- Deutscher Titel: The Cooler
- Original-Titel: The Cooler
- Regie: Wayne Kramer
- Land: USA
- Jahr: 2003
- Darsteller:
William H. Macy (Bernie Lootz), Maria Bello (Natalie), Alec Baldwin (Shelly), Ron Livingston (Larry Sokolov), Shawn Hatosy (Mikey), Paul Sorvino (Buddy Stafford), Estella Warren (Charlene), Arthur J. Nascarella (Nicky „Fingers“ Bonnatto), Joey Fatone (Johnny Capella)
Vorwort
Bernie Lootz ist ein echter Verlierertyp – aber einer von wahrhaft biblischen Dimensionen, denn er bringt nicht nur sich selbst, sondern auch jedem, der das Pech hat, in seiner unmittelbaren Nähe zu sein, Pech. Das macht ihn für das Vegas-Casino „Golden Shangri-La“ und dessen Boss Shelly überaus wertvoll. Ist einer der Gäste am Spieltisch mal zu erfolgreich, wird Bernie dorthin dirigiert und die Glückssträhne hat sich erledigt. Wie kaum anders zu erwarten, ist das kein Job, der ausnehmend viel Spaß macht – bis Bernie eines Tages die Serviererin Natalie kennenlernt und die beiden sich Hals über Kopf ineinander verlieben. Das hat ungeahnte Auswirkungen, denn anstatt Pech und Unglück zu verbreiten, ist Bernie in verliebtem Zustand Fortuna persönlich und produziert Millionäre am Fließband. Das ist Shelly, der eh in Schwierigkeiten steckt, weil Investoren sein geliebtes „old-school“-Casino in einen Entertainment-Tempel verwandeln wollen, natürlich ein mittelschwerer Dorn im Auge. Und weil Shelly halt einer der alten Haudegen in Vegas ist, löst er Probleme gern auf die direkte Methode…
Inhalt
Viva Las Vegas. Die Zockermetropole mit dem Glitzerambiente ist, das gebe ich gerne zu, neben San Francisco meine persönliche Lieblingsstadt in den Staaten und, verdammt, ich könnte dort heimisch werden (aber nicht lange, weil ich mich vermutlich innerhalb weniger Nächte um Haus, Hof, Kopf und Kragen spielen würde. Seufz). Deswegen haben Filme, die in Vegas spielen, bei mir automatisch einen Stein im Brett (und deswegen mag ich nicht nur das bittere Drama „Leaving Las Vegas“, sondern auch den Mega-Millionen-Trasher „Showgirls“. Warum hab ich eigentlich „Ocean’s Eleven“ nicht gesehen? [Das dürfte wohl an Julia Roberts liegen, Anm. d. Red.]).
„The Cooler“ rennt daher bei mir offene Türen ein und weiß diesen unerwarteten Heimvorteil auch zu nutzen – und zwar, weil es sich um einen unerwartet vielschichten Streifen handelt. Neben der zentralen Liebesgeschichte behandelt „The Cooler“ auch ausführlich den Wandel, dem Las Vegas in den letzten Jahrzehnten unterwofen ist – weg von der verruchten Spielermetropole mit dem Gangsterimage, hin zum familienfreundlichen Event-Entertaiment, symbolisiert durch den ewigen Zweikampf des klassischen Vegas der Fremont Street (wo nicht zufälligerweise auch das fiktive Shangri-La angesiedelt ist) mit der quietschebunten, themenparkmäßigen Welt des „Strip“ (also dem neuen Teil der City, in dem die spektakulären Hotelcasinos wie das Excalibur, das New York New York, das Venetian, Caesar’s Palace und wie sie alle heißen, stehen), verkörpert in der Figur des Shangri-La-Boss Shelly, einem Vertreter der alten Schule, der die rüden alten Methoden hochhält (bei ihm werden Falschspieler nicht mit Hausverbot belegt, sondern da wird noch stilecht die Baseballkeule angesetzt), einen drogensüchtigen Sinatra-Imitator jederzeit einem jungen Teenie-Star vorzieht, sich nicht um Shareholder Value kümmert, sondern Geschäftsprobleme gern mit illegalen Methoden löst und sich dennoch einem gewissen Ehrenkodex unterwirft – für mich die faszinierendste und facettenreichste Figur des Films und ein schieres Wunder: ein Baldwin spielt sie und er spielt sie gut (dazu an gewohnter Stelle mehr).
