- Original-Titel: The Brain Leeches / The Halloween Planet
- Regie: Fred Olen Ray
- Land: USA
- Jahr: 1978
- Darsteller:
The Brain Leeches:
Paul Jones (Dr. Hayes), Marcia Scott (Susan), Ray Starr (Rusty Fender), Jennifer Knight (Rose), Fred Olen Ray (Tom, als Brian Wolfe), Brad Linaweaver (Billy Johnson), Ron Wright, Mark Stanfill, Tim Barrett, Sugar Lee, Malcolm Brooks, Christopher Ray, Mike Smith, Sandy Potter, Ace Dupre, „Wild Bill“ Cooksey
The Halloween Planet:
Kirk Alyn (The Watcher)
Vorwort
Etwas ist faul in den Wäldern und Sümpfen rund um das floridanische Provinzkaff Pine Castle. Der erste, der’s rausfindet, ist ein argloser Freizeit-Angler (von der Sorte, die nichts mehr stört, als wenn tatsächlich einer anbeißt), der von seinem Fang in den See gezogen wird und dort ein garstiges Schicksal erleidet. Der Nächste ist Dr. Hayes, der von einer extrem langweiligen Medizinertagung zurückgekommen ist, eigentlich ’ne Mütze Schlaf und seine Ruhe haben will, und umgehend von Sheriff Tom zu der übel zugerichteten Leiche des Fischersfritz gerufen wird – die hat man gar nicht erst in die Leichenhalle geschafft, sondern gleich in Hayes‘ Wohnstube deponiert (und dass sie grausam entstellt ist, da müssen wir uns auf’s Wort der Aktiven verlassen. Zeigen kann man’s uns aus Gründen höherer Gewalt nicht). Dr. Hayes ist ratlos – mehr, als dass irgendwerwaswie dem armen Kerl das ganze Gehirn weggelutscht hat, wie Mr. Rasczak sich auszudrücken belieben würde, kann er nicht feststellen. Es würde Hayes vielleicht helfen, wüsste er, was ein junger schnöseliger Reporter schon weiß… die Aliens sind gelandet! Nun, das behauptet zumindest ein Hillbilly-Yokel der untersten Kategorie in einem Exklusiv-Interview. Reportersmann ist zwar davon überzeugt, dass der Hinterwäldler ein paar alte Drive-in-Filme zu viel gesehen hat, begibt sich aber trotzdem an den Ort der mutmaßlichen UFO-Landung. Dort findet er keine Außerirdischen, aber ein paar nicht minder unangenehme Pseudozombies mit gesundem Appetit auf Menschenfleisch.
Dieweil überrascht Sheriff Tom Dr. Hayes damit, nicht mehr großartig an der Lösung des toten Angler-Mysteriums interessiert zu sein, sondern dringlicher den Doktor zu einer alten Lagerhalle zu bringen, und wenn der nicht spurt, dann eben mit vorgehaltener Kanone. Der Sternträger ist nämlich zwischen zwei Szenen freundlicherweise zum Invasoren-Team übergetreten und soll Hayes zum Oberalien bringen. Der sieht zwar aus wie ein Kackhaufen, ist aber ein „Brain Leech“ und verkündet dem verblüfften Dottore seinen Plan. Weil die Menschen nach allgemein außerirdischer Ansicht zu doof sind, um sich selbst zu regieren, wollen dies zukünftig die Aliens übernehmen. Mr. Kacka verspricht ein sorgenfreies Utopia, der einzige Haken aus Menschensicht ist halt, dass unsereins in diversen Kasten Sklaven sein sollen. Hayes hält das alles für verdächtig kommunistisch und dem American Way zuwiderlaufend, aber die Invasoren haben an alles gedacht – z.B. an einen umgedrehten snake-oil-salesman namens Billy Johnson, der den Menschen die Segnungen der Weltallegelherrschaft nahebringen soll
