Tales of Tomorrow: Sneak Attack

 
  • Original-Titel: Tales of Tomorrow: Sneak Attack
  •  
  • Regie: Leslie Gorall
  • Land: USA
  • Jahr: 1951
  • Darsteller:

    Zachary Scott (Ray Clinton), Barbara Joyce (Dr. Marnoff), Theo Goetz (Dr. Kamrass), Royal Beal (General), Richard W. Shankland (Der Präsident), John Seymour (Verteidigungsminister), Peter von Zerneck (Colonel)


Vorwort

1960 – US-Agent Clinton kommt nach einer Schießerei in (vermutlich) Ost-Berlin in einem (vermutlich) sowjetisch geführten Hospital wieder zu sich. Dass der militärische Leiter des Krankenhauses, ein namenloser Colonel, ihn für einen Yankee-Spion hält, leuchtet Clinton ein, weniger, warum seine behandelnde Ärztin, Dr. Magda Marnoff, in ihm einen (vermutlich) sowjetischen (!) Agenten vermutet, der auf jemanden aus dem Personal angesetzt sein soll. Es gelingt Clinton, das Missverständnis zu klären und Magda von seiner authentischen Amerikanität zu überzeugen, worauf die Ärztin auch mit einem Obersuperspezialstaatsgeheimnis rausrückt – die (vermutlich) Russen basteln gleich im Zimmer nebenan (!) an einer Superdupergeheimwaffe, um die doofen Amis, ungeachtet des akuten Friedens, heimtückischerweise anzugreifen…

Dieweil wundert man sich in den Vereinigten Staaten, warum in 25 großen Städten plötzlich und unerwartet geheimnisvolle Flugzeuge landen – zwar mit amerikanischen Hoheitszeichen, aber offensichtlich ohne jegliche Besatzung, ferngesteuert, und zunächst nur ominös die Rollbahnen blockierend. Der Versuch einer Spezialeinheit, einen der mysteriösen Flieger anzubohren, endet in einer Katastrophe – das Flugzeug explodiert und zerstört ganz Denver. Wenig später wird dem Präsidenten auch das passende Ultimatum serviert: die Staaten mögen doch bitte binnen vier Stunden kapitulieren oder alle Flugzeugbomben (Wasserstoffbomben, um genau zu sein) werden gleichzeitig hochgehen und nicht nur Millionen Menschen töten, sondern auch schlappe 80 Prozent der amerikanischen Industrie vernichten. Und auf einmal ist der Durchschnittsagent Clinton in einem Militärkrankenhaus irgendwo jenseits des eisernen Vorhangs die letzte Hoffnung der freien Welt – leider ist der Colonel auf Zack und ahnt, dass Magda die Seiten gewechselt hat…


Inhalt

Und eine weitere Folge aus der steinalten Anthologie-TV-Serie „Tales of Tomorrow“ (vorige Episoden bitte hier, hier und da nachschlagen). „Sneak Attack“, aus der Feder von Russell V. Ritchey, einem – wenn ich den wenigen Internet-Quellen trauen darf, die sich zu diesem Namen finden – Air-Force-Veteranen, der sich speziell um die Nachwuchs-Förderung und -Ausbildung in seinem Metier verdient machte, wurde dem nichtsahnenden amerikanischen Publikum stilecht zum „Pearl Harbour Day“, und nach dazu zum symbolträchtigen 10. Jahrestags des japanischen Überraschungsangriffs, auf die Mattscheibe geknallt und ist, das wird kaum jemanden überraschen, Propaganda in Reinform.

