Tales of Tomorrow: Blunder

 
  • Original-Titel: Tales of Tomorrow: Blunder
  •  
  • Regie: Leonard Valenta
  • Land: USA
  • Jahr: 1951
  • Darsteller:

    Robert Allen (Carl Everson), Ann Loring (Jane Everson), Philip Faversham (Jeffrey Stackpole), Allan Drake (Chu Ling), Michael Keene (Hugh Dunning), Julius Bing (Joachim Ortega), Jean Alexander (Elena Ortega), Will Hussong (Planetarium Lecturer), Kyle MacDonald (Singer), Ray Morgan (Announcer), Boyd Crawford (Man on Aircraft)


Vorwort

Carl Everson, seines Zeichens genialistischer Wissenschaftler, arbeitet irgendwo in der norwegischen Pampa an seinem großen Projekt – er will Kernspaltung auf Wismut-Basis betreiben, was seiner Meinung nach erheblich effizienter ist als die Spaltung von Uran oder Plutonium und die Energieprobleme der Menschheit auf lange Sicht lösen könnte. Zwar haben seine Berechnungen ergeben, dass eine 1:100-Möglichkeit besteht, dass die Wismut-Spaltung eine Kettenreaktion mit Sauerstoff auslösen und die gesamte Erde vernichten könnte, aber das hälte er eher für eine „no-pain-no-gain“-Geschichte. Wird schon schiefgehen, und wenn doch, naja, dann wird’s eh keiner mehr merken. Sein Frauchen Ann ist skeptisch und ängstlich, aber auch nicht in der Lage, ihm das Experiment auszureden. Damit ihm keiner, vor allen Dingen nicht die lästigen Kollegen, reinredet, hat er sämtlichen Kontakt zur Außenwelt abgebrochen und nicht mal mehr die neuesten wissenschaftlichen Postillen gelesen. Hätte er besser tun sollen, denn die Ober-Kapazität auf Kernspaltungsgebiet hat ihm persönlich einen Artikel gewidmet, für den sogar die cold-war-bedingten Zensurbestimmungen aufheben lassen und ihn auf einen kleinen, aber feinen Berechnungsfehler hingewiesen – Ortegas Ansicht nach besteht keine 1:100-Chance auf die weltvernichtende Kettenreaktion, sondern eine 200:1-Chance – will sagen, die Aussichten, dass Eversons Experiment die Erde *nicht* zerstört, sind verschwindend gering. Eversons Kollegen Stackpole und Chu Ling versuchen in einem verzweifelten Wettlauf mit der Zeit, Eversons abgelegene Experimentierbude zu erreichen und den Eigenbrötler von seinem Experiment abzubringen…


Inhalt

Holla, wenn Verdict from Space schon pessimistischer Tobak war, was zum Geier ist dann „Blunder“? Die Fernsehmacher anno 1951 trauten den Weißkitteln ersichtlich jeden Blödsinn zu…

Die zweite Folge der antiken SF-Anthologieserie bedient sich wieder prominenter Vorarbeit – die Vorlage stammt von Philip Wylie, der mit seinem Anfang der 30er Jahre erschienen Roman „The Gladiator“ als erster „moderner“ Schriftsteller die Supermann-Thematik aufgriff und so quasi als geistiger Vater von Heroen wie Doc Savage, dem Mann aus Bronze sowie natürlich dem Stählernen persönlich, Superman, gilt. Des Weiteren stammt von Wylie die literarische Vorlage zu „When Worlds Collide“ (aka „Der jüngste Tag“), dem vielleicht ersten großen SF-Film der Nachkriegsära (und dem Begründer des „machen-wir-die-Erde-putt“-Subgenres der SciFi). Wylie war allerdings kein reiner SF-Autor, sondern schrieb auch in anderen literarischen Genres und im non-fiction-Bereich (eines seiner Essays aus den 50ern, indem er die Orchideenzucht betrieb, war singulär dafür verantwortlich, dass plötzlich jeder in Amerika Orchideen züchten wollte); andere Essays, in denen er sich kritisch mit der modernen Frauenrolle auseinandersetzte, brachten ihm den Ruf eines Misogynisten ein.
„Blunder“ basiert dem Vorspann nach auf einem „play“ Wylies – da mir bei meiner Recherche nicht unterkam, dass Wylie auch Theaterstoffe geschrieben hätte und mir zudem die Thematik für die Bühne auch nicht sonderlich geeignet vorkommt, gehe ich mal davon aus, dass es sich bei dem „play“ um ein Radio-Hörspiel gehandelt haben dürfte – die Verwertungskette „Papier-Radio-Fernsehen“ war in den 40ern und 50ern, und ganz speziell bei Anthologiereihen, absolut nichts ungewöhnliches (und für SF ist Radio bekanntlich ein ziemlich dankbares Medium – „erzählen“ und nötigenfalls durch ein paar Soundeffekte aufpeppen kann man praktisch alles, da frage man nur mal nach bei Douglas Adams und dem „Anhalter“). Charles O’Neil, ein ansonsten eher unauffälliger Schreiberling, der noch zwei weitere „Tales of Tomorrow“-Folgen sowie zwei Episoden einer frühen Detektiv-Serie („Martin Kane, Private Eye“) zu verantworten hatte, fiel die Aufgabe zu, aus dem Stück einen fernsehtauglichen Halbstünder zu stricken.

