt und mit Recht davon ausgeht, dass der Zuschauer die notwendigen Schlussfolgerungen schon ziehen kann. Jeder ™ weiß, welche Charaktermechanismen in einem Film dieser Art greifen, es ist unnötig, dass der Streifen das dann auch noch mal ausführlich ausbuchstabiert und damit nur dem, weswegen wir den Kram anschauen, der Thrillerhandlung, die Zeit stiehlt. Einigermaßen interessant finde ich den Hintergrund der Geschichte mit seiner Verortung im zaristischen Russland, dem Konflikt zwischen den adeligen Petroffs und dem augenscheinlichen self-made-man Karlov; obschon der „Klassenunterschied“ nicht expressis verbis thematisiert wird, so schwebt er doch wie ein Damoklesschwert über der ganzen Geschichte, mit Karlov, der ahnt, dass als „Underdog“ gegen die Nobilität der Petroffs auf einem juristischen Wege nicht weiter kommen wird (sofern er, das müssen wir einschränken, überhaupt irgendein Bein hätte, auf dem er dahingehend stehen könnte – der Film klärt ja nie wirklich auf, was und wie genau die Umstände waren, die zu Anjas „Selbstmordversuch“ führten und ob einer der Petroffs wirklich in einer moralischen oder gar rechtlichen Verantwortung steht. Wir sind uns als Zuschauer sicherlich nur einig, dass dem Lumpen Gregor alles zuzutrauen ist). Da spielt dann auch der Umstand hinein, dass Karlov sich den Bolschewiken anschließt – sicher nicht aus tiefster kommunistischer Überzeugung, sondern der schieren Berechnung, dass die Kommis sich wohl durchsetzen werden und er, sich rechtzeitig auf die Siegerseite geschlagen habend, dadurch in eine Möglichkeit rutschen wird, die Kräfteverhältnisse umzudrehen und nun derjenige ist, der aus einer überlegenen Machtposition auf die auf Normalmaß zurechtgestutzten Petroffs einprügeln kann. Das ist ein ganz faszinierender Backdrop, und wenn man wollte, könnte man da sicher erheblich MEHR in Sachen Charakterentwicklung machen (bei Gregor wird ein wenig angedeutet, dass es ihm nicht wirklich taugt, jetzt ein „Normalsterblicher“ zu sein, dem nicht mehr von einem Haufen serviler Dienstboten der Arsch nachgetragen wird), aber es liegt natürlich nicht im Interesse des Films, da jetzt wirklich ein komplexes Charakterdrama draus zu machen – der will seine Rachegeschichte auf effektive Weise erzählen, und das tut er dann auch.

Wie es ein guter Schurke tun sollte, dominiert Karlov das Prozedere, ohne dabei Massen an Screentime zu haben. Alles, was im Film passiert, hängt unmittelbar mit Karlov zusammen, geschieht auf seine Veranlassung oder ist eine Reaktion auf seine Taten. Das ist es, was einen Schurken effektiv macht – man zeigt seine Fähigkeiten, lässt die Charaktere entsprechend darauf reagieren, und schon ist er eine echte, glaubwürdige Bedrohung (das glatte Gegenteil davon sind, wie ich des öfteren schon erwähnt habe, die Schurken in Seagal-Filmen, die bei jeder Erwähnung des Namens des Seagals-Charakters alles an Schwänzen einklemmen, was eingeklemmt werden kann und sich schon eine passende Grabstätte aussuchen) – wenn man will, dass das Publikum den Schurken ernst nehmen soll, dann müssen es eben auch die Helden im Film tun, und dafür ist dieser Film eine echte Lehrstunde.

Wobei – und hier greife ich mal der üblichen Struktur meiner Analyseteile vor – THE DRUMS OF JEOPARDY enorm davon profitiert, wie Warner Oland, ein feiner Schauspieler, der gerne zu Unrecht darauf reduziert wird, dass seine berühmteste Rolle die eines Chinesen war, obwohl er selbst Schwede war, und damit immer gern als Poster Boy für Hollywoods Diskriminierungs- und Marginalisierungspolitik hinsichtlich ethnischer Minderheiten rausgekramt wird, die Rolle anlegt. Man könnte das leicht mit klassischem Overacting bewerkstelligen, mit viel „mustache twirling“ und „muwa-haa-ing“, aber Oland spielt Karlov vielmehr als eine Art Reverse-Charlie-Chan. Charmant und charismatisch, intellektuell fast jedem überlegen, aber darauf aus, sich unterschätzen zu lassen, sich seiner planerischen Fähigkeiten sicher – man könnte ihn fast sympathisch finden, wüsste man nicht, welche Ziele er verfolgt (auch wenn er zumindest aus seiner Sicht einen sehr guten Grund hat, auf die Petroffs einen gepflegten Brass zu schieben). Oland spielt das famos – seine Enttäuschung, als Kent tatsächlich in seine Falle tappt, sein Amüsement über Abbys moralischen Sermon oder über Gregors Verrat.

Natürlich ist die erste Hälfte mit den Ereignissen in Russland, auf dem Ozeandampfer und in New York deutlich rasanter als die zweite Hälfte, die deutlicher die Bühnenherkunft des Materials zeigt, aber sich dabei wenigstens nicht in schon 1931 altbackenen „old-dark-house“-Klischees ergibt, aber es ist wohl auch unfair, von einem 1931er-Film zu erwarten, dass er das Mördertempo, dass er in den ersten anderthalb Akten vorlegt, über die komplette Strecke durchhält, aber langweilig wird’s auch im zweiten Part nicht, der Film nimmt halt dann einen Schwenk vom Actionfilm hin zum eher klassischen Thriller.

