Tanz der Totenköpfe

 
  • Deutscher Titel: Tanz der Totenköpfe
  • Original-Titel: The Legend of Hell House
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  • Regie: John Hough
  • Land: Großbritannien
  • Jahr: 1973
  • Darsteller:

    Clive Revill (Dr. Lionel Barrett), Gayle Hunnicutt (Ann Barrett), Pamela Franklin (Florence Tanner), Roddy McDowall (Benjamin Franklin Fischer), Roland Culver (Rudolph Deutsch), Peter Bowles (Hanley)


Vorwort

Dem exzentrischen Multimillionär Rudolph Deutsch dürstet es nach einem Beweis für das Leben nach dem Tod – sicher nicht aus reinem Forschergeist, sondern weil er selbst schon sein baldiges Dahinscheiden in den morschen Knochen spürt. Den Beweis liefern soll Physiker und Parapsychologe Lionel Barrett und immerhin eine ganze Woche Zeit räumt Deutsch seinem Experten ein. Dafür bekommt er aber auch ein 1A-Forschungsobjekt quasi frei Haus – das Belasco-Haus, in Spiritistenkreisen als der Mt. Everest der Spukhäuser bekannt. Seit einem ziemlich fatalen Erforschungsversuch war das Haus zwar versiegelt, aber Deutsch hat die Immobilie kurzerhand gekauft.

Damit Barrett nicht allein durch die Korridore des Hauses krauchen muss, stellt Deutsch ihm zwei weitere Koryphäen zur Seite – das „psychische Medium“ Florence Tanner, das seine Begabung als Zeichen göttlichen Segens und Willens begreift, und Ben Fischer, ein „physisches Medium“ und seines Zeichens einziger Überlebender des letzten Versuchs, das Belasco-Haus zu ergründen (der Film widerspricht sich hier ein wenig und muss später auf „einziger Überlebender bei einigermaßen klarem Verstand“ korrigieren). Zudem drängt sich for no good reason Barretts Eheweib Ann als Teilnehmerin am Experiment auf.

Emeric Belasco war seines Zeichens ein reicher Pinsel, der in seinem Haus allerhand abstoßende Grausamkeiten und sexuelle Verwerflichkeiten praktizierte, bis das ganze in einem Massaker an 27 Hausgästen endete. Belasco selbst verschwand spurlos.

Die extrem sensitive Florence spürt die böse Präsenz im Haus quasi mit Öffnen der Eingangstür. Fischer… nicht so, denn der hat sich entschieden, die 100.000-Pfund-Prämie für das erfolgreiche Experiment abzugreifen, aber sich in keiner Weise irgendwie dafür spiritistisch zu betätigen, alldieweil er an seinem Leben und seinem Geisteszustand hängt. Und Barrett glaubt sowieso nicht an okkulten Krempel, sondern wittert eine streng wissenschaftliche Lösung, auf die halt bisher noch keiner gekommen ist.

Bei einer Séance nimmt Florence „Kontakt“ mit einer ruhelosen Seele auf. Wer das ist, ist nicht so klar, aber Florence spekuliert, dass es sich um Belascos Sohn Dominik handelt. Von dem weiß zwar niemand, aber das Medium versteift sich darauf, den Junior-Belasco am Geisterphon zu haben. Der Geist besucht sie sogar nachts in ihrem Schlafgemach. Eine erneute Séance unter wissenschaftlicher Kontrolle fördert Erstaunliches zutage – Florence produziert Ektoplasma (hier „Teleplasma“ genannt), was insofern mysteriös ist, als Florence eben ein rein psychisches Medium ist, das nicht auf materielle, eh, Materialisationen spezialisiert ist. Obschon der Junior-Geist darauf drängt, dass die tapferen Forscher das Gemäuer zügigst räumen, insistiert Florence, dass Dominik in Wirklichkeit Hilfe benötige, z.B. in Form der Entdeckung und würdevollen Bestattung seines Körpers.

Tatsächlich finden die Forscher eine verschrumpelte Leiche in einem Geheimkerker im Keller und begraben den Unglücklichen. Die übernatürlichen Vorgänge lassen aber nicht nach und kaprizieren sich in ausgesprochen sexueller Hinsicht auf Ann Barrett, die im Stadium schlafwandelnder Besessenheit versucht, Fischer zu verführen. Barrett hat die Faxen dicke – seiner Meinung nach ist hier nur residuale Rest-Energie am Werke. Menschen erzeugen elektromagnetische Energie und nach den allgemeinen Gesetzen der Thermodynamik (die hier zwar nicht explizit angesprochen wird, aber wohl gemeint sind) ist Energie nun mal „ewig“ und bleibt daher erhalten, wenn der dazugehörige Mensch dahinscheidet. Mit seiner neuen Spezialmaschine will er eine gegenteilig aufgeladene elektronmagnetische Ladung ins Haus jagen, das nach dem Materie-/Antimaterieprinzip das Haus reinigen soll. Die Medien sind eher skeptisch bis handgreiflich gegenüber der Maschine, aber nichtdestotrotz wird sie angeworfen…


