Superman (Indien)

 
  • Original-Titel: Superman
  • Alternative Titel: The Indian Superman |
  • Regie: B. Gupta
  • Land: Indien
  • Jahr: 1987
  • Darsteller:

    Bob (Tom Alter)
    Jor-El (Dharmendra)
    Superman/Clark Kent/Shekhar (Puneet Issar)
    Verma (Shakti Kapoor)
    Editor (Kimi Katkar)
    Jonathan Kent (Ashok Kumar)
    Gita (Ranjeeta)


Vorwort

Bevor es hier zur Sache geht, wieder mal eines meiner gefürchteten Vorwörter.

Immer wieder mal sprechen mich wildfremde Leute auf der Straße an: „Torsten, warum tust du so etwas? Warum folterst du dich mit Filmen, die ansonsten gnädig der Vergessenheit anheim fallen würden?“

Denen sage ich dann, sie sollen mir weg gehen und lieber Menschen belästigen, die kleine Hunde treten, oder sich ungesunde Substanzen in die Armbeugen spritzen.

Aber insgeheim dräut mir doch, dass die Frage ihre Berechtigung hat. Warum tue ich mir das an?

Es ist eine Sache, sich ein indisches Superman-Musical von zweieinhalb Stunden Laufzeit zu verpassen, wenn man die Kassette für einen Euro auf dem Trödelmarkt findet. Das mag man für dämlich, aber verzeihlich halten.

Ich jedoch habe diese Monstrosität AKTIV gesucht! Ich habe lange recherchiert, bis ich einen Obskurversand in New York ausmachte, der mich mit den zwei Kassetten versorgen konnte.

Also – warum tue ich so was?

Ich habe nur eine magere Antwort – es ist meine Liebe zu obskuren Filmen, zu Streifen, die sonst kaum einer kennt. Es ist meine Hochnäsigkeit, Zelluloidwracks zu kennen, von denen nicht einmal selbst ernannte „Experten“ je gehört haben. Ich bin ein armer Wicht mit Ego-Problemen.

Und es hat was mit Superhelden zu tun.

Ich bin nämlich auch der Welt größter Superheldenfilm-Fan. Innerhalb der nächsten fünf Jahre plane ich, dass definitive Buch zu dem Thema zu schreiben. Im Rahmen der Recherchen dafür habe ich sie ALLE gesehen: Das Superman-Musical von 1976, den türkischen Superman-Sexfilm der frühen 80er, den niemals ausgestrahlten Superboy-Pilotfilm von 1961, die Serials, die Serien, die Online-Abenteuer. Zum Teufel, ich habe auf meiner rechten Schulter das berühmte S-Wappen tätowiert!

(Bon Jovi auch, und das ist ziemlich peinlich)

Wie auch immer, meine Freude an den Gastreviews dieser Site gab mir die Gelegenheit, endlich mal die Kassetten einzuwerfen, die seit Jahren unangetastet bei mir im Schrank lagen. Und weil es sich so gehört, habe ich mich diesmal entschieden, ein bisschen im Stil von badmovies.de zu bleiben.

Und damit kommen wir auch schon zum zweiten Vorwort. Es geht um eine kleine Einführung in den indischen und türkischen Kommerzfilm. Keine Angst, ich halte es knackig.

Wenn man sich Streifen aus diesen Kulturkreisen ansieht, die mit bekannten Titeln um sich werfen, muss man sich klar machen, dass sowohl die Turban- als auch die Schnauzbartträger keinen Respekt vor Dingen wie „Copyright“ oder „Lizenz“ haben. Ausländische Filme, die sie sich nicht leisten können, und die wegen „anstößiger Szenen“ meist auch nicht als akzeptabel angesehen werden, gelten in diesen Ländern als Rohmaterial, welches beliebig ausgeschlachtet werden darf. Handlungen werden mit lokalen Schauspielern neu gedreht, die Spezialeffekte schneidet man sich aus Raubkopien der Originale, und bei der Musik bedient man sich bei allem, was die örtliche Soundtrack-Audiothek so hergibt.

