The Call

 
  • Deutscher Titel: The Call
  • Original-Titel: Chakushin ari
  • Alternative Titel: One Missed Call |
  • Regie: Takashi Miike
  • Land: Japan
  • Jahr: 2003
  • Darsteller:

    Ko Shibasaki (Yumi Nakamura), Shinichi Tsutsumi (Hiroshi Yamashita), Kazue Fukiishi (Natsumi Konishi), Anna Nagata (Yoko Okazaki), Atsushi Ida (Kenji Kawai), Mariko Tsutsui (Marie Mizunuma), Azusa (Ritsuko Yamashita)


Vorwort

Während eines geselligen Beisammenseins mit Kommilittonen bimmelt das Handy der Studentin Yoko. Der Anrufer hinterlässt eine Voicemail, doch wie Yoko und ihre Freundin Yumi schnell herausfinden, ist die Nachricht ausgesprochen seltsam – sie kommt von Yokos eigenem Handy, ist zwei Tage in der Zukunft datiert und besteht aus einem belanglosen Gesprächsfetzen Yokos und ihrem gellenden Schrei… Das ist zweifellos sehr mysteriös und Zeuch, aber da sich niemand einen sonderlichen Reim drauf machen kann, wird die Sache unter „schlechter Scherz“ verbucht und verdrängt. Bis der Zeitpunkt der Nachricht näher rückt – im entscheidenden Moment telefoniert Yoko gerade mit Yumi, als sie über eine Eisenbahnbrücke spaziert. Yumi, der die ominöse Nachricht wieder einfällt, muss hilflos zuhören, wie Yoko die bewussten Worte spricht und wenig später schreiend in den Tod stürzt – auf und konsequenterweise unter einen Zug, der sie in diverse Einzelteile zerlegt…

Verständlicherweise herrscht unter Yumis Freunden Gesprächsbedarf, zumal niemand so recht die polizeiliche Theorie vom Selbstmord glauben mag. Beunruhigt ist z.B. Kenji, der ebenfalls eine unheimliche Voicemail erhalten hat. Blöderweise spricht er mit Yumi gerade mal zwei Minuten vor dem gewissen Zeitpunkt X – und so kann Yumi aber zumindest dieses Mal wenigstens dabei zusehen, wie Kenji in einen Fahrstuhlschacht stürzt. Pardauz und Abgang Kenji.

Yumi und ihrer BFF Natsumi ist nun relativ klar – die Nachrichten, die auf den Handys eintrudeln, stammen vom Zeitpunkt des noch in der Zukunft liegenden Todes des betreffenden Fonbesitzers. Das ist insofern schlecht für Natsumi, alldieweil sie die nächste Rezepientin der Voicemail from Hell ist. Ob Yumis schnell in die Tat umgesetzter Vorschlag, den Handyvertrag zu kündigen und das Telefon fachmännisch entsorgen zu lassen, nun wirklich zielführend ist, kann man dahingestellt sein lassen. Wichtiger ist vielmehr, dass die Medien (TM) Wind von der Sache und dem Anruf auf Natsumis Handy bekommen haben. Sensationslüstern drängt ein TV-Produzent Natsumi dazu, sich live zur besten Sendezeit (und ihrem annoncierten Todeszeitpunkt) vor Millionenpublikum exorzieren zu lassen. Zwar hält der Producer die ganze Angelegenheit für schnöden Tinnef, mit dem man aber billig Quote machen kann, doch als ein Natsumi für ein spontanes Foto in die Hand gedrücktes Fremdhandy umgehend eine gruslige Bildnachricht abspielt, in der Natsumi von einer… Gestalt bestalkt wird, ist der Fernsehfuzzi geneigt, die Sache a) ernster zu nehmen und b) weiter auf das TV-Event zu drängen, weil angeheuerte mediale Exorzist angeblich ein echter Meister seines Faches ist. Yumi versucht Natsumi von der dummen Idee abzubringen, wird aber selbst abgelenkt – da schlurcht jemand im Hintergrund rum, der sich auffällig für die ganze Chose interessiert. Yumi stellt den Zaungast und findet in Hiroshi Yamashita einen Verbündeten.

