The Brain

 
  • Deutscher Titel: The Brain
  • Original-Titel: Head of the Family
  •  
  • Regie: Charles Band (als Richard Talbot)
  • Land: USA
  • Jahr: 1996
  • Darsteller:

    Blake Adams (Lance, als Blake Bailey), Jacqueline Lovell (Loretta), Bob Schott (Otis), James Jones (Wheeler), Alexandria Quinn (Ernestina, als Dianne Colazzo), Gordon Jennison Noice (Howard, als Gordon Jennison), J.W. Perra (Myron), Vicki Skinner (Susie), Robert J. Ferrelli (Weasel)


Vorwort

Eine x-beliebige Kleinstadt in den USA. Lance Bogan betreibt ein kleines Diner mit angeschlossemem Lebensmittelladen, das in Ermangelung irgendwelcher anderer Attraktionen so etwas das Zentrum des nichtsdestotrotz ausgesprochen öden sozialen Lebens der Gemeinde ist. Auch die Stackpooles, die örtliche „seltsame“ Familie, nutzt Lances Laden für ihre Einkäufe – die Stackpoole-Geschwister genießen den Ruf von „retards“, und das ist schwer zu widerlegen. Otis IST ein tumber Kraftprotz, Wheeler verlässt nie ohne seine Spezialbrille das Haus und Ernestine ist zwar nach Ansicht des diesbezüglichen Experten, Harley-Rocker Howard, das fickbarste Gerät der Stadt, aber auch nicht durch übermäßige Zerebralfähigkeiten auffällig.

Zudem dürfte Howard über solche Dinge gar nicht nachdenken, ist er doch mit der für meine Begriffe nicht minder knusprigen Loretta verheiratet. Loretta allerdings findet an Howard keinen Gefallen mehr und nutzt vielmehr jede günstige Gelegenheit, im Diner-Keller heiße Nummern mit Lance zu schieben. Den Ehebrechern ist eins klar wie Kloßbrühe – sollte Howard dahinter kommen, dass sein „bester Freund“ (zumindest hält er Lance dafür) seine Olle nagelt, können die Liebenden schon mal die Vorkehrungen beim Bestatter treffen. Lance hat zudem noch einen weiteren Grund, Howard irgendwie aus der Gleichung zu entfernen, denn Howie hat sich auf recht einseitige und ultimative Weise zu Lances Geschäftspartner gemacht, was nach Howards Vorstellung unschwer darauf hinausläuft, dass Lance weiterhin die Arbeit macht, seinen Gewinn aber zukünftig mit Howard teilen darf.

Die Lösung aller Probleme liegt auf der Hand – Howard muss WEG. Aber so mit persönlich andere Leute ausknipsen hat’s Lance dann auch nicht so, auch wenn die geile Loretta drängelt. Kollege Reiner Zufall kommt zur Hilfe. Bei einer nächtlichen Ausfahrt stoßen Loretta und Lance auf eine improvisierte Straßensperre, und die Umleitung führt zum Stackpoole-Anwesen. In einem unerwarteten Anfall von Intellenz beschließt Lance, die Sache auszubaldowern, bevor er seine Kalesche in die angegebene Richtung lenkt. Und lo and behold, Lance wird Zeuge, wie die Stackpooles einen anderen unglücklichen Verkehrsteilnehmer aus seinem Auto zerren, k.o. Schlagen, ins Haus schleppen und das Auto beseitigen. Hier ist eindeutig Foulspiel am Werk, und es wäre doch gelacht, wenn Lance die Situation nicht zu seinen Gunsten drehen könnte.

Es gelingt Lance tatsächlich – wenngleich etwas anders als erwartet – mit Myron Stackpoole, dem Patriarchen des Clans, Kontakt aufzunehmen. Myron ist basically nur ein riesiger Kopf mit Gliedmaßen und die Stackpooles, wie Myron erklärt, eineiige Vierlinge, die anstatt identisch zu sein, jeweils besondere Eigenschaften mitbekommen haben. Otis ist basically superstark, Wheeler hat enorm verschärfte Sinne, Ernestina ist ersichtlich in der Lage, jeden Mann mit ihren sexuellen Willies zu verführen und Myron hat die Geistesleistung mitbekommen. Die geschäftliche Grundlage ist schnell definiert – Lance weiß, dass Myron Menschen entführt und, wie der Kopf auch zugibt, im Keller grauenvolle Experimente durchführt, die letztendlich zum Ziel haben, dass Myron seinen Intellekt in einen anständigen Körper übertragen kann, und sähe sich womöglich genötigt, diese Kenntnisse per einem bei einem Anwalt hinterlegten Brief, den Autoritäten zu petzen, außer die Stackpooles würden eventuell Howard ihrer Sammlung lobotomisierter Oper hinzufügen.

