Stray Cat Rock: Delinquent Girl Boss

 
  • Original-Titel: Nora-Neko Rokku: Onna Bancho
  • Alternative Titel: Stray Cat Rock: Delinquent Girl Boss |
  • Regie: Yasuharu Hasebe
  • Land: Japan
  • Jahr: 1970
  • Darsteller:

    Akiko Wada (Ako), Meiko Kaji (Mei), Koji Wada (Miochi), Bunjaku Han (Yuriko), Tatsuya Fuji (Katsuya), Mari Koiso (Toshie), Yuka Kamara (Mari), Goro Mitsumi (Hanada), Ken Sanders (Kerry Fuyijama)


Vorwort

Motorradbraut Ako gerät zufällig zwischen die Fronten zweier rivalisierender Mädchengangs – sie wird von Mei, Chefin einer der Gangs, als Transportmittel ausgekuckt, wobei Mei zunächst mal irrtümlich einer geschlechtlichen Verwirrung unterliegt. Meis Truppe kommt bei der Gang-Schlägerei zwecks ein-für-allemaliger Klärung der örtlichen Platzhirschenrechte gut zurecht, bis die unterlegene Partei regelwidrigerweise ein paar Kerle unter der Führung des allgemeinen Tunichtguts Katsuya einwechselt. Ako, die die ganze Nummer bis dato eher amüsiert beobachtet hat, greift zugunsten Meis ein. Doch Katsuya sollen die Mädels bald in anderem Zusammenhang wiedersehen, und nicht nur, weil er eins der Girls erwischt und gefoltert hat…

Meis Loverboy Miochi, seines Zeichens Kleingauner und als solcher ein ziemlicher Loser, hat die große Chance, bei der Seiyu-Company einzusteigen. Dieses vorgeblich seriöse Unternehmen ist natürlich wieder mal Fassade für eine Yakuza-Organisation, deren hiesiger Unterchef niemand anderes ist als Katsuyas Bruder Hanada, für den der Gangster auch gerne Handlangerdienste verrichtet. Miochis Eintrittskarte in die höheren Sphären ist ein Boxkampf – er soll dafür sorgen, dass sein Jugendfreund und bester Kumpel Kerry, ein begabter Meisterschaftskandidat, einen Fight verliert. Kerry lässt sich unbegeistert auf den Deal ein und spielt für ein paar Runden den leibhaftigen Punching Ball für seinen Kontrahenten. Als allerdings die im Publikum vertretenen Mädels um Mei und Ako seine lasche Performance verbal missbilligen, erwacht in Kerry das Ehrgefühl und er schickt seinen Gegner in den Ringstaub. Gut für Kerrys Ego, schlecht für Miochis unmittelbaren Gesundheitsplan.

Von Katsuya amtlich verdroschen erkennt Miochi, dass er auf den falschen Dampfer gesetzt hat und verkrümelt sich mit Ako, Mei und deren Freundin Mari in ein safehouse. Dummerweise lässt Hanada, sore loser that he is, die City überwachen und als Mari von Ako mal zum Futterkaufen geschickt wird, wird sie entführt und verrät das Versteck. Es gelingt Ako & Co. zwar, Mari zu befreien und Hanada eine dekorative Gesichtswunde zu verpassen, doch der Schaden ist angerichtet…


Inhalt

Ich will nicht behaupten, ein Experte für japanische Exploitationfilme der frühen 70er zu sein – wer tiefschürfende Erkenntnisse über den kulturellen Hintergrund, die gesellschaftliche Bedeutung und die künstlerische Vision dieser Epoche und ihrer Protagonisten sucht, den schicke ich mit Freuden weiter zum Kollegen Keith Allison und Teleport City, ich kann mich ausnahmsweise mal entspannt zurücklehnen und einen Film ganz einfach als Film beurteilen.

