The Collector

 
  • Deutscher Titel: The Collector
  • Original-Titel: Le Collectionneur
  •  
  • Regie: Jean Beaudien
  • Land: Kanada
  • Jahr: 2001
  • Darsteller:

    Maude Guérin (Maud Graham), Luc Picard (Mike), Lawrence Arcouette (Grégoire), Charles-André Bourassa (Fréderic), Julie Ménard (Josée), Alexis Martin (Alain), Yves Jacques (Fracteau), Christian Bégin, Yvan Ponton


Vorwort

Wer der Meinung war, Serienkiller würden sich mit Vorliebe in US-amerikanischen Großstädten rumtreiben, sieht sich getäuscht – auch das filmisch bislang kaum erkundete Quebec muß sich mit seinem eigenen Wahnsinnigen auseinandersetzen. Der garstige Killer meuchelt mit Vorliebe sportlich-durchtrainerte junge Frauen und beläßt es nicht bei bloßer Mörderei, sondern mag sich von den Opfern ’ne Scheibe abschneiden – im Klartext amputiert er den Opfern Arme, Beine, Brüste und was man sonst so brauchen könnte. Die Polizei, in Form der einzelgängerischen Ermittlerin Maud Graham, tappt im Dunkeln, so dass Maud sich zur Flucht nach vorn entscheidet und den Killer bei einer TV-Pressekonferenz nicht nur mit ihrer Theorie, er würde sich „eine perfekte Frau“ zusammenbasteln, sondern auch mit einer vermuteten Mutterfixation (was bei Serienmördern ja noch meistens gestimmt hat) provoziert. Der Killer nimmt die ausgesprochene Herausforderung dankend an und auch wenn Maud offiziell keine ihr nahestehenden Bezugspersonen hat, die man aufs Korn nehmen könnte, findet er Ansatzpunkte – denn Maud ist zwar zu Kollegen und dem, was man in Ermangelung geeigneterer Wörter „Freunde“ nennt, recht rüde, hat aber doch ein großes Herz (TM) und sorgt sich um zwei Straßenkinder – den sechzehnjährigen Stricher Gregoire und den zwölfjährigen Ausreißer Frederic… für den psychopathischen Mörder von Welt bieten sich da doch Möglichkeiten…


Inhalt

Zu den Fakten des Lebens, die man auch als selbstproklamierter Filmgeek nicht unbedingt wissen muß, zählt die Tatsache, dass die renitente und latent abspaltungswillige kanadische Provinz Quebec nicht nur den Rest ihrer Landsleute damit nervt, auf der französischen Sprache zu beharren, sondern sich auch eine eigene, kleine, sowohl national als auch international kaum beachtete, selbstredend französischsprachige Filmindustrie gönnt (das ist umgerechnet ungefähr so, als würden die Schwaben oder Sachsen nur für ihren eigenen Gebrauch ganze Filme drehen). Nun lösen diese Filme nicht mal in Rest-Kanada gesteigertes Interesse aus und für den Versuchsballon, einen richtig aufwendig inszenierten großen Prestige-Film ins Rennen zu schicken, bediente man sich daher einer vergleichsweise surefire-Methode für potentielle Kassenschlager – ein Serienkillerfilm – nicht die neueste aller Ideen (gähn), aber immerhin bewährt. Das eingebaute Querulantentum der Quebecer ließ sich aber dennoch nicht unterdrücken – als Vorlage wurde ein (zumindest in Quebec) erfolgreicher und bekannter Thriller einer Quebecer Autorin hergenommen.