Gesagt, getan, ein Kopf, ein Wort, und schon wenig später macht Howard Bekanntschaft mit Myrons Skalpellen… Sollten die Stackpooles allerdings gedacht haben, dass sie Lance damit los sind, haben sie sich getäuscht. Lance weiß auch, dass die Stackpooles auf einem beachtlichen Vermögen sitzen und an dem möchte er durch regelmäßige Schweigegeldzahlungen ganz bescheiden partizipieren, um sich so Dolce Vita mit Loretta zu finanzieren, ohne einer lästigen Vollzeitbeschäftigung nachgehen zu müssen. Scheinbar hat Lance an alle Eventualitäten gedacht, aber Myron ist von dem Arrangement schnell persönlich genervt und schickt sich an, mit seinen Geschwistern als ausführenden Handlangern, die Situation grundsätzlich zu ändern…


Inhalt

Full Moon! Charles Band! Konfettiparade!

Im mutmaßlich hoffnungslosen Bestreben, auch noch den letzten Charles-Band-produzierten Heuler zu besprechen, wenden wir uns heute mal wieder einem Film aus einer der „Zwischenperioden“ des Full-Moon-Imperiums zu.

„Head of the Family“ entstand in der Phase kurz nachdem Band den Distributionsdeal mit Paramount Pictures verloren hatte. Das war natürlich ein heftiger Einschnitt für Full Moon, denn Paramount garantierte durch seine einträglichen Vertriebskanäle ordentliche Budgets, die Band im Alleingang und ohne die garantierten Vertriebsmöglichkeiten nicht stemmen konnten. Nichtsdestotrotz versuchte Band sein Bestes – man fuhr die Produktion quantitativ zurück, um die limitierten Ressourcen in relativ sorgfältig gearbeitete „Prestige“-Produktionen zu stecken (in etwa der gegenteilige Ansatz zu Bands künftigem Gebaren mit neuen, mehr oder weniger finanzkräftigen Partnern wie Kushner-Locke oder Tempe, als Budgets bis unter das Existenzminimum zurückgefahren wurden und das Hauptaugenmerk darauf gelegt wurde, ungeachtet ihrer Qualität einfach so viel Produkte wie möglich in den Markt pumpen zu können).

Band ging sogar soweit, „Head of the Family“ so weit wie irgend möglich zu tarnen (obwohl er damit sicherlich niemanden hinters Licht führen konnte). Der Film selbst verschweigt jegliche Full-Moon-Beteiligung, sondern firmiert als „eine Tanna Produktion“ und Charlie, der als Regisseur persönlich Hand anlegte, versteckt sich hinter dem Pseudonym „Robert Talbot“ (und geht sogar soweit, im auf der Blu-Ray beigefügten Promo für ein potentielles Sequel, „Bride of the Head of the Family“, seine Rübe unter einer Henkerskapuze zu parken und seine Stimme zu verstellen). Ich bin mir nicht ganz sicher, was der Hintergrund ist – 1996 war der Ruf von Full Moon durchaus intakt, hatte das Studio, nebst der ein oder anderen Gurke, sicherlich, eine Fuhre von Videothekenrennern in die Spur gebracht, die bei den Fans gut ankamen und auch die Investoren zufrieden stimmten. Sich nun schamhaft hinter Fantasienamen zu verbergen, klingt eigentlich gar nicht nach Charlie, der ja durchaus mit gewissem Erfolg seine eigene Persona als Garant für eine typische Sorte Film etabliert hatte. Selbst „It Came From the Video Aisle“, das neue Standardwerk in all things Full Moon, hat dazu keine definitiven Antworten auf Lager.

Dabei ist „Head of the Family“ gewisse nichts, dessen man sich schämen müsste, ganz im Gegenteil. Seine Genesis geht auf eine immer noch vergleichsweise unbekannte Fußnote im Full-Moon-Kanon zurück, den kurzen Stint der Comic-Legende Jack Kirby im Reich des Vollmonds. Kirby ist, wie gesagt, so ziemlich der Gottkönig aller Comiczeichner, höchstwahrscheinlich verantwortlich für das Design Eures Lieblings-Superheldencharakters, eine prägende Gestalt des Silver Age der Comics, insbesondere was Marvel angeht, obschon er auch bei DC bis heute nachhallende Spuren hinterlassen hat. Kirbys Steckenpferd waren Charaktere, die in jeder Hinsicht „larger than life“ sind, also NOCH größer und mächtiger als Superhelden es eh schon sind. Die Marvel-Vorstellung von Asgard und den nordischen Göttern basiert im Wesentlichen auf Kirbys Vision (auch die Inhumans, die ich Kirby allerdings immer noch übel nehme, sind sie doch so ziemlich my least favorite part des Marvelkanons), und bei DC lancierte er – nach kreativen Differenzen mit Marvel und Stan Lee – die „New Gods“, ursprünglich gedacht als eine separate Comic-Continuity, der „Fourth World“, die über zahlreiche Retcons und Crossover ins reguläre DC-Universum integriert wurde. Kirbys Kunst war schlicht awesome – das wussten auch seine Editoren, die, von mir z.B. in einem Thor-Comic mal bemerkt, gerne mal per Textkasten darauf hinwiesen, dass einer von Kirbys berühmten Schlachten-Spreads folge und man sich als Leser, bitteschön, die Zeit nehmen möge, dies ausgiebig zu genießen.