Aber auch die vordergründige Liebesgeschichte, die natürlich den Hauptteil der Story in Anspruch nimmt, lässt den Zuschauer nicht unberührt. Die einfühlsame Charakterisierung, die es geschickt vermeidet, aus den Figuren Klischeekameraden zu machen oder sie, was durchaus naheliegt, der Lächerlichkeit preiszugeben, ist zu loben. Die Geschichte verfällt nicht weder in rührseliges Pathos (obwohl einige durchaus klischeeträchtige Stationen abgearbeitet werden), noch versumpft die Plotte in bloßen komödiantischen Hijinx. Trotz gelegentlich durchschimmernden trockenen Witzes und dosiert eingesetzter Situationskomik ist der Tenor des Films ein ernster – Bernie ist ein wirklich tragischer Charakter (fast ein bisschen zu viel des Guten ist ein Subplot, indem sein ihm entfremdeter Sohn für zusätzliche Schwierigkeiten sorgt), mit dem man wirklich *mit*fühlt. Und, für die gefühlskalte Fraktion, die mehr auf handfeste Tatsachen steht, ja, in getreuer Tradition von „Leaving Las Vegas“ beinhaltet auch „The Cooler“ einige freizügige Sequenzen, die für’s amerikanische Kinopublikum als zu gewagt eingestuft wurden und in US-Fassungen daher nur gekürzt beinhaltet sind (ich gehe mal stark davon aus, dass wir in Europa die ungekürzte Fassung sehen, zumindest kann ich mir nach Genuss des Films durchaus vorstellen, welche Szenen den MPAA-Zensoren nicht gefallen haben).
Autor und Regisseur Wayne Kramer (Drehbuch zu „Mindhunters“, was ja eine schon faszinierend-andere Baustelle darstellt) hält den Film in einem schön dosierten Tempo – der Streifen nimmt sich Zeit, seine Charaktere, seine Story zu erkunden, garniert dies mit wunderschönen Aufnahmen von Vegas und der bunten Casino-Welt, spart aber auch die Schattenseiten des Lotterlebens im Zockereldorado nicht aus (nicht nur, was die düsteren Aspekte der Story angeht, sondern auch, was Drogen, Gewalt und blutigere Szenen angeht). Kramer kann sich dabei auf die hervorragende Kameraarbeit von James Whitaker (mit einigen wirklich nahezu atemberaubenden Aufnahmen) und den exzellenten Score von Mark Isham verlassen.
Verlassen wäre er aber auch ohne die angemessenen Schauspieler… ich predige es ja schon seit Jahren, aber William H. Macy ist einfach einer der unterschätztesten Schauspieler der letzten Jahre (trotz prägnanter Auftritte in „Fargo“, „Psycho“ [einer der wenigen Gründe, sic das van-Sant-Remake anzusehen], „Jurassic Park 3“ etc. hat der Mann einfach noch nicht die Anerkennung erfahren, die ihm gebührt), der nun *endlich*, Zeit wird’s auch, mit Hauptrollen bedacht wird. Und ja, Macy kann nicht nur souverän wichtige Nebenrollen gestalten, nein, er kann auch einen Film als Hauptdarsteller tragen. Macys Performance ist berührend, mitreißend, bewegend. Ihm nicht nach steht Maria Bello („Emergency Room“, „Coyote Ugly“, „Auto Focus“ und zuletzt an der Seite von Johnny Depp in „Das geheime Fenster“) als Natalie – ohne Scheu vor Freizügigkeiten, aber mit noch weniger Scheu vor großen Gefühlen. Wow, ich bin beeindruckt (würde ich, was ich bekanntlich nie nicht tue, zu idiotischen Vergleichen neigen, würde ich jetzt was von „the thinking man’s Cameron Diaz“ faseln). Die große Überraschung des Films ist für mich Alec Baldwin. Ich bin, was die Baldwin-Brüder angeht, zugegeben ziemlich voreingenommen (und nicht zugunsten des vielköpfigen Clans), aber Alec („The Getaway“, „Malice“, „The Shadow“) scheint auf seine „alten Tage“ tatsächlich noch die Kurve vom gutaussehendem Kleiderständer zum souveränen, glaubwürdigen Charakterdarsteller zu kriegen. Auch Baldwins Performance ist ausgezeichnet und wurde völlig zu Recht mit einer Oscar-Nominierung belohnt. In einer Nebenrolle als, was wohl, Sänger ist übrigens Ex-N’SYNCer Joey Fatone zu bewundern.
