Strawberries Need Rain

 
  • Original-Titel: Strawberries Need Rain
  •  
  • Regie: Larry Buchanan
  • Land: USA
  • Jahr: 1970
  • Darsteller:

    Monica Gayle (Erika), Les Tremayne (Tod), Paul Bertoya (Bruno), Terry Mace (Franz), Gene Otis Shane (Gerte)


Vorwort

Larry Buchanan. Der Name steht, wie wir wissen, für Trash für Fortgeschrittene. Buchanans hauptamtlicher „claim to fame“, or rather, „infamy“ ist zweifellos seine Reihe von mit Schnürsenkel-Budgets realisierter made-for-TV-Remakes diverser Corman-AIP-„Klassiker“ von Mitte/Ende der 60er, also Kram wie ZONTAR! THE THING FROM VENUS oder IN THE YEAR 2889, oder sein „magnum opus“, MARS NEEDS WOMEN… Eindeutig also ein Mann für’s eher Grobe, aber irgendwann gelüstete es ihm zwischen all den SF- und Horror-Randalefilmen seine künschtlerische Ader zu befriedigen und einen ordnungsgemäßen Arthouse-Film zu inszenieren.

Ergo kam 1970 STRAWBERRIES NEED RAIN, der sich nicht nur vom Titel her an Ingmar Bergmans WILDE ERDBEEREN (1957) – und inhaltlich an DAS SIEBENTE SIEGEL (1957) – anzuhängen gedachte. Besonders skrupellose Distributoren gingen sogar soweit, beim Erstaufführungs-Run von STRAWBERRIES NEED RAIN Buchanans Urheberschaft tunlichst zu verschweigen und den Film als neuen Bergman-Film in die (Grindhouse)-Kinos zu bringen. Kaum vorstellbar, dass irgendeiner der gefoppten Zuschauer länger als drei Sekunden auf die Scharade reinfiel, denn bei allem Bemühen, sich von seiner Vergangenheit als Genrefilmer zu distanzieren, ist Buchanan auch mit allen zusammengekniffenen Hühneraugen und hinter dem Rücken gekreuzten Fingern nicht mal in der Liga des Pausenbrotschmierers eines Bergman-Films. Aber versuchen kann man’s ja…

Nun, die DVD-Fassung des Streifens (der geneigte Kunde muss hierfür in Italien zugreifen, wo der Film in der „Cineclub Clasico“-Reihe ebenso erschienen wie völlig unangebracht ist) gibt zumindest zu, wer der tatsächliche Verantwortliche ist, spart dafür aber im verwendeten Print zumindest schamhaft den Titel aus – in der Fassung ist der Film also quasi das namenlose Grauen…
Also kucken wir mal, wie sich Buchanan mit Baskenmütze auf dem Kopf und vor’s Auge geklemmten Monokel macht. We are encountering ART (man beachte den unverschämt aufs Poster gepinselten Oscar)!
 


Inhalt

Die große Überraschung liefert Buchanan gleich zu Beginn – STRAWBERRYS NEED RAIN führt uns zurück in die idyllische Gemeinde Luckenbach, Texas, die bereits den mehr oder weniger malerischen Backdrop für Buchanans ersten, hust-hust, abendfüllenden, hust-hust, „Film“, THE NAKED WITCH (gedreht 1959, in die Kinos gekommen 1961) abgab. Wir erinnern uns – Luckenbach ist eine Siedlung deutscher (und eher bajuwarisch geprägter) Auswanderer, die – gingen wir davon aus, dass THE NAKED WITCH und STRAWBERRYS NEED RAIN tatsächlich im gleichen Universum spielen würden -, in den vergangenen zehn Jahren einen entwicklungstechnischen Quantensprung absolviert hat, vom halb-mittelalterlichen backwater-Shithole zum immer noch landwirtschaftlich geprägten, aber zumindest semi-modernen amerikanischen Provinzkleinstädtchen. An die germanische Vergangenheit erinnert neben den deutschen Namen, die weiterhin alle Einheimischen tragen werden, hauptsächlich die Blaskapelle, die vom Gazebo des Stadtparks aus „Muss i denn, muss i denn zum Städtele hinaus“ schmettert. Juxtaposiert werden die Bilder einer recht fröhlichen Landgemeinde und ihrer alltäglichen Verrichtungen mit dem Nacktbadespaß einer ansehnlichen Jungmaid, mithin unserer nachfolgenden Protagonistin Erika (Monica Gayle, frisch von der Rolle einer Jungnutte in Eddie Woods TAKE IT OUT ON TRADE zu Buchanan gekommen, aber noch knapp drei Jahre entfernt von ihrer memorablen Vorstellung als einäugige Jago-Figur Patch in Jack Hills formidablem SWITCHBLADE SISTERS). Das Frolicking im See (leider aus geographischer Sicht nicht der gleiche, in dem die Luckenbach-Hexe in THE NACKED WITCH zu plantschen beliebte) wird von einem Jungburschen im Karohemd, der sich im weiteren Filmverlauf noch als Franz (Terry Mace, BURY ME AN ANGEL, SIXPACK ANNIE) vorstellen wird, lüsternen Auges beobachtet.

