The Death Kiss

 
  • Original-Titel: The Death Kiss
  •  
  • Regie: Edward L. Mann
  • Land: USA
  • Jahr: 1932
  • Darsteller:

    David Manners (Franklyn Drew), Adrienne Ames (Marcia Lane), Bela Lugosi (Joseph Steiner), John Wray (Det. Lt. Sheehan), Vince Barnet (Officer Gulliver), Alexander Carr (Leon A. Grossmith), Edward van Sloan (Tom Avery)


Vorwort

Im Tonart-Studio werden gerade die letzten Szenen des Krimis „The Death Kiss“ gedreht, in denen Hauptdarsteller Myles Brent von einer ganzen Wagenladung Gangster mit Kugeln durchsiebt wird. Regisseur Tom Avery ist mit der Sterbeszene unzufrieden – für seinen Geschmack hat’s Myles übertrieben. Was allerdings daran liegt, dass der Herr Filmstar tatsächlich hinüber ist…

Dieweil sich die Trauer über den menschlichen Verlust bei so ziemlich der ganzen Studiobelegschaft in engen Grenzen hält (selbst der Publicity-Beauftragte des Studios meint, Myles zu erschießen, sei „in general principle not a bad idea“) und Leon Grossmith, der Präsident des Studios, sich hauptsächlich über den monetären Verlust, den eine eh schon über Budget liegende Produktion nunmehr wohl machen wird, echauffiert, herrscht allgemein die Ansicht, dass bedauerlicherweise eine der Kanonen versehentlich nicht mit Platzpatronen geladen gewesen sei (Brandon Lee lässt schön grüßen) – auch die Polizei würde sich damit zufriedengeben, doch Franklyn Drew, einer der Auftragsdrehbuchautoren des Studios und nebenberuflich aktueller Bespringer von Death-Kiss-Co-Star Marcia Lane, schnüffelt am Tatort herum und entdeckt, dass die tödliche Kugel ein 38er-Kaliber aufweist. Da die Requisitenknarren allesamt 45er sind, hat hier offensichtlich jemand unautorisiert mitgeballert – es war Mord!

Blöd für Drews Gspusi allerdings, dass alle Indizien darauf hindeuten, dass sie damit zu tun hat. Marcia Lane ist nämlich die geschiedene Mrs. Myles Brent und hat sich noch kürzlich anwaltlich geweigert, eine 200.000-Dollar-Lebensversicherung, deren Begünstigte sie ist, freigegeben. Und der des Todesschusses akut verdächtige Chalmers, der ehemalige Chefelektriker des Studios, der auf Brents Geheiß gefeuert wurde, bekam ausgerechnet durch Marcias Intervention eine Statistenrolle zugeschanzt! Aber wieso hat Chalmers dann versucht, Franklyn Informationen über den Mord zuzuschanzen? Als Franklyn mit dem Studio-Cop Gulliver Chalmers aufsucht, ist der tot – vergiftet, scheinbar ein Selbstmord aus Reue. Doch den Abschiedsbrief hat Chalmers mit der rechten Hand geschrieben, obwohl er Linkshänder war? Wieder einmal weist Franklyn die Cops auf das Offensichtliche hin, doch erneut belastet der Augenscheinsbeweis hauptsächlich Marcia! Ihr Wagen parkte offensichtlich vor Chalmers‘ Haus, vergiftet wurde der Knabe mit Batteriesäure und die Batterie von Marcias Kalesche ist leer! Jetzt hat Detective Sheehan genug chronischen Verdacht, um Marcia festzunehmen.

Während Studiomanager Steiner darauf drängt, den Film mit einem Double fertigzustellen, um die Publicity, gut oder schlecht, mitzunehmen, ist Franklyn von der Unschuld seiner Flamme weiterhin überzeugt. Beim Herumstöbern in Myles‘ persönlichen Gegenstände entdeckt er einen Hotelschlüssel und einen Liebesbrief einer verheirateten Frau. Offenkundig pflegt der Star eine Affäre – und ein gehörnter Ehemann wäre fraglos ein potentieller Täter…


Inhalt

Ich weiß nicht, wie’s Euch geht, aber Filme, die im Filmbusiness spielen oder es zumindest als Backdrop nutzen, finde ich faszinierend. Deswegen musste ich nicht lang überlegen, als mir bei einer meiner üblichen ziellosen Stöbereien in den endlosen Katalogen von amazon über „The Death Kiss“ stolperte. Murder Mystery im Studiosystem? Da denk ich ja gleich an Ray Bradburys „Graveyard for Lunatics“… und dann noch mit Bela – das muss doch was für mich sein…