Anno 1951 war man nämlich langsam, aber sicher zur Erkenntnis gekommen, dass mit den Russen, den gemeinsamen Feind Nazideutschland niedergerungen, doch nicht so gemütlich-gemeinschaftlich Kirschen essen ist, wie’s Franklin D. Roosevelt sich’s in seinen Erdbeerträumen vorgestellt hatte – es begann die Phase, in der aufrechte amerikanische Patrioten hinter jedem Busch einen Kommunisten witterten und ein Psychopath wie Joseph McCarthy zu höchstem politischem und gesellschaftlichem Einfluss kam; keine Sternstunde der US-Innenpolitik, fraglos. „Sneak Attack“ ist nach meiner unmaßgeblichen Recherche einer der ersten offenen „commie scare“-Genrebeiträge, deren gesamte Ideologie sich darauf gründete, dass man den bösen Russkis jegliche Gemeinheit zutraute, während man sich selbst zu den fried- und freiheitsliebenden Supergutmenschen stilisierte (History would like to have a word with you). Das Script (adaptiert von „Test Flight“-Versager Mel Goldberg) ist immerhin höflich genug, der roten Gefahr keinen Namen zu geben (deswegen die diversen „vermutlichs“ in der Inhaltsangabe) – die Bösewichter tragen zwar russische Namen und der einzige Ort, an dem sich die Handlung des Films (soweit sie die Abenteuer von Clinton betrifft) realistischerweise abspielen könnte, ist Ost-Berlin (man redet davon, dass man Clinton außerhalb des amerikanischen Sektors aufgegriffen habe), aber vor einer expliziten Nennung von Vokabeln wie „Kommunismus“ oder „Sowjetunion“ wird sich mehr oder weniger – mehr weniger – elegant gedrückt.

So rein storytechnisch gesehen leidet „Sneak Attack“ – neben den offensichtlichen Punkt der mehr als plumpen Propaganda – unter dem gedrängten 30-Minuten-Format (und da uns in dieser Folge Jacques Kreisler mit seinen Uhrenarmbandverkaufsbotschaften noch länger auf den Keks geht als in den bisherigen Episoden, bleiben effektiv für die Geschichte gut 20 Minuten übrig): potentiell ausbeutenswerte Elemente wie der anfänglich mysteriöse, aber dann larifari aufgelöste Umstand, dass Clinton für einen russischen Agenten in der Tarnung eines US-Agenten gehalten wird (was nette Verwickungen hätte ergeben können: ein US-Agent, der IN russischem Gewahrsam beweisen muss, dass er Amerikaner ist, obwohl ihn das in noch größere Schwierigkeiten bringen dürfte), werden extrem stiefmütterlich behandelt (wie genau Magda darauf kommt, dass Clinton Russe wäre, bleibt ungelöst, und dieser ganze „Subplot“; der den ersten Akt befeuert, wird durch das Äquivalent eines Magdaschens „na, dann halt nicht“ beendet), weil schlichtweg keine Zeit dafür ist, wenn noch die in den Staaten spielende Parallelhandlung um die geheimnisvollen Roboterflugzeuge ausreichend Screentime bekommen soll (und, ich will ja nix sagen, aber selbst für 1951, geschweige denn die „Zukunft“ von 1960 sieht das schon ziemlich dämlich für die Yankees aus, wenn unangemeldete Flugzeuge scharenweise auf den wichtigen Airports landen können, ohne dass sich Flugsicherung, Lotsen und Militär dafür gesteigert interessieren; der Plan der Russen kann also, um’s mit Lord Helmchen zu sagen, mal wieder nur funktionieren, weil das „Gute“ zu dämlich ist). Und dieser Parallelhandlung können wir uns aus den gleichen Zeitgründen nicht in der gebotenen Ausführlichkeit widmen (neben den technischen Beschränkungen eines chronisch unterfinanzierten Live-Fernsehspiels, auf die noch einzugehen sein wird). Die Dialoge gewinnen nicht mal Trivial-Preise, sind im Gegenteil manchmal fremdschämgeeignet (wenn Clinton ungelogen in seinen ersten drei Sätzen jeweils die Metapher „as a matter of fact“ einbauen kann, löst das Magenkrämpfe aus); aber wenigstens dürften Platitüden wie „unser Volk geht lieber in den Tod als in die Sklaverei“ kommunistenfressende Hardliner wie Robert Heinlein oder Orson Scott Card begeistern. Lediglich durch die Blume gestattet sich „Sneak Attack“ die ein oder andere schon wiederum subversive Aussage – Magda steht stellvertretend dafür, dass nicht alle Russen blutgierige Monster sind, und, da musste ich zugegeben kichern, die Nonchalance, mit der Drehbuchautor Goldberg einen Seitenhieb auf Amerika ausbaut, indem er Clinton Magda aus purer Gewohnheit „Schwester“ rufen lässt, ehe er sich beschämt mit „Doktor“ korrigieren muss, und damit darauf verweist, dass eine Ärztin 1951 in den USA noch ungefähr so häufig zu finden war wie rotgelbgestreifte Rhinozerosse in leitender politischer Funktion, verdient ein Fleißkärtchen.