Kirby arbeitete Anfang der 90er für einen cup-of-coffee bei Full Moon, immer auf der Suche nach neuen kreativen Outlets, und schuf einige Charkaterstudien, die nicht unmittelbar verwendet wurden, aber nach der übliche Evolution in „Doctor Mordrid“, „Mandroid“ und „Invisible“ (mit dem naheliegenden Gedanken an ein folgendes Superhelden-Team-up) endeten. Die Kirby-Verbindung zu „Head of the Family“ liegt vielleicht weniger auf der Hand, ist aber noch direkter. „Head of the Family“ basiert auf einem Kirby-Comic namens „Black Magic“ – letztendlich unkreditiert, aber durchaus merklich. Zwar wusste Benjamin Carr (Neal Marshall Stevens) nicht, dass er eine Comic-Adaption zu schreiben hatte, aber die Grundzüge der Geschichte sind nach wie vor zu erkennen. Wir wollen uns an dieser Stelle aber eine detaillierte Gegenüberstellung von Comic und Film ersparen (das soll schließlich kein Roman werden), und es dabei belassen, dass Myron Stackpoole durchaus eine „typische“ Kirby-Figur ist, bzw. wenn man erfährt, dass Myron auf einer Kirby-Kreation basiert, wird man zustimmend nicken und „macht Sinn“ murmeln.

„Black Magic“ war ein Horror-Comic und dementsprechend verwundert es nicht, wenn „Head of the Family“ sich wie eine typische EC-Tales-from-the-Crypt-Episode spielt. Das bringt uns zwar das Problem, dass wir nicht wirklich irgendeinen positiven Charakter haben, stört aber nicht weiter. Es funktioniert nicht immer, wenn wirklich alle Figuren in einem Film miese Schweine sind, aber wenn’s funktioniert, macht es halt durchaus Spaß, wenn solche Fieslinge aufeinander losgelassen werden und wir als Publikum uns entspannt zurücklehnen können, weil’s mit keinem, dem ein garstiges Schicksal zugdacht wird, einen Verkehrten trifft…

Lance treibt’s mit der Frau eines zumindest nominell Freundes (auch wenn der ein noch größeres Arschloch ist als Lance), und die Frau, nun, bei der ist schnell klar, dass sie mit jedem in die Kiste hüpfen würde, der ihr beim ultimativen Ziel, Howard loszuwerden, behilflich ist (als sie programmgemäß gemeinsam mit Lance in die Fänge der Stackpoole-Familie fällt, dauert es sprichwörtlich nur Sekunden, bis sie opportunistische Möglichkeiten wittert, Lance fallen zu lassen, um dafür Myron anzubaggern). Das ganze Mord- und Erpressungskomplott macht Lance natürlich auch nicht direkt zu einem Anwärter auf den Friedensnobelpreis, so dass man fast Mitleid mit dem schrägen Stackpoole-Clan gewinnen könnte, wüsste man nicht, dass der Freak-Viererpack selbst mit Freuden über Leichen geht und im Keller ein gutes halbes Dutzend hirngeschädigter Experimentalopfer vor sich hin vegetieren lässt.

Band handhabt den Stoff dramaturgisch nicht als Horrorfilm, sondern stärker als „Krimikomödie“, wenn man so will, verzichtet auf graphische Splatter- und Goreeinlagen (die SFX-Freunde können sich aber an einer Fuhre „netter“ make-up-FX ergötzen), mehr „character driven“ und kristallisiert die Geschichte auf ein, hrhm, „battle of the brains“ zwischen Lance und Myron hinaus. In dieser Disziplin muss Lance zwangsläufig am Ende verlieren, wenn nicht Loretta irgendwie noch Sand ins Getriebe streut. Carrs Script verfügt nicht nur über spot-on-Charakterisierungen (die zwar eindimensional sind, aber eben funktionieren), erstaunlich pfiffige Dialoge und schräge Ideen (in der Klimax lässt Myron seine „Patienten“ das Schauspiel „Johanna von Orleans“ aufführen, mit Loretta in der, eh, heißen Hauptrolle).

