The Big Boss – Kampf der Triaden

 
  • Deutscher Titel: The Big Boss - Kampf der Triaden
  • Original-Titel: Ma Yong Zhen
  • Alternative Titel: Hero | Shanghai Hero - The Legend |
  • Regie: Corey Yuen
  • Land: Hongkong
  • Jahr: 1997
  • Darsteller:

    Takeshi Kaneshiro (Ma Wing Jing), Yuen Biao (Tam See), Jessica Hester Hsuan (Kim Ling-Tze), Yuen Wah (Ma Tai Cheung), Yuen Tak (Yuang Seung), Valerie Chow (Yam Yeung-Tien), Corey Yuen (Uncle Po)


Vorwort

Shanghai, in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts. Die Briten kontrollieren die Stadt und haben sie zu einem wichtigen Handelszentrum gemacht – die Folge ist Reichtum, eine unerhörte Anziehungskraft auf die in Armut lebende Landbevölkerung und ein hohes Maß an Kriminalität und Korruption. Die zwei großen Machtblöcke, die gegeneinander arbeiten, sind die Gang von Tam See, der von den Briten unterstützt wird, und das kriminelle Reich von Yuang Shan, der mit der chinesischen Polizei kooperiert. In diese explosive Gemengelage stoßen Ma Wing Jing und sein Bruder Ma Tai Cheung, zwei arme Burschen aus Shantung, die ihr Glück suchen. Aber der Traum vom schnellen Reichtum scheint schnell ausgeträumt, als sich nur übel bezahlte Kuli-Jobs finden lassen…

Als sich die Mas als Hafenarbeiter verdingen, geraten sie zufällig an Tam See, der die Docks kontrolliert und dem der renitente Neuankömmling auffällt. Tam See findet Gefallen an Ma Wang Jing, der nicht nur aus der gleichen Stadt kommt, sondern gesundes Selbstbewußtsein und einen fantastischen Kampfstil sein Eigen nennt. Dennoch lehnt Ma Wang Jing nach einem spektakulären Sparringskampf das Angebot ab, für Tam See zu arbeiten – er will seinen eigenen Weg gehen. Später schleichen sich die Mas in einen Tam Sees Nightclubs, um die berühmte Sängerin Kim Ling-Tze zu hören. Natürlich kann Ma Wang Jing nicht ahnen, dass Yuang Shan diesen Abend für eine kleine feindliche Übernahme ausgekuckt hat und seine Chef-Schergen, die „vier Axtkönige“ auf Mordtour geschickt hat. Ma Wang Jing mischt sich ein, rettet Kim das Leben (ohne zu wissen, wer sie ist) und vertreibt die rivalisierenden Gangster, lehnt aber erneut ab, in Tams Organisation einzutreten.

Immerhin lässt er Kim über seinen Bruder eine Einladung zu einem Date zukommen, doch auf dem Weg dahin werden er und Tai Cheung wegen eines kleinen Überfalls auf Westnasen verhaftet. Auf dem Polizeirevier überhören die Mas den Plan des Polizeichefs, Tam See bei einem „Geschäftstreffen“ mit Yuang Shan auszuschalten. Ma Wang Jing will Tam See warnen und bricht mit seinem Bruderherz aus dem Polizeigewahrsam aus. Das Zuschnappen der Falle kann er nicht verhindern, aber zumindest noch beim Zurückschlagen des Angriffs von Yuangs Killern assistieren. Tam See will ihm dankbar den Nachtclub schenken, doch daran hat Ma Wang Jing kein Interesse- zumal er sein Date mit Kim verpasst hat und die enttäuscht den nächstbesten reichen Schnösel geheiratet und die Stadt verlassen hat. Aber nun hält Ma Wang Jing nichts mehr auf – angeleitet von Tams früherer Clubmanagerin Yam beginnt er damit, sein eigenes kleines Imperium zusammenzuerobern, schön zu Lasten des zutiefst angepissten Yuang Shan. Mit Tam pflegt Ma ein freundschaftliches Verhältnis, bis das durch Yam vergiftet wird, die Ma dahin zu dirigieren scheint, auch Tams Territorien anzugreifen. Es kommt zu einem Streit zwischen Yam und Ma – und noch am gleichen Abend mit Ma von den Axtkönigen und schier hunderten Killern angegriffen. Ma wehrt sich nach Kräften, doch er hat keine Chance – den vermeintlichen Todesstoß versetzt ihm ausgerechnet Yam.

