Sumuru – Die Tochter des Satans

 
  • Deutscher Titel: Sumuru - Die Tochter des Satans
  • Original-Titel: The Million Eyes of Sumuru
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  • Regie: Lindsay Shonteff
  • Land: Großbritannien
  • Jahr: 1967
  • Darsteller:

    Shirley Eaton (Sumuru), George Nader (Nick West), Frankie Avalon (Tommy Carter), Wilfrid Hyde-White (Sir Anthony/Col. Baisbrook), Klaus Kinski (Präsident Boong), Patti Chandler (Linda/Louise), Maria Rohm (Sonja/Helga), Salli Sachse (Mikki), Paul Chang (Inspektor Koo), Essie Huang (Kitty), Jon Fong (Col. Medika)


Vorwort

Die ebenso schöne wie verrückte Sumuru plant eine neue Weltordnung – in der sollen nicht nur die Frauen das Sagen haben (was ja angesichts der Weltgeschichte ein durchaus diskutable Idee ist), sondern auch die Liebe ausgemerzt werden, weil Liebe nach ihrer Logik auch den Hass verursacht, und der wiederum ist Quelle allen Leids, Kriegs und allgemeinen Unfriedens. Hierfür bedient sie sich einer Heerschaar willfähriger Dienerinnen, die sie strategisch an der Seite diveser Staatschefs positioniert hat. Aber auch bei Sumuru läuft nicht alles so, wie’s soll – eins der Mädels ist abtrünning geworden, der Liebe wegen (tja), und muss deshalb beseitigt werden.

Die Holde wird daher an einem von Roms zahlreichen Mittelmeerstränden von drei Sumuru-Helfershelferinnen ersäuft. Das wiederum bringt den Journalisten Nick West und seinen Kumpel, den professionellen Millionenerben Tommy Carter (Nick Carter… DAS wäre ne Sache!) ins Spiel, da die beiden gelegentlich freischaffend für den britischen Secret Service tätig sind und der in Person von Sir Anthony hegt an dem gewaltsamen Ableben des Girls professionelles Interesse. Ya see, die junge Maid war Sekretärin eines gewissen Colonel Medika, und der wiederum ist Sicherheitschef von Präsident Boong, der wiederum der jungen Nation Sinonesien vorsteht. Sinonesien wiederum ist von globalem Interesse, weil man dort gewaltige Ölvorkommen entdeckt hat – und es ist damals so wie heute, wo Öl zu finden ist, da sind die Großmächte zu finden. West ist zwar auf Urlaub, aber um des lieben Friedens willen erklärt er sich bereit, mit Medika zu quatschen. Unmittelbar nach dem Smalltalk wird Medika von einem obskuren Krankenwagen entführt. West verfolgt die Ambulanz in eine Klinik, wo er selbst eine auf den Nüschel bekommt.

Immerhin – im Gegensatz zu Medika lebt er noch, in letzter Sekunde gerettet von Carter. Damit wäre für West die Sache jetzt eigentlich erledigt, aber Sir Anthony insistiert auf weitere Ermittlungen, die West zu einer Villa führen, die von Sumurus Personal bewacht wird. Während West eine der Wächterinnen per sexual assault ablenkt, kann Carter ein Treffen Sumurus und ihrer Führungstruppe belauschen, was aber keine gewinnbringenden neuen Erkenntnisse bringt. Sumuru bringt die von West verführte Wächterin zur Strafe um und deponiert sie in Wests Hotelzimmer, was nun wiederum von der italienischen Polizei kritisch beäugt wird. Sir Anthony stiftet für die Mordverdächtigen zwei Diplomatenpässe und Flugtickets nach Hongkong, wo West auf den mittlerweile dort residierenden Boong aufpassen soll.

West wird aber vom HK-Airport weg von Sumurus Scherginnen entführt und auf deren Privatinsel gebracht. West spielt nämlich in Sumurus Pläne, ist er doch ein Doppelgänger von Mr. Andrews, den Boong als neuen Sicherheitschef engagiert hat. Das Original befindet sich schon in Sumurus Kerker und wird von ihr zu Demonstrationszwecken mit ihrer Geheimwaffe, einer Pistole, die Menschen in Statuen verwandeln kann, umgebracht. Wests Aufgabe wäre es, Sumurus neueste Agentin Linda bei dem als Frauenhelden bekannten Boong einzuführen.