Interessiert uns aber jetzt aber noch nicht weiter, denn wichtiger ist nun erst mal der alte bärtige Knacker, der eine auffällige Sense mit sich herumträgt und sich per voice-over als Gevatter Tod himself vorstellt (das alte Schlachtross Les Tremayne, KAMPF DER WELTEN, DAS GEHEIMNIS DES STEINERNEN MONSTERS, THE MONSTER OF PIEDRAS BLANCAS). Der grimme Schnitter teilt mit, dass es ihm auf dem Land durchaus taugt – im Gegensatz zur Stadt kann er dort in seiner wahren Gestalt auftreten. Sein Job führt ihn heute zur Farm von Erikas Eltern, und Erika herself ist gerade damit beschäftigt, Wasser aus dem farmeigenen Brunnen zu pumpen. Als der Tod sich zu erkennen gibt, geht Erika verständlicherweise zunächst mal davon aus, dass er wegen eines Elternteils gekommen ist und nimmt schon das nicht freudestrahlend auf. Die Zeiten sind schlecht, die Eltern von Krankheit und allgemeinem Siechtum geplagt, und wenn jetzt noch einer wegsterben würde, würde das den Anderen vernichtend treffen. Na, dann trifft es sich ja gut, dass der Gevatter nicht der Alten wegen da ist, sondern vielmehr Erika holen will.

Das ist jetzt Erika, undankbar wie achtzehnjährige Teenager nun mal sind, auch wieder nicht recht. Ich hab doch noch nicht mal gelebt, jammert uns Erika, und auch von der Liebe an und für sich hat sie noch nichts mitbekommen. Das rührt den Schnitter, der sich diese Story vermutlich dreimal am Tag anhören darf, bei allem Verständnis für die emotionale Drucksituation, nicht wirklich sonderlich, vielmehr schickt er sich an, die Sense zu schwingen. Erika nimmt die hübschen Beine in die Hand und unternimmt einen ebenso verzweifelten wie vergeblichen Versuch, dem Tod durch schlichte Laufarbeit ein Schnippchen zu schlagen. Trotz ältlichen Erscheinungsbilds ist der Sensenmann aber gut zu Fuß und nach kurzer Jagd durch den Vorgarten hat er sein Opfer auch gestellt. Aber Erika appelliert noch einmal an des Todes Großmütigkeit – einen einzigen Tag soll er ihr noch gewähren, und das nicht aus reiner Gefälligkeit, sondern, wie sie argumentiert, weil er ihr den schuldet. Ya see, kurz nach der Geburt war Erika wohl offenbar schwer erkrankt und wurde einen Tag lang für tot gehalten. Und dieser Tag, der fehlt ihr, und da wäre es ja wohl nur fair, wenn der jetzt an ihr kurzes Leben angehängt würde. Seltsamerweise kann der Gevatter sich dieser streng logischen Kausalkette nicht entziehen und gibt klein bei – okay, bis morgen Sonnenuntergang darf Erika weiterleben, dann ist aber Schluss mit lustig und die Sense wird ihr Werk verrichten.