In der Tat kein guter Abend für die nicht-ganz-so-Bösen – Yuang ist es mit Hilfe des Polizeichefs gelungen, alle Banden gegen Tam See zu verbünden und ihm eine Falle zu stellen. Wobei es natürlich hilft, dass Tam Sees rechte-Hand-Mann Tiger seinen Boss verraten hat. Rowlinson, ein englischer Bürokrat, wird erschossen, Tam zum Krüppel geschossen und Yam halb tot vergewaltigt – bevor die Polizei alle anderen Gangs massakriert. Yuang ist nun uneingeschränkter König der Stadt und Tam See wartet als mutmaßlicher Mörder Rowlinsons auf seine Exekution. Doch Ma Wing Jing hat überlebt und wurde von seinem Bruder und Kim gesundgepflegt. Sobald Ma hinsichtlich der aktuellen Ereignisse auf dem neuesten Stand ist, dürstet er nach Rache – die soll am Tag von Yuangs Amtseinführung als neuem Vorsitzenden der Handelskammer geschehen…


Inhalt

Man vergisst es ja gerne… auch wenn die Blütezeit der Shaw Brothers sicher in der Phase von so ca. 1967 bis 1975 liegt und zumindest bis Anfang der 80er noch der ein oder andere denkwürdige Film unter Shaw-Banner erschien, war das legendärste aller HK-Studios auch später noch aktiv. Und wer einen veritablen Schatz an Genreklassikern im Archiv hat, dem kann man auch nicht verübeln, dass er auf die Idee kommt, das ein oder andere Schätzchen mal neu aufzulegen. „Boxer from Shantung“ war ein Chang-Cheh-Klassiker von 1972, in dem der große Innovator des HK-Action-Kinos sich nach einer Fülle von gloriösen historischen Schwertkampfepen mal an einem moderneren Setting versuchte. Der Streifen gehört sicher nicht zu den absoluten Meilensteinen in der Chang-Cheh-Filmographie, macht sich aber natürlich gerade dadurch für ein Remake interessant, das Potential dazu, das Original qualitativ zu übertreffen, ist jedenfalls vorhanden. Und da die Shaw Brothers mit Corey Yuen („No Retreat, No Surrender“) einen der anerkannt besten Kampfchoreographen und action directors der Neuzeit des Hongkong-Kinos verpflichteten, darf man schon ein bis zwei Augen auf das Resultat werfen.