„Delinquent Girl Boss“ ist der erste Teil einer insgesamt fünf Kapitel umfassenden Filmreihe um wilde japanische Girls, die stets von Meiko Kaji (unterschiedliche Figuren verkörpernd) gespielt wurden, die in etwas über einem Jahr in die japanischen Lichtspielhäuser geprügelt wurde. Damit ist schon mal klar, dass Autor Hideichi Nagahara („Der große Krieg der Planeten“, „Godzilla 1984“) und die Regisseure Yasuharu Hasebe (Teil 1, 3 und 4) und Toshiya Fujita (Teil 2 und 5) wenig Zeit und wenig Geld zur Verfügung haben mussten. Wie so oft im Leben ist der Zwang zur Selbstbeschränkung aber nicht immer der schlechteste kreative Ratgeber und gerade im rigiden japanischen Studiosystem, dem auch die „Stray Cat Rock“-Reihe als Nikkatsu-Produkt unterfiel, konnte man als aufstrebender Jungregisseur gerade in de kleinen Exploitationreißern relativ frei schalten und walten, solange man on time und under budget blieb – Freiheiten, die man ansonsten, hatte man sich mal zu den großen Franchises oder Star-Produktionen hochgearbeitet, als Filmemacher nicht mehr genoss (verdammt, jetzt hab ich doch wieder Hintergrundgedöns aufgearbeitet. Wollte ich doch gar nicht).

Das Grundkonstrukt der Story ist – auch wenn man sich nach 1970 zurückversetzt – nicht neu. Einsamer Wolf, der in Bandenkrieg hineingezogen wird, meine Güte, das hatte ja selbst Kurosawa schon in „Jojimbo“, das ist also quasi ein ur-japanisches Erzählmotiv. Gut, Ako hier entscheidet sich relativ schnell für eine Seite, der sie loyal bleibt (auch wen Meis Frauschaft moralisch nicht unbedingt viel sauberer ist als die Seiyu-Schergen). Ansonsten ist „Delinquent Girl Boss“ die Sorte Film, die sich aus einer richtigen Geschichte nicht viel macht. Die Handlung beschränkt sich auf ein Wochenende und der „Plot“ besteht mehr oder minder daraus, die Charaktere in schöner Regelmäßigkeit in Handgreiflichkeiten mit der Gegenseite zu schicken und sie dazwischen ein bisschen melodramatisch über ihr Schicksal kontemplieren zu lassen (dass das Ganze treiben dann natürlich in einer Tragödie shakesperanischen Ausmasses mündet, wird Freunde des Gang- und Biker-Genres nicht wahnsinnig verblüffen).

Natürlich haben Film und Story diese typisch japanischen Eigenheiten, die sich aus der schon traditionell zu nennenden Verknüpfungen zwischen Yakuza und „normaler“ japanischer Gesellschaft speisen und die für Angehörige unseres Kulturkreises befremdlich erscheinen mögen – der Ehrenkodex der Yakuza (die übrigens nie als solche bezeichnet werden) spielt wie so oft eine große Rolle (was z.B. in dem für unsere Augen sicherlich etwas seltsamen Umstand zum Ausdruck kommt, dass die Seiyu-Verantwortlichen höchsten Wert darauf legen, dass der – mutmasslich von einem anderen Clan kontrollierte – mittelmäßige Beat-Schuppen, in dem Meis Bande ihr informelles Hauptquartier aufgeschlagen hat, in seinem Geschäftsbetrieb nicht gestört wird; dass Hanada diesem Anliegen seiner Vorgesetzten nicht nachkommt, trägt zu seinem finalen downfall bei) wie ihr stetiges Bemühen, den Schein eines seriösen „Unternehmens“ (mit offizieller Firmenzentrale, Büros und entsprechenden Management-Strkukturen) zu wahren. „Für Japan“ bzw. die dortige Gesellschaft ist es auch bemerkenswert, wie stark praktisch alle Frauenfiguren sind und, im Gegensatz dazu, wie verweichlicht, weinerlich und charakterschwach die Männer (so sie nicht, wie Katsuya, Schurken aus purem Vergnügen sind).