Was macht man nun mit dem letzten Tag seines Lebens? Nun, angesichts des vorhin geäußerten „ich weiß nichts von Liebe“ ist die Sache recht klar – Erika wünscht, wie wohl jeder anständige gesetzestreuer Bürger in dieser Situation, umgehend flachgelegt zu werden. Und den passenden Defloristen hätte sie sich auch schon ausgesucht, ihren Sandkastenfreund Franz, den Spanner. Nach Sonnenuntergang – und nachdem sie einen Abschiedsbrief an ihre Eltern verfasst hat – steigt sie also bei Franzens übers Fenster ein. Okay, Fensterln ist ja durchaus ein bajuwarischer Brauch, aber normalerweise macht das ja „er“ bei „ihr“. Franz ist zumindest noch wach, allerdings mit der Taschenlampe unter der Bettdecke beschäftigt. Nein, er liest nicht heimlich kommunistische Propaganda, sondern er bewundert ehrfürchtig Tittenbilder, die er aus irgendwelchen Pornoheften rausgerissen hat. Ob er sich dabei auch noch einen von der Palme zu wedeln beabsichtigt, wird von Mr. Buchanan dankenswerterweise nicht überliefert. Nun sollte man meinen, damit wäre Franzi gleich in der richtigen Stimmung für eine notgeile besteigungswillige Erika, aber es ist offenbar doch ein erheblicher Unterschied zwischen zweidimensionalen Brüsten auf Papier und dem echten real deal zum Angrabbeln. Erika verdeutlicht ihm auf alle Fälle den Grund ihres Besuchs, wobei sie den Punkt „mich holt morgen der Sensenmann“ vorsichtshalber auslässt und lediglich akuten Entjungferungswunsch, natürlich nur aus Liebe, ne, vorschiebt. Franz befindet sich aber auf einem Ro-Man-genehmigten Graphen zwischen „must“ und „cannot“. Erikas Möpse betatschen geht ja noch einigermaßen klar, aber als sie beginnt, ihm den Pyjama aufzuknöpfen und sich auf ihn zu forcen, treten die Testikel den Rückzug an und Franz komplimentiert seine Freundin so höflich wie angesichts der ausgesprochen seltsamen Situation möglich aus seiner Kemenate. Franz ist ein Trottel.
 
Doch auch wenn Erika in dieser Nacht weiterhin zu ihrem Leidwesen im Besitz eines intakten Hymens bleibt, haben selbst in Luckenbach auch andere Töchter schöne Väter, äh, andere Mütter hübsche Söhne. Vor der Kirche trifft sich die mobile Dorfjugend, und wer was auf sich hält, ist sogar Besitzer eines Motorrads. Chef im Ring der frömmsten Bikergang der Filmgeschichte ist local chief bad boy Bruno (Paul Bertoya, HOT RODS TO HELL, ANGELS FROM HELL, CHE!), mit 32 Jahren nicht nur einer der ältesten Teenager der bekannten Historie, sondern außerdem sogar Besitzer und Träger einer Lederjacke, sowie des Fahrens auf einem Moped ohne Helm mächtig. Bruno hat gerade seine bisherige hauptamtliche Schnalle amtlich in die Wüste geschickt, weil die Schlampe blöd genug war, von ihm schwanger zu werden, und in Brunos Welt ist das womöglich ein Problem, aber ganz gewiss keines, mit dem er sich tiefschürfender auseinanderzusetzen gedenkt. D.h. die Sozia-Stelle wäre augenblicklich vakant. Seine zweifelhaften Freunde schlagen die zufälligerweise gerade vorbeidefilierende Erika vor, the reason being dass sie höchstwahrscheinlich das einzige poppbare weibliche Gerät im Ort ist, das Bruno noch nicht flachgelegt hat, weil bis dato als unauffällige graue Maus klassifiziert nicht in sein Beuteschema fallend. Bruno allerdings bemerkt bei Erika, die dafür, dass sie noch ungefähr zehn Stunden zu leben hat, einen ziemlich gefassten und alltäglich-gestimmten Eindruck hinterlässt, einen mutmaßlichen Attitüde-Wechsel und erwägt die Temporärbelegung.