Hier wie dort haben wir es also mit Aufstieg, Fall und Rachestreben eines jungen Burschen zu tun, der in der Großen Stadt (TM) feststellt, dass man nur auf kriminelle Weise zu Reichtum und Ansehen kommt, dabei aber notwendigerweise die Kreise der etablierten Player stört. Es ist eine universelle Geschichte, die wir natürlich auch in Hollywood gesehen haben, und sei’s mit einer der beiden „Scarface“-Versionen, aber this being Hongkong, ist die Herangehensweise natürlich eine etwas andere. Mehr noch als beim üblichen US-Mafia-Film ist man in Hongkong geneigt, das Gangsterleben ordentlich zu glorifizieren. Klar, das hat sicherlich auch damit zu tun, dass Hongkongs Filmindustrie seit Anbeginn der Zeit Geschäftsfeld und Spielwiese der Triaden, mithin also des organisierten Verbrechens, war und ist (wovon Leute wie Jimmy Wang Yu oder Jackie Chan ein fröhlich Liedchen trällern können), und man natürlich die Hand, die einen füttert, nicht zu heftig beisst. Deswegen gibt’s im HK-Film grundsätzlich die ehrenvollen Gangster und Killer, die sich an Codices halten, Gutes tun und Gewalt nur als letzte Lösung ansehen – in diesem Fall eben Tam See, der sich als upper-class-Gentleman und Geschäftsmann geriert, im Luxus schwelgt, aber doch eigentlich von einem einfachen zurückgezogenen Leben im Kreis einer liebenden Familie träumt. Sein Widerpart Yuang Shan ist der Gegenentwurf, der sadistische Killer, dem nichts an friedlicher Koexistenz gelegen ist, und der sich mit jedem verbündet, der ihm nützlich erscheint, und ihn wegwirft, sobald es eben opportun ist. Ma ist der Newcomer, der sich entscheiden muss, welchen Weg er gehen will, und dabei das fraglile Gleichgewicht in der bis ins Mark korrupten Stadt erschüttert.

Man kann darüber streiten, ob die Struktur des Films immer ganz glücklich ist und Yuen sich nicht vielleicht etwas mehr Zeit hätte nehmen sollen, eine Viertelstunde mehr Laufzeit hätte „Hero“ sicher nicht geschadet. So ist gerade der vielleicht interessanteste Part, Mas Aufstieg zur dritten großen Kraft in Shanghai, erzählerisch unterrepräsentiert und wird in einer Cantopop-Montage abgehandelt (übrigens einem von drei Cantopop-Songs im Film), und auch die Beziehung von Ma und Yam ist ziemlich überstürzt und kaum nachvollziehbar (was insofern etwas kritisch ist, als Yam eine extrem wichtige Figur ist, die für alle Hauptfiguren Schicksal spielt, aber selbst reichlich „underwritten“ daher kommt). Aber es macht sich nicht so negativ bemerkbar, wie es hätte sein können, weil Yuen den Film ordentlich im Betrieb hält, das Tempo ist hoch, Atempausen gibt’s eigentlich nur, wenn Musik gemacht wird (eine sehr schöne Szene beweist übrigens, dass Ma auch ein exzellenter Mambo-Drummer ist) und in einer kurzen Phase nach dem ersten „Showdown“, als Yuen seinen Doppelschlag gegen Ma und Tam führt. Hongkong-üblich ist der Streifen ein für geradlinig-westlich erzogenes Publikum ein schwer verdauliches Kompott aus beinharter Brachial-Action, Holzhammer-Comedy und zentnerschwer aufgetragenem, pathoserfüllten Melodrama, das alles heroische Blutvergießen in einen großen tragischen Kontext setzt. Wer mit John Woo aufgewachsen ist, wird damit kein Problem haben, Einsteiger in die Materie des HK-Films könnten damit aber schon ein paar Problemchen bekommen, denn der ständige Stimmungswechsel zwischen hemmungsloser Brutalität, dummen Witzen und großen Emotionen muss erst mal verarbeitet werden.

Stichwort Brutalität – FSK 16 ist mal wieder eine originelle Entscheidung, in der guten alten Videothekenzeit wäre der Kram übel beschnitten ab 18 rausgekommen und dann postwendend indiziert worden. Der Bodycount bewegt sich locker im dreistelligen Bereich, und wenn auch nicht jeder Tod explizit und blutig ist, so gibt’s doch genügend Splatter, um auch die Bluthunde zufrieden zu stellen. Dass zwingend der Realismusgrad besonders des Schlussfights irgendwo so zwischen einem späten Showa-Godzilla und Augsburger Puppenkiste angesiedelt ist, wird nicht überraschen – gestorben wird erst, wenn’s dramaturgisch notwendig ist, bis dahin kann man auch mit Verletzungen, die jeden Elefanten umhauen, noch feine Martial-Arts-Moves zeigen. Kampftechnisch früher Höhepunkt ist allerdings für mich der „Showfight“ zwischen Tam See und Ma auf einem galoppierenden Zossen (der allerdings in close-ups dann doch lieber durch ein eher steifes Modell des Hottehüs ersetzt wird).