Das klingt alles sehr spannend, schwankt aber meistens zwischen hysterisch und unansehbar. Zumal die Filme hierzulande selten besser als in vierter Kopiergeneration zu bekommen sind.

Aber immerhin: Aus der Türkei kann man sich „Juwelen“ wie den Bosporus-Exorzisten „Seytan“, den Dracula-Heuler „Kara Boga“, die Star Trek-Parodie „Tourist Ömer Uzay Yokundo“, und eine eigene „Krieg der Sterne“-Fassung besorgen. Bei „Superman“ haben die Türken gleich zweimal zugeschlagen: Einmal als direktes Remake des Blockbusters von 1978, und einmal als Sexfarce im Stil von Louis de Funes.

Ehrlich, ich denke mir so etwas nicht aus. Könnte ich gar nicht.

Die Inder machen es ähnlich. Ihre Filme unterscheiden sich von den Kebap-Knallern in zwei Details: sie sind meistens doppelt so lang, und alle zehn Minuten gibt es Bauchtanz zu unerträglichen Bollywood-Schnulzen.

Und damit sind wir endlich bei meinem heutigen Film angelangt: „Superman“, gedreht vom fleißigen Gupta-Clan auf dem Subkontinent. Als Einführung in das Genre ist der Film perfekt, weil typisch für seine Gattung.

Man werfe mir fortfahrend nicht vor, keine relevanten Dialoge zu zitieren – der Film war in Hindi (auf Hindi?), und meine Familie kommt aus Belgien.


Inhalt

Es beginnt alles so, wie wir das kennen. Jor-El (oder wie auch immer der hier heißt) warnt seine Kollegen vom Rat auf Krypton, dass der Planet bald hinüber ist. Die Konferenz tagt in einem großen, durchaus schick gestylten Saal.

Und noch was wird sofort klar – die Inder LIEBEN Farben. Im Gegensatz zum Original, wo die Kryptonier komplett weiß (mit blauen Lichtreflexen) gekleidet waren, geht es hier bunt zu. Gewänder wie geschmacklose Seidenhemden aus den 80ern drängen sich in das Sichtfeld.

Danach macht sich Jor-El auf den Weg zu seiner Frau Kara (?) und dem Baby Kal-El (das permanent frech in die Kamera schaut – so wird das nix mit der Schauspielkarriere). Es sei angemerkt, dass die Darstellerin von Kara aussieht wie Salma Hayek, aber mehr Klamotten trägt (man bedenke, der indische Film ist extrem prüde).

Es kommt, wie es kommen muss – das Baby packt man in die Kapsel, und Krypton macht bumm. Dazu dröhnt eine Musik vom Plattenteller, die eher an Italo-Western erinnert.

Willkommen zur nächsten Tradition des indischen Klau-Films – schlecht eingearbeitete Footage vom Original. Okay, ich sehen ja ein, dass die so etwas nicht mit einem Avid-Schnittcomputer zusammen stöpseln, aber hätten die nicht wenigstens eine Kaufkassette als Grundlage nehmen können? Die Effektsequenzen von Kryptons Zerstörung aus „Superman“ (1978) sind so wackelig und körnig, dass sie wie vom Fernseher abgefilmt wirken (was ich nicht einmal ausschließen will). Erschreckend, dass sie den Film eher BILLIGER als teurer aussehen lassen.

Aber ich schweife ab.

Klein-Kal landet auf der Erde – diesmal halt nicht in Kansas, sondern irgendwo zwischen Bombay und Neu-Delhi. Die „Aufschlagschneise“ des kleinen Raumschiffes sieht übrigens schwer nach dreißig Zentimeter Gras aus, das mal eben mit dem Feuerzeug abgefackelt wurde.

Ein älteres Pärchen findet den Säugling, und verfrachtet ihn in etwas, das wie ein indischer Trabant aussieht.

Und da stellt sich mir doch schon wieder so eine ketzerische Frage – braucht man in Indien noch zusätzlich Nachwuchs? Ich meine, klar, die Kents waren im Original kinderlos, aber bei den indischen „Stellvertretern“ wirkt das ein wenig unglaubwürdig. Man will ja keine kulturellen Klischees strapazieren, aber die Inder wissen doch vor Bälgern weder ein noch aus. Würden die wirklich auch noch welche mitnehmen, die sie am Straßenrand finden? Und ist so etwas in Indien überhaupt ungewöhnlich (Kinder am Straßenrand, meine ich)?

