
- Original-Titel: Saan Gau
- Regie: Bowie Lau
- Land: Hongkong
- Jahr: 1999
- Darsteller:
Anthony Wong (Boar), Keung-Kuen Lai (Ken), Winnie Leung (Winnie), Samuel Leung (Blowie), Tsz Sin Lam (Professor), Yeung Fan (Mi Mi), Chat Pui-Wan (Be Be), Nam Wing Chan (Pervert), Andy Lau (Retarded Guy), Ling Ling Chui (Linda), Tam Kon-Chung (Hwa), Koo-Ling Chung (Soldier), Mak Siu-Wah (Retarded Guy’s Father), Lin Koon-Hung (Retarded Guy’s Mother)
Vorwort
Abt. Midnight Movies mit Jorge #002
Die Anrainer des südchinesischen Meeres aus Hongkong sind nun nicht gerade für gute Teen- oder Camp-Slasher bekannt. Auch der Backwood-Horror ist dort ein wenig beackertes Terrain. Insofern stellt THE DEADLY CAMP, unser heutiger Film, der das Genre ja schon im (internationalen) Titel aufgreift, schon mal ein nettes Kuriosum dar. Davon ab bietet der Film, ich greife ein wenig vorweg, ein eher zweifelhaftes Vergnügen. Denn natürlich haben die Herren Südostasiaten ein paar ihrer, vor allem für ein westliches Publikum eher abseitigen bis kaum zu ertragenen, Eigenheiten mit eingebracht, was den Humor, mit dem das Ganze vorgetragen wird, betrifft…
Inhalt
Drei Pärchen – der Professor mit seiner Linda, Student Ken mit seiner Winnie und der Soldat mit seiner Be Be – fahren zum romantischen Camping auf eine einsame Insel. Damit sie auch wirklich mal ein ungestörtes Wochenende verleben können, versteckt Soldierboy alle Handys im Wald (irgendwie müssen die ja aus dem Weg, aber man hätte ja auch einfach etablieren können, dass es auf diesem abgelegenen Fleckchen Erde keinen Empfang gibt, oder?), welche sogleich von den gierigen Fingern eines heimlichen Beobachters entwendet werden. Den Tag über verbringen sie mit Spiel und Spaß, bis es am Abend für die Pärchen Zeit wird, sich in die Kuscheligkeit der Zelte zurückzuziehen. Aber zum Rummachen kommt es nicht, als Ken außerhalb des Zeltes einen Schatten bemerkt, der durchs Lager schleicht. Soldier kann darauf Pervert und Blowie stellen, die angeben, zu ihren Zelten, die gerade mal fünfzig Meter weiter stehen (unsere Camper haben nicht bemerkt, wie jemand in ihrer Sichtweite sich auch am Strand niederlässt? Alle blind?), zurückkehren zu wollen, weil sie ein wenig durch den angrenzenden Urwald spaziert seien. Im anderen Lager bleibt der Tumult nicht unbemerkt, also werden Boar und Mi Mi bei unseren Romantic-Campern vorstellig. Er behauptet, ein Kondom-Verkäufer zu sein, der hier mit seinen Mitarbeitern eine Team-Bildungsmaßnahme durchführen will. Dem Professor und Soldier kommt das alles sehr verdächtig vor, doch die Weiber laden Pervert und Blowie zum gemütlichen Campfire Sitting ein, während Boar und Mi Mi sich lieber im Zelt vergnügen wollen (und die lassen sich auch nicht davon abbringen, die wissen eben, was sie wollen). Als Pervert und Blowie dann mal kurz austreten (das kann ich bestätigen, in freier Wildbahn gehen auch Jungs in Gruppen auf Toilette), treffen sie auf einen zurückgeblieben wirkenden Typen, den sie aus Versehen ein wenig in Brand setzen. Also nur ein wenig, nicht wirklich schlimm. Der heult sich anschließend bei seinem Vater, seines Zeichens passionierter Gesichtsbandagen-Träger und hier auf der Insel der Killer vom Dienst, aus. Es wird keinen verwundern, wenn ich euch verrate, dass für die Camper beider Lager nun das große Sterben angesagt ist…
What’s the Deal?