Hiroshi ist nämlich davon überzeugt, dass seine bei einem Feuer umgekommene Schwester Ritsuko selbst ein Opfer der tödlichen Voicemail geworden ist, und versucht nun herauszufinden, was genau hinter der Angelegenheit steckt. Yumi berichtet davon, vor Kenjis Tod das Geräusch eines Asthma-Inhalators gehört zu haben. Das bringt Hiroshi auf die Idee, im Krankenhaus, in dem Ritsuko gearbeitet hat, nach verstorbenen Asthma-Patienten zu fahnden (man zieht in Japan offensichtlich schnell nicht unbedingt auf der Hand liegende Schlussfolgerungen). In der Tat gibt es da ein zehnjähriges Mädchen namens Mimiko, das offenkundig einer Problemfamilie entstammte. Mimikos Schwester Nanako war alle Nase lang verletzt, so dass Gerüchte um Misshandlungen aufkamen, doch Nanakos Mutter kümmerte sich stets rührend um sie. Yumi wirft das Münchhausen-Stellvertreter-Symptom ein, eine psychische Störung, bei der Eltern ihre Kinder absichtlich „krank“ machen, um durch die aufopferungsvolle Pflege dann Lob und Anerkennung zu ernten. Mimiko soll gestorben sein, weil die Mutter sich bei einem Asthmaanfall nicht um sie kümmerte. Tragisch, fraglos, aber Grund für grausame Mordtaten aus dem Jenseits?

Yumi und Hiroshi versuchen, den Live-Exorzismus zu stoppen, kommen aber zu spät. Das Fernsehereignis geht natürlich gründlich schief und der Todesgeist oder was auch immer hinter den Voicemails steckt, bewerkstelligt es, dass Natsumi sich auf groteske Weise selbst die Rübe abschraubt. Und prompt klingelt nach dem Todesfall ein Handy – und jetzt ist die Nachricht für Yumi. Zwei Tage bleiben ihr und Hiroshi, das Rätsel zu lösen…


Inhalt

Miike mal wieder. Über die Karriere des japanischen enfant terrible haben wir uns ja schon des öfteren ausgelassen und müssen daher nicht en detail erneut ausbreiten, wie sich der Maestro vom Garagen-Randalefilmer, der, wenn’s sein muss, zehn Filme pro Jahr mit seinem Videoequipment filmen konnte, zu einem renommierten Regisseur mauserte, der trotz seines Vordringens in den Mainstream und der Schaffung von großformatiger Fantasy für Kids und seriösen Actionthrillern für das erwachsene Publikum seine anarchistische Ader nie ganz verloren hat und zwischen seinen großen Studioprojekten immer wieder mal einen durchgeknallten Outsider wie „Yakuza Apocalypse“ einstreut. Fragt man sich, wann genau aber der Übergang vom Krawallbruder zur Massen-Kompatibilität erfolgte, kann man wohl mit gewisser Berechtigung auf „One Missed Call“ (in Teutonien als „The Call“ gelaufen) deuten.

Takashi Miike hatte schon zuvor mit Horror-Motiven gespielt (z.B. in „Audition“, dem ersten Film, mit dem Miike bei der Arthouse-Crowd für Aufsehen sorgte), aber hier wagt er sich zum ersten Mal richtig in die Gefilde des seinerzeit angesagten J-Horrors, jener speziell japanischen Nische des Geisterfilms, der durch „Ringu“ und „Ju-On“ dem Nippon-Genrefilm internationalen Respekt und kommerziellen Erfolg erarbeitet hatte. Wie so oft muss man sich auch hier kritisch fragen, ob es nicht kontraproduktiv war, aus einer Handvoll Filme, deren USP es schließlich war, dass sie *völlig anders* waren als das, was Hollywood uns seit Jahr und Tag als Horror präsentierte, gleich wieder eine vogue zu machen und den Markt mit Sequels, Rip-offs, Varianten und Remakes zu überfluten, bis auch der letzte wohlmeinende Asia-Freund verzweifelt erst das Handtuch und sich dann dem Torture Porn an den Hals warf. Will sagen, das Subgenre funktioniert (sofern man behauptet, es funktioniere, und ich kenne genug Leute, die dieses Statement sofort bestreiten würden) innerhalb sehr eng gesetzter Rahmenbedingungen und erlaubt grundsätzlich nicht viel an unterschiedlichen Geschichten, die in diesem Rahmen erzählt werden können.

Wer also „Ringu“ in irgendeiner seiner diversen Inkarnationen gesehen hat, dem wird „One Missed Call“ schon bald recht bekannt vorkommen. Anstatt eines Todesfluchs per Video haben wir hier halt einen Todesfluch per Handy-Nachricht. Die großartigste „Innovation“ der Geschichte ist, dass der Fluch nicht weitergegeben werden kann, sondern auf jeden Fall tödlich endet und dann vom Handy des Opfers auf das des nächsten Opfers weitergegeben wird. Nicht der Gipfel der Originalität, aber, wie gesagt, das sind J-Horror-Filme und ihre Epigonen selten. Miike widersteht immerhin der Versuchung, die Geschichte in eine größere Mythologie einzupflegen (das übernahm dann das Sequel) oder den Fluch als Metapher für dieses oder jenes einzusetzen, sondern inszeniert die Nummer geradlinig und optisch höchst gefällig, auch wenn der Stoff ihm nicht viele Möglichkeiten bietet, visuelle Sperenzchen einzubauen, wie er es in seinen eigenständigeren Werken gerne tut. Er beschränkt sich darauf, die Story als schlichte Spannungsgeschichte zu erzählen, soweit das im Rahmen eines Plots, der – auch das ist nun nicht gerade J-Horror-„Neuland“ – nicht immer in sich schlüssig ist, in dem Zusammenhänge oftmals einfach behauptet werden, ohne dass man uns hierfür handfeste „Beweise“ liefert, möglich ist. Man muss schon ein Faible für die bedachte Erzählweise des Genres haben, um gespannt wie ein Flitzebogen vor der Flimmerkiste zu sitzen und nicht das Interesse so nach ’ner Stunde langsam wegmäandern zu lassen.