Das kleine Studio Tiffany Pictures jedenfalls dachte 1932, dass es keine schlechte Idee wäre, sich für die Adaption eines Kriminalromans des mir völlig unbekannten Madelon St. Dennis (der aber seinerzeit populär genug gewesen sein muss, um prominent auf dem Poster verewigt zu werden) aus der Feder von Gordon Kahn (einem gebürtigen Ungarn, der u.a. in Hollywood die Autorengewerkschaft mitbegründete und wegen seiner linksliberalen Ansichten in der McCarthy-Ära auf der schwarzen Liste landete), an den triumphalen Erfolg von Todd Brownings „Dracula“ anzuhängen – mit David Manners, Edward van Sloan und natürlich Maestro Lugosi feiern die drei Hauptdarsteller des (faden) Klassikers ein fröhliches Klassentreffen – und beim Studio war man natürlich auch clever genug, Lugosi, der hier eigentlich nur eine Nebenrolle spielt, Top-Billing zuzuschanzen. Nun halte ich speziell Mr. Manners für eine der farblosesten Erscheinungen in einer an farblosen Erscheinungen nicht armen Riege 30er-/40er-romantic leading men, aber vielleicht überrascht er mich ja doch.

Das Script selbst ist überraschend konstruiert – wiewohl natürlich ein klassisches „whodunit“ macht sich der Streifen fünfzig Minuten lang nicht wirklich Gedanken darum, ein Sammelsurium glaubwürdiger Verdächtiger aufzubauen, sondern türmt eine geradezu überwältigenden Indizienlast über Marcia Lane auf. Jeder neue Hinweis, jeder Fakt, den Franklyn (typisch für das Genre den ermittelnden Polizeibeamten intellektuell und ermittlungstechnisch meilenweit überlegen – was er gegenüber Sheehan auch mit allem Enthusiasmus raushängen lässt) findet, scheint das Netz um Marcia nur noch enger zusammenzuziehen, belastet sie weiter – zwanzig Jahre später und ohne die comic-relief-Elemente (die aber, das muss ich mal anerkennen, überwiegend als solche funktionieren, also todernst bearbeitet, wäre das Stoff für einen feinen film noir mit einer amtlichen femme-fatale/damsel-in-distress-Kombination. Wie gesagt, Franklyns fröhliche Überheblichkeit, mit der er sein Detektivabenteuer bestreitet, und die Comedy-Einlagen untergraben etwas die über weite Strecken präzise Konstruktion einer fast ausweglosen Falle für die (natürlich unschuldige) leading lady, aber gerade im zeitgenössischen Kontext eines frühen talkies und den Konzessionen, die gerade B-Pictures an den breiten Massengeschmack machen mussten oder zu machen müssen glaubten (eben die Comedy), ist das ein Ansatz, der seiner

Natürlich hält „The Death Kiss“ das nicht durch – pünktlich zum Schlussakt erinnert sich der Autor daran, dass er jetzt vielleicht doch mal ein paar Verdächtige aufbauen sollte und wirft dem Zuschauer zwei red herrings von Buckelwalgröße hin, die demzufolge natürlich nicht mal ih einem B-Film von ’32 ernst genommen werden sollten. Am Ende haben wir immerhin vier potentielle Täter, von denen wir zwei (siehe letzter Satz) glatt ausschließen können und dürfen raten – spezielle Indizien, die es möglich machen würden, vernünftig mitzuermitteln, gibt’s nicht. Die Auflösung ist zwar nicht völlig aus dem Hut gezaubert und wirkt durchaus schlüssig, beruht aber wie so oft bei lesser whodunits darauf, dass dem Zuschauer relevante Informationen vorenthalten wurden. Das mag natürlich auch daran liegen, dass der Streifen derart straff und ich möchte beinahe „rasant“ sagen inszeniert ist, dass er sich kaum Atempausen nimmt, um mal ein wenig character development zu betreiben oder den Figuren, und sei es zwischen den Zeilen, Hintergrund verleiht, dan man als Zuschauer nutzen könnte, um das Puzzle für sich selbst zusammenzusetzen. Aber ich will da nicht meckern – Filme aus den 30ern können sich trotz Laufzeiten um 60 Minuten anfühlen wie die Ewigkeit in Person (selbst Klassiker wie „White Zombie“), also beschwere ich mich nicht, wenn ein Film wie „The Death Kiss“ nicht in die Tiefe seiner Charaktere eindringt, sondern 70 Minuten flott unterhält.