Inhalt

Der gute alte Spukhausfilm… es gibt Leute, die die Meinung vertreten, mit „Bis das Blut gefriert“ („The Haunting“, 1963) wäre zum Thema alles gesagt und jede weitere Interpretation des Subjekts vergebene Liebesmüh ist, mindestens aber dem Topos nichts besonderes hinzufügen kann (und in gewisser Weise gehöre ich durchaus selbst zu dieser Fraktion), aber das hat bekanntlich noch niemanden an nichts gehindert – und seit Blumhouse quasi im Wochentakt neue, stets nach der gleichen Formel ablaufende „moderne“ Spukhausfilme auf’s werte Publikum los legt und sich dabei mehrere goldene Koksnasen verdient, müssen wir uns wohl damit abfinden, dass das Spukhaus uns noch auf unabsehbare Zukunft ins Bockshorn zu jagen versucht. Naja, es gibt letztendlich auch Schlimmeres.

Unser heutiges corpus delicti datiert aus den frühen 70er Jahren und hat zumindest schon mal einen enormen Vorzug – es stammt aus der Feder von Richard Matheson, und der ist einer der großen Phantastiker der US-Literatur und zudem aus langjähriger Erfahrung auch einer, der ein Händchen für kinematische Stoffe hat, praktischerweise auch ein exzellenter Drehbuchautor war („Die unglaubliche Geschichte des Mr. C“, „The Last Man on Earth“, nur so als kleine Beispiele am Rande).

„Hell House“, die Romanvorlage, war sozusagen Mathesons Variante von Shirley Jacksons „Hill House“ (es ist sicher kein Zufall, dass die Titel sich nur durch einen Buchstaben unterscheiden), und letztgenannter Roman ist nun wieder bekanntlich die literarische Vorlage für den oben erwähnten „Bis das Blut gefriert“. Wo Jackson (und in Konsequenz Robert Wise) allerdings sehr behutsam mit dem Horror umgingen und praktisch nur auf der psychologischen Schiene arbeiteten (was soweit geht, dass man sich durchaus mit gewisser Berechtigung fragen darf, ob es in Hill House tatsächlich spukt oder Hauptfigur Eleonor für die rätselhaften Vorfälle verantwortlich ist), geht Matheson schon – natürlich auch mit einer Dekade Weiterentwicklung des Genres im Köcher – deutlich offensiver an die Materie, sogar so sehr, dass die Filmfassung, die Matheson selbst verfasste, gegenüber dem speziell in sexueller Hinsicht deutlich expliziteren Roman entschärft wurde (mir ist gerade auch so, als wäre im Buch nicht von einem Sohn Belascos, sondern einer Tochter die Rede, was einige unerquickliche Schlussfolgerungen ziehen lässt. Ich kann mich da aber auch irren, ist schon einige Lenze her, dass ich den Schmöker gelesen habe).

Interessanterweise nimmt Matheson ein Konzept vorweg, dass Stephen King später lukrativ in „The Shining“ ausschlachtete. Wie das Overlook-Hotel im King-Bestseller funktioniert das Belasco-Haus als „Batterie des Bösen“, wird quasi von der negativen Energie seines verstorbenen Erbauers gespeist und wendet diese Energie wieder gegen seine Besucher, sucht sich dabei gezielt die Schwachpunkte seiner Opfer aus – die Sensibilität und den Glauben an das Gute bei Florence, Fischers Unsicherheit und Unwillen, seine Begabung einzusetzen, Anns unbefriedigendes und unbefriedigtes Sexualleben und Barretts schiere Weigerung, etwas anderes als wissenschaftliche Tatsachen zu akzeptieren. Natürlich erinnert auch die Figurenkonstellation leicht an die aus „Hill House“ (zwei praktizierende Medien, ein Wissenschaftler, ein „Unbeteiligter“), aber „Hell House“ arbeitet stärker mit den Gegensätzen dieser Figuren (zumal „Hill House“ sich auch auf eine Hauptperson konzentriert, während „Hell House“ seinen Plot relativ gleichmäßig auf seine vier zentralen Figuren verteilt).

