Spur in den Tod

 
  • Deutscher Titel: Spur in den Tod
  • Original-Titel: Scream for Help
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  • Regie: Michael Winner
  • Land: USA
  • Jahr: 1984
  • Darsteller:

    Rachael Kelly (Christie), David Allen Brooks (Paul Fox), Marie Masters (Karen), Rocco Sisto (Lacey), Lolita Lesheim (Brenda), Corey Parker (Josh), Sandra Clark (Janey), Tony Sibbald (Bob), Stacey Hughes (Seudi), Clare Burt (Patty), Matthew Peters (Charlie) u.a.


Vorwort

Michael Winner – ein Ruf wie Donnerhall. Obwohl – na ja, vielleicht auch nicht. Aber zumindest Fans knallharter Action-Ware sollte der Mann ein Begriff sein, denn er zeichnete für nicht weniger als die ersten drei „Death Wish“-Filme verantwortlich. Darin streifte Charles Bronson als einsamer Rächer durch die Straßen von New York City (Teil 1 und 3) und Los Angeles (Teil 2), um den widerwärtigen und meist auch noch stinkenden menschlichen Abschaum in die nächste Häuserwand zu ballern (und sei es wegen Autodiebstahls). Konnte man „Ein Mann sieht rot“ – dem originalen „Death Wish“ – wenigstens noch ansatzweise unterstellen, er würde sich kritisch mit der darin ausgeübten Selbstjustiz auseinandersetzen, weil er dem menschlichen Drama der Hauptfigur, deren Gewaltakte ursprünglich eine Reaktion auf den Tod seiner Frau und die sexuelle Misshandlung seiner Tochter war, etwas Platz einräumte, so war spätestens der berüchtigte dritte Teil der feuchte Traum für reaktionäre Gemüter. „Death Wish III – Der Rächer von New York“ schraubte dermaßen an der Over-the-Top-Spirale, was den apokalyptischen Zustand der von mordlustigen Punks und Schlägern überbevölkerten Großstadt angeht, dass der Film teilweise gar als Satire gelesen wird. Ich meine, wie ernst kann man einen Film nehmen, in dem am Ende Heiland Kersey zum allgemeinen Wohlwollen der Polizei, nachdem er bereits Hundertschaften mit einem Maschinengewehr niedergemäht und einen ganzen Stadtteil entvölkert hat, gar eine LAW-Rakete einsetzen muss, um den Oberschurken in die ewigen Jagdgründe zu schicken, woraufhin sofort Love’n’Peace nach NYC zurückkehrt?

Nun, aufgrund des von vorn bis hinten geradezu grotesk übertriebenen Handlungsverlaufs liegt die Satire-Lesart sehr nahe, nur kenne ich auch einige andere Werke von Winner, und die sind in weiten Teilen so grobschlächtig, dass ich der felsenfesten Überzeugung bin, dass er den Film tatsächlich sehr ernst gemeint hat. Und ein exemplarisches Beispiel, das mich in dieser Einschätzung bestärkte, ist – so viel sei bereits jetzt verraten – unser heutiges Werk. Die deutsche Titelschmiede erwies sich als ähnlich unkreativ wie die Verantwortlichen aus den Vereinigten Staaten, sodass wir den Film mit dem nichtssagenden Originaltitel „Scream for Help“ in unseren Breitengraden als ebenso nichtssagenden „Spur in den Tod“ kennen – einen Psychothriller, den Winner direkt vor „Death Wish III“ inszenierte. Als Drehbuchautor stand ihm Tom Holland zur Verfügung, der zuvor schon mit „Die Klasse von 1984“ und „Psycho II“ auf sich aufmerksam gemacht hatte und später durch „Die rabenschwarze Nacht – Fright Night“ und „Chucky – Die Mörderpuppe“ auch als Regisseur bekannt wurde.