Für Charakterzeichnungen irgendwelcher Art ist da ebenfalls kein Raum (Clinton wird später mal vom amerikanischen „chief of staff“ eine Vergangenheit als Reporter angedichtet, wir erfahren beiläufig, dass Clinton von der neuen russischen Superwaffe schon mal gehört hat und deswegen in der Gegend des Hospitals heruminvestigiert hat, aber Hintergründe fehlen völlig), es muss sich natürlich in Windeseile eine Art Love Story zwischen Clinton und Magda entfalten (angesichts der wenigen Stunden, die von der Handlung abgedeckt werden, natürlich unglaubhaft) und ein paar ebenfalls natürlich hauptsächlich Pacing- und Budgetgründen zu verdankende Regie- und Buch-Einfälle stören die Illusion, hier könnte tatsächlich Realität abgebildet werden. So „tarnt“ Magda einen spätabendlichen Besuch in Clintons Krankenzimmer mit einem Kuss (!), obwohl gerade sie als seine behandelnde Ärztin den ein oder anderen weniger auffälligen und/oder verdächtigen Grund (eine russische Ärztin, die einen amerikanischen Agenten-Patienten abschlabbert? Ich glaube, dafür konnte man prinzipiell unter Stalin an die Wand gestellt werden) finden können müsste (und Clinton lobt sie noch für ihr geistesgegenwärtiges Vorgehen! Ob der Herr gewisse eigennützige Interessen hat?), dass man Clinton direkt neben der Kommandozentrale für die Robotflugzeuge eingelagert hat (damit der mit Magda zur selbstmörderischen Rettungsaktion nur eine Tür weiter gehen muss), ist schiere „plot convenience“, und dass der Präsident der USA nicht ganz ungewichtige Fragen wie die Kapitulation seines Landes nur mit seinem Verteidigungsminister und dem „chief of staff“ bespricht, mag ich so ohne weiteres auch nicht glauben (Bush jr. hätte zumindest Cheney hinzugezogen). Aber bei Live-Fernsehspielen von 1951 regiert halt die Regel „keep it simple, keep it cheap“. Die Kameraführung ist des öfteren arg fragwürdig, sehr oft werden Dialogszenen (und viel mehr als Dialogszenen hat „Sneak Attack“ ja nicht zu bieten) von hinten gefilmt. Wer Richard W. Shanklands Hinterkopf zu schätzen weiß, dürfte auf seine Kosten kommen.

Was sich dann natürlich auch auf die technische Umsetzung ummünzen lässt. Zwei(einhalb) abgezählte Sets stehen Regisseur Gorall (dessen größte Ruhmestat die Regieassistenz bei „Der unheimliche Mr. Sardonicus“ sein dürfte) zur Verfügung – ein Krankenzimmer und das Besprechungszimmer des Präsidenten. Die Zerstörung Denvers (die selbstverständlich off-screen stattfindet) wird durch eine Fuhre stock footage zerbombter Städte aus dem Zweiten Weltkrieg symbolisiert, für die unheilsschwanger auf den Rollfelder stehenden Feindflugzeuge bedient man sich wahlweise Archivaufnahmen höchst realer Flugzeuge (deswegen mussten die Robotrussenflieger auch „amerikanische Kennzeichnung“ aufweisen) und halbwegs passabler Modelle. Ganz ansprechend gelöst ist eine Fernsehansprache des Präsidenten, die, wie man es sich durchaus in solchen Krisenfällen vorstellen könnte, nur durch einen off-screen-Monolog über ein formatfüllendes US-Wappen umgesetzt wird, eine echte Enttäuschung ist der „showdown“, für den das Spezialeffektbudget sichtlich nicht mehr als ein paar Silvesterkracher hergegeben hat. Immerhin ist das Tempo recht hoch, allerdings kommt keine wirkliche Spannung auf, da – im Vergleich zu „Blunder“, der exemplarisch als Musterbeispiel für hyperspannenden apokalyptischen Kurzthrill dienen kann – weder die Agenten- noch die Präsidenten-Storyline dramaturgisch richtige Fahrt aufnehmen und daran scheitern, den Zuschauer zu fesseln.