Was letztendlich in Form von „The Collector“ über die Fernsehschirme des geneigten Publikums flimmert, ist durchwachsen, was vor allem am ziemlich weitschweifenden Drehbuch liegt, das einige Probleme beinhaltet – zum einen ist die Motivation des Killers eine der schwächsten, die ich je gehört habe (sofern man überhaupt davon reden will, dass es sich um eine „Motivation“ handelt – der irgendwie unpassend angetackert wirkende Prolog, der des Killers Dachschaden erklären soll, gibt mir mehr Rätsel auf als er löst) – zum anderen nervt auf die Dauer der ausufernde Subplot um Mauds soziale Ader und ihre Schützlinge Gregoire und Frederic (klar, die sollen im Sinne der Story als Ersatz-Familie dienen, aber die Eskapaden der beide und Mauds laissez-faire-Einstellung demgegenüber lassen mich an ihrer Qualifikation als Gesetzeshüterin empfindlich zweifeln); zwar fügt sich dieser Subplot noch halbwegs harmonisch in die eigentliche Handlung ein, aber viele der Szenen mit Gregoire und Frederic führen einfach nirgendwohin und halten, um’s salopp zu formulieren, den Betrieb auf – die betreffenden Charaktere gewinnen durch die ständigen Wiederholungen derselben Thematiken keine zusätzliche Tiefe, die nicht schon längst etabliert wäre. Wenn sich der Film auf seine eigentliche Thriller-Thematik beschränkt, funktionert er ganz gut, wenngleich Veteranen von Genre-Beiträgen wie „Das Schweigen der Lämmer“ o.ä. wenig neues geboten wird – in diesen Parts zeigt sich der Streifen aber versiert inszeniert und drückt sich auch nicht um einige recht drastische (für eine FSK-16-Freigabe) Gore-Szenen, wobei der Film in „Lämmer“-Tradition nicht die Tat, sondern die Ergebnisse derselben „würdigt“. Ein ganz großer Schwachpunkt des Films ist allerdings sein Schlußdrittel – nicht nur, daß das Finale wenig originell gestaltet und auch verdammt unaufregend umgesetzt ist, es wird eher mäßig vorbereitet – dem Showdown geht eine beinahe endlos lange, ermüdende Entführungs- und „Verfolgungs“-Sequenz voraus, die man anstelle der beinahe 20 Minuten, die sie sich Zeit nimmt, locker und zum Wohl des Films auf drei-vier Minuten hätte zusammenstauchen können – allein in dieser Phase verrauchte fast mein komplettes Interesse am Ausgang der Story.

Handwerklich ist der Streifen allerdings perfekt – im Gegensatz zu vielen anderen kanadischen Genre-Produktionen sieht „The Collector“ tatsächlich nach „großem Kino“ aus, die Kameraführung ist nicht herausragend, aber angemessen und atmosphärisch und allein die Tatsache, daß wir US-heimgesuchten Filmkonsumenten Quebec City nun nicht wirklich so in- und auswendig kennen wie New York oder L.A. verleiht dem Look des Films eine gewisse Exotik. Leider ist der perfekte Handwerker nicht immer der perfekte Spannungsregisseur und obwohl Jean Beaudien versucht, aus der Vorlage (zu deren Schwächen sicher auch zählt, dass schon die Hauptfigur Maud Graham sichtlich auf eine ganze Romanserie hin ausgelegt ist… und tatsächlich existieren mittlerweile wohl vier Maud-Graham-Romane) alles an Suspense rauszuholen, was möglich ist, aber der letzte Funke will einfach nie überspringen.

Vielleicht liegt es auch ein wenig an den manchmal etwas überforderten Darstellern. Maude Guérin kann ich die taffe, einsiedlerische Ermittlerin nicht ganz abnehmen, und ganz besonders nicht ihren scriptbedingten und schon dort wenig glaubwürdigen Hang zu den Straßenkids (mir drängt sich zwar eine Erklärung hierfür auf, aber die ist nicht jugendfrei und ganz gewiß nicht im Sinn des Erfinders). Luc Picard ist mir als Psychokiller nicht bedrohlich genug (der Typ sieht über weite Strecken eher aus wie ein Penner und nicht wie ein Psycho) und die beiden jugendlichen Akteure Lawrence Arcouette (Gregoire) und Charles-André Bourassa (Frederic) fetzen mich mit ihrer Schauspielkunst auch nicht grad pausenlos vom Stengel (wobei ich allerdings durchaus nervigere Kid- und Youth-Darsteller gesehen hab). Einige scheinbar recht fähige Nebendarsteller (und potentiell interessante Subplots) um Mauds Zuarbeiterin Josee (Julie Ménard) und ihren heimlichen Verehrer Roger (Christian Bégin) werden verschenkt.