Im direkten Vergleich zur eher gemächlichen Gangart, die „Verdict from Space“ anschlägt, ist „Blunder“ (der Titel bedeutet auf Deutsch soviel wie „grober Schnitzer“) geradezu adrenalingetränkt – die Story wird auf wenige Stunden konzentriert: Everson hat eine bestimmte Uhrzeit für sein Experiment vorgesehen, was seinen „Gegnern“ bekannt ist und ihnen eine kaum einzuhaltende deadline einbringt. Everson verweigert sich der Kommunikation, hat sein Funkgerät abgeschaltet und maßregelt seine Frau (die als mit ihm am Experimentierort verblieben ist), als die sich, gewissensgeplagt, heimlich ans Funkgerät setzt; es bleibt Stackpole nichts anderes übrig, als sich von der norwegischen Regierung ein Flugzeug zu leihen und zu versuchen, mit einem Fallschirm über Eversons Hütte abzuspringen. Auch schlichtes Pech pfuscht den Weltenrettern ins Handwerk – Ortega gelingt es, einen Radiosender eine direkt an Everson gerichtete Warnung auszustrahlen, aber kurz zuvor hat Jane das Radio ausgeschaltet, weil sie das sentimentale Liebeslied, das zuvor gespielt wurde, nicht verkraftet. Es spricht also alles gegen die „Helden“… und so ist’s keine große Überraschung (whoops), dass sie letztlich keinen Erfolg haben und die Erde hops geht. Wie schon gesagt, „Verdict from Space“ ist dagegen eine positive, lebensbejahende Utopie.

„Blunder“ funktioniert (und die Episode *funktioniert* wirklich) auf mehreren Ebenen – zum einen haben wir natürlich die oberflächliche „Wissenschaft-ist-gefährlich“-Attitüde, die in den 50ern gerne mal gepflegt wurde (speziell, wenn die Eierköpfe, denen man aus Prinzip nicht trauen kann, nicht unter der Fuchtel vernünftiger Menschen, i.e. amerikanischer Militärs, stehen), aber darüber hinaus belässt es Wylie nicht nur bei einer generellen Warnung vor weiterer atomarer Hochrüstung (wie schon beim „Verdict“ ist ein entscheidender Punkt von „Blunder“, dass „uns“ normale Atomkraft nicht reicht, und wir unbedingt noch wirkungsvollere nukleare Schelmereien treiben müssen), sondern klagt auch die generelle „Kalter Krieg“-Atmosphäre des staatlich verordneten Misstrauens an – dass Everson von seinem Berechnungsfehler nichts ahnt bzw. gar nicht auf die Idee kommt, in aktuellen wissenschaftlichen Publikationen könnte für ihn interessantes Material stehen, liegt an der Zensur – da der böse Feind jenseits des eisernen Vorhangs ja auch lesen kann, darf man dem ja seine neuen Erkenntnisse nicht im Klartext in wissenschaftlichen Journalen vorlegen, gell? Dadurch, stellt Wylie fest, können Wissenschaftler aber auch nicht aus den Fehlern ihrer Kollegen lernen, sondern sind dazu gezwungen, sie zu wiederholen – und wenn einer, wie Everson, eben dann praktischer veranlagt ist als seine eher der grauen Theorie verhafteten Mitstreiter, kann’s dann übel ausgehen. So gesehen ist „Blunder“ – und damit ist die Episode gerade heute wieder durchaus aktuell – ein Plädoyer für die Informationsfreiheit.

Und nicht mal damit ist’s genug, nein, auch Zwischenmenschliches hat seinen Platz: die Dialoge der Eversons beziehen sich hauptsächlich darauf, ob und ggf. wie weit man seinem Partner blind vertrauen darf, kann oder soll; sicherlich der insgesamt schwächste Part der Story, das ist etwas sehr rührselig (auch wenn man hier einen subtilen sarkastischen Kommentar auf die klassische Frauenverhaltensmuster sehen kann… dadurch, dass Jane letztlich „ihren“ Platz als treue Gefährtin ihres Mannes einnimmt und ihre eigenen Bedenken hintanstellt, kann es erst zur Katastrophe kommen). Eindrucksvoller ist der Subplot um Ortega und seine Enkelin, die es nicht fassen kann, dass ihr Oheim im Angesicht der Weltkatastrophe tatsächlich noch Zeit für eine Schachpartie und das Wälzen theoretischer wissenschaftlicher Probleme hat, was Ortega mit einem gelassenen „Was getan werden kann, wurde getan“, sich weiter aufzuregen, wäre verlorene Zeit, die man anderweitig nutzen kann, begründet.

