Stadt der Toten

 
  • Deutscher Titel: Stadt der Toten
  • Original-Titel: City of the Dead
  • Alternative Titel: Horror Hotel |
  • Regie: John Llewellyn Moxey
  • Land: Großbritannien
  • Jahr: 1960
  • Darsteller:

    Dennis Lotis (Richard Barlow), Christopher Lee (Alan Driscoll), Patricia Jessel (Mrs. Newless), Tom Naylor (Bill Maitland), Betta St. John (Patricia Russell), Venetia Stevenson (Nan Barlow), Valentine Dyall (Jethrow Keane), Ann Beach (Lottie), Norman Macowan (Reverend Russell)


Vorwort

1692 wird in dem kleinen Nest Whitewood in Massachussetts die Hexe Elizabeth Selwyn verbrannt, mit all dem üblichen Bruhei wie Verfluchungen bis in alle Ewigkeit etc. pp.

1960 hält Universitätsprofessor Driscoll Vorlesungen zum Thema und seine Studentin Nan Barlow ist ganz besonders aufmerksam. Für ihre Semesterarbeit plant sie, eigene Recherchen zum Thema Hexerei in Neuengland anzustrengen und Driscoll empfiehlt ihr, in Whitewood anzufangen und referiert sie sogar an Mrs. Newless, die Inhaberin der einzigen örtlichen Pension, dem Raven’s Inn. Ihr Bruder Richard, ebenfalls Professor, allerdings im Gegensatz zu Driscoll ein Mann der Naturwissenschaft, hält wie ihr Boyfriend Bill nicht wahnsinnig viel vor dem Vorhaben, aber weil Nan ein eigensinniges Köpfchen hat, setzt sie sich durch und tuckert in die Pampa.

Whitewood erweist sich als unheimlicher Flecken, ständig im Nebel, und wie im 17. Jahrhundert stehen geblieben. Dennoch findet Nan im Raven’s Inn trotz angeblicher Hochsaison Unterkunft und kann ihre Forschungen beginnen. Die verfallene und nach Mrs. Newless‘ Aussage nicht mehr kongregierte Kirche scheint ein guter Ansatzpunkt zu sein, doch dort haust nach wie vor ein alter Reverend, der Nan unmissverständlich vorschlägt, sich schleunigst aus Whitewood zu subtrahieren. Angesichts des eher wenig freundlichen Verhaltens der Dorfbevölkerung flüchtet Nan sich in einen Laden, wo sie auf Patricia, die Enkelin des Reverends, trifft, die, ebenfalls Neuankömmling im Ort, erheblich offener agiert und Nan auch gerne ein antikes Buch über lokale Vorkommnisse in Sachen Teufelsanbetung und Hexerei ausleiht.

Am Abend hört Nan in ihrem Zimmer rätselhafte Geräusche aus dem Keller – einem Keller, der, wie Mrs. Newless versichert, schon seit ewigen Zeiten zugeschüttet ist. Die Neugier setzt sich durch – unter einer Falltür entdeckt Nan einen Geheimgang und folgt ihm…

Zwei Wochen später beginnen Richard und Bill sich ernstlich Sorgen zu machen – man stellt Nachforschungen an und stellt betroffen fest, dass Nan seit dem Abend ihrer Ankunft in Whitewood spurlos verschwunden ist. Richard stellt Driscoll zur Rede, der zu Protokoll gibt, Whitewood als Startpunkt für Hexenforschungen empfohlen zu haben, weil er selbst aus dem Kaff stammt. Kaum hat Richard sich mit der Ankündigung, selbst nach Whitewood reisen zu wollen, empfohlen, schlägt Patricia bei Driscoll, von dem Nan ihr erzählt hatte, auf und bittet den Prof, ihr die Adresse von Nans Familie zu geben. Weil Driscoll ein netter Mensch ist, schubst er sie tatsächilch in Richards Richtung.

Dick und Patty sind sich schnell einig, dass in Whitewood so manches übel riecht und Nans Verschwinden keiner jugendlichen Studentenlaune zu verdanken ist. Dick fährt nach Whitewood und erfährt vom alten Reverend, dass der Ort fest in der Hand eines Hexenzirkels ist, der zweimal im Jahr Blutopfer braucht, um seine Unsterblichkeit zu wahren. Und heute wär mal wieder eines fällig…


Inhalt

Wiewohl ich gelobt habe, mich in nächster Zeit verstärkt um den Output der Hammer Studios zu kümmern, kann man, auch der historischen Einordnung wegen, nicht umhin, ab und zu auch einen Blick zu Hammers primärer mit-britischer Konkurrenz schweifen zu lassen – Amicus hatte nie den Output der berühmteren Konkurrenz (während seiner gesamten Existenz von ungefähr fünfzehn Jahren stemmte Amicus knapp 30 Produktionen), hat aber bei vielen Freunden klassischen Gruselkintopps aufgrund seiner unerreichten Anthologiefilme einen Stein im Brett (obschon auch Amicus nicht nur Horror produzierte, sondern auch Thriller, Dramen und sogar Rock’n’roll-Musicals realisierte).