Die deutsche Fassung ist gegenüber der ursprünglichen kanadischen (oder sollte man genauer „quebecer“ sagen?) um knapp 15 Minuten gekürzt, wobei es sich ausschließlich Storyelemente betroffen sind und diese sich komplett als „deleted scenes“ auf der deutschen DVD finden. Unter dem entsprechenden Punkt mehr dazu.

Bildqualität: „The Collector“ wird im anamorphen 1.78:1-Widescreen präsentiert und zeigt sich in der Umsetzung beinahe makellos – es sind keinerlei Störungen zu verzeichnen, das Bild ist klar und angemessen scharf, der Kontrast jederzeit ausreichend – ein sehr gut gelungener Transfer, der in allen Belangen überzeugen kann (bei der Aktualität des Quellmaterials sollte man das aber auch erwarten können).

Tonqualität: Sunfilm steuert fünf Tonspuren bei – deutsche Sprache gibt’s in Dolby-5.1 und -2.0-Mix sowie in DTS, den französischsprachigen O-Ton in Dolby 5.1 und 2.0 mit optional wählbaren Untertiteln. Die von mir probegehörten 5.1-Spuren können beide vollauf überzeugen, bieten hervorragende Sprachqualität und lassen auch dem Soundtrack sowie den Toneffekte ihren angemessenen Raum. Schon allein aus Kuriositätsgründen bevorzugte ich letztendlich den französischen Ton, denn die entzückende quebecer Eigenschaft, immer wieder englische Redewendungen in ihr Französisch einzuwerfen, bringt irgendwie Freude und Frohsinn.

Ausstattung: Herzstück des Bonusmaterials sind die für die deutsche Veröffentlichung geschnittenen Szenen, wobei man einerseits ärgerlich sein will, daß man den Film für einen hiesigen Release zusammenkürzte, andererseits aber feststellt, dass besonders die zentralen unter den Tisch gefallenen Szenen (eine über fünfminütige Sequenz, in der Maud einen vermeintlichen Zeugen auftreibt und verhört und eine siebeneinhalbminütige Szenenfolge, in der Maud mit Frederic ihre Eltern besucht, wobei die wenigstens erklärt, wie der Killer später an gewisses Bildmaterial herankommt) das eh schon gemächliche Tempo des Films noch weiter eingebremst hätten – die zwei-drei kürzeren noch herausgeschnippelten Szenen tun für den Film nichts weiter zur Sache und sind uninteressant. Desweiteren findet sich der Trailer, der auf der Leih-DVD in ungeschnittener Form präsentiert wird (weswegen der Rental-Release „keine Jugendfreigabe“ kassiert hat, auf der Kauf-DVD ist der Trailer geschnitten und wie der eigentliche Film FSK 16… kurios) und der zu den besseren Trailern gehört, die mir in letzter Zeit untergekommen sind. Unter „Artwork“ verbirgt sich eine vollständig überflüssige Spielerei mit digitalverfremdeten Covermotiven, deren tieferer Sinn sich mir entzieht, dazu gibt’s noch knappe und nicht überaus informative Filmographien zu Regisseur, Autorin und den wesentlichen Darstellern. Drei Trailer auf weitere Sunfilm-Titel runden die Extras ab.

Fazit: „The Collector“ erfindet das Serienkillergenre nicht neu. Der Streifen erkundet thematisch kein Neuland, gewinnt dem mörderischen Treiben keine neuen Aspekte ab. Ein paar sozialkritische Abschweifungen ins harte Los der Straßenkinder und in Richtug Pädophilie mögen gut gemeint sein, rauben dem Film aber sein Momentum. Im Vergleich zu durchschnittlichen neueren US-Vertretern des Genres ist „The Collector“ vergleichsweise betulich im Tempo, dafür vergleichsweise hart in seinen (wenigen) Effekten. Insgesamt meines Erachtens eher ein Streifen für Genrekomplettisten als für Gelegenheitsseher, denen möchte ich dann doch lieber zu den Klassikern wie eben „Das Schweigen der Lämmer“ raten, dort ist das ganze nicht nur packender und effektiver, sondern auch psychologisch fundierter. Die DVD von Sunfilm ist allerdings insgesamt recht gut gelungen und bietet von sich aus keine Argumente gegen den Erwerb.

3/5
(c) 2006 Dr. Acula


mm
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