Indeed verhält sich Erika für ihre Verhältnisse uncharakteristisch – im örtlichen Gemischtwarenladen kauft sie nicht nur ein sündhaft teures Parfüm („das mit dem aparten Deckel“) für 59 Cent (!!), sondern ersteht auch noch eine Sonnenbrille und (was wir allerdings erst später realisieren werden) ein schickes Kleid. Okay, vielleicht denkt sie ja auch nur im Sinne der Staatsökonomie und will vor ihrem Ableben ihr Erspartes in den Wirtschaftskreislauf zurückpumpen. Das ist ja durchaus sinnvoll. Vor dem Shop wird sie von Bruno und seinem fahrbaren Untersatz abgefangen. Bruno lädt Erika auf eine kleine Spritztour ein und anfänglicher formaler Widerstand wg. ihres unhandlichen Pakets wird mit Verweis auf die Möglichkeit, das gute Stück noch mal im Laden zu deponieren und später abzuholen, schnell erstickt. Bruno ist von Erika positiv überrascht, denn im Gegensatz zu den anderen Schicksen, die er normalerweise auf seiner Mühle rumkutschiert, ist Erika absolut frei von jeglicher Angst. Klar, kann man ja auch sein, wenn man mit absoluter Präzision weiß, dass man an diesem schönen Sonnentag keinesfalls bei einem Motorradunfall den Löffel werfen wird. Bruno fährt raus aufs Land, an die malerischten Orte, die sich ein romantischer Leder-Bad-Boy so vorzustellen vermag, und verpasst Erika auch noch eine Nachhilfestunde in Sachen Lokalhistorie, so z.B. hinsichtlich der alten Mühle (leider wieder nicht die alte Mühle aus THE NAKED WITCH. Boo!), die vor vielen vielen Lenzen die Felder der Farmer mit dem kostbaren Wasser versorgt hat. Das weiß er schon allein deshalb, weil die Mühle seiner Familie gehörte, und er seinen Familiennamen „Miller“ auch dieser höchstinteressanten Tatsache verdankt. Jedenfalls schlägt er vor, auch das sicherlich auch architektonisch ausgesprochen sehenswerte Mühleninnere zu besichtigen, und das heruntergekommene Interieur der Mühle bringt unsere zwei Turteltäubchen dann auch in die geeignete Stimmung für die jahreszeitlich bedingten sexuellen Gelüste. Wie wir wissen, will Erika ja letztlich als letzte Tat auf Erden nichts anderes als den ersten (und damit auch letzten) Fick des Lebens und Bruno, bis dato auch sehr nett und einnehmend, scheint durchaus ein geeigneter Kandidat zu sein, bis… ja, bis Bruno bei den Vorbereitungen des Koitus sein wahres Ich offenbart. Bruno ist natürlich eingetragenes Ehrenmitglied im „Männer sind Schweine“-Club und wenn hier geföckelt wird, dann so wie er will, nämlich hart und ungerecht. Das findet Erika nun ausgesprochen unakzeptabel und windet sich aus seinem besitzergreifenden Griff. Bruno ist nun einer von der Sorte, der ein „nein“ womöglich als „nein“ gerade noch akzeptiert, aber deswegen noch lange nicht der Ansicht ist, dass eine solche Verweigerung keine Konsequenzen für die körperliche und seelische Unversehrtheit der verhinderten Beischlafpartnerin hat. Will sagen, Bruno zieht sich den Gürtel aus der Hose und prügelt damit auf Erika ein (was dann auch das Adjektiv „sadistic“ auf dem Filmplakat rechtfertigt, mit dem die geifernde Regenmantelcrowd zum Besuch dieses Dramas bewegt werden sollte). Erika ergreift nach einem Dutzend Schlägen oder so die Flucht per pedes. Bruno ist in seiner Männlichkeit gekränkt genug, um sein Motorhuhn zu satteln und die Verfolgung aufzunehmen. Obwol Erika nun nicht gerade durchs unwegsamste Gelände türmt, ist das die Sorte Film, in der ein schwaches Frauenzimmer einem schweren Motorrad ohne weiteres immer die entscheidenen 10-20 Meter voraus rennen kann, aber früher oder später werden sich sicher Ermüdungserscheinungen bemerkbar machen. Da trifft es sich gut, dass aus dem Unterholz der Gevatter tritt und die Sense schwingt – natürlich, schließlich ist der Tod jemand, auf dessen Wort man sich uneingeschränkt verlassen kann, nicht in Richtung Erika, vielmehr mäht er Bruno nieder, der nun also, wie’s in den offiziellen Formularen stehen wird, sich bei einem tragischen Motorradsturz den Hals gebrochen hat.

Der Tod beruhigt die schockierte Erika – das, mithin also das Ableben ihres schlecht ausgekuckten Hymenknackers-in-spe, hat nichts mit ihr zu tun, Brunos Tod war eben für diesen Zeitpunkt vorgesehen. Das ist, wenn man’s mal logisch durchdenkt, sicher nicht die allerschlüssigste Argumentation, aber der, der mit der Sense um sich schlägt, hat im Zweifelsfalle die Wahrheit mit dem Löffel gefressen.