„City of the Dead“ gilt als erste echte Amicus-Produktion, obwohl noch unter dem Banner von „Vulcan Eintertainment“ entstanden – hinter dem Film stand das zukünftige Amicus-Duo Milton Subotsky und Max Rosenberg, zwei Amerikaner, die erkannt hatten, es als unabhängige Produzenten wesentlich leichter zu haben, wenn sie sich nicht in den Staaten gegen die Major-Studios positionierten, sondern in einem kleineren Teich, sprich Großbritannien, einen etwas größeren Fisch zu mimen. Dabei praktizierten die Beiden Arbeitsteilung – während Rosenberg sich primär um die finanziellen Aspekte kümmerte, war Subotsky für den Kreativprozess zuständig, schrieb die meisten Drehbücher der Firma und heuerte Cast & Crew an (später, nach dem Ende von Amicus, optionierte Subotsky ein Rudel Kurzgeschichten aus Stephen Kings „Nightshift“-Fundus, um daraus Anthologiefilme zu stricken. King, der aus unerfindlichen Gründen Subotsky für den leibhaftigen Antichristen des Horrorfilms hielt, setzte Himmel und Hölle in Bewegung, um dieses Vorhaben zu stoppen. Zwar letztlich erfolgreich, aber das ist der rein juristische Grund, warum zahlreiche King-Adaptionen von „Katzenauge“ bis „Der Rasenmäher-Mann“ Subotsky als Produzenten kreditieren, obwohl er nichts mit der Entstehung der Filme zu tun hatte).

Weder Subotsky noch Rosenberg waren sonderliche Horrorfans (Subotskys erklärtes Lieblingssteckenpferd waren Musicals), aber als clevere Geschäftsleute hatten sie natürlich erkannt, dass dieses Genre gut dafür geeignet war, mit relativ geringem monetären Aufwand ordentlich Gewinn zu erzielen. Und so war dann auch die erste britische Gemeinschaftsproduktion des dynamischen Duos ein Horrorfilm – „City of the Dead“, der in den USA, wo man für den Drive-in-Markt marktschreierische Titel brauchte, als „Horror Hotel“ firmierte.

Schon dieser kleine, mit sehr geringem Aufwand gedrehte Film machte einen zentralen Unterschied der Arbeitsweise von Hammer und soon-to-be-Amicus deutlich. Während Hammer bis in die 70er hinein auf period pieces setzte, siedelte Amicus seine Horrorproduktionen durch die Bank in kontemporärem Setting an, machte sie so „more relatable“ (was vielleicht auch ausgleichen sollte, dass Amicus-Produktionen selbst im direkten Vergleich mit Hammer stets zurückhaltend mit graphischer Gewalt und erotischen Elementen blieben, oftmals zum Leidwesen der amerikanischen Vertriebspartner, die Subotsky immer wieder mal drängten, doch auch ein paar Nacktaufnahmen einzubauen).

Dieweil Filmhistoriker heutzutage gerne darauf abstellen, dass „City of the Dead“ strukturell einiges mit dem ungefähr zur gleichen Zeit entstandenen „Psycho“ teilt (die Hauptfigur wird zur Filmmitte abserviert, in der zweiten Filmhälfte startet ein Geschwister mit einer Person des anderen Geschlechts seine Ermittlungen), erscheint mir persönlich aus Genresicht wichtiger zu sein, dass der Film atmosphärisch ganz gut als direktes Vorbild von Lucio Fulcis Gore-Schinken, insbesondere „Ein Zombie hängt am Glockenseil“, durchgeht (natürlich ohne die selbstzweckhaften Gore-Exzesse). Wie Fulcis Dunwich ist Whitewood nicht nur direkt „historisch“ mit den neuenglischen Hexenverfolgungen des späten 17. Jahrhunderts verbunden, sondern ebenso rückständig, schwer zu finden und permanent düster, nebelverhangen und unheimlich – es könnte wirklich der gleiche Ort sein (und wenn man noch eine andere Querverbindung ziehen will, könnte man auch „Über dem Jenseits“ anführen, in dem ebenfalls ein Hotel als Brutstätte des Bösen eine gewichtige Rolle spielt, und wenn ich jetzt noch ganz dreist werden möchte, könnte ich noch zitieren, dass das „Raven’s Inn“ aus „City of the Dead“ ganz sprichwörtlich ein „Haus an der Friedhofsmauer“ ist – ergo: Fulci und Dardano Sarchetti haben praktisch alle Ideen ihrer großen Gore-Trilogie direkt aus diesem kleinen Britengrusler geklaut! [Das meine ich selbstredend jetzt nicht ganz ernst, aber lustig ist die Connection schon]).