Der Film ist keine zehn Minuten alt, und schon habe ich Kopfschmerzen.

Auch weiter hält sich der Film sklavisch an die Vorlage – das Baby beginnt bald, seine Superkräfte zu zeigen. Wir bekommen drei unglaubliche Taten zur Ansicht:

– Clark (ich bleibe jetzt mal bei diesem Namen) biegt einen Gummi-Wasserschlauch, so dass am Ende kein Wasser rauskommt

– Clark hebt den Truck seines Adoptivvaters, als dieser eine Panne hat

– Clark tanzt zu Michael Jacksons „Beat it“ einen Breakdance (mit offenem Hosenlatz)

Denken wir mal einen Augenblick nach – wie viele dieser „Wunderkräfte“ können wir durchgehen lassen? Gummischläuche konnte ich in dem Alter auch biegen, und bei „Beat it“ ist Jazztanz, nicht Breakdance angesagt. Bleibt also der Wagenheber – und der ist dann auch tatsächlich ganz gut gelungen.

Des Weiteren rennt Clark noch neben einem Zug her, und tritt einen Ball. Mangels Spezialeffekten sieht das allerdings auch nicht anders aus als bei mir.

Mittlerweile ist Clark ein Teenager – allerdings einer, der wie 45 aussieht.

Schon ist die nächste Tanznummer dran. Es beginnt mit Discoklängen und ein paar jungen Leuten in 80er-Outfits, aber das täuscht: ruckzuck macht sich eine traditionell rot gekleidete Dame am Lagerfeuer breit, und jault, dass sich die Farbe von den Wänden pellt. Dazu wird kräftig die Bauchmuskulatur strapaziert (bei ihr – und bei mir!), während ein paar Männer, die verdächtig nach Freizeit-Vergewaltigern aussehen, sie dabei anstieren. Und so droht Ungemach, bis Clark mit den Strolchen aufräumt. Kurios nur, dass er dazu die Brille AUFSETZT. Das mit der Geheimidentität hat er noch nicht so drauf, wie es scheint.

Fragt mich nicht wieso, aber an dieser Stelle kam ein Werbespot für ein paar indische Juweliere in Manhattan. Ich kann nur mutmaßen, dass meine Kopie des Films von einem indischen Kabelkanal in New York stammt.

Zurück zum Film – ein paar indische Mädchen futtern Schokolade. Eine Dicke bekommt nix ab.

Ich betone nochmals – ich denke mir das nicht aus.

Als nächstes scheint mir, als ob Clark per Supergehör mitbekommt, das er nur adoptiert wurde. Das macht ihn rechtschaffen fertig. Na ja, der Schlauste scheint er ja eh nicht zu sein, denn nach ca. 20 Jahren mit Superkräften hätte ihm so etwas schon dämmern können. Als Adoptivpapa ihn beruhigt (nach dem Motto: wir lieben dich wie unser eigen Fleisch und Blut), erdrückt Clark ihn aus Versehen.

Korrekter Zwischenruf: Häh?

Ist aber so. Der Doktor, der glücklicherweise anwesend ist, spricht teilweise englisch. Warum, weiß kein Mensch. Demnach heißt Clark scheinbar Shekhar (oder so ähnlich). Vielleicht ist „Shekhar“ aber auch bloß das indische Äquivalent von „Dumpfbacke“.

Mutter Kent wirft Clark als Reaktion auf den Tod ihres Mannes einen bitterbösen Blick zu. Minutenlang. Das ist zuviel: des Nachts kramt Clark einen Kristall seines Heimatplaneten aus der Kleiderkiste, und sucht das Weite.

Wieder ein paar Aufnahmen aus dem Original: Eine Gestalt, die Clark sein soll, wandert durch die Arktis (Antarktis? Ich verwechsel das immer). Kurios hier: Die Großaufnahmen des indischen Schauspielers sind vor schwarzem Hintergrund aufgenommen worden, war so gar nicht passt.