Auf Darstellerseite werden wir durchaus verwöhnt – Takeshi Kaneshiro überzeugt als Ma Wang Jing. Ich halte den Burschen für einen der talentiertesten Asiaten, sowohl was die Action als auch die Schauspielerei angeht (wer bei Wong Kar Wei reüssierte, ist schauspielerisch nicht in der Holzklasse angesiedelt), und hätte eigentlich mein linkes Bein darauf verwettet, dass er der nächste internationale break-through-Star des Asiakinos wird und wie Jackie Chan und Jet Li Hauptrollen in Hollywood-Filmen abstauben wird, aber bis auf einen Ausflug ins Arthouse-Fach (den hier besprochenen „Zum Sterben zu müde“) hat Kaneshiro sich dahingehend zurückgehalte. Obwohl seines blendenden Aussehens sei dank auch ein Sex-Idol, macht Kaneshiro sich offensichtlich wenig aus Starruhm und ist sehr wählerisch, was seine Rollen angeht. Man muss sich also an den Rollen erfreuen, die er annimmt, und zum Glück sind das nun meistens ziemlich gute… Ihm gegenüber steht mit Yuen Biao einer der „Three Dragons“, und einer der vermutlich immer noch meistunterschätzten Martial Artists aus Hongkong – er ist eindeutig mehr als nur der Sidekick von Sammo Hung und Jackie Chan, wie große Solowerke wie „Righting Wrongs“ bewiesen. Als Tam See weiß auch er absolut zu überzeugen. Als Bösewcht Yuang ist Yuen Tak („Dragon from Russia“, „Prince of the Sun“) tätig und liefert eine schön exaltierte Vorstellung, die als stilistischer Kontrapunkt zum Gentleman-Gangster Biao und dem „Bauern“ Kaneshiro bestens funktioniert. Jessica Hester Hsuan hat als Kim nicht so viel zu tun, es ist die klassischhe Rolle der treuen Geliebten, mit der frau sich nicht sonderlich auszeichnen kann, wohingegen Valerie Chow („Bridge of Dragons“, „Total Risk“) eine amtliche femme fatale abgeben würde, hätte sie etwas mehr Fleisch auf der Rolle…

Erschienen ist der Film unter dem Titel „The Big Boss“ bei Movie Power. Obwohl Grundlage des Release einer der legendären Celestial-Prints ist, ist die Bildqualität (1.85:1 anamorph) nicht gerade überragend, sondern gezeichnet von Verschmutzungen und Unschärfe. Ist kuckbar, insbesondere da die DVD mittlerweile verramscht wird, aber das ginge schon deutlich besser. Als Bonus gibt’s übrigens eine „Alternativszene“, die eine etwas gorigere Einstellung eines Kills bringt und nur in Taiwan zu sehen war.

„Hero“ mag ein paar inhaltliche Schwächen haben, ist aber ohne Zweifel ein exzellenter Actionfilm mit allen üblichen Trademarks des HK-chinesischen Heroic Bloodshed. Corey Yuen, der sich übrigens auch eine Nebenrolle als Kims schlagzeugspielender Onkel Po gegönnt hat, beweist einmal mehr, dass er zu den besten Action-Regisseuren unserer Zeit gehört, und selbst dem Dinosaurier Shaw Brothers noch 1997 einen mehr als nur sehenswerten Film entlocken konnte. Auch essentiell für Fans von Takeshi Kaneshiro und Yuen Biao.

(c) 2018 Dr. Acula


BOMBEN-Skala: 3

BIER-Skala: 7


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