Ein gewisses dramaturgisches Problem ist natürlich, dass der Film seinen eindeutigen Höhepunkt, den katastrophal verlaufenden Live-Exorzismus Natsumis, deutlich zu früh verschießt und auf dieses set-piece nicht wirklich was draufsetzen kann. Der eigentliche „showdown“ (vor dem obligatorischen Twist-Ende) jagt seine Protagonisten halt wieder einmal durch ein verlassenes, marodes Hospital und nimmt dann noch ein (bewusst als falsche Fährte angelegtes, aber dennoch unterwältigendes) unspektakuläres Ende. Generell – und auch wieder absolut im Bereich des gewohnten für das Genre – befleißigt sich der Streifen eines ruhigen Erzähltempos, versucht Platz für die Charaktere zu lassen (die dennoch ein wenig underwritten wirken) und Stimmung durch die dosiert eingesetzten und weniger auf blutigen Splatter denn das Groteske ausgelegten FX zu schaffen. Natürlich greift auch hier wieder das Klischee des schwarzhaarigen Geistermädchens, dessen inflationärer Einsatz im Genre schon amüsieren kann, und ebenso klar ist, dass Miike schon versucht, den ein oder anderen „Sadako“-Moment zu schaffen, ohne dabei aber ein visual hinzubekommen, das auch nur ansatzweise an das offensichtliche Vorbild aus „Ringu“ heranreicht.

Optisch ist das alles durchaus gefällig, wenngleich mir die Fotografie gelegentlich etwas TV-artig „flach“ vorkommt. Der Score ist unauffällig, fügt sich aber insgesamt recht harmonisch ins Gesamtbild ein.

Die Schauspieler sind in Ordnung – man befleißigt sich überwiegend eines recht nüchternen, zurückgenommen Spiels, speziell für asiatische Verhältnisse, was gelegentlich fast etwas *zu* distanziert wirkt. Ko Shibasaki (Yumi) und Ana Nagata (Yoko) kannten sich schon von „Battle Royale“ her. Während Nagata nach einem Stint in der Super-Sentai-Serie „Kamen Raider“ die Schauspielkunst an den Nagel gehängt zu haben scheint, ist Shibasaki noch munter aktiv, wenngleich primär im japanischen TV. Auf den Kinoleinwänden der Welt konnte man sie u.a. in „47 Ronin“ sehen. Kazue Fukishi (Natsumi) erledigt ebenfalls viel TV-Arbeit, aber auch in Miikes „13 Assassins“-Remake und dem recht wohlgelittenen Horrorfilm „Noriki’s Dinner Table“ in der Hauptrolle am Start. Shinichi Tsutsumi (Hiroshi) verdiente seine Sporen als Bühnenschauspieler, ist mittlerweile aber auch gefragter TV-Schauspieler mit gelegentlichen Kinoausflügen, so z.B. in „Unlucky Monkey“, „Space Battleship Yamato“ oder „Drive“.

Die mittlerweile recht betagte DVD von e-m-s zeigt den Film in adäquatem, etwas steril wirkenden 1.85:1-anamorph. Deutscher und japanischer Ton werden jeweils in Dolby Digital 5.1 geboten, deutsche Untertitel werden mitgeliefert. Als Extras gibt es den Trailer, ein kurzes making-of und eine Miike-Biographie.

„One Missed Call“ ist, summa summarum, ein ordentlicher Film, handwerklich sauber, passabel gespielt, aber eben auch ein sehr „typischer“ J-Horror-Film ohne große Eigenständigkeiten oder originelle Einfälle. Das lässt sich ganz gut wegschauen, hinterlässt aber kaum bleibenden Eindruck, weil Miike hier vielleicht das eine Mal in seiner Karriere zu wenig riskiert hat, zu selten seine eigene Handschrift durchblicken lässt und letztlich etwas abliefert, was man normalerweise nicht von seinen Werken sagen kann: Stangenware.

(c) 2018 Dr. Acula


BOMBEN-Skala: 5

BIER-Skala: 6


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