Was wohl auch ein Grund dafür war, dass Regiedebütant Edwin L. Marin in der Folge gern gebucht wurde, wenn’s darum ging, schnelle Serien-Krimis wie für die „Philo Vance“- oder „Maisie“-Reihen zu drehen. Auf sein Kerbholz geht auch „A Study in Scarlet“ mit Reginald Owen als Sherlock Holmes, eine wohlgelittene Adaption von Dickens „Weihnachtsgeschichte“ mit dem gleichen Hauptdarsteller, der recht fetzige Propaganda-Kracher „Invisible Spy“ und der ein oder andere 40er-Jahre-John-Wayne-Western. Marin mag kein Künstler oder Auteur gewesen sein, sondern einer, der das, was man ihm vorsetzte, pflichtschuldigst in Szene setzte, aber er war fraglos ein guter Handwerker, der unter Low-Budget-Bedingungen anständige Arbeit ablieferte. Das einzige dramaturgische Problem, das ich mit „The Death Kiss“ habe, ist dass die Zeitabläufe etwas unklar sind – „gefühlt“ scheint sich das ganze Drama an einem, bestenfalls an zwei Tagen abzuspielen, aber einige Plotentwicklungen können nur hinhauen, wenn zwischen „Mord“ und „Showdown“ zumindest ein paar Tage mehr liegen. Daraus drehe ich dem Film aber keinen entscheidenden Strick…

Praktisch für den preisbewussten Filmemacher ist freilich auch, wenn man sich um Bauten und Sets keine großen Gedanken machen muss. Die realen Tiffany-Filmstudios spielen sich praktisch selbst – es darf davon ausgegangen werden, dass alles, was an Kulissen und Schauplätzen aufgeboten wird, eh von anderen Produktionen genutzt wurde und halt schon rumstand, sofern der verlangte Backdrop nicht sowieso zur essentiellen Infrastruktur eines Studios gehört. Auf diese Weise gibt dieser kleine Krimi dann sogar noch einen recht interessanten Einblick, wie in den 30ern Studioarbeit aussah. Klar, es gibt keine tiefschürfenden technischen Hintergründe, aber die Atmosphäre, das Ambiente wirkt ziemlich authentisch (auch wenn Tiffany natürlich dezent übertreibt, was die eigene Bedeutung im Hollywood-Karpfenteich angeht).

Hinter der Kamera steht Norbert Brodine, der sich seine Meriten schon zu Stummfilmzeiten verdiente, einige der späteren Laurel & Hardy-Filme fotografierte, aber auch für wohlgelittene größere Produktionen wie „Der Todeskuss“ oder „Ich war eine männliche Kriegsbraut“ als D.O.P. tätig war, ehe er zum Fernsehen wechselte und dort für frühe TV-Serien wie „Racket Squad“ oder „Letter to Loretta“ die Kamera schwang. Bei frühen Tonfilmen darf man, des damaligen Equipments wegen, keine dynamische Kameraführung erwarten, aber Marin und Brodine kompensieren das über ziemlich viel Bewegung innerhalb der Shots, so dass der Streifen deutlich lebendiger wirkt als viele seiner statischen Zeitgenossen. Brodine gelingen einige originelle Einstellungen und überrascht mich zumindest mit einem ausgiebigen dolly-shot, den ich in einem Low-Budget-Film von 1932 nicht erwartet hätte.

Und dann, man sehe und staune, ist sogar die Schauspielerei gut. Ich bin erklärtermaßen (s.o.) kein Fan von David Manners – seine Vorstellungen in „Dracula“ oder „Die Mumie“ sind geradezu Paradebeispiele für vollkommen charismafreie Darbietungen, aber hier hat er sichtlich Spaß und Spielfreude – das ist teilweise fast sogar überenthusiastisch, weil die Begeisterung seiner Figur, hier mal einen echten Kriminalfall lösen zu können, ein wenig darüber hinwegtäuscht, dass es letztendlich um das Leben seiner Freundin geht (man war damals mit Todesurteilen nicht grad zimperlich); die Gefahr für Marcia wird dadurch etwas „underplayed“, aber ich verzeihe ihm das, weil ich ihn wirklich noch nie so gut aufgelegt gesehen habe. Vielleicht waren die Studiobosse damals doch nicht alle taub und blind, wenn sie ihn verpflichteten…