Während Billy Johnson also, nachdem er Hayes nicht sonderlich beeindrucken konnte, in einem örtlichen Musikclub eine Pro-Alien-Stand-up-Comedy-Routine vergeigt und auch der Brain-Leeches-from-Outer-Space-Song von Country-Sänger Wild Bill Cooksey nicht auf großartige Gegenliebe stößt, stolpert ein echter Held über den Alien-Plan – der ehemalige Atomphysiker und jetzige Pro-Wrestler Rusty Fender, der die Maid Susan rettet, als die gerade von Zombies attackiert wird. Während Hayes von seiner eigenen zombifizierten Frau gekillt und aus dem Spiel genommen wird, zieht Rusty die richtigen Schlüsse. Die Aliens beherbergen in ihrem Hauptquartier aus unspezifizierten Gründen jede Menge tödlich-explosives Gas. Wenn man das in die Luft jagt, dann hat sich die Invasion erledigt…
Inhalt
Manche Dinge sind eigentlich nicht für’s Licht der Öffentlichkeit bestimmt und/oder geeignet. Dazu gehört sicherlich auch „The Brain Leeches“, der erste „Spielfilm“ von Fred Olen Ray, wenn man ihn so nennen will, 1977 als totale Ultra-Amateur-Produktion für ein Budget von ungefähr 250 Dollar entstanden. Wir erinnern uns – das war eine Zeit, als noch nicht jeder Dorfdepp, der halbwegs weiß, wie rum man eine Videokamera oder ein Smartphone halten muss, ohne weiteres etwas fabrizieren kann, was mit dreieinhalb zusammengekniffenen Hühneraugen „Film“ genannt werden kann. Die Technik war kruder, und dementsprechend auch die Resultate – und dass „The Brain Leeches“, seien wir ehrlich, nicht besser aussieht als „home movies“ aus dem Urlaub oder von der Weihnachtsfeier, ist in gewisser Weise verständlich und unvermeidlich.
Ray drehte das Ding auf 16 mm und in schwarz-weiß, schließlich ist der Streifen, wie bei einem Amateur, der „mal ’nen Film machen will“, nicht unüblich, Ausdruck dessen, was seinen Macher in seiner Adoleszenz bewegt und beeinflusst hat – von Roger Cormans frühen SF-Schlockern („The Beast with a Million Eyes“ wird sogar wörtlich erwähnt) über dem Paranoia-Klassiker „Die Dämonischen“ bis hin zu Romeros „Nacht der lebenden Toten“, wobei die beiden Letztgenannten praktisch das Grundgerüst der „Story“ von „The Brain Leeches“ ausmachen. Natürlich ist das Unterfangen ausgesprochen primitiv, sowohl technisch als auch dramaturgisch. Die schlanken 54 Minuten Laufzeit werden ob der Verweigerung an sinnvolles Storytelling schon ermüdend, und da helfen die logischerweise unprofessionelle Kameraarbeit und der rumpelige Schnitt natürlich nicht weiter. Das „Script“ basiert auf einer Idee von Brad Linaweaver, mittlerweile nicht unerfolgreicher SF-Autor, Hörspielproduzent und Herausgeber des Filmmagazins „Mondo Cult“, der auch die Rolle des Alien-PR-Kollaborateurs Billy Johnson übernommen hat. Die „Erzählstruktur“ ist konfus – wir könnten zunächst mal auf die Idee kommen, Dr. Hayes wäre unser Protagonist, da er ausgiebig von einem voiceover-Kommentar, der gleichermaßen versuchen muss, eine Art semidokumentarisches Flair einzubringen, Lücken in der Dramaturgie zu füllen UND stumm geschossene Aufnahmen zu kaschieren (Coleman Francis wäre stolz), vorgestellt wird, aber der geht, nachdem er sich dem Alien-Plan widersetzt, recht unbürokratisch hops, und wird durch Rusty Fender ersetzt (man könnte auf die Idee kommen, der Hayes-Darsteller Paul Jones hätte irgendwann während des Drehs das Handtuch geworfen und weil man das bis dahin gedrehte Material auch nicht wegwerfen wollte, hat man halt einen neuen Helden aus dem Hut gezaubert, quasi ein Tag Team-Move). „Atomphysiker-cum-Wrestler“ ist freilich eine nette Biographie (und dass Fred ein Herz für den professionellen Showkampf hat, weiß man ja, schließlich war er auch selbst als Wrestler in der Indie-Szene unterwegs), und so wird Rusty mit einem Sparrings-Match gegen einen maskierten Luchadore im heimischen Vorgarten vorgestellt (Santo-Choreographie isses grade nich‘).