Das Darstellerensemble überschlägt sich nicht gerade, aber wenigstens stolpert der Leading Man nicht ständig über seine Lines wie Lee J. Cobb in „Test Flight“. Zachary Scott, den die IMDb als Spezialisten für „suave and sinister“, also offenkundig grundsätzlich geeignet für Agentenrollen, beschreibt, und der nach einer kurzen Karriere als Star von B-Western und -Noirs Ende der 40er schnell im Fernsehen landete (aber 1960 immerhin noch die Hauptrolle in Luis Bunuels „Das junge Mädchen“ ergatterte), holzt sich fernab jeder Ausdruckskraft als Abziehbild eines heruntergekommenen Clark-Gable-Verschnitts durch seinen Part; mit der unauffälligen TV-Aktrice Barbara Joyce verbindet ihn keine Chemie. Charismafreie oder unmotivierte „leads“ = wenig Anlass für den Zuschauer, sich mit ihnen zu „verbünden“. Theo Goetz (20 Jahre Ensemblemitglied bei der fast nicht kaputtbaren Soap „The Guiding Light“) als unpolitischer Arzt und Peter von Zerneck („Berüchtigt“, „Eine auswärtige Affäre“, „Goliath – Sensation nach 40 Jahren“), beides offenkundig Teutonen-Experte, fahren in ihren klischee- und akzentbehafteteten Rollen deutlich besser, sie wirken wenigstens so, als wären sie nicht *nur* am Set, weil sie gerade nix besseres zu tun haben. In der „Präsidenten“-Handlung wirkt Royal Beal („Wenn Eltern schweigen“, „Anatomie eines Mordes“) als Chief of Staff, der den Präsidenten darin bestärkt, unbeugsam zu bleiben (während der feige Verteidigungsminister die Kapitulation empfiehlt), am überzeugendsten. Richard W. Shankland bleibt als Präsident selbst blass, John Seymour („Morgen trifft es dich“, „Das Geheimnis der Libelle“) agiert adäquat.

Bildqualität: Wie gehabt – fast sechzig Jahre altes TV sieht halt nicht mehr aus wie aus dem Ei gepellt. Ziemlich softes, körniges Bild, aber relativ wenige Verschmutzungen.

Tonqualität: Die Musik klingt recht schauerlich, die Dialoge sind aber durch das deutliche Grundrauschen noch gut zu verstehen.

Extras: Ich zähle weiterhin die Original-„Commercials“ als Extras, auch wenn der novelty-Faktor bei der vierten Episode doch spürbar zurückgeht. Jacques Kreisler möchte uns heute neben dem Verkaufsschlager „Monogramm-Uhrenbänder“ speziell, und überraschend gut vom Timing her, hehe, sein Weihnachtsupersonderspezialdingsi nahelegen, einen „Weihnachtsstern“, der gleich drei Geschenke auf einmal ist… Spannung, Spiel und Schokolade? Nein, Christbaumschmuck, Behälter für ein (ach) Uhrenarmband und Fotorahmen in einem!!11

Fazit: „Tales of Tomorrow“ legt mit der vierten Episode des Boxsets nach dem Stinker „Test Flight“ nicht gerade einen U-Turn zur Besserung hin. „Sneak Attack“ ist viel zu sehr offene und platte Propaganda, der Spannungsgehalt der Geschichte wird – zugunsten der „wir sind besser als die“-Attitüde – nicht ausgiebig gemolken, und die Hauptdarsteller bleiben arg blass; vielleicht ist die Story auch einfach ungeeignet für das 20-Minuten-Treatment… in Spielfilmformat wäre das zwar sicherlich immer noch in erster Linie commie-scare-Propaganda, man könnte aber die beiden Storylines wesentlich besser ausarbeiten, mehr Druck, mehr Spannung aufbauen. In der vorliegenden Form eher ein aus historischer Sicht nicht ganz uninteressantes Kuriosum, aber nicht sonderlich unterhaltsam.

2/5
(c) 2009 Dr. Acula


mm
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