- Deutscher Titel: The Destructer
- Original-Titel: Prey
- Alternative Titel: Alien Prey | The Destructor |
- Regie: Norman J. Warren
- Land: Großbritannien
- Jahr: 1978
- Darsteller:
Barry Stokes (Cartor/Anders), Sally Faulkner (Josephine), Glory Annen (Jessica), Sandy Chinney (Sandy), Eddie Stacey (1. Polizist), Jerry Crampton (2. Polizist)
Vorwort
Irgendwo in der britischen Pampa hocken die jungen Frauen Josephine und Jessica in der geräumigen Villa von Jessicas anscheinend seit Jahren verreisten Eltern und pflegen ein mehr oder weniger inniges (und mehr oder weniger von den Bewohnern des nächsten Dorfes argwöhnisch beobachtetes) lesbisches Verhältnis. Josephine allerdings ist ausgesprochen besitzergreifend und steht Jessicas Ansinnen, dass man ja vielleicht auch mal alleine was unternehmen könnte (verreisen z.B.), energisch ablehnend gegenüber, hat sie doch schon erfolgreich den letzten Typen, der sich für Jessica interessiert hat, fortgeekelt. In diese traute Idylle platzt der außerirdische Solo-Spähtrupp Cartor in der Tarnung eines Ortsunkundigen namens Anders, der sich gelegentlich, wenn ihn der kleine Hunger überkommt, in sein eigentliches Raubtier-Selbst transformiert und Kaninchen, Hunde oder Polizisten frißt. Obwohl Anders SO seltsam ist, dass er nicht weiß, was Papageien, Pflanzen oder das, was wir Menschen uns so als Nahrung reinschieben, ist, hat Jessica einen mittelschweren Narren an ihm gefressen und lädt ihn ein, als Gast zu bleiben. Jo plagt hinsichtlich des Knaben heftiges Bedenken, da sie argwöhnt, Anders, so bekloppt, wie er ist, könnte ihr Jessica wegnehmen. Die Lage heitert sich kurzfristig auf, als Anders als „Dank“ für die Aufnahme Jo einen toten Fuchs präsentiert, der angeblich ihre Tiere gerissen hat, aber schnell ist Jo wieder zu dem Entschluss gekommen, dass Anders weg muss. Und sei’s nicht freiwillig, dann mit Gewalt und endgültig. Der E.T. allerdings hat freilich seine eigene Agenda und nimmt auf die Bedürfnisse einer psychopathischen Lesbe eher wenig Rücksicht…
Inhalt
In den 70ern lag der Horrorfilm im United Kingdom ziemlich brach – Hammer- und Amicus-Grusel der plüschigen Art hatte sich durch die neuen, amerikanischen Terrorfilme Marke TCM überholt, war zu spät bereit, neue Ideen aufzunehmen (wie Captain Kronos: Vampire Hunter), oder zu sehr althergebrachten Erzählmethoden verhaftet, um originelle Ideen (wie The Asphyx) kommerziell erfolgreich zu verpacken. In dieses Vakuum stießen ersatzweise mindertalentierte Schlockfilmer wie Pete Walker („The Flesh & Blood Show“, „Haus der Peitschen“) und eben unser heutiger auteur Norman J. Warren („Satan’s Slave“, „Inseminoid“), die dank ihrer hastig des schnellen Pfundes heruntergekurbelter Billigprodukte mangels echter Konkurrenz das Bild des britischen Horrors der späten 70er Jahre prägen und, das überrascht kaum, sich in jüngerer Zeit ein cult following erarbeitet haben. Was aber nichts heißt, schließlich, das haben wir gerade auf diesen heiligen Seiten oft genug festgestellt, was seinerzeit billiger B-Rotz war und heutzutage als Kult gilt, IST oft genug billiger B-Rotz und das, was ich von Warren bisher gesehen habe (zugegeben nur „Inseminoid“) stimmt mich hinsichtlich „The Destructor“ (genialer deutscher Verleihtitel, gelle?) nicht zuversichtlich.
Auch nicht, dass die DVD, veröffentlicht vom zuverlässigen Güllelabel MVW, für den sprichwörtlichen einzigen Euro auf dem Woolworth-Grabbeltisch gesichtet und um die dem vernehmen nach einzige härtere Szene für die 16er-Freigabe gekürzt wurde (die alte Videofassung kam vom verdienstvollen Schotter- und Pornlabel Mike Hunter, und der Laden haute sicherheitshalber alles ungeprüft auf den Markt). Nun gut, uncut wäre aus purem Prinzip besser, aber man muss manchmal im Leben nehmen, was man kriegt, auch wenn’s Schnippelware ist.