Was auf alle Fälle stimmt (und sicherlich etwas ist, was Fulci im Rahmen seiner Möglichkeiten versuchte), ist, dass „City of the Dead“ ein Film ist, der primär von seiner Atmosphäre lebt – der Plot, abgesehen mal vom Kunstgriff, die Hauptfigur zur Halbzeit abzumurksen, ist 08/15-Hexen-müssen-zu-bestimmter-Zeit-ein-Opfer-durchführen-Stuff, der im Genre nun wirklich nicht gerade Originalitätspreise gewinnt. Die Charaktere sind ebenso generisch und kommen ohne große Charakterentwicklung aus (die Ausnahme ist Bill Maitland, der als stupider „jock“ eingeführt wird, aber im Finale über sich hinaus wächst) – gerade Nan selbst, angeblich ja eine clevere Studentin, erscheint uns ziemlich doof (innerhalb von zwei Minuten liest sie, dass die Hexen ihre Opfer über einen geklauten persönlichen Gegenstand anlocken und als Zeichen einen toten Vogel beim Opfer deponieren, bemerkt, dass ihr ein Armband fehlt und findet einen aufgespießten Piepmatz in ihrer Schublade. Geistige Konnektion? Fehlanzeige), aber das macht nichts, denn solange das Geschehen in Whitewood bleibt, trieft der Streifen förmlich in Atmosphäre und zieht jedes erdenkliche Register von inflationärem Trockeneisnebeleinsatz, halb-verfallenen Gebäuden, mysteriös im Bildhintergrund stehenden Statisten, Personen, die aus dem Nichts erscheinen und verschwinden, alte blinde Priester, die apokalyptische Warnungen husten, ein stummes Dienstmädchen (ein Buckliger war wohl grad nicht aufzutreiben), kuttentragende Satansknechte und ihre schwarzen Messen, die entweder auf verfallenen Friedhöfen oder in unterirdischen Katakomben stattfinden – meine Güte, was will der Fan eigentlich noch mehr? Er will dann eigentlich auch nicht mehr (außer vielleicht mehr Christopher Lee, aber wie schon in seinen Dracula-Einsätzen wird Lee sehr pointiert genutzt), sonder weniger – weniger Szenen in der „Zivilisation“, denn immer dann (und wenn Christopher Lee nicht beteiligt ist), nimmt sich der Film gezwungenermaßen seine Auszeiten. Es ist gottlob nicht viel solcher Leerlauf – bei nur 76 Minuten Laufzeit (was daher kommt, dass Subotskys Drehbücher notorisch kurz waren – was sie ironischerweise aber bei vielen, eher visuell geprägten Regisseuren beliebt machen, ließen sie doch viel Platz für Improvisiation).

Verantwortlich für den wirklich *unheimlichen* visuellen Stil des Films ist First-Time-Spielfilm-Regisseur John (Llewellyn) Moxey, der zeitlebens primär für’s Fernsehen arbeitet (u.a. war er für „Simon Templar“, „Kobra, übernehmen Sie!“, „Mannix“, „Magnum“ und „Mord ist ihr Hobby“ tätig. Freunde des gepflegten TV-Movies schätzen den wohl besten TV-Horror-Film aller Zeiten, „The Night Stalker“, oder den WIP-Klopper Flucht aus gnadenloser Hölle), der mit dem Veteranen Desmond Dickinson, der seine Karriere noch zu Stummfilmzeiten begann und noch in den 70ern Gruselstoffe wie „Burke & Hare“ und „Turm der lebenden Leichen“ betreute (aber auch einige Agatha-Christie-Filme wie „Mörder ahoi“ oder „Die Morde des Herrn ABC“), einen exzellenten Kameramann zur Verfügung hat. Ich bin bekanntlich normalerweise kein großer „style-over-substance“-Fan bzw. schätze ein gutes Script immer höher ein als das oftmals vage-ungreifbare Konzept „Atmosphäre“, aber bei „City of the Dead“ geht die Rechnung auf – die großartige schwarz-weiß-Fotografie passt wie die Faust aufs Auge und baut dabei das ein oder andere technische Kabinettstückchen ein (Freunde der Filmtechnik schwärmen über den Zoom auf Elizabeth Selwyns Gesicht auf dem Scheiterhaufen – ein Trick, der realisiert wurde, in dem eine Aufnahme, in der die Kamera von der Darstellerin wegfährt, rückwärts abgespielt wurde) – und im Finale, wenn (SPOILER SPOILER SPOILER) der tödlich verwundete Maitland ein riesiges Kreuz über den Friedhof schleppt, um damit die Hexen zu bannen (SPOILERENDE), evozieren Moxey und Dickinson tatsächlich meisterhaft das große Erbe des expressionistischen Horrors aus Stumm- und frühen Tonfilmtagen.