Vielleicht mag sich nun der eine oder andere denken: „Spur in den Tod“ – kenne ich den Titel nicht von irgendwoher? Das ist gut möglich, denn es gibt eine vermeintliche Fortsetzung namens „Spur in den Tod 2“, die es in Deutschland aber zu weit größerer Bekanntheit geschafft hat als dieser nicht nur in Winners Schaffen untergegangene Film. Viele dürften ihn wiederum unter dem Originaltitel „The Stepfather“ oder einem wesentlich reißerischeren Titel kennen: „Kill, Daddy, Kill!“. Exakt: Es handelt sich um den fiesen kleinen Thriller mit Terry O’Quinn in der Titelrolle, in dem er als wahrhaft abgründiger Psychopath bei der Suche nach der perfekten Familie über Leichen geht. Um diese Perle soll es allerdings nicht gehen, zumal „Spur in den Tod 2“ mit „Spur in den Tod“ letztlich überhaupt nichts zu tun hat, außer dass sich die groben Handlungsgerüste ähneln, aber das hat die deutschen Betitelungsexperten ja noch nie von irgendwas abgehalten. Worauf sich die werten Leser schon jetzt einstellen können – es wird kurios…


Inhalt

… und das beginnt schon mit dem Intro. Eine junge blonde Frau sitzt an einem See im Grünen mit der Sonne im Nacken (die zweifellos ambitionierteste Einstellung des gesamten Films) und hat uns einen auffällig gelangweilten inneren Monolog mitgebracht, der mich sofort in meiner aufgestellten These, Subtilität sei Winners Sache nicht, bestätigt: „Mein Name ist Christie Ruth Cromwell. Ich bin 17 Jahre alt und wohne in New Rochelle. Ich glaube, dass mein Stiefvater versucht, meine Mutter zu ermorden.“ Zack, wie ist das für eine Exposition? Nur drei Sätze, aber gleich vier wesentliche Informationen: Name der Hauptfigur, Alter, Wohnort und Plot. Hätte ich eine Geschichte früher in der Schule so angefangen und dabei auch noch auf das Stilmittel des Erzählers zurückgegriffen, anstatt diese Infos im weiteren Handlungsverlauf zu entwickeln, hätte mein Lehrer mir das zu Recht um die Ohren gehauen, aber gut: Autor Holland hat das so geschrieben und wollte möglicherweise erst gar keine Zweifel aufkommen lassen, dass das, was hier vor uns liegt, ein beinharter Psychothriller wird. Danke, hätte ich bei einem Titel wie „Schrei um Hilfe“ nicht gedacht.

Dann setzt auch schon der Vorspann ein. Die Titel laufen über nächtliche Impressionen aus New Rochelle mit den leergefegten Straßen (bis auf ein paar Obdachlosen auf Parkbänken), gemütlichen Parks und vereinzeltem Hundegebell. Das musikalische Thema dazu ist harmonisch symphonisch und schön anzuhören, auch wenn es eher an 20 bis 30 Jahre ältere Filme erinnert. Als Komponist wird übrigens John Paul Jones aufgeführt, Bassist der Rockband Led Zeppelin (!). Ein Zoom auf die Fassade eines recht prächtigen Familienhauses beendet die Titeleinblendungen.

Dann sehen wir jene Christie, die nachdenklich aus dem Fenster schaut. Sie trägt eine scheußliche Hose, die sie bis über ihren Bauch gezogen hat. Eine große orangefarbene Stoffkatze (nicht Garfield) zeigt an, dass sie vielleicht schon an der Schwelle des Erwachsenseins stehen mag, aber eigentlich doch noch ganz Kind ist. Ich mag diese subtilen Hinweise. Christies innerer Monolog geht weiter: „Ich habe den Leuten gesagt, dass mein Stiefvater versucht, meine Mutter zu ermorden. Aber niemand glaubt mir. Und deshalb schreibe ich das hier auf, falls mir etwas zustoßen sollte.“ Aha, es ist offensichtlich kein innerer Monolog, mit dem wir es hier zu tun haben, sondern ein Tagebucheintrag. Warum sie dann aber eben in ihr Tagebuch schreiben musste, wie sie heißt, wie alt sie ist und wo sie wohnt, bleibt im Dunkeln.