Aber selbst in der Non-Erzählung des Films verbergen sich noch ein paar witzige Ideen, die den Weg zu Rays lustig-trashigen 80er-Movies wie „Hollywood Chainsaw Hookers“ oder „Evil Toons“ weisen – die stand-up-Routine und der Auftritt des Country-Sängers (der wohl so eine Art „local celebrity“ gewesen sein muss, bekommt er doch einen „special guest star“-Credit) ist ein netter Einfall, und leise kichern musste ich auch, als Rusty und Susan sich darüber einig sind, dass es, bevor die Welt gerettet wird, immer noch Zeit für eine kleine Fickerei hat (natürlich ohne nudity, denn für einen Film wie diesen lässt nun wirklich niemand die Hüllen fallen).
Hauptsächlich „beeindrucken“ allerdings die shortcuts, die Ray freudestrahlend nimmt, um den Fluch eines nicht vorhandenen Budgets zu kompensieren. Das Ober-Alien sieht, wie gesagt, im Wortsinne beschissen aus (und seine Flüsterstimme ist nervig), aber man muss es bewundern, wie Ray aus einer Handpuppe mit aufgeklebten googly eyes ein böses Invasorenmonster zaubert. Die von den Aliens zombifizierten Opfer kommen ohne make-up-Effekte aus – für leere Augenhöhlen braucht man keine Kontaktlinsen, wenn man den Leuten auch papier-cut-outs vor die Pupillen kleben kann (einer der besseren Einfälle ist es denn auch, dass die sich ihres Aussehens durchaus bewussten Zombies Sonnenbrillen auf die Nase setzen. They may be zombies, but they’re cool!). Und dass die „Leeches“, die ihren Opfern schon mal in oder aus irgendwelchen Körperöffnungen kriegen, nicht aussehen wie Egel, sondern wie Ameisen, liegt daran, dass man im Spielzeugladen vielleicht große Gummi-Ameisen kaufen kann, aber eben keine Gummi-Egel (but it’s sorta stop-motion!). Für die neue Blu-Ray-Fassung hat Ray dem Streifen offenbar eine Audio-Überarbeitung spendiert – der Score klingt verdächtig frisch eingespielt und die auch im Originalfilm vorhandenen Songs von Paul Jones und Sugar Lee wurden wohl auch neu vom Tonträger auf die Disc überspielt – sorgt für einen ziemlich strengen Kontrast zwischen der auch durch digitale Entrümpelung nicht entscheidend verbesserten Bildqualität (in manchen Szenen kann man echt nur raten, was passiert, weil sich das Bild auf der HD-Glotze in fröhliches Wohlgefallen in Graustufen auflöst) und der in CD-Qualität plärrenden Musik.
Die Darsteller sind durch die Bank Laien und grauenhaft. Paul Jones‘ Antischauspiel MUSS man mal gesehen haben, das transzendiert schon die übliche Ratlosigkeit von vor die Kamera gezerrten Freunden des Regisseurs, die mit der Schauspielerei nix am Hut haben, ins Reich des Surrealen. Ein Hinkucker ist auch Jennifer Knights „Panik“, als sie von den Ameisen-Egeln angegriffen wird – das ist nicht Todesangst, das ist maximal leichtes Angenervtsein, und nicht mal das überzeugend. Ray Starr als Rusty fällt in die Kategorie „so könnt ich’s auch“ (wobei ich hoffe, dass ich in „Sackaffen“ besser war, hihi), Brad Linaweaver hat zumindest Spaß an seiner turncoat-Rolle, aber der beste Schauspieler ist tatsächlich Maestro Fred Olen Ray selbst (unter dem Pseudonym Brian Wolfe) als Sheriff. Nicht vergessen wollen wir, dass Fred auch seinen Sohnemann Christopher im zarten Säuglingsalter vor die Kamera geschleift hat. Kein Wunder, dass der jetzt Asylum-Filme dreht…
„The Brain Leeches“ war offensichtlich nie für professionelle Vermarktung vorgesehen. Sinister Cinema brachte vor ein paar Jahren eine DVD-Version heraus, die höchstwahrscheinlich aber unautorisiert war. Und weil Fred der Meinung ist, dass wenn schon jemand Geld an seinem frühen Opus verdient, er das schon selbst sein sollte, hat er das Teil jetzt als Bonusfilm auf seinen limitierten Blu-Ray-Release von „The Alien Dead“ (dem, was Fred selbst als seinen ersten „richtigen“ Film bezeichnet) gepackt. Einen Audiokommentar gibt’s obendrein.