Erika kann also fröhlich daran gehen, ihre letzte Handvoll Stunden auf Erden  ohne Gewissensbisse zu genießen, und das tut sie dann auch, spaziert durch Felder und über Wiesen,  schwingt auf einer an einen Baum montierten Schaukel und landet schließlich an ihrem Lieblingsplatz, dem Nacktbadetümpel vom Beginn. Aber sie ist nicht allein – ein etwas verschrobener Herr liegt dort herum und liest laut aus seinem Lieblingsbuch „Don Quijote“ (nur um mich persönlich zu ärgern, wird er den Titel konsequent als „Don Coyote“ aussprechen. Dabei ist „Don Coyote“, wie jeder weiß, Titel der Memoiren von Wile E. Coyote, Genius, und beinhaltet 763 Kapitel über die vergebliche Jagd nach einem sadistischen Roadrunner). Nach kurzer Überlegung identifiziert Erika den Klassikerfreund als ihren Grundschullehrer Shostrum (Gene Otis Shane, DRACULA UND SEINE OPFER, HELL’S BLOODY DEVILS) und nach ein bisschen Smalltalk weiß auch der Lehrer, wen er da zu seinem Erstaunen als bildhübsche junge Frau vor sich stehen hat. Man schwelgt ein wenig in Erinnerungen (was Erika auch u.a. in einen recht kuriosen Flashback steuert, in dem sie zwar als Kind, aber in ihrem „erwachsenen“ Körper, zu spät zur Schule kommt und als Entschuldigung vorbringt, dass sie für ihre Eltern vor Schulbeginn noch kochen, die Haushaltsarbeiten erledigen, beim Schafscheren helfen und sich dann auch noch den Geruch der rasierten Määäähs von der Epidermis spülen musste, worüber die anderen Kinder sich lustig machen. Shostrom reagiert damit, alle Kinder AUSSER Erika zum Nachsitzen zu verdonnern, weil zu spät kommen zwar schlimm ist, Häme aber noch viel schlimmer). Es beginnt zu regnen, und Shostrom lädt Erika zu sich nach Hause ein, um den himmlischen Segen auszusitzen.

Dorfschullehrer wird augenscheinlich miserabel bezahlt, denn Shostrom bewohnt eine komfortable Ein-Raum-Hütte ohne elektrisches Licht. Aber Shostrom ist kein Mann des materiellen Besitzes, er hat, wie er bekundet, alles, was er braucht. Was nun aber auch gelogen ist, denn eigentlich war mit der Einladung auch ein kleines Fresschen verbunden, Shostrums Vorratsschrank ist aber ratzeputz leer, da gibt’s nicht mal mehr einen Brotkrümel, den er ihr kredenzen könnte. Das sieht aus wie eine Mission für Don Quijote, den hoffnungslos romantischen Ritter. Todesmutig macht sich Shostrum, Quijote-zitierend und den Segen seiner Dulcinea Erika empfangend, auf seinem Fahrrad und mit seinem Regenschirm auf in die Stadt, Happa besorgen. Erika bleibt zurück (wüsste ich, das sich vielleicht noch drei-vier Stunden zu leben habe, wäre es mir schon entschieden zu frustrierend langweilig, einen beträchtlichen Teil dieser knappen Zeitspanne dümmlich wartend zu verbringen). Erika rummaged also durch Shostroms spärliche Besitztümer und findet im Hochparterre (die Hütte hat so eine über eine Leiter erreichbare halbe erste Etage, die als Stauraum für Krempel dient) eine Spieldose (Spieldosen! Immer bestens geeignet für unspezifizierte Symbolik!).

Nach einer Weile kehrt Shostrum zurück und kredenzt ein üppiges (wenn auch ziemlich rustikales) Mahl und Schlammpagner. Erika hat sich für diesen stolzen Anlass gleich in ihr neues Kleid (das hat Shostrom freundlicherweise aus der Stadt mitgebracht) geworfen – es ist auffällig weiß (Symbolik!). Der Schampus lockert die eh schon einigermaßen entspannte Stimmung zusätzlich auf und bald schon hat Erika Shostrum seinen Vornamen entlockt – den typischen bajuwarischen Männervornamen „Gerte“ (Gertie ausgesprochen). Gerte und Erika, das passt, findet Erika (nein, das heißt „GITTI und Erika“, dusslige Kuh!) und wenn man jetzt schon so intim ist und Gerte auch passenderweise ein Eisbärenfell vorm offenen Kamin liegen hat… well… Erikas Entjungferungsdurst wird gestillt… (auch wenn vorher die Spieldose noch mal angeworfen werden muss). Wir lernen, dass zu den postkoitalen Vergnügungen, die man so treiben kann, auch das Schattenspiel (einer Kissenschlacht) gehört (do deformed rabbit, it’s my favorite!) und wir im Rahmen dieser Posse auch den Schatten von Gertes erigiertem Schniedel bewundern dürfen (danke dafür), passiert irgendwann, was passieren muss. Gerte entschnorchelt ins Schlummerland, Erika bemerkt, dass die Sonne sinkt und tritt vor die Hütte, um ihrem Schicksal gefasst entgegenzusehen.