„City of the Dead“ ist, wie bei Gruselfilmen dieser Ära üblich, keine Tempogranate, nimmt sich Zeit (und ist dadurch, dass der neue Satz Hauptfiguren in der zweiten Hälfte „Entdeckungen“ machen muss, die für den Zuschauer vergleichsweise alte Hüte sind, gelegentlich ein wenig redundant), aber bei der knappen Laufzeit fällt das nicht arg ins Gewicht, zumal der Streifen zu seinen beiden Höhepunkten hin mächtig Fahrt aufnimmtt. Etwas herausgerissen wird man gelegentlich durch den ab und an leicht deplaziert wirkenden Score von Douglas Gamley („Tales from the Crypt“, „Vault of Horror“). Graphische Gewalt findet in „City of the Dead“ nicht statt.

Die Schauspielerei offenbart Licht und Schatten – während Christopher Lee in seinen knappen Szenen auf seine unnachahmliche Art finstere Bedrohlichkeit ausstrahlt, (zumindet weitgehend) ohne irgendetwas Bedrohliches zu tun, und Patricia Jessel in ihrer wohl bedeutendsten Kinorolle eine wirklich überzeugende Oberhexe abgibt (auch sie, ohne dabei in Übertreibungen zu verfallen), sind ihre Widersacher rechte Weißbrote – Venetia Stevenson, die eine kurze hektische vierjährige Filmkarriere von 1957 bis 1961 mit gut 20 Film- und TV-Auftritten durcheilte, ehe auch den nachlässigsten Produzenten aufging, dass bei es ihr bei aller Prettiness an meßbarem schauspielerischen Talent fehlte, und die etwas bessere Betta St. John („Das Gewand“, „Alt Heidelberg“) haben zum Glück nicht viel mehr zu tun, als die damsel-in-distress- und scream-queen-Rolle zu füllen (für mehr würd’s auch nicht reichen), und Dennis Lotis („Das Schwert des Robin Hood“) ist ein typisch farbloser Horror-Lead, wie er auch in den billigen Universal-B-Movies der 40er nicht weiter aufallen würde. Tom Naylor („Rock You Sinners“, „Gefahr an meiner Seite“) bemüht sich zumindest redlich.

Bildqualität: „City of the Dead“ befindet sich im Public Domain – das hat den Vorteil, dass jeder, der glaubt ein vorzeigbares Master zu haben, eine DVD herausbringen kann, hat aber auch den Nachteil, dass keiner, der eine DVD herausbringt, ein vorzeigbares Master hat. Okay, das ist jetzt auch etwas boshaft – der mir vorliegende US-Release von Madacy (codefrei) unter dem „Horror Hotel“-Banner ist in Ordnung, wenn man nicht viel Geld dafür ausgibt. Ein paar Defekte, ein-zwei kleine Filmrisse, aber insgesamt passable Schärfe und brauchbarer Kontrast (1.66:1-Letterbox). Eine amtliche Überarbeitung wäre da aber wohl mal fällig.

Tonqualität: Englischer Mono-Ton, brauchbar, aber eben auch nicht mehr.

Extras: Immerhin ein Audiokommentar mit Jimmy Sangster, ein paar Cast-und-Crew-Biographien, ein Triviaspiel (das fünf Fragen zum Film stellt und dabei das Kunststück fertig bringt, drei falsch zu beantworten – oder seit wann wäre „New England“ ein US-Bundesstaat?), und ein paar ganz lustige Trailer.

Fazit: Auch wenn „City of the Dead“ ein paar Schwächen hat (speziell auf Seiten des Schauspiels der Protaonisten) – Filme wie dieser sind der Grund, warum ich den Job mache; kleine, feine Entdeckungen, über die man sich wirklich freut. Moxeys kleiner Grusler mag nicht perfekt sein, aber es ist ein wunderschöner, stimmungsvoller nostalgischer Horrorfix und der rare Beweis dafür, dass „Atmosphäre“ manchmal doch einen von den sonstigen Zutaten her durchschnittlichen Film auf die nächste Ebene heben kann. Check it out!

Ein Shout-out sei hier auch noch an Peter Osterried und sein exzellentes werk „The Amicus Chronicles“ getätigt, dem ich einiges an Hintergrundinformationen für dieses Review verdanke.

4/5
(c) 2014 Dr. Acula


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