„Es begann vor einigen Wochen“, setzt sie fort, und ein wilder Kamerawirbel nach links katapultiert uns in der Zeit zurück. Wir können Christie nur dankbar sein, dass sie weitererzählt: „Ich hatte einen Alptraum, als ein eigenartiges Geräusch in unserem Haus zu hören war.“ Im Bild sehen wir nämlich, wie sie aus ihrem Alptraum hochschreckt und ein eigenartiges Geräusch hört. Sie steht auf und schleicht im Dunkeln die Treppe herunter. Erst krächzt ein Vogel, kurz darauf läutet die Wanduhr 3 Uhr. Winner beherrscht das Einmaleins der Angsterzeugung. Plötzlich geht das Licht an, und Christies Stiefvater steht im Türrahmen. Unter dem Vorwand, noch in seinem Arbeitszimmer gewesen zu sein, versucht er, der im Deutschen von Volker Brandt (Michael-Douglas-Stimme) gesprochen wird, sich herauszureden, aber Christie schluckt den Köder nicht so ganz („Um diese Uhrzeit?“) und gibt vor, noch eine Kleinigkeit essen zu wollen, ehe sie zurück ins Bett geht. „Er sieht gut aus, nicht wahr?“, fragt die Göre uns Zuschauer (oder doch eher ihr Tagebuch? Der Film widerspricht sich da frühzeitig in schöner Regelmäßigkeit selbst) und gibt weitere Informationen preis: „Ist doch ziemlich charmant. So hat er es geschafft, meine Mom von meinem Dad wegzulotsen.“ Sie bleibt aber misstrauisch und sagt uns auch, warum: „Er hat doch gesagt, dass er in seinem Arbeitszimmer war. Aber das liegt gar nicht hier hinten!“ Christie ist da einem ganz großen Geheimnis auf der Spur. Wie gesagt finde ich es schön, dass wir ihren inneren Monolog/Tagebucheintrag/was auch immer haben. Nur das Bild mit einer misstrauisch schauenden Christie könnte uns überfordern. Sie wirft einen Blick durch die sich mysteriöserweise knarrend öffnende Kellertür nach unten und belässt es dabei. Ihre Gedanken aber bleiben: „Ich hätte ahnen müssen, dass in dieser Nacht irgendwas nicht stimmte, aber mir fiel nichts auf. Wenn ich aufmerksamer gewesen wäre, hätte der nächste Tag sicherlich ganz anders ausgesehen.“ Danke, dass du uns alles vorwegnimmst, Christie! Blöde Kuh. Ich hoffe, das geht hier nicht in diesem Stil weiter.

Christie kommt an diesem nächsten Tag also nach Hause. Dort wimmelt es nur so vor Polizisten. Sofort eilt sie ins Haus. Dafür, dass ihr Stiefvater ihre Mama umbringen will, ist diese aber noch sehr lebendig. Allerdings hat es dafür einen Mann von der Elektrizitätsgesellschaft erwischt, der doch eigentlich nur den Zähler ablesen wollte und dabei infolge einer geplatzten Wasserleitung einen tödlichen Schlag erlitt. Christie spürt, dass hier irgendwas faul ist und geht furchtlos in den Keller, wo es tatsächlich eindeutig zu viel plätschert. Damit ist der Fall ja wohl klar: Das kann nur ihr böser Stiefvater gewesen sein.

Es ist Abend geworden, und Christie stattet hektisch ihrer Freundin Janey einen Besuch ab. Sie fällt dabei fast wortwörtlich mit der Tür ins Haus, denn sie profitiert davon, dass Haustüren in den USA grundsätzlich nie abgeschlossen sind und trampelt wie selbstverständlich die Treppe hinauf schnurstracks in das gewünschte Zimmer – wo sie Janey empfindlich beim intimen Liebesspiel mit ihrem Macker stört. Ehrensache, dass Winner Janeys ersten Auftritt für das erste Paar Gratis-Titten nutzt. Er weiß, was man(n) will. „Zum Teufel, Cromwell! Musst du hier reingerauscht kommen?“, zeigt sich die Coitus-Interruptierte wenig verständnisvoll. Christie steht noch eine Weile blöd wie ein Ölgötze im Türrahmen, als hätte sie noch nie was von Sex gehört (oder Brüste gesehen), und verzieht sich erst nach Aufforderung in die Küche, bis Janey sich angezogen hat.

Unten in der Küche stellt Christie ihre Freundin beleidigt zur Rede.

Christie: Du hast versprochen, es mir zu sagen, bevor du etwas mit einem Jungen machst, stimmt’s?
Janey: Habe ich eben nicht. Ich bin nicht mehr Jungfrau.
Christie: Ich bin nicht sauer, aber mein Stiefvater versucht gerade, meine Mutter zu ermorden.