Der Tod lässt sich auch nicht lumpen und erscheint pünktlich. Na, dann soll er jetzt gefälligst auch seine Arbeit machen, befindet Erika, bevor a) sie es sich anders überlegt und b) sich richtig und ehrlich in Gerte verliebt. Der Schnitter würd‘ ja gerne, aber er darf nicht… er ist nur legitimiert, eine Seele zu holen und in Erika stecken jetzt zwei (d.h. Meisterschütze Gerte hat beim ersten Schuss gleich den Vogel abgeschossen). Der Tod lässt die verblüffte Erika stehen und zieht pfeifend von dannen, und Erika… tja, die hat jetzt von einmal frei poppen gleich den ganzen Salat für den nun doch wieder beträchtlichen Rest ihres Lebens am Hals. Zählt man das als Happy End?
 

Na sieh mal einer kuck – kennt man von Larry Buchanan wirklich nur seine genrezugehörigen Anschläge auf die Gehirnsubstanz seiner Zuschauer, dann haut STRAWBERRIES NEED RAIN (der Titel bezieht sich auf ein von mir wegen nicht wirklicher Plotrelevanz nicht erwähntes Episödchen, in dem Gerte die damals noch kleine Erika beim Klauen von Erdbeeren erwischte) den geneigten Zuschauer schon beinahe vom Hocker.

Nein, natürlich ist der Film kein wirklich signifikantes Arthouse-Drama, das wirklich etwas Bedeutsames zu sagen hätte, aber im Vergleich zu seinen liederlich hingeschlampten Horrorfilmchen ist STRAWBERRIES NEED RAIN schon ziemlich sorgfältig gewerkelt. Buchanan hatte ja auch einen Writing-Partner, der zumindest aus genetischer Sicht für anspruchsvolles Kino qualifiziert sein sollte – Tony Huston, den Sohn von Regielegende John Huston, der aus irgendwelchen Gründen 1965 in Buchanans Dunstkreis geraten und als Schauspieler in THE EYE CREATURES, ZONTAR! THE THING FROM VENUS, CURSE OF THE SWAMP CREATURE und MARS NEEDS WOMAN für unseren Larry tätig war, wobei er für CURSE OF THE SWAMP CREATURE auch am Drehbuch werkelte.  Nun muss man fairerweise sagen, dass trotz des berühmten Papas aus Tony weder als Schauspieler noch als Autor oder Regisseur eine große Leuchte wurde – einzig sein Drehbuch für die 1987 herausgekommene und von der Kritik wohlwollend aufgenommene James-Joyce-Verfilmung DIE TOTEN wurde immerhin mit einer Oscar-Nominierung bedacht (so kann man sogar einen Larry Buchanan über zwei Ecken mit einem Academy Award in Verbindung bringen. Ich vermute, Larry ist vor pride-by-association schier geplatzt). Nun, von einer Oscar-Nominierung ist das gut gemeinte, aber sehr naive Script von STRAWBERRIES NEED RAIN noch sehr sehr weit entfernt.

Klare Sache, die die Geschichte greift, wie der Filmtitel es nahe legt, Bergman-Motive auf – das Geschacher mit der Personifikation des Tods um eine Lebensverlängerung, die Auseinandersetzung mit der eigenen Sterblichkeit, die Angst, etwas zu verpassen, was in der eher schlichten Weltsicht, die von Buchanan und Huston hier vertreten wird, auf die Liebe (sowohl in ihrer körperlichen als auch idealisiert-romantischen Form) reduziert wird.