Ebenfalls auf dieser Scheibe und deswegen auch hier kurz abgehandelt findet sich ein Kurzfilm namens „The Halloween Planet“, den Fred 1981 vermutlich für einen floridanischen Lokalsender schrieb und produzierte. Regie führte ein gewisser Rodney E. Cavin. Es handelt sich dabei um einen Film für’s Kinderprogramm. Zebulon büxt mit seinem Raumschiff gelangweilt von zu Hause ab, doch weil sich ein blinder Passagier eingeschlichen hat (seine Schwester, deren Namen ich schon wieder vergessen habe), stimmen seine Berechnungen nicht und das Schiff bruchlandet auf einem unbekannten (verdächtig kürbisartigen) Planeten. Dort machen die Kinder erst Bekanntschaft mit einem Dinosaurier, ehe sie von Gräfin und Graf Dracula zur hier durchgängig stattfindenden Halloween-Fete eingeladen werden. Auf der Party treffen die Kinder alle möglichen Monster von Werwolf, Hunchback, Hexe bis hin zum Frankenstein-Monster, aber alle sind nett und freundlich und wollen nur, dass die Kinder Spaß haben. Am Ende reparieren die Monster das Raumschiff der Kids und schicken sie wieder nach Hause.
Das ist natürlich kein großer Weitwurf, ist aber überraschend charmant ausgefallen. Die Möglichkeiten, in einem Fernsehstudio zu drehen, sorgen für praktikable Kulissen und ordentliche Kostüme, außerdem gibt’s ein paar überraschend gute Effekte – der Stop-Motion-Dinosaurier ist für die Verhältnisse eines solchen Films echt klasse (ich hielt ihn zunächst für stock footage, aber es gibt wohl nicht sehr viele Archivaufnahmen mit winkenden stock-footage-Sauriern, außerdem wird jemand im Nachspann dafür kreditiert), die Puppetry für einen zweiköpfigen Mini-Saurier, der sich mit den Kindern anfreundet, ist auch okay, und sogar die Latex-Appliance für einen Zyklopen ist absolut in Ordnung für diese Gewichtsklasse. Und als Gutzi obendrauf wird die Geschichte von Kirk Alyn, the screen’s first Superman, als „Der Wächter“ erzählt und moderiert. Alyn lebte nach seiner Hollywood-Karriere in Florida und ließ sich später auch noch für Rays „Scalps“ vor die Kamera locken – alte Idole zu besetzen ist ja eins von Freddies Steckenpferden.
Der Film wird in ordentlicher Bild- und Tonqualität (4:3) dargeboten und kommt ebenfalls mit Audiokommentar.
Es wird ja kaum jemand in Verlegenheit kommen, sich „The Brain Leeches“ (oder „The Halloween Planet“) wegen des Films an und für sich zuzulegen, aber als Gratis-Beigabe zu „The Alien Dead“ (Review folgt) macht das nicht nur Sinn, sondern ist auch hochwillkommen. Für einen Fan von Fred Olen Ray sind seine ersten Gehversuche als Filmemacher allemal interessant (ungefähr um die Zeit stand Fred ja auch kurz mit Ed Wood wegen eines Drehbuchs in Verbindung. Dass da nix draus geworden ist… seufz) – und mag „The Brain Leeches“ nix taugen, so ist es doch bemerkenswert, wie sich Autodidakt Fred in nur wenigen Jahren zu einem absolut tauglichen Low-Budget-Filmer entwickeln konnte. Das macht „The Brain Leeches“ nicht *besser*, aber als wichtigen Schritt in Rays Entwicklung *wichtig*.
(c) 2018 Dr. Acula
BOMBEN-Skala: 10
BIER-Skala: 3
Review verfasst am: 08.02.2018