Die Vision des indischen Jor-El schwadroniert nun zwei Minuten lang, und wir ahnen den Grundtenor: Gehe hinaus in die Welt, tue Gutes, etc. Um ein weiteres Bühnenbild zu vermeiden, glänzt die Festung der Einsamkeit allerdings durch Abwesenheit.

Endlich sehen wir Clark als Superman. Besser gesagt, Christopher Reeve als Superman. Die Helligkeit haben die findigen indischen Techniker bei diesen Szenen gerade weit genug herunter gedreht, damit man das vertraute Gesicht nicht erkennt. Und dazu ertönt dann auch endlich John Williams „Main Theme“ aus dem Original.

Wer bisher kaum fassen konnte, was sich vor ihm abspielt, der wird die folgenden Szenen von Supermans Rundflug um die Welt schlecht vertragen: Was hier an „Spezialeffekten“ geboten wird, wurde in der Filmgeschichte nur einmal unterboten – vom türkischen „Superman“. Einen verzweifelten Schauspieler an einem Draht vor einer ganz schlechten Rückprojektion von London hin und her zu schwenken, kann auch nach indischen Maßstäben keine gute Idee gewesen sein.

Jetzt gibt der Film endlich den Bezug zum Hollywood-Vorbild auf: Clark sucht seine Jugendfreundin Gita (ein Amalgam aus Lois Lane und Lana Lang), und sucht dazu das Haus mit den Mädels auf, die wir schon vorher gesehen haben (ihr wisst schon, die mit der Dicken).

Danach versucht unser Hauptdarsteller, einen Job bei der „Daily Times“ zu bekommen. Wenn der Kerl, den wir als nächstes kennen lernen, der indische Perry White sein soll, dann nehmen die Dinge eine böse Wendung: Er schwadroniert vor einer potthässlichen Fototapete daher, dass es einem graust. Und ist es Zeit für den Auftritt von Gita – hübsch wie das Vorbild Lois Lane, und genau so zickig.

Ich weiß ja nicht, wie in Indien Journalismus gemacht wird. Ich selber wurde in Deutschland ausgebildet, und Superman konzentriert sich ja eigentlich auf das Pressewesen in Metropolis. Wie dem auch sei, bei der „Daily Times“ wird in dieser Version eher lässig gearbeitet, mit einem Lautstärkepegel, der hart gegen Null geht.

Ich muss nun ein paar Szenen überspringen, weil ich schlicht und einfach den Faden verloren habe. Bei längeren Dialogszenen kann so was leicht passieren.

Gruppentreffen (Therapie?). Es kommt ein Glatzkopf vor, aber der scheint nicht Lex Luthor zu sein. Die große getönte Brille mit dem schleimigen Typen dahinter kommt mir allerdings bekannt vor – das ist doch einer der Freizeit-Vergewaltiger! Er ist, so scheint´s, in der Hierarchie des Verbrechens aufgestiegen. Und nun gestehe ich Pfusch ein – ich habe im Internet recherchiert, und weiß daher, dass der wandelnde Brillenständer Verma heißt, und wohl ein ehemaliger Klassenkamerad von Clark und Gita ist. Damit haben wir also das klassische Dreieck „gut/böse/geil“ etabliert.

Und wieder indischer Ausdruckstanz, diesmal in blau. Die Gangster schauen begeistert zu, ich schaue begeistert weg. Allerdings – die Tänzerin könnte auch Sabrina Setlur sein.

Werbung – diesmal für ein indisches Restaurant. Ich habe Hunger, also ist Pause.

Zwei Vollkornbrot-Scheiben später (ich bin auf Diät).

Gita muss irgendwo hin fliegen. Der Schwadronierer der „Daily Times“ muss im Flieger dringend auf die Toilette, aber es ist besetzt. Er macht Fratzen, alle Passagiere lachen. Dann darf er endlich den Neger abseilen, und wir sollen das rasend komisch finden. Ich will beleidigt sein, erinnere mich aber an genauso peinliche Gags in „American Pie“.