Das gelingt ohne größere Probleme und bringt West eine weitere Privataudienz bei Sumuru ein. Denn, müssen Sie wissen, lieber Leser, Sumuru mag eine neue Welt wollen und slightly mad sein, aber sie ist auch eine FRAU! Und als solche dem unwiderstehlichen Charme von Nick West erlegen. Der allerdings lässt sie abblitzen, was er sich erlauben kann, solange er noch als fünfte Kolonne bei Boong gebraucht wird. Carter versucht inzwischen herauszufinden, wie West abgeblieben ist, wird aber von Sumurus Kämpinnen vor der Insel (ohne schädliche Folgen) versenkt.

Am nächsten Abend soll Linda Boong töten, aber sie bringt’s nicht übers Herz. Zum Glück für Sumuru hat sie bereits in Boongs Leibgarde eine Followerin eingeschleust, die den Job erledigt. Scheinbar. Der paranoide Boong hat nämlich einen Doppelgänger installiert. West gelingt es, Linda zur Flucht zu Carter zu verhelfen, wird aber selbst von Sumuru aufgegriffen und in ihren Kerker verbracht, wo er grausam sterben soll. Wird wieder an Carter hängenbleiben, seinen Kumpel zu retten…


Inhalt

Sumuru ist eine Figur aus dem Werk von Sax Rohmer, der Welt bekannt (naja, heutzutage vermutlich eher nicht mehr) als Schöpfer des chinesischen Superverbrechers Dr. Fu Man Chu, und gemeinsam mit diesem war sie in den 60er Jahren in den Rechtekatalog der britischen Produzentenlegende Harry Alan Towers, einem der größten Schlingel der Filmbranche, gelandet. Und nachdem die Fu-Man-Chu-Filme mit Christopher Lee in der Titelrolle ordentlich Kasse machten (obwohl, sind wir ehrlich, keiner der fünf Streifen wirklich einen Schuß Pulver wert ist), lag es ja auf der Hand, eine eigenständige Reihe mit der sexy Superverbrecherin Sumuru auf die Beine zu stellen. 1967 war die Zeit nach Towers‘ Ansicht gekommen.

Wie üblich verfasste Towers unter seinem Autorenpseudonym Peter Welbeck die Story selbst, überließ die Ausformulierung des Scripts aber Kevin Kavanagh, der normalerweise im Kamera-Department sein Geld verdiente, aber immerhin mit Nicholas Roeg am Drehbuch des kritikerseits wohlgelittenen britischen Heist-Movies „Das Netz“ gearbeitet hatte.

Etwas ungewöhnlich für den oft humorresistent wirkenden Towers nimmt „Die Tochter des Satans“ das Subgenre und damit natürlich insbesondere die hauseigenen Fu Man Chu-Film ordentlich auf die Schippe (nicht nur durch die sprücheklopfende deutsche Synchro… auch die Originaltonspur leistet sich viele Witze). Mag sein, dass gewisser Sexismus dahinter steht, weil Towers vielleicht glaubte, dass eine Superschurkin von Haus aus vom Publikum nicht ernst genommen würde, und deswegen das ganze Prozedere in eine komödiantischere Schiene geschoben wurde. Jedenfalls ist der Streifen absichtlich komisch gestaltet – was sich natürlich zuvorderst in der Figur von Nick West äußert, die einer der inkompetentesten Filmhelden seiner Ära sein dürfte. Nichts, was er tut, hat letztlich große Bedeutung oder durchkreuzt Sumurus Pläne, seine größte Heldentat ist tatsächlich, dass er am Ende des Films noch lebt – das eigentllich „heldenmäßig“ unternimmt primär sein Sidekick Tommy Carter, der auch im Showdown an vorderster Front mit der HK-Police (die heftige Verluste erleidet) gegen Sumurus Privatarmee kämpft, während der nominelle Held gleichzeitig damit beschäftigt ist, eine von Sumurus Dienerinnen, die ebenfalls seinem Charme (ähm) erlegen ist, flachzulegen.