„Komödie“ meint dabei nicht, dass sich die Gags jagen – der Humor ergibt sich weniger aus gezielten Jokes denn aus der gesamten Atmosphäre des Absurden, die den Film durchzieht. Im Vergleich zu vielen späteren Full-Moon-Filmen ist „Head of the Family“ dabei nicht von der klaustrophobischen Enge – auch wenn das Budget nicht üppig gewesen sein dürfte und das Ensemble überschaubar bleibt, ist die Handlung nicht nur auf ein-zwei Sets beschränkt, erlaubt sich auch Außenaufnahmen und wirkt so deutlich weniger „reduziert“ als spätere „Kammerspiele“ wie „Halloween Horror House“ oder „Doll Graveyard“. Mit 83 Minuten ist der Streifen recht lang für Full Moon-Verhältnisse, aber schnörkellos inszeniert, nicht als Tempogranate, aber fettfrei ohne Leerlauf, mit durchaus anständiger Kameraarbeit des Routiniers Adolfo Bartoli und einem brauchbaren Score von Richard Band und Steve Morrell.

Wiewohl graphische Gewalt das Ding des Films nicht ist, lässt sich Band nicht in Sachen Sex und Nudity lumpen. Jacqueline Lovell, God bless her, hat mal wieder keine Probleme, sämtliche Hüllen mehrfach fallen zu lassen, und das ist bekanntlich ein sehr erfreulicher (alldieweil auch natürlicher) Anblick. Alexandria Queen erfüllt dafür den Silikonquotienten…

Womit wir beim Cast wären. Der ist vielleicht nicht super-namhaft, macht seine Sache aber durchaus gut. Blake Bailey née Adams war in „Lurking Feat“ zwar relativ blass, zeigt aber hier in einer zugegeben gehaltvolleren Rolle durchaus Engagement und Talent. Full-Moon-Fans können ihn in „Killer Eye“ noch mal bewundern, ansonsten reichte es aber nur für Bit-Parts und kleinere Seriengastauftritte (z.B. in „Justified“, „Criminal Minds“ und „Burn Notice“). Zu Jacqueline Lovell muss ich hoffentlich nicht viel sagen – Full Moons Go-To-Starlet der späten 90ern sieht nicht nur toll aus, sondern hat auch den unkopierbaren natürlichen girl-next-door-Charme, der es ihr auch erlaubte, zwischen Hard-, Softcore und „legitimem“ Film zu pendeln. Bob Schott, formerly Karate-Fighter und Armdrück-Weltmeister, könnte den tumben Otis auch in ein neues „House of 1000 Corpses“-Sequel transportieren, das würde klappen. Schotts größter Leinwandhit ist sicherlich „Gymkata“ (ähm), man kann ihn auch in „Bloodfist 3“, „Shootfighter: Fight to the Death“ oder „Future Hunters“ bewundern. Für James Jones (Wheeler) ist der hiesige Auftritt mit den gruseligen Riesenaugen sicher der Höhepunkt seiner knappen Filmographie, Alexandria Quinn (Ernestina, unter dem Pseudonym Dianne Colazzo) ist nun wirklich eine hauptamtliche Pornodarstellerin und erlangte gewisse Berüchtigkeit (wenn auch nicht in Traci-Lords-Skandal-Umfang), weil sie als Minderjährige (mit 16) im Pornobiz anheuerte. Seit 2012 scheint sie sich aus dem Gewerbe zurückgezogen zu haben. J.W. Perra überzeugt als Myron – eine Performance, die er dank des unermeßlichen Make-ups hauptsächlich mit Augen und Stimme erledigen muss, und in der er dem Riesenkopp tatsächlich eine charmante, eloquente Persönlichkeit verleiht. Perra spielte für Band auch in dem Familienfilm „Mystery Monsters“ und dem kaiju „Kraa! The Sea Monster“.

Die Blu-Ray von Full Moon (codefrei) bringt den Film in einem schönen 1.85:1-Transfer vom 35-mm-Material (ein paar Laufstreifen sorgen für den Hauch Authenzität für den Grindhouse-Puristen). Auch die Tonqualität kann überzeugen. Als Extras gibt’s nen Audiokommentar von J.W. Perra und das kurze Promo auf das bis dato nicht realisierte Sequel „Bride of the Head of the Family“.

Auch „Head of the Family“ reiht sich im oberen Drittel des Full-Moon-Outputs ein. Es ist ein trotz kleineren Budgets handwerklich ordentlicher, einfallsreicher kleiner „evil vs. evil“-Streifen, der auch dank seiner engagierten Besetzung einen guten Kanten Spaß macht. Auch Full-Moon-eher-Verächter können sich den mal ansehen, wenn „Mini-Monster“ (sofern man Myron nicht als solches sehen will), bleiben hier ausnahmsweise mal außen vor….

© 2018 Dr. Acula


BOMBEN-Skala: 4

BIER-Skala: 7


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