THE DEADLY CAMP beginnt eigentlich recht schmissig, wenn ein kettensägenschwingender Psychopath ein Pärchen bei Nacht durchs Unterholz jagt. Das ist gut gefilmt, mit viel subjektiver Kamera (seit TANZ DER TEUFEL ja en vogue, das kommt wohl auch nie aus der Mode), und auch flott geschnitten. Allerdings werden wir uns schon hier gewahr, nicht in einem der berüchtigten CAT III-Streifen zu sein, denn bei dem Höhepunkt der Jagd, wenn der Verfolger seine Opfer stellt, bleibt das unvermeidliche Blutbad aus, bzw. findet nur in unseren Köpfen statt, da der Film verschämt wegblendet und nur mit ein paar Blutspritzern suggeriert, dass hier eine ganz schöne Sauerei stattfindet. Und dann beginnt der Film leider erst. Unsere sechs Camper (oder Sex-Camper, harharhar) erweisen sich stante pede als exzellente Opfergaben für den Kettensägen-Killer, denn sie nerven durch die Bank gleich mal ätzend ab. Ich sage es gleich, es ist eigentlich für uns komplett unmöglich, hier ein Final Girl oder einen Helden oder ein für das Überleben präferiertes Pärchen auszumachen. Die geben sich nichts, die sind alle scheiße! Etwas Ernüchterung macht sich dann breit, wenn wir feststellen, dass auch die vier „Strand-Nachbarn“ allerhöchstens gutes Kanonenfutter abgeben. THE DEADLY CAMP ist kein Nägelkauer, kein Film zum Mitfiebern. Splatterprolls gucken allerdings ebenso in die Röhre, wir sind hier in CAT IIb-Gefilden unterwegs, was suggestive Schrecken zulässt, auch Blut und sexuelle Anspielungen, aber Splatter oder auch Softsex kann man sich schon mal von der Backe schmieren. Produziert wurde das Ganze von Wong Jing’s Workshop, wobei Meister Wong Jing, der ja gefühlt an jedem zweiten HK-Film ab den späten 80ern irgendwie beteiligt scheint – ob als Produzent, Drehbuchautor, Regisseur oder Darsteller, egal -, hat jedoch selbst nichts mit dem Film zu tun. Aber er folgt fraglos dessen exploitativen Pattern; wir bekommen hier allerlei unangenehm, weil peinliche, Situationen, Humor, vorwiegend sexuell und auch gerne sexistisch, aus der untersten Schublade, durch die Bank weg Unsympathen und eine offen zur Schau getragende, meist schon der Hysterie nahe, Opfermentalität aller Protagonisten serviert, als wäre es das alltägliche Frühstück für jeden Kinobesucher der ehemaligen Kronkolonie. Dazu hat man noch den geschätzten Anthony Wong – ein toller Darsteller, der sich aber bekanntlich auch für nichts zu schade ist – gecastet, als großen Namen für das Poster. Seine Figur ist schrill und unangenehm, aber leider nicht der führende Psychopath des Films, was er eigentlich sehr gut kann. Er ist noch nicht einmal der Hauptdarsteller (ich spoiler mal an dieser Stelle, dass er die erste Hälfte des Films nicht überlebt). Im Endeffekt geht es halt die Checkliste für Wong-Jing-Produktionen und gängiges Teen-Horror-Marketing durch. Mehr nicht.
Besonders lustig
– Unbekannt: Der 9.9.1999 scheint in Hongkong so etwas zu sein wie der Freitag der 13. hier.
– bzw. unangenehm: die drei Mädels sind Studentinnen, eine mit ihm ist mit ihrem Prof liiert.
– auch wenn unsere sechs Protagonisten allesamt volljährig scheinen, zieren sich gerade die Mädels, wenn es um den sexuellen Vollzug geht, was witzig sein soll, aber uns eigentlich eher peinlich berührt zurücklässt.
– Nochmal: Fünfzig Meter von unseren Campern entfernt, flache Luftlinie am Strand ohne irgendetwas, was das Sichtfeld verdecken könnte, schlägt noch eine Gruppe ihre Zelte auf und niemand, wirklich niemand bemerkt das?
– Wenn Anthony Wong sich mit seinem Betthäschen vorstellt, behauptet er ja ein Kondom-Verkäufer zu sein, und gibt dem Prof als Beweis ein ausgepacktes (!) Kondom; als er dann mit seiner Ficke wieder aufbricht, meint diese sinngemäß: „Toll! Du hast ihnen das Kondom gegeben. Und was sollen wir gleich benutzen?“
– der zurückgebliebene Psychopathen-Sohnemann überrascht ja Anthony Wongs Sidekicks beim Pissen; nachdem Pervert schon Witze über den Schwanz seines Kumpels gemacht hat, weil er so klein ist, kann ihre Wald-Klo-Bekanntschaft nicht davon ab, auf denselbigen zu starren.
– die Blicke des Psycho-Papas hinter seinen Mullbinden sind den ganzen Film über echt lustig anzuschauen – scheiß auf Visa, das ist unbezahlbar!
– Pervert stört Anthony Wong beim Ficken, als er ihm berichten will, dass sein Kumpel von einem irren Killer verschleppt wurde; der ruft erst einmal zu seiner Mi Mi rein, dass sie es sich bitte selbst zu Ende machen soll.
– Als Be Be und Winnie durch den Wald flanieren, taucht der Psycho-Killer auf und verschleppt erstere; als Winnie verstört die anderen ruft, quetscht Soldier aus ihr heraus, wolang sie entschwunden ist und rennt ihnen hinterher – alle anderen kommen gar nicht auf die Idee, ihn entweder aufzuhalten oder nachzulaufen, sie gehen alle seelenruhig ins Lager zurück.´
– Im Haus der Familie Psycho wurden wir gerade noch Zeuge, wie Papa Psycho dabei war, Be Be mit der Kettensäge zu zerstückeln; als wenige Minuten später Soldier dort eintrifft, ist diese Ecke, wo das passierte, schon wieder blitzeblank sauber (behaltet das für den vorletzten Punkt der Liste bitte im Hinterkopf).