Trotz der recht kurzen Laufzeit und dem Verzicht auf echtes character development und Storytelling im Wortsinne ist der Streifen aber keine Tempogranate – was auch daran liegt, dass Regisseur Hasebe die Actionszenen, also die diversen Schlägereien und Messerstechereien, größtenteils auf „realistisch“ trimmt und „realistisch“ ist halt nur selten „kinematisch“. Das ist keine choreographierte Kampfkunst, das sind einpach StraßenschlägerInnen, die irgendwie versuchen, sich gegenseitig an die Gurgel zu gehen. Ganz besonders traurig ist eine große Auto- und Motorradverfolgungsjagd, die prinzipiell der Höhepunkt der Action sein könnte, aber bestenfalls selbst für 1970 höchstens semi-spektakuläres Stuntwork zeigt (und vor allen Dingen dadurch auffällt, dass die bösen Biker offensichtlich die schlechtesten Motorradfahrer der Welt sind, da sie wohl auch schon stürzen würden, wenn sie über eine Briefmarke fahren. Das grenzt schon an Parodie). Abseits der schieren Äktschn erweist sich Hasebe allerdings – wie praktisch alle japanischen Regisseure, mit denen ich bislang zu tun habe – als versierter Stilist, der sich alle Mühe gibt, seinen Streifen so psychedelisch wie für seine Studiobosse akzeptabel zu machen – epilepsieanfallfördernde flashende Einblendungen, Splitscreens, ungewöhnliche Kamerawinkel, da packt Hasebe die Trickkiste aus und geht damit auch ziemlich souverän um, auch wenn er zum Finale hin stärker auf eine konventionelle Inszenierung setzt und die experimentielleren Einfälle zurückfährt.

Was nun – wie ich euch Schmutzfinken kenne, interessiert euch das hauptsächlich – den Exploitationgehalt angeht… nun, da ist „Delinquent Girl Boss“ ziemlich zurückhaltend. Die einzigen nacken Oberkörper sind die der Boxer, die Folterung durch die Bösewichter wird eher impliziert denn gezeigt, und nur zum Ende hin gibt’s ein paar etwas heftigere Szenen mit drastischem Blutverlust. Hierzulande würde man den Film vermutlich ohne größere Probleme mit einer FSK 16 entlassen.

Erwartungsgemäß cool ist die Mucke – japanische Beat- und Rockmusik aus den 60ern und 70ern ist generell eine recht spaßige Angelegenheit, und auch wenn der Sound sicherlich dem, was in Amerika und Europa produziert wurde, ein paar Jahre hinterherhinkt, sind die schmissigeren Nummern durchaus fußzuckbar und die ruhigeren, balladeskeren Töne nette Schmusimusi. Einen Sonderpunkt verdient der coole, von Akiko Wada herself in ihrem dunklen Kontra-Alt, dargebotene Titelsong.

Wo wir schon bei Akiko Wada sind – sie hat schon eine ordentliche Screenpräsenz, auch durch ihre Physis (und die tiefe Stimme hilft natürlich auch). Weitab davon entfernt, ein „Mannweib“ zu sein, ist sie doch eine Frau, der man durchaus die toughe Bikerin, die sich auch mit Fäusten und Schnappmesser zu helfen weiß, abnehmen kann (es ist weiß Gott ein grundsätzlich zu akzeptierendes Problem des japanischen „GIRL POWER“-Exploitationfilms, dass seine Heldinnen meistens zierliche 40-Kilo-Mäuschen sind; da ist mal ein bisschen Realismus eine wohltuende Abwechslung). Weiß der Geier, warum Nikkatsu die anschließede Serie nicht um Wado baute (deren drifter-Charakter ja durchaus hergeben würde, sie immer wieder in filmbare Situationen zu bringen und die einen enormen Wiedererkennungswert hätte), sondern um Meiko Kaji. Nun ist Kaji ein Hinkucker, aber auch durchaus in der Lage, die Emotionen ihrer Figur glaubwürdig zu transportieren – auch wenn sie im Gegensatz zu Wada eben nicht physisch dieses tough-grrl ist, kann man ihr zumindest emotional folgen – kein großes Wunder, dass sie nach dem Ende der „Stray Cat Rock“-Serie die Hauptrolle in der erfolgreichen „Female Convict Scorpion“-Reihe abstaubte. Wado ihrerseits landete hauptsächlich im japanischen TV und hat die seltsame Errungenschaft im Resumée, im ersten „Super Mario Bros.“-Anime den King Koopa/Bowser gesprochen zu haben.