Dann kommt endlich Leben in die Bude – das Flugzeug wird entführt! Großes Drama. Und dank internationaler Stewardessen erfahren wir das sogar auf englisch: „Our plane has been hijacked. Please stay with us.“

Was denn sonst?

Clark hört von der Entführung durch das Fernsehen. In einem ziemlich guten Schnitt verwandelt er sich in Superman, und schwenkt am Drahtseil in Richtung Flugzeug.

In mir keimt ein Verdacht auf. Selbst die miesen Tricks sind geklaut – aus dem türkischen Beitrag zum gleichen Thema! Aber ich kann es nicht beweisen, grr…

Warum Superman Jor-Els mentale Hilfe braucht, um den Flieger sicher auf den Boden zu bringen, bleibt schleierhaft. Aber jegliche Spannung, die hier zufällig hätte entstehen können, wird durch den Pupser vernichtet, der einen „brüllend komischen“ (ahem) Flirt mit einer Passagierin hat.

Wie zu Ed Woods besten Zeiten fängt Superman den Flieger übrigens in stockfinsterer Nacht ab, nur um ihn in der heißen Mittagssonne auf die Rollbahn zu setzen.

Verma ist sauer, und schickt ein paar Mädels, um die Konkurrenz aufzumischen. Diese Amazonen sehen aus wie ein Volleyball-Team, und tragen rosa T-Shirts, auf denen im Superman-Stil ein „D“ zu sehen ist, über dem das Wort „Superdad“ steht.

Noch einmal: Häh?

Schon wieder Werbung – diesmal für Basmati-Reis in 6 Kilo-Säcken. Danke, ich habe schon gegessen.

Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass Verma weiß, dass Clark Superman ist. Er setzt nämlich einen Killer auf ihn an. Doch Clark fängt die Kugel (eine ähnliche Szene gab es wieder im Original). Die darauf folgende Schlägerei umgeht Clark, in dem er vorgibt, Wasser lassen zu müssen. Christopher Reeve hat solche Ausreden nie gebraucht, um die nächste Telefonzelle aufzusuchen. Egal – er kommt als Superman zurück, und vertrimmt die Bösewichter. Gita macht fleissig Bilder, und schon weiß die Welt von dem Helden im rotblauen Spandex.

Verma ist sauer. Mir fällt auf, dass er dieselbe Frisur wie Cüneyt Arkin hat, der einzig wirkliche Action-Star des türkischen Kinos. Und eine Lache, die Haarausfall verursacht.

Man lockt Superman in ein Haus, und bleibt sich treu: gezündet wird bei Nacht, die Explosion findet aber am Tag statt.

Ist der Stählerne hinüber? Ist die Welt dem Untergang geweiht? Zeit für Musik !

Da ich erkenne, dass die aktuelle Tanznummer tatsächlich etwas wie den Anflug von Erotik hat, dürfte das bei den Indern unter „Pornographie“ fallen. Allerdings scheint mir die darbietende Dame eher an Schüttelkrämpfen und/oder Lausbefall zu leiden. Man kann es nicht beschreiben. Wenn das ein Asterix-Comic wäre, würde man sie zusammengeschnürt an den Baum hängen, während der Rest des Dorfes feiert.

Und das zieht sich.

Endlich – Szenenwechsel. So eine Art Milchmann scheint mit einem Hausbesitzer zu klönen, und wie aus dem Nichts taucht ein Typ im Anzug auf, der verdächtig nach Politiker aussieht. Sonst wäre es auch kaum legal zu erklären, dass er Geschenke an junge Mädchen verteilt. Aber das frische Futter wird den Kindern gleich wieder abgenommen.

Doch da – Superman ist wieder zur Stelle! Wie er aus dem explodierten Haus gekommen ist, bleibt genauso offen wie die Frage, warum er Lebensmittel per Telekinese bewegen kann (er verschafft den Kindern damit wieder ihr kalorienhaltiges Mittagessen).