Erika konfrontiert drei höchst unterschiedliche Männertypen – Franz, den Freund aus Kindertagen, der den Schritt von der Sandkastenfreundschaft zur echten, erwachsenen Liebe nicht zu machen bereit ist, Bruno, den brutalen Rüpel, der nur nach seinen eigenen dominanten Bedingungen spielt, und dann Gerte, den sanften verständnisvollen Idealpartner. Das sind natürlich grob geschnitzte Stereotypen, die psychologisch sicher nicht komplett aus der hohlen Hand gezogen sind, aber keinesfalls so tiefsinnig sind, wie der Film – der natürlich hochmoralisch ist: Bruno wird für sein mieses Verhalten umgehend mit dem Tode bestraft, die Liebe von Gerte und Erika wird genauso blitzartig durch die Schwangerschaft legitimiert und, davon können wir ausgehen, eine anständige Ehe überführt – es wahrscheinlich hofft.  Ich könnte mich ja noch halbwegs mit den Thesen des Films und der Schlussfolgerung, dass Gerte der perfekte Partner ist, anfreunden, wenn Gerte nicht ein derart unerträglicher Schmierlappen wäre (von der generellen Creepyness, dass ein Lehrer seinen ehemaliges Grundschul-Zögling bepoppt, ganz abgesehen). Brr… wäre ich eine Frau, ich würde mich ja eher von Bruno zwangsbeglücken lassen als diesem äußerst suspekten Spacko gefällig zu sein.

Auch in seinen philosophischen Exkursen ist der Film natürlich nicht halb so clever oder anspruchsvoll wie er sein möchte. Bahnbrechende Erkenntnisse über die conditio humanis sind die Sache des Films nicht – dass es hin und wieder gesund ist, sich in eine Welt der eigenen Vorstellungskraft zu flüchten(vertreten sowohl durch Erikas „Fähigkeit“, sich ihren kleinen Badeteich als großen See oder Ozean vorzustellen, wie auch durch Gertes Hang, sich selbst in die Handlung von „Don Quijote“, äh, meine natürlich, „Don Coyote“, zu versetzen) , ist ebenso eine Binsenweisheit wie die offensichtlich als zentrale Aussage beabsichtigte Feststellung, dass das Leben, gerade weil es vergänglich ist und praktisch jederzeit enden kann, so kostbar ist (was von Erika, die dem Tod vorwirft, durch seine Arbeit die Kostbarkeit des Lebens zu verletzen, und dem Schnitter himself ausdiskutiert wird).

Das Cop-out-Ende, in dem der Tod Erika verschont, weil sie gleich beim ersten Mal schwanger geworden ist, läuft natürlich der „carpe-diem“-Message des Films ein wenig entgegen, wenn man den letzten Vorhang so einfach aushebeln kann…
 
Aber natürlich – im Vergleich zu dem groben Unfug, mit dem Buchanan uns in seinen Genrebeiträgen kommt, ist STRAWBERRIES NEED RAIN natürlich eine intellektuelle Meisterleistung. Und auch vom Filmhandwerk her gibt sich Buchanan schon ersichtlich mehr Mühe als bei seinen AIP-Remakes. Auch wenn der Schnitt da und dort rumpelig ist, gelingen Buchanan und seinem Kameramann Robert C. Jessup, der nach seinen Lehrjahren bei Buchanan höherwertige Ware wie VIER IM RASENDEN SARG, TÖDLICHER SEGEN oder DAS STUMME UNGEHEUER fotografierte und auch für Fernsehserien wie DALLAS oder EIN DUKE KOMMT SELTEN ALLEIN die Kamera schwang, einige schöne Bilder und Panoramen rund um das reale Luckenbach. Das droht manchmal, wenn Erika über Blumenwiesen und Felder scharwenzelt, beinahe ein wenig in Heimatfilm-Idylle abzukippen, vor allem, wenn Komponist Ray Martin noch seine (durchaus sehr gefälligen, aber eben auch sehr naiven) Songs drüberlegt (die Texte des Titellieds und des zweiten Songs „Yellow and Green and Blue“ mit ihren putzigen Analogien sollte man durchaus aufmerksam anhören), kriegt aber fast noch immer die Kurve.
 