– Als Anthony Wong selbst gefangen wird, bietet er, um seine Haut zu retten, an, dem zurückgebliebenen Sohn zu zeigen, wie man Sex (mit der ebenfalls verschleppten und gefesselten Be Be) macht; dazu muss er aber erstmal dafür sorgen, dass dessen Ding, äh, auf Betriebsgröße heranwächst.
– Merke: Wo ein verrückter Vadder ist, kann die verrückte Mudder nicht weit sein!
– Zurück zu Punkt 1, dem unangenehmen; wir konnten kaum glauben, wer dann das finale Pärchen war.
Was gibt’s sonst noch zu sagen?
Die Plotte kommt vom Reißbrett, gibt sich auch nicht die Mühe, hier was Neues oder Spektakuläres zu schaffen. Wozu auch? Im Hongkong-Kino haben Teen-Slasher, Backwook-Horror oder Camp-Filme sowieso eher Seltenheitswert, das alleine reichte den Machern scheinbar schon als Aufhänger. Der Humor ist durchgehend gross, wir haben uns öfters mal schütteln müssen. Die moralischen Standards werden genauso tief angesetzt. Ich gehöre ja eigentlich nicht zu der Fraktion, die behauptet, mit ein wenig mehr Splatter wäre alles besser, aber bei THE DEADLY CAMP hätte es sicherlich geholfen, wenn er CAT III gewesen wäre und einige dementsprechende Duftmarken hätte setzen dürfen (also abgesehen von den unangenehmen Duftmarken, die er eh schon setzt). Spannung kommt erst zum Ende ein wenig auf, wenn die Frequenz der unangemessenen Merkwürdigkeiten spürbar abnimmt (was uns sagt, dass der Film vermutlich auch besser gefahren wäre, hier sich ein bisschen mehr im Zaum zu halten). Die Charaktere sind das typische Schlachtvieh ohne nennenswerten Eigenschaften, die über ihre Funktionalität hinausgeht (Professor ist der Vernünftige, weil Älteste, dagegen ist Soldier als Soldat praktisch veranlagt). Einzig Anthony Wong sticht heraus, sein Auftritt ist wirklich herrlich cringy, so ein richtig schönes Ekel. Aber kein Wunder, der könnte auch überzeugend eine Mülltonne spielen, da könnte das Drehbuch so schlecht sein, wie es will. Die Leutchen sind uns also egal, der Humor ist pfui, es gibt keinen Splatter, kaum Spannung. Aber gut, dafür gibt es unfreiwilligen Humor und unangenehme Situationen galore. Wie gesagt, man könnte meinen, Wong Jing selbst hätte produziert, aber das scheint den Mitarbeitern seiner Produktionsfirma selbst schon in die Gene eingeflossen. Als Pluspunkt kann man allerdings das Ambiente der abgelegenen Insel werten, die Location macht einen durchgehend sehr nicen Eindruck. Ein ordentlicher Slasher sieht natürlich anders aus, auch wenn sich der Film mit einem Schlussschock noch einem Nod zum originalen FREITAG DER 13. leistet.
Wo oder Wie kann ich mit dem Dreck mein Aug‘ beschmutzen?
THE DEADLY CAMP ist vor nicht allzu langer Zeit beim amerikanischen Boutique-Label Vinegar Syndrome (wo sonst?), in der Made in Hong Kong: Volume 1 Box, zusammen mit THE DEMON’S BABY und EROTIC NIGHTMARE, erschienen (letzteren haben wir im Shocktober gesehen, sehr schräger Film, und Anthony Wong ist auch mit an Bord). Bild und Ton sind, wie nicht anders zu erwarten, superb. Wem der Import aus den USA zu teuer ist (mit knapp 30 $, natürlich ohne Versand und Einfuhr, hält sich das preislich aber noch in Grenzen), der kann ja mal Google bemühen. Wer suchet, wird auch finden. Versprochen.
Was am Ende übrig bleibt
Hier tue ich mich mal wieder ein wenig schwer. Wer sich von dem Humor und dem Fehlen von Splatter abschrecken lässt, bekommt hysterischen Trash für eine feucht-fröhliche Runde geboten. THE DEADLY CAMP ist ein Füllhorn an Absonderlichkeiten (gerade für westliche Sehgewohnheiten) und unfreiwilligem Humor (obwohl der Film eigentlich freiwillig damit punkten möchte). Man könnte fast meinen, dass die Macher wirklich eine Parodie auf das Genre im Sinn hatten, womit sie dann aber auch gescheitert wären. Wie man es dreht und wendet, unter seriösen Gesichtspunkten ist das KEIN guter Film, nicht einmal in der Nähe davon. Anthony Wong geht dafür sowieso immer, auch wenn er hier leider nur eine Nebenrolle spielt, die dafür zu den Highlights des Films zählt. Keine vollste Empfehlung also, aber eine vorsichtige. Wir hatten unseren Spaß (auch wenn Jorge das abstreiten wird).
BOMBEN-Skala: 6
BIER-Skala: 4
Review verfasst am: 08.03.2025