Langsam blicke ich etwas besser durch. Gita ist also Lois, Clark ist Clark, und der Fratzenzieher aus dem Flieger arbeitet auch bei der „Daily Times“. Das wurde mir jetzt schmerzhaft bewusst, weil er, um Gita zu beeindrucken, plötzlich im Superman-Kostüm in der Redaktion herum rennt. Es braucht nicht erwähnt werden, dass sein „Billig-Kostüm“ auch nicht schlechter aussieht als das des Helden.

Wir werden erneut Zeugen dessen, was die Inder für Humor halten. Es ist schauerlich. Als Ergebnis bleibt nur festzuhalten, dass es dem Komiker nicht gelingt, seine Superkräfte zu beweisen.

Eine Stunde, dreißig Minuten. Ich möchte vorspulen, aber die Berufsehre hüstelt auffällig. Gut so, denn jetzt wird es erst richtig frenetisch.

Gita bekommt einen Anruf. Sie geht aus der Haustür heraus (wir sehen einen Vorgarten), und steht damit auf dem Dach eines Hochhauses, wo ein Helikopter auf sie wartet.

Der Superman-Fan ahnt – die große Szene mit dem abstürzenden Hubschrauber steht bevor. Da macht es nichts, dass Gita per Schnitt mal eben 120 Stockwerke gesprungen ist, oder dass der Copter, in den sie einsteigt, ganz anders aussieht als der, den wir in den Original-Aufnahmen sehen.

Es folgt eine der besten Sequenzen des 1978er „Superman“. Selbst in dieser kastrierten Form ist sie noch beeindruckend.

Erwartungsgemäß ist Verma nicht so begeistert davon, dass Superman Gita gerettet hat (warum eigentlich?). Und der Komiker aus de Redaktion hat Superman einen kleinen Schrein gebaut. Das mag unsereiner seltsam erscheinen, aber Inder machen so was. Habe ich mir sagen lassen. Die bauen ständig Schreine.

Nun greifen die Volleyballerinnen wieder an. Es geht gegen einen vollbärtigen Muskelmann, der die Mädels nach Strich und Faden. verdrischt. Was dachtet ihr denn? Für diesen Frevel wird er von Verma abgestochen, ganz nach dem Motto: Wenn etwas richtig gemacht werden soll, muss man es selber machen.

Weil in der Handlung gerade nichts abgeht, gesteht Superman Gita seine Liebe. Ich könnte mich irren, aber Gita sieht plötzlich ganz anders aus. Wieso das?

Die beiden Turteltäubchen fliegen ein bisschen durch die Gegend, und Gita versaut die Stimmung durch eine extrem deplatzierte Gesangsnummer. Und dann tanzt sie ihrem Helden auch noch was.

Wenigstens sind die Spezialeffekte in dieser Sequenz echt. Nicht gut, aber echt.

Das Date endet mit Gitas Aussage: „I can´t believe it“.

Da stimme ich zu.

Schon wieder Werbung für den indischen Juwelier.

Superman ruft die Polizei an. Er informiert sie über – tja, über was? Vielleicht darüber, dass er in der nächsten Szene die Handlanger von Verma zur Schnecke machen wird. Dazu bläst er den Glatzkopf die Straße hinunter. Klingt nicht mal unspannend, aber der Effekt wird dadurch erreicht, dass besagter Glatzkopf mit wedelnden Armen die Straße entlang torkelt – und der Film das rückwärts abspielt.

Nun hat Verma genug. Also trägt er eine „später Elvis“-Frisur, und macht sein Feuerzeug an und aus. Er verkündet: „I will kill him!“ Wir können nur hoffen, dass Superman gemeint ist.

Damit wirft sich Verma erstmal in die Bücher. Stunden- ja tagelang schmökert er in Schwarten wie „The New Book of Knowledge“ (Wissen für Dummies?). Zugegeben, ich habe noch in keinem Superheldenfilm gesehen, dass der Bösewicht sich erst einmal schlau macht. Das macht Sinn, das verdient Respekt.

Das Ergebnis – ein Stein, der Superman ausschalten kann.

Kleiner Einschub: Wir wissen, dass es sich dabei um Kryptonit handeln müsste. Die Inder nicht. Das nährt in mir den Verdacht, dass die Inder mit der Vorlage soviel linguistische Probleme hatten, wie wir mit dem Abklatsch.