Ein Exploitation-Film ist STRAWBERRIES NEEDS RAIN auf jeden Fall nicht. Ja, Monica Gayle (und Gene Shane Otis, worauf ich hätte verzichten können) ziehen vollkommen blank und ja, es gibt eine einigermaßen ausführliche Sexszene, und ja, gottverdammich, der böse Bruno vermöbelt die arme Erika (ohne ernstliche Folgen) mit seinem Gürtel, aber nichts davon ist als schiere „titilation“ gedacht (vermarktet, sicher, beabsichtigt, naja, bestenfalls ein wenig). Nudity ist freilich bei einem Film, der ja als prinzipiellen Plot den beabsichtigten Verlust der Jungfräulichkeit hat, unabdingbar, aber, wie gesagt, Buchanan, der auch nie wirklich sein „calling“ als Sexploitation-Filmemacher gefunden hätte (bevor er seine AIP-Hobel drehte, verantwortete er zwar ein paar sexuell aufgeladene Quickies, aber sein wahres forté war der Sex zweifelsfrei nicht), inszeniert die „Prügelszene“ unspektakulär (und Gayle bleibt in der Szene bekleidet) und gestaltet die Liebesszene zwischen Gayle und Otis einigermaßen ästhetisch (abzüglich des unnötigen Penis-Schattenspiels im Nachgang). Dramaturgisch unterteilt sich der Film dabei nach der Eröffnungsszene, in der Tod und Erika die Rahmenbedingungen definieren, in drei fein säuberlich getrennte, tonal unterschiedliche Episoden. Den Auftakt macht die leichtgewichtige Franz-Geschichte, die ein gar nicht mal so unauthentisches Bild davon zeichnet, wie zwei unerfahrene Teenager, von denen keiner so wirklich eine Vorstellung hat, was und wie man an dieser Stelle machen sollte, am Sexversuch scheitern, haben dann die deutlich dramatischere Bruno-Episode und blenden dann zum Finale – in der sicherlich deutlich schwächsten Geschichte – zur puren „Romantik“; natürlich scheitert die Gerte-Episode an der erwähnten Grundcreepyness des Szenarios – und auch daran dass Monica Gayle und Gene Otis Shane keinerlei Chemie verbindet, von der sie wüssten.

Dabei ist Monica Gayle schauspielerisch eine kleine Überraschung – es ist sicher keine Performance, für die man unbedingt mit Preisen für die Darstellkunst beworfen werden müsste, aber es ist schon ziemlich süß und unschuldig (und kein Vergleich zur durchtriebenen und hinterlistigen Patch, die sie ein paar Jahre später in SWITCHBLADE SISTERS gab). Les Tremayne als Tod ist nun nicht gerade meine Traumbesetzung für den Part – klar, der alte Routinier erledigt den Job, wenn auch sicherlich nicht mit dem ganz großen Herzbluteinsatz, mit souveräner Erfahrung, aber es fehlt ihm doch die gewisse larger-than-life-Ausstrahlung, die die anthropomorphe Personifikation des Todes dann doch ausstrahlen sollte. Erikas drei Männerbekanntschaften sind nicht wirlich der Rede wert – Terry Mace müht sich als Franz um die nötige Naivität, Bertoya fehlt zum zünftigen bad boy auch die Ausstrahlung und Gene Otis Shane als Gerte ist schlicht furchtbar.

Wer das Ding nun selbst sehen will, wird, wie gesagt, in Italien fündig, wo der Streifen unter dem Titel LE FRAGOLE HANNO BISOGNO DI PIOGGIA (was trotz des italienischen Hangs zu blumigen Titeln schlicht die wörtliche Übersetzung von STRAWBERRIES NEED RAIN ist). Die Bildqualität (1.85:1) ist brauchbar für die Sorte und Handelsklasse Film. Die Farben sind recht blass, Kontrast und Schärfe okay, der Print wird von einigen Laufstreifen und Defekten geziert und im Nachspann gibt’s dann zumindest im Bild einige Jumpcuts (der akzeptable englische O-Ton läuft klaglos durch, wer’s lieber auf Italienisch kucken will, kann das auch). Extras gibt’s nicht.

Rein formal ist STRAWBERRIES NEED RAIN sicher der beste Buchanan-Film, der sich mir bislang vorgestellt hat. Auch wenn der Film in seinem Unterfangen, mit den minimalen Mitteln einer Buchanan-Produktion Bergman stilistisch und inhaltlich zu imitieren, natürlich im Endeffekt zum Scheitern verurteilt ist, ist die ganze Nummer doch schon deswegen interessant, weil wir nicht oft mit beabsichtigten „Kunstfilmen“ aus der Hand eines Genre-Trümmer-Filmers konfrontiert werden. Und wenn Philosophie und Botschaft des Films in Naivität und Schlichtheit seiner Protagonistin kaum nachstehen, so taugt der Streifen allemal als kleiner Showcase für Monica Gayle. Daher insgesamt ein mit Sympathie gewährter Querdaumen.

© 2020 Dr. Acula


BOMBEN-Skala: 6

BIER-Skala: 6


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