Bildqualität: Ein überraschend guter Film verdient eine gute DVD-Umsetzung und da könnte man in schlechteren Händen sein als in denen von mcOne. Die Bildqualität ist hervorragend – ein wunderschöner natürlich anamorpher 2.35:1-Widescreen-Transfer ohne Fehl und Tadel – gestochen scharf, blendende Kontrastwerte, ausgezeichnete Farben und eine Kompression, wie sie kaum besser zu lösen wäre. Ich ziehe meinen Hut und hab ausnahmsweise wirklich gar nix zu meckern.
Tonqualität: Auch da muss man sich nicht grämen – deutscher und englischer Ton stehen wahlweise in ausgezeichnetem Dolby-5.1-Mix oder im „Headphone Surround“-Format zur Verfügung. Alle Tonspuren sind vorzüglich anzuhören, wobei ich mich letztlich (wenig überraschend) für die englische 5.1-Spur entschieden habe. Sonderlob für die Untertitel: neben deutschen Untertiteln und solchen für Hörgeschädigte stehen auch englische Subs zur Verfügung, natürlich alle optional anwählbar. Auch hier: kein Grund zur Kritik, wobei es sich natürlich ein leiser Film, ohne Effektgewitter, ist, der nicht zum Auspegeln der Dolby-Anlage und Nachbarn-Erschrecken geeignet ist.
Extras: Hier wieder einmal nur eine vorbehaltliche Wertung, da mir zu Testzwecken eine Verleih-DVD vorliegt und es sehr wahrscheinlich ist, dass die Kauf-Variante der Scheibe deutlich besser ausgestattet ist (ein Audiokommentar des Regisseurs liegt auf der US-Scheibe vor, hoffen wir’s, dass er auf der deutschen Kaufdisc zu finden sein wird). Die Rental-DVD kommt nur mit deutschem und englischen Trailer, Biographien für Macy, Bello, Baldwin und Kramer sowie einer Trailershow. Ich lasse aus erwähnten Gründen in die Gesamtnote die Ausstattung nicht mit einfließen.
Fazit: „The Cooler“ ist letztlich das, was der sentimentale alte Knochen yours truly ab und zu einfach braucht – ein schöner Film, Kino zum Mitfühlen, zum Mitleiden, zum Mitfreuen, Kino, das es wirklich noch schafft, emotional zu berühren (auch solch altgediente Splatterhaudegen wie den Unterzeichner). Und wenn das ganze noch in meiner Lieblingsstadt Las Vegas spielt und von teils mehr, teils weniger überraschend gut aufgelegten Darstellern so souverän, spielfreudig und, ich reite darauf rum, fühl- und erlebbar gestaltet wird, dann kann ich nicht anders, als allen Freunden tragikomischer, dramatischer Liebesgeschichten, Vegas-Fans und solchen, die es werden wollen und einfach allen „gefühlsechten“ Cineasten eine von Herzen kommende Empfehlung auszusprechen. Ein schöner Film, ich wiederhole mich, der die ausgezeicnete DVD-Umsetzung von mcOne auch verdient hat.
4/5
(c) 2006 Dr. Acula