The Belko Experiment

 
  • Deutscher Titel: The Belko Experiment
  • Original-Titel: The Belko Experiment
  •  
  • Regie: Greg McLean
  • Land: USA
  • Jahr: 2016
  • Darsteller:

    John Gallagher Jr. (Mike Milch), Tony Goldwyn (Barry Norris), Adria Arjona (Leandra Florez), John C. McGinley (Wendell Dukes), Melonie Diaz (Dany Wilkins), Owain Yeoman (Terry Winter), Sean Gunn (Marty Espenscheid), Brent Sexton (Vince Agostino), Josh Brener (Keith McClure), David Dastmalchian (Lonny Crane), Michael Rooker (Bud Melks), Gregg Henry (The Voice), Abraham Benrubi (Chet Valincourt), Rusty Schwimmer (Peggy Displasia), James Earl (Evan)


Vorwort

Die Angestellten von Belko Industries, einer Non-Profit-Organisation mit äußerst vage beschriebenem Tätigkeitsfeld, dafür aber geradezu vorbildlicher Fürsorglichkeit (Dienstwagen, Dienstwohnung, und Implantierung eines GPS-Chips, falls man mal von der FARC oder so entführt wird…), die in der Filiale in Bogota ihr Unwesen treiben, bereiten sich auf einen neuen Arbeitstag vor, doch heute ist etwas anders – schwer bewaffnete militärische Einheiten kontrollieren die Einfahrt, die einheimisch-kolumbianischen Kollegen werden daran gehindert, ihre Arbeitsplätze aufzusuchen.

Man nimmt’s relativ locker – vielleicht gab’s eine Anschlagsdrohung oder ähnliches, aber davon lässt man sich nicht ns Bockshorn jagen. Zumindest solange, bis sich Türen und Fenster automatisch verriegeln, das ganze Gebäude von sich ausfahrenden Metallplatten umgeben ist und eine freundliche Durchsage den Eingeschlossenen vermittelt, dass sie, ob sie wollen oder nicht, nun Teilnehmer eines kleinen Spielchens sind. Innerhalb der nächsten zwei Stunden möchten sie doch bitte zwei der ihren wie auch immer umbringen, ansonsten werden vier zufällig ausgesuchte Angestellte in die nächste Welt auffahren.

Man reagiert allgemein relativ aufgeräumt – psychologischer Test, schlechter Scherz, fingierter Terrorversuch, so lauten die gängigen Hypothesen. Die Drohung jedenfalls wird allgemein nicht sonderlich ernst genommen. Einzig ITler Mike Milch ist ernstlich beunruhigt. Der Versuch, sich mit einem Schweißbrenner aus der Bredouille zu schneiden, scheitert – das geheimnisvolle Metall hat trotz ausgiebiger Behandlung nicht mal ’nen Kratzer. So vergehen zwei bange Stunden, bis sich die Stimme wieder meldet und verkündet, dass die Belegschaft leider versagt habe. Und schon platzen vier arglosen Angestellten im Wortsinne die Köpfe – die GPS-Chips sind Bomben.

Aber man ist ja willig, den Überlebenden eine weitere Chance einzuräumen – nun sollen, wenn’s nicht zuviel verlangt wird, dreißig Angestellte eliminiert werden, ansonsten gehen sechzig über die Wupper. Jetzt bricht doch gelinde Panik aus. Chef Barry Norris würde die pragmatische Lösung vorschlagen – dreißig Tote sind besser als sechzig, also sollte man sich an die Arbeit machen. Norris findet aber nur wenige Kollegen, die seiner Argumentation etwas abgewinnen knnen, darunter Mikes Kumpel Terry und das offizielle Büro-Arschloch Wendell. Mike plädiert auf eine vernünftigere Lösung, doch mehr als das Aufhängen von Plakaten vom Dach aus, in der Hoffnung, jemand würde die von der recht weit entfernten Straße aus sehen und die Behörden einschalten, hat die Pro-Life-Fraktion nicht zu bieten – und auch das gestaltet sich eher schwierig, denn die Militärs sind noch vor Ort und bereit, jeden der seine Nase über die Dachkante zu halten, abzuschießen.

Die Nerven liegen blank – und die ersten Todesfälle im Sinne der unbekannten Stimme sind zu beklagen. Norris und seine Gang versuchen sich der für Sicherheitszwecke verwahrten Waffen im Gebäude zu bemächtigen, doch noch können Mike und der einzig Bewaffnete im Komplex, Security Guard Evan, dies verhindern. Doch je näher die Deadline rückt, desto weniger wählerisch werden Norris & Co. in der Wahl ihrer Methoden…


Inhalt

James Gunn ist das aktuelle Hollywood-Wunderkind – und in der Tat macht es Spaß, seiner Entwicklung vom bescheidenen, aber einfallsreichen Indie-Filmer zum Retter/Golden Boy des Blockbuster-Kinos zu folgen. Nach seinen beiden „Guardians of the Galaxy“ ist Gunn fraglos mittlerweile in der „kann-seine-Einkaufsliste-als-Script-verkaufen“-Liga angekommen und so brachte er auch sein angestaubtes „Belko“-Script an den Mann, überließ die Regie aber Greg McLean („Wolf Creek“) für eine Low-Budget-Produktion mit einem Indie-/Nerd-Dreamcast (und damit meine ich keine Spielkonsole…).