Auch Sumurus eher vage Pläne der Errichtung einer neuen, weiblichen Weltordnung sind mangels einer echten zielgerichteten Operationsweise eher erheiternd (wobei es auch lustig ist, dass Präsident Boong im Gegensatz zu den anderen Weltführern gekillt werden muss, weil er, Bespringer von allem, was ’nen Rock trägt, nicht dauerhaft durch eine von Sumurus ausgesuchten Gefährtinnen kontrolliert werden kann), und naja, Klaus Kinski in einer Mischung aus brown- und yellowface als vermeintlich asiatischer Politiker mit dem ein oder anderen Spleen (Kinski hatte, wie sich Regisseur Lindsay Shonteff sich erinnert, einige sehr schräge Ideen – nach Kinskis Vorstellung sollte Boong eine unnatürlich lange Zunge haben…), sollte man – trotz der sehr überschaubaren Screentime des Meisters – als Fan mal gesehen haben. Und generell ist natürlich auch amüsant, dass selbst Sumuru der erotischen Ausstrahlung von George Nader, nun ja nicht unbedingt als einer der schönsten Männer des Universums, bekannt, erliegt, und bis auf Sumurus rechte Hand-Henchwoman Sonja praktisch auch jede ihrer Untergebenen.

Natürlich ist das nichts für Freunde des stringenten Erzählkinos, da der Film – zumindest in der deutschen Fassung – nicht wirklich eine logische, durchgängige Handlung erzählt. Was mir bereits die Gelegenheit bietet, darauf hinzuweisen, dass die NSM-Auflage des Films entgegen des Coverblurbs nicht wirklich „ungekürzt“ ist. Es handelt sich zwar um die „ungekürzte“ deutsche Kinofassung, aber die ist, wie’s der Väter Sitte war, um gut 15 Minuten gegenüber der englischen Originalversion beschnitten, und ich gehe mal wieder stark davon aus, dass der deutsche Verleiher hauptsächlich Handlungselemente, sprich „den überflüssigen Kram“, aus dem Film entfernte.

Dadurch gewinnt der Film fraglos an Tempo, aber das resultiert in einer ziemlichen Hetzerei, in der nie wirklich eine Atempause gesetzt wird und sogar die Dialoge sich beeilen müssen, die notwendigen Informationen unterzubringen, man fühlt sich fast in einer Folge „Gilmore Girls“.

Regisseur Shonteff ist sicher kein Überflieger (seine Spezialität waren über zwei Dekaden hin Spionageklamotten, und seine Sex-Comedy „Big Zapper“ steht heute noch in Deutschland auf dem Index), aber solider Handwerker. Wie die „Kommissar X“-Filme aus der ungefähr gleichen Zeit bemüht sich auch dieser Film, aus den exotischen Schauplätzen (in diesem Fall Rom und Hongkong) Kapital zu schlagen, auch wenn die Locations im Endeffekt für die Geschichte auch keine gesteigerte Rolle spielen – ob das Finale nun in Hongkong, Norwegen oder Guatemala spielt, macht keinen Unterschied. Aber es sorgt eben für die gewünschte Prise von „international adventure and intrigue“, das in der Folge der Bond-Filme zwingend notwendig war, um das Publikum ins die Lichtspieltheater zu locken.

Freundlicherweise spendierte man Sumuru auch ein ordentliches Schurken-Lair, das einem müderen Bond-Villain nicht zur Schande gereichen würde (auch wenn Nick Wests Frage, was sie dort eigentlich produziert, unbeantwortet bleibt) und die große Schlacht zwischen HK-Cops und Sumurus Lady-Armee ist allemal durchaus sehenswert, auch wenn es das einzige große set piece ist.

Wer auf abgefeimten Sleaze oder Sex hofft, wird enttäuscht – wir reden am Ende halt immer noch von einem Mainstream-Film von 1967. Sumurus Girls hüllen sich zwar in enge, bauchfreie Kostüme, aber das ist es dann auch, mit Ausnahme von Linda, die komplett, aber eben auch nur von hinten sichtbar die Hüllen fallen lässt (Tommy Carter ist der Glückspilz mit dem vollen Aus- bzw. Einblick). Gröbere Gewalttätigkeiten sind auch nicht zu vermelden, und wenn, sind die Leidtragenden primär die Herren der Schöpfung (wer allerdings den Fetisch hat, Jerry Cotton mit nacktem Oberkörper ausgepeitscht werden zu sehen… well, this is your movie).