Technisch ist THE DRUMS OF JEOPARDY eine kuriose Mischpoke aus Stummfilm- und early-talkie-Stil. Die Actionszenen (und, in fact, wohl alle Exteriors) sind ziemlich offensichtlich mit Stummfilmequipment gedreht worden, was Seitz in diesen Sequenzen erstaunliche Dynamik erlaubt (auch wenn womöglich bei der Restauration übersehen wurde, dass diese Szenen mit einer anderen Framerate gedreht wurden und sie deswegen oversped wirken), und später mit ein paar Soundeffekten, aber ohne Dialog, nachvertont wurden (etwas albern wird das z.B. bei den „Sturmgeräuschen“, wenn Kent bzw. Abby das Haus verlassen, und die sich wirklich so anhören, als säße ein armer Soundguy vor dem Mikro und würde „wuuhuuuhuuuuuh“ reinhauchen). Die Interiors sind deutlich stärker „stagy“, in ihrer Bewegungsfreiheit durch das schwere Tonfilmequipment sichtlich eingeschränkt. Aber Seitz macht das Beste draus…

Die Darsteller abseits von Warner Oland können mit seiner Performance nicht mithalten. Mischa Auer gibt immerhin einen ganz guten Sekundär-Schurken ab (auch wenn er in der zweiten Hälfte praktisch nichts mehr zu tun hat), Lloyd Hughes ist wenigstens nicht gar so ein steifer Türpfosten wie David Manners, der Schrecken aller Universal-Horrorfans, und June Collyer ist hübsch anzuschauen, hat aber auch in der zweiten Hälfte keine wirkliche Chance mehr, sich in den Vordergrund zu spielen, das übernimmt dann eher Clara Blandick, aber da deren comic relief wenigstens nicht auf dem „Witz komm raus“-Deppencomedylevel oder dem, was James Whale für lustig hielt (hysterisches Gekreische, vornehmlich) basiert, sondern auf staubtrockenen sarkastischen Kommentaren, beschwere ich mich nicht sehr. Wallace MacDonald ist als feiger Gregor okay, Hale Hamilton ein guter, sachlicher Martin Kent.

Die DVD von Alpha Video ist eine der technisch schwächeren Scheiben aus diesem eh schon wenig qualitätsorientierten Hause, der Vorspann z.B. ist durch Verzerrungen und Jump Cuts quasi unansehbar, aber mit Einsetzen der eigentlichen Handlung steigern sich Bild und Ton auf ein zumindest erträgliches Niveau.

Aber ich habe Euch noch versprochen, das Rätsel um Boris Karlov/Karloff aufzulösen. Nun, mit endgültiger Sicherheit kann’s niemand sagen, aber der Stand der Karloff-Forschung ist der… Boris Karlov war von Anfang an der Charaktername des Schurken im Roman und Theaterstück, das THE DRUMS OF JEOPARDY zugrunde liegt (nicht allerdings kurioserweise in der Stummfilmverfilmung von 1923, in der Wallace Beery aus unerfindlichen Gründen „George Karlov“ spielte). Unser aller Lieblingsmonster William Henry Pratt machte um 1922/23 noch unter seinem eigentlichen Geburtsnamen Provinzbühnen unsicher. Wiewohl ungesichert ist, ob Pratt jemals in THE DRUMS OF JEOPARDY auf der Bühne auftrat, ist es weitgehend unwidersprochen, dass er sein Pseudonym dem Stück oder dem Roman entnahm. Pratt verwendete den Karloff-Namen ab etwa Mitte der 20er, war aber trotz zahlreicher Filmauftritte Anfang 1931, als Tiffany seine Version von THE DRUMS OF JEOPARDY in die Kinos schickte, noch weitgehend unbekannt – FRANKENSTEIN, der Karloff auf den Olymp katapultieren sollte, kam erst einige Monate nach dem kleinen Tiffany-Reißer in die Theater. Die Kurzfassung: Boris Karloff bediente sich bei der Pseudonymwahl des hiesigen Quellmaterials, Tiffany hatte aber vermutlich bei der Produktion des Films keine Ahnung, dass ein künftiger Star mit diesem Namen praktisch in den Startlöchern saß, sonst hätte das Studio den Namen sicherlich geändert.

So, und nun, nachdem ich wieder elf DIN-A-4-Seiten zu einem kleinen B-Film von 1931 vollgekritzelt habe, das Wort zum Sonntag – wer die Möglichkeit hat, THE DRUMS OF JEOPARDY zu sehen oder die Investition in eine der (wie üblich codefreien) Alpha-DVDs nicht scheut, wird’s nicht bereuen; es ist ein kleiner, feiner Thriller (natürlich kein Horrorfilm, allenfalls einer mit leichtem SF-Touch durch den Mad-Scientist- und Giftgas-Angle) mit einem hervorragenden Warner Oland in der Hauptrolle. Der gefällt auch heute noch!

© 2019 Dr. Acula


BOMBEN-Skala: 4

BIER-Skala: 7


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