Das „Hell House“ ist, ganz im Gegentum zu „Hill House“, aber eben nur ein Katalysator des Bösen, nicht die Ursache selbst. Insofern macht es auch Sinn, dass Matheson sich nicht auf das Haus an sich als „Charakter“ versteift. Es ist halt die alte Villa eines Exzentrikers, aber nicht in sich selbst verquer, so wie sich „Hill House“ mit seinen lovecraft-esken Einflüssen charakterisierte (wir erinnern uns: in „Hill House“ ist die Architektur selbst außer Rand und Band, ergibt keinen Sinn, und scheint sich vorwitzig in non-euklidische Gefilde vorzuwagen). Das Höllenhaus ist dagegen halt „nur“ ein Haus, in dem sich Böses abgespielt hat und nun die aufgestaute böse Energie wieder frei gibt.

Umgesetzt in Filmform von Routinier, aber nicht unbedingt „auteur“ John Hough (vorher „Draculas Hexenjagd“, viel später „Howling IV“), ist „Tanz der Totenköpfe“ (der diesen deutschen Titel augenscheinlich überraschenderweise nicht „Tanz der Teufel“ verdankt) in einer erstaunlichen und eigentlich-nicht-funktionieren-sollenden Mischung aus betont unaufgeregter Sachlichkeit und unterschwelliger creepiness. Allein schon die erste Nahaufnahme des Hauses und der ankommenden Gruppe setzt die Stimmung – aus leichter Froschperspektive gefilmt türmt das Haus wie ein Moloch über den mehr oder minder arglosen Forschern. Auch in der Folge geizt Hough mit spekulativen Schauwerten – es dauert recht lange, bis das Haus zu handgreilichen Aktionen gegen das Team greift (aber immerhin gibt’s bis dahin Sex mit einem Geist, so that’s that). Kameramann Alan Hume, der für die gleichermaßen nüchternen wie einprägsamen Bilder verantwortlich zeichnet, kam kurioserweise von der „Carry on“-Produktion „Ein total verrückter Urlaub“, entwickelte sich in der Folge aber zum A-Lister und fotografierte diverse Bond-Filme (u.a. „Octopussy“), „Die Rückkehr der Jedi-Ritter“ oder „Ein Fisch namens Wanda“.

Nicht zu unterschätzen für die Wirkung des Streifens trotz des Fehlens oberflächlicher Effekt-Orgien ist der Soundtrack (es „Score“ zu nennen, würde die Sache nicht treffen) von Brian Hodgson und Delia Derbyshire, der nicht aus „Musik“ im Sinne des Wortes, sondern praktisch nur aus dissonanten elektronischem Noise besteht. Kein Wunder, denn Derbyshire war z.B. zuständig für die elektronische Verfremdung des „Doctor Who“-Themas und damit für seine ikonische (und ungeheuer progressive) Wirkung, Hodgson seinerseits steuerte zu „Doctor Who“ den charakteristischen Sound beim Auftauchen und Verschwinden der TARDIS bei – echte Pioniere der elektronischen Klänge also, und hier haben sie quasi völlig freie Hand, mit disharmonischen Geräuschen für die eigentliche Stimmung und Atmosphäre des Streifens zu sorgen, was ihnen meisterhaft gelingt.

Der Film ist freilich nicht perfekt – in der ersten Hälfte könnte man sich in der Tat etwas mehr Schwung, vielleicht ein „gravierendes“ Ereignis mehr wünschen, und der „final reveal“, die Enthüllung des großen finsteren Geheimnisses des verwünschten Hauses, ist vergleichsweise banal, um nicht zu sagen eine Enttäuschung. Aber manchmal ist dann eben doch der Weg das Ziel.