Wir sehen – für gut 25 Minuten Laufzeit ist das eine Menge Plot und dementsprechend rasant muss die Sache – im Rahmen eines Fernsehspiels, das, wie es seinerzeit usus war, live aufgezeichnet wurde – vorangetrieben werden. Im Gegensatz zum vergleichsweise statischen (und billig wirkenden) „Verdict“ springt „Blunder“ in hohem Tempo zwischen seinem guten halben Dutzend Schauplätzen hin und her, die Dialoglastigkeit fällt kaum auf, da der Druck, dem die Charaktere ausgesetzt sind, allgegenwärtig ist. Dass Everson kein „Schurke“ im klassischen Sinne ist, sondern jemand, der nur, weil er von falschen Voraussetzungen ausgeht, aus wohlmeinender Intention den Weltuntergang auslöst, tut der Geschichte gut und verleiht ihr eine tragische Komponente.

Filmtechnisch darf man natürlich bei einem Live-Fernsehspiel von 1951 keine Wunderdinge erwarten – „Blunder“ sieht immerhin deutlich aufwendiger aus als „Verdict from Space“, spielt sich, wie gesagt, sehr flott und experimentiert sogar mit der Kameraführung (mit handwerklichen Mängeln – mehr als einmal fällt deutlich sichtbar bei Dolly-Fahrten der Schatten der Kamera auf die Darsteller). Einzig auf das framing device – ein Vortrag in einem Planetarium, bei dem uns versichert wird, dass niemand so blöd sein wird, einen „blunder“, der die Welt vernichten könnte, zu begehen – hätte ich verzichten können, allerdings wäre es wohl für das TV-Publikum zu hart gewesen, die Untergangsgeschichte „face value“, also ohne einen distanzierenden Rahmen, zu präsentieren.

Zu den Schauspielern: Robert Allens Karrierehöhepunkt fand bereits 1936/37 statt, als er in einer Handvoll B-Western den Ranger Bob Allen spielte – dummerweise konnte er nicht singen oder Gitarre spielen und wurde daher zugunsten Roy Rogers fallen gelassen. Nachdem er bis 1940 noch einige Nebenrollen abstaubte, zog er sich weitgehend auf die Theaterbühne zurück und tauchte nur noch gelegentlich im Fernsehen oder in Exploitation-Filmen wie „Hells Angels on Wheels“ oder dem 1986er-Schundfilm „Raiders of the Living Dead“ (von Brett Piper) auf. Allen stolpert einmal merklich im Text (Fluch des Livefernsehens), ansonsten ist’s eine erträgliche 50er-Jahre-TV-Performance.
Ann Loring, mir als Jane deutlich zu weinerlich, amtierte hauptsächlich in der langlebigen US-Soap „Love of Life“ (in der sie wohl von 1956 bis 1970 tätig war).
Philip Faversham hätte meines Erachtens einen ganz guten TV-„Superman“ abgegeben (zumindest aber einen amtlichen Clark Kent), Comedian Allan Drake verschleißt sich relativ unnötigerweise als Pseudo-Chinese (Trashfilmfans können ihn in Mamie van Dorens „Sex Kittens Go To College“ bewundern).
Julius Bing ist ziemlich effektiv als genialer Wissenschaftler Ortega, aber praktisch anderweitig nicht aufgefallen, Jane Alexander gab sich in den 50ern in einigen lesser B-Noirs die Ehre.

Wie schon bei „Verdict from Space“ erfreut uns Image mit der Original-Ausstrahlung inklusive der zeitgenössischen Werbespots, die heute die amerikanische Bevölkerung mit drastischen Flüchtlingsbildern auffordern, CARE-Pakete nach Westdeutschland zu schicken und Anleihen zum Wohle der US-Armee zu zeichnen. Bild- und Tonqualität sind für fast sechzig Jahre altes Live-TV adäquat.

Fazit: Eine trotz vorhersehbaren Ausgangs spannende, annehmbar gespielte Folge, die auf erstaunlich vielen Ebenen zu punkten versucht und überwiegend erfolgreich ist und trotz gewisser Fortschritts-Skepsis nicht einseitig auf den Weißkitteln, denen man ja einfach nicht trauen kann, herumhackt, sondern für Kommunikation, Kooperation und Informationsfreiheit plädiert. Guter Stoff, dem auch ein paar handwerkliche Macken nicht entscheidend ins Handwerk pfuschen.

4/5
(c) 2009 Dr. Acula


mm
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