Adrienne Ames als Marcia kann da nicht mithalten – das Script gibt ihr wenig zu tun, da es sich hauptsächlich damit beschäftigt, sie unter einer Lawine von Indizien zu begraben, aber Ames, ein vormaliges Glamour-Model, das seit Ende der 20er versuchte, in Tinseltown Fuß zu fassen, aber bis auf eine prägnante Rolle in W.C. Fields „You’re Telling Me!“ nicht wirklich Erfolg hatte, fehlt, trotz ihrer Modelvergangenheit, die Ausstrahlung eines echten Filmstars.

Als semi-kompetenter Bulle Sheehan stellt sich John Wray („Im Westen nichts Neues“, „The Miracle Man“, „Mr. Deeds geht in die Stadt“) vor und liefert eine solide, vom Script etwas untergrabene Vorstellung ab. Den comic-relief gibt Vince Barnett, der als Vaudeville-Komiker und „Master of Insults“ von seinen Zeitgenossen als nur von Groucho Marx übertroffen eingeschätzt wurde und beliebter Entertainer auf Celebrity-Partys war. Anhand seiner hiesigen Performance lässt sich das schwer verifizieren, abe wenn ich den lustigen Faxenmacher in einem 30er-Jahre-Film nicht persönlich mit rostiger Heckenschere vom Zelluloid kratzen will, kann er gar nicht soo schlimm sein. Barnett gab sich übrigens auch im Original-„Scarface“, dem Marx-Brothers-Vehikel „Horse Feathers“ und dem späteren Lugosi-Nonsense „The Corpse Vanishes“ die Ehre. Alexander Carr („Weihnachten im Juli“) gibt den Studioboss Grossmith angemessen schmierig.

Ja, bleiben noch die weiteren Dracula-Alumni zu erwähnen. Die haben nur nicht sonderlich viel zu tun – Edward van Sloan (van Helsing in „Dracula“) spielt den Regisseur Avery, ohne dabei speziell Memorables zu leisten, und Bela Lugosi selbst, hauptsächlich natürlich dabei, weil man mit ihm einen Bilderbuchverdächtigen hat, ohne scriptmäßig etwas dafür tun zu müssen, agiert in der Nebenrolle des kaltherzigen Studiomanagers, der versucht, den Betrieb einigermaßen aufrecht zu erhalten, für seine Verhältnisse recht zurückgenommen.

Zu erwähnen wäre noch, dass „The Death Kiss“ 1932 in einer teilweise handkolorierten Fassung in die Kinos kam. Leider scheint keiner der überlebenden Prints diese Farbsequenzen zu beinhalten.

Bildqualität: „The Death Kiss“ liegt im Public Domain und kann daher von jedem interessierten Publisher veröffentlicht werden (eine deutsche VÖ wurde vor einiger Zeit von Hantik Films in ihrer Scare-ific Collection herausgebracht). Mir liegt die britische DVD aus dem Hause Elstree Hill vor. Der verwendete Print ist mit seinen 71 Minuten Laufzeit nicht ganz vollständig – das Resultat von etlichen Filmrissen, die teilweise Dialoge auseinanderreißen. Auch sonst ist der Print, der zwar für 80 Jahre auf dem Buckel recht scharf und kontrastreich ist, ziemlich ramponiert – Laufstreifen, Defekte, Schmutz. Es ist nicht unansehbar, aber eben doch merklich gealtert.

Tonqualität: Englischer Mono-Ton mit mittelschwerem Grundrauschen, die Dialoge bleiben aber noch klar verständlich.

Extras: Nüsch.

Fazit: Ein interessanter kleiner Comedy-Thriller aus den Anfangstagen des Tonfilms – mit seinen noir’ischen Anklängen überraschend konzipiert, getragen von einem blendend aufgelegten David Manners, ungewöhnlich straff inszeniert und dabei selbst in seinen humorigen Passagen nicht nervend, kann „The Death Kiss“ mit seinen nicht unspannenden Einblicken in das Filmhandwerk der frühen 30er über den ein wenig gedrängten Schlussakt und die für whodunit-Fans unbefriedigene Auflösung hinwegtäuschen; ein nette Entdeckung für Fans des klassischen Genre-Kintopps und sogar tauglich für notorische Bela-Verschmäher.

4/5
(c) 2014 Dr. Acula


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