Jedes Review muss diesen Vergleich bringen, also tu ich’s auch – „The Belko Experiment“ ist „The Office“ meets „Battle Royale“ und damit ist der Film dann eigentlich auch wirklich erschöpfend umschrieben. Auf dieses Konzept kann man oder man kann’s eben nicht. Das ist gleichzeitig Fluch und Segen für das Projekt, denn es ist schon beeindruckend, einen High-Concept-Thriller so *fokussiert* auf sein Szenario zu sehen, so präzise auf den Punkt hin inszeniert, ohne Nebenkriegsschauplätze, ohne große character arcs, einfach „nur“ seine Figuren in das set-up zu werfen und zu kucken, was dabei rauskommt. Andererseits merkt man schon, dass das Script schon eine Weile in der Schublade lag, denn… wirklich *neues“ hat „The Belko Experiment“ nicht zu bieten. Auch dieses Thema, diese Geschichte, haben wir mittlerweile schon einige Male sehen dürfen und im Endeffekt kamen sie alle zum selben Ergebnis: Im Krisenfall ist jeder Mensch sich selbst der nächste, wer vorher ein Arschloch war, wird in so einem Fall ein noch größeres Arschloch werden, Freundschaften werden zerbrechen und Mitgefühl das erste Opfer werden. Yep, das wissen wir mittlerweile und erwarten’s auch nicht anders (insofern ist Mike, die „voice of reason“ des Films, eigentlich der unglaubwürdigste Charakter des Films, denn dass der selbst dann noch für „friedliche Lösungen“ plädiert, während rings um ihn herum fröhlich massakriert wird, strapaziert die“ suspension of disbelief“ schon).

Neue, originelle Einsichten und Erkenntnisse über die „conditio humanis“ hat also auch James Gunn nicht zu bieten, aber er rettet sein Script dann eben über seine große Stärke – pointierte Dialoge, dargeboten von treffend besetzten Charakteren, die sich nach allen Regeln der Kunst bei aller Freundschaft schon von Haus aus auf den Keks gehen. Es macht riesige Freude, John C. McGinley seinen Wendell Dukes als Dr. Cox zu sehen, dem Flachzange einmal zu oft auf den Sack gegangen ist und der nun mit Freuden zum Killer wird oder Sean Gunn als bekifften Verschwörungstheoretiker zu erleben, der sich darauf versteift, dass alles an Drogen im Trinkwasser liegt.

In Sachen Action ist „Belko“ vergleichsweise zurückhaltend – im Gegensatz zu „Battle Royale“, wo quasi ab der ersten Spielminute gemeuchelt wird, wird hier durch die „Frontenbildung“ zwischen Norris‘ Gruppe und der von Mike vertretenen Mehrheit quasi ein wenig die Bremse angezogen – erst wenn (SPOILER, aber geh, wer erwartet anderes) Norris die Kontrolle übernimmt, deht das richtige Massakrieren los. Die Splattereien sind ordentlich ruppig und eklig, das Tempo trotz der Begrenzung der ganz großen Suppereien auf wenige Minuten immer hoch.

Die Auflösung… nun, die polarisiert. Ich will sie nicht ausbuchstabieren, aber ich fand sie ganz drollig und durchaus stimmig.

Der Cast ist, wie erwähnt, erlesen zusammengestellt und mit Freude und Enthusiasmus bei der Sache. John Gallagher Jr.s Mike mag nicht der total glaubhafte Charakter sein, aber sein Darsteller (zulezt in „10 Cloverfield Lane“ zu sehen) schafft es dennoch, dass man mit ihm mitfiebert. Tony Goldwyn („Ghost – Nachricht von Sam“, „Die Bestimmung – Divergeht“) als skrupelloser Chef und seine Handlanger John C. McGinley („Scrubs“) und Brent Sexton („Life“, „The Killing“) sind angemessen hassenswert, Michael Rooker als (leider sehr früh herausgenommener) Haustechniker und Sean Gunn, sieht man ebenso gern wieder wie den mittlerweile altgedienten Abraham Benrubi („Parker Lewis“, „U-Turn“). Die wichtigsten Frauenrollen gehen dagegen an up-and-comer – Melonie Diaz („Nächster Halt: Fruitvale Station“) und Adria Arjona („True Detective“, die kommenden „Emerald City“ und „Pacific Rim: Uprising“). Sie müssen sich aber hinter ihren routinierteren männlichen Kollegen nicht verstecken.

Insgesamt – „The Belko Experiment“ ist jetzt nicht dieser überwältigende Hammerfilm, der uns mit nie dagewesenen Kniffen, Storytelling-Gemmen oder Action-Szenen verwöhnt, aber ein sehr dichter, auf Basis der etablierten Tropes gut geschriebener High-Concept-Kracher, der 90 Minuten bestens unterhält. Aber eben auch nicht mehr – it’s lesser Gunn 🙂

3,5/5
(c) 2017 Dr. Acula


mm
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