Der gewöhnlich gut unterrichtete Buschfunk trommelt, dass der in hastigen 10 Tagen heruntergeholzte Heuler zu Beginn der Dreharbeiten kein Script hatte, sondern selbiges im Laufe des Drehs von Max Cuff (sonstige Großtaten sind nicht überliefert) nach einer Story von Quinn Donaghue (der knapp 20 Jahre später als Mit-Autor einer spanischen Zeichentrickserie wieder auftauchte) notdürftig zusammengeklöppelt wurde. Tja, liebe Freunde, und das merkt man auch. „The Destructor“ ist sich in keiner Sekunde einig, ob er nun ein (auf Sparflamme köchelnder) SF-Invasions-Chiller sein will, vielleicht doch lieber ein (schwachmatiger) Horrorfilm oder dann doch ein Psychothriller um verhängnisvolle Lesbenliebe… Ironischerweise funktioniert der Film am ehesten (bzw. „nicht-funktioniert am wenigsten“), wenn er sich für die Lesbenthriller-Karte entscheidet (was nun wiederum die ist, die man in Sachen Betitelung und Vermarktung ausgespart hat) – streng genommen wäre die Zutat eines außerirdischen Auskundschafters für Buch und Film komplett unnötig, ein x-beliebiger aufgelesener Landstreicher o.ä. hätte als Katalysator für die schlussendlich katastrophal-tragische (das zumindest versucht Warren hinzukriegen, wobei’s beim Versuch bleibt) Dynamik der Figurenkonstellation ebenso gut gepasst (natürlich wäre uns dann die, ähm, Schlusspointe erspart geblieben, bei der sich Warren und sein Schreiberling überraschenderweise daran erinnern, eigentlich einen Film über böse Aliens drehen gewollt zu haben). Selbstverständlich hat auch dieser Psycho-Part eine Fuhre Plotholes (wovon, z.B. LEBEN die beiden Schnallen eigentlich? Mehr, als dass Jessicas Eltern „verreist“ sind, und das scheinbar mindestens schon seit dem letzten Weltkrieg, verrät man uns nicht), aber die sind noch erträglich. Wichtiger ist das Konfliktpotential der Figuren, und das ist für die Verhältnisse eines Nullitäten-Schnellschusses aus der Warren-Werkstatt ziemlich gut – Jessica ist die unselbständige Naive, die grundsätzlich bei jedem erst mal an das Gute im Menschen glaubt, in Josephine zwar irgendwie schon verliebt ist, aber nicht abgeneigt wäre, auch was anderes zu probieren, Josephine die herrschsüchtige, egoistische und mittelschwer derangierte Proto-Kampflesbe. Dazwischen steht Cartor/Anders als Outsider, der das labile Gleichgewicht zwischen Jessica und Josephine tüchtig durcheinander bringt, ohne es zu wollen (da er bekanntlich ganz andere Pläne hat). Josephine erkennt in ihm sofort die Gefahr, er könne ihr Jessica wegnehmen und, geradezu folgerichtig, bringt erst durch ihre von Anfang an geäußerte offene Abneigung Jessica überhaupt dazu, sich *ernstlich* für Anders zu interessieren, zumal der Außerirdische überraschende empathische Fähigkeiten mitbringt und nach einer Weile (und unter Vergleich mit Jessies Papagei) feststellt, dass Josephine sie „wie in einem Gefängnis“ hält (überraschend ist diese akkurate Diagnose schon allein deshalb, weil Anders, der vermutlich am schlechtesten vorbereitete Invasor seit Erfindung des Weltraums, ansonsten keinen Plan hat, was z.B. Grünzeug in Blumentöpfen darstellen soll und dass man auf Wasser nicht laufen kann, was eine erstaunlich debile, dafür aber umso ausgewalztere dramatische slow-mo-beinahe-Absauf-und-Rettungs-Sequenz rechtfertigt, für deren Dreh sich die Darsteller sogar vorab ob der trüben Dreckbrühe, in der die Szene spielt, gegen alle möglichen Krankheiten impfen lassen mussten. Commitment, sach ich, commitment, Leute!).