Superman findet Gitas Bett leer vor (was hat er eigentlich in ihrem Schlafzimmer verloren?), und schließt daraus messerscharf, dass sie von Verma entführt wurde. Er sucht den Bösewicht auf, und dieser legt ihm ein Amulett mit dem oben erwähnten Stein um den Hals. Superman macht schlapp.

Werbung – diesmal ein Trailer für den Knaller „Kayda Kanoon“.

Nach der kurzen Pause wird Superman von den Verbrechern in den Pool geworfen. Was Schlimmeres ist ihnen wohl so kurzfristig nicht eingefallen.

Darauf einen Tanz! Diesmal lässt es sich Verma nicht nehmen, selber die Schenkel zu schwingen, und begeistert mitzusingen. Die Haupttänzerin trägt dabei eine schwarze Spandexhose, wie sie zuletzt in einer Remscheider Disco 1981 gesichtet wurde. Superman dürfte froh sein, unter Wasser davon nichts mitzubekommen. Gita hat weniger Glück – sie muss gefesselt zusehen.

Damit ihr euch mal klar macht, was ich hier durchmache – diese Musiknummer ist an die 7 Minuten lang!

Und schon wieder Werbung (nanu?) – für ein indisches Filmmagazin namens „Stardust“, welches sich selbst als das erfolgreichste der Welt anpreist. Haben wollen!

Nun erscheint wieder das Antlitz von Jor-El, der seinen treibenden Sohn mahnt, mal langsam wieder in die Puschen zu kommen. Daraufhin gelingt Superman auch problemlos die Flucht dem Pool. Das Problem mit dem Amulett scheint vergessen.

Jetzt kriegt Verma von Superman die Hucke voll. Aber leider kann er den Job nicht zu Ende bringen, denn Verma weist ihn auf seinen neusten Plan hin – er will eine Großstadt per Atomrakete vernichten. Der Stählerne meldet sich freiwillig zum Abfangdienst.

Nun will Verma die Gunst der Stunde nutzen, um große Teile Indiens durch Naturkatastrophen zu verwüsten, und dann billig zu kaufen. Zwar wäre er schneller reich geworden, wenn er einfach rechtzeitig Coca Cola-Aktien gekauft hätte, aber auf diese Weise bekommen wir zumindest noch einmal drei Minuten Footage des Original-Films zu sehen.

Wir erinnern uns – im Original kam Lois nun um, und weil er seine Geliebte retten wollte, drehte Superman die Zeit zurück. Für soviel Gefühlsduselei ist bei den Indern aber kein Platz (kicher) – Superman dreht einfach die Zeit zurück, weil es bequemer ist, als den ganzen Krempel wieder auszubauen.

Jetzt ist Verma richtig böse, was allerdings nicht viel Sinn ergibt, denn durch die zurückgedrehte Zeit dürfte er sich ja eigentlich an gar nichts erinnern dürfen.

Verma wird unspektakulär verhaftet. Der Komiker taucht noch einmal auf. Gita ist nirgendwo in Sicht.

The End.

Es ist vorbei. Ich kann es noch gar nicht fassen. Die Kontrolle über meine Extremitäten habe ich längst verloren, Sabber rinnt aus meinem Mundwinkel. Es läuft noch ein wenig Schwarzfilm, denn ich bin unfähig, die Fernbedienung zu ergreifen. Mühselig kämpft sich mein Bewusstsein wieder den Weg an die Oberfläche meiner Gedanken.

Der Nebel lichtet sich langsam. Farben werden erkennbar, das Parkett meines Wohnzimmers. Meine Schildkröte kriecht vorbei.

Ist noch Joghurt im Kühlschrank? Ist noch eine Welt außerhalb meiner Haustür? Ich weiß es nicht.

Zweieinhalb Stunden Leben, die ich nie zurückbekommen werde. Zweieinhalb Stunden, die mir genommen wurden. Und noch mehr.

Nichts wird mehr sein, wie es war.

Aber ich habe es überlebt.

Und nur das zählt.

(c) 2008 Torsten Dewi


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BIER-Skala: 6


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