Die Darsteller sind okay – George Nader, der sich zu seinem Glück schnell davon erholen konnte, eine Hauptrolle im unsterblichen „Robot Monster“, einem der lustigsten Trash-Klopper aller Zeiten, spielen zu dürfen, und nicht weniger als fünfmal für die deutsche Kinoproduktion in die Rolle des Groschenheft-FBI-Agenten Jerry Cotton schlüpfte, ist als unnützer Held durchaus witzig, vor allem dank seiner unangebrachten Überheblichkeit und seinem Unwillen, sich überhaupt für die Sache einspannen zu lassen. Eine Casting-Überraschung ist sicherlich das amerikanische Teen-Idol Frankie Avalon als Naders Sidekick (und Mann der Tat, der immer voran geht, wenn’s wirklich gefährlich wird), der sich in den 60ern durch ein gutes halbes Dutzend der immens erfolgreichen „Beach Party“-Teenie-Musicals gesungen und gespielt hatte, und wahrscheinlich nichts dagegen hatte, mal gegen sein Image agieren zu können. Ist auch durchaus ein Sympathiebolzen, der Junge.

Als Sumuru agiert Shirley Eaton, die ihren ewigen Platz im Film-Pantheon als goldgepinselte Leiche aus „Goldfinger“ fraglos verdient hat. Eaton bekundete, happy über die Chance zu sein, auch mal ein „bad girl“ spielen zu dürfen, auch wenn sie von den „Sumuru“-Filmen ansonsten wenig hielt. Ich hätte mir, man mag mir gewissen Chauvinismus unterstellen, jemanden mit etwas mehr exotischem Flair und Ausstrahlung gewünscht, Sumuru braucht für meine Begriffe eine larger-than-life-Ausstrahlung, und die geht Eaton bei allem Bemühen ab. Als ihr Chef-Henchgirl amtiert Maria Rohm, die sich in der Folge zu einer Jess-Franco-Stammkraft entwickeln sollte (u.a. in „99 Women“, „Nachts, wenn Dracula erwacht“, „Der Hexentöter von Blackmoor“ oder „Marquis de Sade: Justine“) – übrigens ganz interessant, dass die deutsche Synchro, die ohne Not einige Charakternamen ändert, aus ihrer Helga eine Sonja macht. Frankie Avalon brachte von den Beach-Party-Filmen gleich Patty Chandler (Linda, bzw. Louise in der Originalversion) mit, die wirklich easy on the eye ist.

Der legendäre Charakter-Player Wilfrid Hyde-White („Der dritte Mann“, „My Fair Lady“, „Machen wir’s in Liebe“, „Buck Rogers“) legt als Sir Anthony (bzw. Colonel Baisbrook. Ich sag ja, die Namensänderungen sind sehr willkürlich) einen amüsanten Auftritt hin. Paul Chang, der hier den Oberbullen von Hongkong mimt, ist ein vertrautes Gesicht aus zahlreichen 80er-HK-Schlagern wie „Tokyo Powerman“, „Winners & Sinners“, „Shanghai Police“ oder „Tage des Terrors“.

Ja, und Meister Kinski? Es ist sicher eine der schrägsten Rollen unser aller Lieblingspsychopathen – als asiatischer Womanizer (streng genommen in einer Doppelrolle) mochte er vielleicht nicht alle seine beknackten Ideen verwirklichen können, aber man merkt, Kinski hatte hier offenbar wirklich mal Spaß, etwas komplett anderes zu machen als man von ihm gewohnt war. Kinski hat sicher maximal fünf Minuten Screentime, aber in denen reißt er den Film an sich.

Die Mediabook-Fassung von NSM paart „Die Tochter des Satans“ mit dem Jess-Franco-verantworteten Sequel „Die sieben Männer der Sumuru“. Die digital restaurierte (und, wie gesagt, nicht ungeschnittene) Fassung ist qualitativ nicht der Rede wert. Restauration oder nicht, zahlreiche fehlende Frames plagen den 2.35:1-Widescreen-(anamorph)-Print, Verschmutzungen, Defekte und Laufstreifen sind zahlreich, und auch der deutsche Ton zieht die Wurst nicht vom Teller. Als Extra gibt’s nur den Trailer, das Booklet besteht leider ausschließlich aus Aushangfotos (ist ja nicht so, als könnte man zum Sumuru-Franchise nichts schreiben… hint-hint).

Insgesamt mag die DVD-Version qualitativ nicht beeindrucken, der Film macht aber arg viel Laune als höchst unterhaltsamer Genre-Spoof und gehört sicher zum Spaßigsten, was Harry Alan Towers in seiner langen Karriere produzierte. Thumbs up für den Film, allenfalls ein Querdaumen für die DVD-Umsetzung.

© 2019 Dr. Acula


BOMBEN-Skala: 5

BIER-Skala: 7


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