Wie gesagt, auf dem Papier sieht das (nachher, vorher hatten die Macher ja keinen Plan ‚von) eigentlich gar nicht so schlecht aus, nur praktisch ist Warren halt ein sehr mittelmäßiger Regisseur, dem es kaum gelingt, das Potential dieser Geschichte zu nutzen – konnte er ja von Haus aus nicht, weil er eigentlich einen SF-/Horrorfilm machen wollte und ihm das Psychodrama wohl eher zufällig vor die Flinte kam. Der Unterhaltungswert des Streifens zieht sich also hauptsächlich aus Dialogszenen, für die die Engländer das wunderschöne und nicht wirklich gut übersetzbare Wort „awkward“ erfunden haben und einigen sehr schrägen Passagen wie einer Party, die die Lesben für Anders schmeißen, nachdem der den bösen Fuchs erlegt hat, und ihn mangels anderweitig greifbarer Abendgarderobe in einen Fummel stecken und ihm die Lippen anmalen etc., oder der schon erwähnten „Absauf“-Szene. Für diejenigen, die sich düster an den Horror-Aufhänger der Geschicht erinnern, wurstelt Warren ab und an eine Szene rein, in der Anders in seiner „Raubtiergestalt“ einen Polizisten o.ä. massakriert (ohne dabei explizit zu werden) und widmet sich dann wieder den Dialogen, die sich aber von Sinn und Aussage her gern mal wiederholen. Das Konstrukt der Geschichte steht und fällt mit der Akzeptanz des Umstands, dass Jessie und Jo einen Typen wie Anders nicht nach drei Sekunden aus dem Haus werfen oder die Bullen, ersatzweise die Jungs mit den langärmeligen Jacken, rufen – auch wenn der Film sich Mühe gibt, das zu erklären (Jessie ist mittlerweile jeder Recht, der nicht Jo ist und Jo, dazu nächster Satz), wirkt es nicht glaubhaft, nicht überzeugend. Die zwei „Twists“, die sich die Story für das Finale aufhebt, sind nicht der Rede Wert – extreme SPOILER voraus: So entpuppt Josephine sich als entsprungene Anstaltsinsassin (was sie erstens gewisses Verständnis bzw. ein Gefühl der „Seelenverwandschaft“ für Anders, den sie für einen Mit-Durchgeknallten hält, aufbringen lässt, und zweitens dem Lesben-Angle einen sicherlich dem Zeitgeist geschuldeten, aber trotzdem ein wenig übel aufstoßenden Hauch der „Krankheit“ verleiht) und, naja, dass Anders in Wahrheit ein außerirdisches Monster ist, wissen wir Zuschauer ja seit der ersten Szene, die Überraschung ist dann „nur“, dass er Jessica, als die ihn mehr oder weniger zu vergewaltigen gedenkt und er jegliche contenance verliert, tötet (was in der FSK-16-Fassung dann als einzige explizite Gewaltszene prompt weitgehend fehlt) und, nachdem er auch Josephine abserviert hat, zufrieden an seine Vorgesetzen rapportiert, dass die Erdlinge angenehm proteinhaltig sind und eine sofortige full-scale-Invasion daher zu empfehlen wäre).
Mangels echter „Action“ gestaltet sich „The Destructor“ trotz der kurzen Laufzeit (auch der ungeschnittenen Fassung) als eher langsame Angelegenheit – auch wenn’s ein gerüttelt Maß an Außenaufnahmen gibt und auch die Villen-Location selbst nicht übel und recht weitläufig ist, spielt sich der Streifen als eine Art Kammerspiel und dafür ist’s dann weder intelligent, spannend oder wenigstens mit guten Dialogen gespickt. Kameraführung und Schnitt sind gefällig – speziell die Bildkomposition, zeugt, auch wenn oft statisch, von vorhandenem Talent-, was für einen Billighobel dieser Kategorie schon ein Kompliment darstellt (es fotografierte Derek Browne, der hauptsächlich als schlichter camera operator oder second-unit-Kameramann tätig ist, aber z.B. auch Prisoners of the Lost Universe abfilmte, was nicht verwundert, da die spärliche Kohle für „Prey“ u.a. der dortige Producer/Director Terry Marcel rausrückte). Ziemlich nervig ist der (zum Glück spärlich) eingesetzte, gerne mal elektronisch-düdelfrööpende Score von Ivor Slaney (Death Ship).
FX-technisch ist, wie gesagt, Herr Schmalhans der Koch vom Dienst – beinahe hätte Warren es durchgezogen, einen SF- UND Horrorfilm ohne einzigen Effekt zu realisieren. Die SF-Elemente beschränkten sich auf ein schieres Rein Gar Nix (Cartors Landung vollzieht sich durch ein paar bunte Disco-Lampen, die in Jessies Schlafzimmer scheinen), horrortechnisch gibt’s ein paar ausgeweidete Tier-Props sowie den (in der 16er bekanntlich fehlenden) Kill an Jessie. Die Idee, Cartors wahre Gestalt als ein katzenartiges Raubtier zu zeigen, ist prinzipiell nicht ganz schlecht, nur leider ist die Maske (die einzige on-screen-Verwandlung erledigt Warren souverän über eine Weißblende) eher dazu angetan, den „cowardly lion“ aus „Wizard of Oz“ in einer Laientheaterproduktion zu zieren denn ein fieses, böses, killendes felines Monster from Outer Space. In Punkto Nudity zeigt Glory Annen alles, Barry Stokes präsentiert sich auch splitternackt (aber ohne Schniedel-Shot), eine lesbische Liebesszene und eine in Mord gipfelnde Hetero- (bzw. Mensch-/Alien-)Sexszene gibt’s auch.