Koji Wada, der hier den stellenweise ein wenig arg weinerlichen Miochi mimt, war schon in den Filmen der japanischen Exploitaton-Legende Seijun Suzuki aktiv („Gate of Flesh“), balgte in Nikkatus grandios gestraucheltem Kaiju-Versuch Gappa – The Triphibian Monsters mit possierlichen Riesenmonstern und spielte neben Sonny Chiba in „The Streetfighter’s Last Revenge“. Tatsuya Fuji, der als Katsuya augenscheinlich einen Riesenspaß hat, erlangte seinen größten Ruhm mit Hauptrollen in den „Skandalfilmen“ „Im Reich der Sinne“ und „Im Reich der Leidenschaft“. Er ist heute noch aktiv. Oberfiesling Hanada wird portraitiert von Goro Mitsumi, der nicht nur in der „Lone Wolf and Cub“-Reihe auftauchte, sondern auch im „Großen Krieg der Planeten“ und, jeweils als Chef-Alien in „Godzilla vs. Mechagodzilla“ und Terror of Mechagodzilla.

Bildqualität: Meine speziellen britischen Freunde von Arrow haben sich der Reihe angenommen und sie in einer gar nicht mal so teuren Dual-Format-Komplettbox veröffentlicht. „Delinquent Girl Boss“ kommt in 2.35:1-Widescreen. Die Bildqualität ist – bei einem über vierzig Jahre alten Exploiter nicht gar so überraschend – nicht übermäßig prickelnd, stellenweise arg grieseilg, aber zumindest ohne auffällige Defekte, Verschmutzungen oder Laufstreifen. Geht schon in Ordnung.

Tonqualität: Nur japanischer O-Ton mit englischen Untertiteln. Auf großartige digitale Aufmotzung der Tonspur wurde verzichtet, es handelt sich um den originalen, aber durchaus anhörbaren Mono-Ton. Die Untertitel machen einen soliden Eindruck.

Extras: Das Bonusmaterial zur gesamten Serie befindet sich als „Komplettpack“ auf einer Bonusdisc. U.a. werden ausführliche Interviews mit Regisseur Hasebe und Co-Star Fuji geboten, dazu ein fettes Booklet. Und, darf man bei Arrow ja ruhig mal lobend erwähnen, das Artwork ist mal richtig hübsch.

Fazit: Ich muss zugeben, ich hatte nach dem, was ich von „Stray Cat Rock“ gehört hatte, vielleicht ein bisschen mehr erwartet als einen vergleichsweise zahmen Jap-Exploiter – was der Streifen an Härte, Zynismus und Sex vermissen lässt, gleicht er durch die – bis auf die Actionszenen – trippige Inszenierung von Hasebe, die Präsenz von Akiko Wado und den „glee“ der Performance von Tatsuya Fuji aus. Nicht der Burner, den ich erhofft hatte, aber für den an der Historie von Asia-Exploitation interessierten Betrachter unterhaltsam genug. Abgesehen davon hat die Reihe ja noch vier weitere Teile, die mich womöglich begeistern…


mm
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