Das Darstellerensemble gibt sich durchaus Mühe. Gerade Clive Revill als Barrett ist mir vielleicht etwas zu eindimensional, zu hölzern, andererseits spielt er eben den aufrechten Mann der Wissenschaft. Revill begann seine Karriere in den 60ern mit „Modesty Blaise“, „Feuerdrache“ oder „In den Schuhen des Fischers“, war dann aber überwiegend im TV-Bereich tätig. 1980 lieh er immerhin dem Imperator in „Das Imperium schlägt zurück“ seine Stimme und fand offenbar Gefallen an der Spracharbeit, gab er dann u.a. doch auch den Kickback in den „Transformers“-Trickfilmen und später Jetfire in den neueren Videogames. 1989 machte er einen weiteren Abstecher in Horror-Gefilde mit „C.H.U.D.“. Pamela Franklin („War es wirklich Mord?“, „Neue Abenteuer mit Flipper“, „Die Insel der Ungeheuer“) schien den Sprung vom Kinderstar zur gefragten erwachsenen Darstellerin schon geschafft zu haben, aber mit 25 kam dann doch der Karriereknick, aus Kinorollen wurden Gastparts in TV-Serien (viermal z.B. ist sie im „Love Boat“ auf der Passagierliste) und nach einem Auftritt in „Vegas“ strich sie 1981 schauspielerisch die Segel. Als naives Gutmenschenmedium Florence, das ganz besonders das Interesse des Hauses auf sich zieht, macht sie eine gute Figur. Wie auch Roddy McDowall („Planet der Affen“, „Dead of Winter“) als ihr medialer Contrapart. McDowall ist ein permanent unterschätzter Schauspieler (sicher auch, weil er auch selten einen Gagenscheck fand, der ihm nicht gefiel), und wenn er „on“ ist, ist er „on“. Obwohl einer, der immer auch overacten kann, legt er hier eine seiner subtileren und gerade deshalb wirkungsvollen Performances hin. Die vierte im Bunde ist Gayle Hunnicutt („Scorpio, der Killer“, „Die Mars-Chroniken“, „Das Geheimnis der Wendeltreppe“, „Grüne Augen in der Nacht“) als Ann. Sie hat einige der, sagen wir mal, schwierigeren Szenen zu spielen (die versuchte Verführung Fischers), zieht sich dabei aber gut aus der Affäre.

Kuriosum am Rande (und kleine SPOILER-Warnung) – die Leiche von Emeric Belasco „spielt“ niemand Geringeres als der unkreditierte Michael Gough (Alfred Pennyworth in den Burton- und Schumacher-Batmans), der damals durchaus schon einen renommierten Namen hatte. Hatte wohl grad mal ’nen halben Tag Zeit…

„Tanz der Totenköpfe“ ist neben der normalen Blu-Ray-Auflage auch im Mediabook von Black Hill erschienen. Wieder einmal stellt sich durchaus die Frage nach der Sinnhaftigkeit, aber das soll jetzt nicht unbedingt das Thema sein. Die Bildqualität der Blu (die DVD wird mediabooküblich ebenfalls mitgeliefert) ist ordentlich – nicht super, aber brauchbar, durchaus noch körnig und nicht vollständig ausgefiltert. Auch der Ton reißt keine Bäume aus, ist aber zweckmäßig. Außer dem Trailer gibt’s leider nichts an Extras und auch das Booklet ist zwar hübsch illustriert, aber von eher mäßigem Informationsgehalt. Da hätte man schon etwas mehr rausholen können, zumal das Mediabook auch nicht gerade zum Schleuderpreis verklappt wird. Als Gutzis gibt’s wenigstens ein beidseitig verwendbares Miniposter sowie eine Limitierungskarte.

Der Film selbst ist aber – selbstverständlich insbesondere, aber nicht ausschließlich für – Spukhausaffecionados eine Pflichtveranstaltung. Er zeigt nicht nur exemplarisch die Weiterentwicklung vom leicht surrealen s/w-Grusler zum expliziteren und deutlicher ausformulierenden Horror, und macht durchaus verständlich, dass der nächste Schritt im Genre dann eben zu „Amityville Horror“ und „Shining“ führte. Aber auch ohne seine historische Dimension handelt es sich um einen spannenden, stimmungsvollen und atmosphärischen Chiller mit einem durchaus gut aufgelegten Darstellerensemble und effektiver Inszenierung. Thumbs up!

© 2018 Dr. Acula


BOMBEN-Skala: 3

BIER-Skala: 7


mm
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Tremor
Tremor
15. Mai 2018 20:02

Hallo Dr. Acula.
Danke für die prima Review eines von mir sehr geschätzten Filmes (auch wenn ich mit Deiner Meinung betr. Roddy McDowall leider nicht konform gehe, der hier meiner Ansicht nach arges Overacting betreibt).
Ein paar Ergänzungen noch:
Pamela Franklin sammelte bereits in „Schloss des Schreckens“ (mit Deborah Kerr) Erfahrungen mit einem bösen Geist.
Shirley Jacksons Buch heißt im Original „The Haunting of Hill House“ – der Unterschied besteht also nicht nur in einem Buchstaben.
Daniel Belasco kommt auch in der Romanvorlage vor (an eine Tochter kann ich mich diesbezüglich nicht erinnern), in der Barretts Frau übrigens den Vornamen Edith trägt. Emeric Belasco sieht darin übrigens deutlich anders aus (und ich bedaure, dass die Kamera für Michael Gough, dessen Mitwirkung in Terence Fishers „Dracula“ sicher auch erwähnenswert gewesen wäre, nicht einfach mal anhielt; der Mann konnte einfach nicht still sitzen).