Zu den Darstellern: „Cartor/Anders“ Barry Stokes hatte sich schon in zwei Folgen von „UFO“ und einer der besten „Mondbasis Alpha 1“-Folgen (die, in der Koenig & Co. auf eine Voyager-Raumsonde treffen, die eine übel gelaunte Flotte von Alien-Kriegsschiffen im Schlepptau hat, weil der Antrieb der Sonde ein paar Planeten ausgelöscht hat) bemerkbar gemacht und trat letztmalig 1985 in „Enemy Mine“ in Erscheinung. Einerseits ist Stokes‘ ausdrucksloses, hölzernes Spiel der Rolle eines nichts-verstehenden Aliens ganz angemessen, aber andererseits ist er SO blah, dass seine Rolle als Auslöser des Beziehungsdramas zwischen Jo und Jessie nicht wirklich glaubhaft erscheint. Sally Faulkner („Josephine“), die Trashfreunde aus dem ’69er-Briten-Langweiler „The Body Stealers“ und dem britischen Versuch von ’74, einen Franco-artigen Lesben-Vampirfilm (originell „Vampyres“ getauft) kennen könnten, gibt allerdings eine sehr überzeugende durchgeknallte Psycholesbe ab und ist auf eine, hm, ungewöhnliche Art nicht unattraktiv (weigert sich aber konsequent, aus den Klamotten zu fahren). Glory Annen, die praktisch vom Set einer britischen ’77er „Justine“-Verfilmung (mit dem späteren Prinz-Andrew-Gspusi Koo Stark in der Titelrolle!), zu „Prey“ kam, scheint mir mit der großen Rolle etwas überfordert – dafür scheut sie nicht davor zurück, sich mehrfach nackig zu machen, also will ich nicht kritisch sein. Weitere nennenswerte Rollen existieren nicht.
Bildqualität: MVW präsentiert die geschnittene Fassung in 4:3-Vollbild, das für Grabbeltischverhältnisse einigermaßen in Ordnung geht. Schärfe ist die Sache des Transfers nicht, aber Warren scheint mir speziell die, hüstel, erotischeren Szenen, im bewährten 70er-Jahre-David-Hamilton-Stil mit purer Absicht weichgezeichnet zu haben. Einige Störungen und Defekte sind zu verzeichnen, aber man kann’s ansehen, ohne dass einem das Essen aus dem Gesicht fällt.
Tonqualität: Dem ausschließlich deutschen Dolby 2.0-Ton kann ich dieses Kompliment leider nicht machen – während die Synchro an sich relativ gut ausgefallen ist (damals gab man sich halt noch Mühe), ist der Ton von einer solch erbärmlich-schepprigen Blechernheit, man glaubt, der Audiotrack wäre mit ein paar Konservendosen und einer Tüte Draht aufgenommen worden. Thumbs way down.
Extras: Nüsch.
Fazit: „The Destructor“ war, ehrlich gesagt, nicht so schlimm wie ich befürchtet hatte – „gut“ ist was anderes, klar, und die negativen Punkte hoffe ich oben schon herausgearbeitet zu haben (langsames Erzähltempo, uneinheitliches Script, Mogelpackung an sich), aber trotz allem hatte ich es nicht sonderlich schwer, bei der Stange zu bleiben, denn die seltsamen Dialoge, der unbekümmerte Schwenk von SciFi-Horror zu Lesbendrama und die schlicht bizarren Einlagen wie die aufgeblasene Tümpel-Szene und die „all ladies“-Party mit Versteckspiel sind für den Trashfreund schon einen Blick wert. Da der ganze Kram für die Sorte Film passabel gefilmt ist, wir anstatt Splatter- oder Space-Effekten wenigstens nackte Tatsachen vor die Glotzer bekommen und die ein oder andere Line, ob freiwillig oder nicht, einen Schmunzler verursachen kann, fühle ich mich dem Film gegenüber in gnädiger Stimmung. Kein Genre-Meilenstein (dafür müsste sich der Heuler erst mal einigen, in welchem Genre er ein Meilenstein sein wollte) und keine nonstop-Partygranate, doch zu meiner Überraschung keineswegs un-unterhaltsam, was im Umkehrschluss bedeutet, dass man die MVW-Scheibe als Freund des abseitigeren B-Entertainments für einen Ramschkistenobolus trotz des schäbigen Tons schon mitnehmen kann (ohne größere Klimmzüge ist hierzulande an eine Uncut-Fassung eh nicht ranzukommen; fündig wird man DVD-technisch in Frankreich und im Vereinigten Königreich). Mild recommendation.
3/5
(c) 2009 Dr. Acula