Eleganter Themenwechsel. Janeys Macker gesellt sich dazu und findet diese These steil. „Red keinen Scheiß, Josh Dealey!“, führt Christie subtiiil den Namen des Mackers ein und erzählt von dem tödlichen „Unfall“ in ihrem Haus. „Und was hat Paul Fox damit zu tun?“, führt Josh subtiiil den Namen des Stiefvaters ein. Christie ist überzeugt davon, dass der Anschlag eigentlich ihrer Mutter galt, und nun will sie Janeys Auto haben, damit sie Paul ausspionieren kann. Und ja, Christie bewegt sich auf der trotzigen „Ich will, ich will“-Schiene. Nie gelernt, dass man sich mit so einer forschen Art keine Freunde macht? Kein Wunder also, dass ihre Freundin dankend ablehnt – und das nicht grundlos. Sie ist der Überzeugung, dass Christie Paul Fox nur was anhängen wolle, seitdem er mit ihrer Mutter verheiratet sei. Zudem sei Christie wegen ihrer Hirngespinste auch schon mal beim Irrenarzt gewesen. Doch Christie lässt sich von ihrem Verdacht nicht abbringen: Sie hätte Liebesbriefe von Paul Fox gefunden, die er Mom geschrieben hätte, und da wäre sie noch mit ihrem richtigen Dad verheiratet gewesen. Völlig zu Recht macht das nach Janeys Ansicht noch lange keinen Mörder. Das vielleicht nicht, muss auch Christie zugeben, aber es beweist, dass er längst nicht so ein netter und anständiger Mensch wie ihr Vater sei. Und ihre Überlegung geht noch weiter: Wenn ihre Mom erfährt, dass ihr neuer Mann ein Mörder ist, will sie bestimmt ihren alten Mann zurückhaben. Äh, ja. Logisch. Langsam habe ich den Eindruck, dass Christie keine 17, sondern 12 ist. Tja, wenn 41-jährige Männer Mädchendialoge schreiben und sich in die Psyche von jungen Frauen hineindenken… „Ich wusste, dass ich recht hatte mit Paul Fox“, denkt Christie und haut ab. Und ja, Christie, ich habe so langsam kapiert, dass dein Stiefvater Paul Fox heißt. Kein Grund, immer noch den Nachnamen zu erwähnen.

Dann erzählt sie weiter: „Am nächsten Tag schwänzte ich die Schule. Ich wartete vor dem Autoladen, der meiner Mom gehört, als ihr Daddy starb.“ Das sagt sie uns, während wir sehen, wie sie vor dem Autoladen ihrer Mom wartet. Es soll ja Leute geben, die Bild und Ton einfach nicht in Einklang bringen wollen. Bereits jetzt bewegt sich der Film in ähnlichen Gefilden wie „Sinbad – Herr der sieben Meere“ mit Lou Ferrigno, wo auch eine omnipräsente Erzählerin genau das erzählt, was wir sowieso gerade sehen. Ging Winners Cut etwa wie beim „Sinbad“-Debakel ursprünglich zu lang, und um ihn zu trimmen, setzt er auf eine Erzählerin, damit der Fortgang der Geschichte miteinander verbunden werden kann? Aber hören wir ihr weiter zu: „Paul Fox war damals nur ein einfacher Verkäufer, als sie [ihre Mom] ihn kennenlernte.“ Paul Fox, Paul Fox, Paul Fox. Würdest du bitte endlich damit aufhören, Christie Ruth Cromwell?!

Als Paul (Paul Fox, ihr erinnert euch?) aus dem Autoladen kommt, versteckt sich Christie mit ihrem Fahrrad auf der gegenüberliegenden Straßenseite vor ein paar Bäumen. Und ja, ich schreibe bewusst: VOR ein paar Bäumen. Würde Paul auch nur ein wenig den Kopf nach links neigen, würde er ihre Anwesenheit sofort bemerken. Das tut er aber nicht. Stattdessen nimmt er seinen Wagen und braust davon. Christie nimmt auf ihrem Zweirad die Verfolgung auf – so gut das halt geht, ne? Tatsächlich hält sie eine Zeit lang sogar einigermaßen mit und gibt sich dabei gar keine Mühe, nicht von Paul entdeckt zu werden. Sie hat mehr Glück als Verstand, dass sie einen Stiefvater hat, der noch blöder ist als sie. Allerdings hat sie letztlich auch mehr Pech als Glück, denn: „Als er links abbog, habe ich ihn verloren.“ Die Krone wird der idiotischen ungleichen Verfolgungsjagd erst durch die Musikuntermalung aufgesetzt. Ich bin mir ziemlich sicher, dass der Led-Zeppelin-Bassist die nicht geschrieben hat, sondern dass sie aus irgendeinem 70er-Jahre-Blaxploitation-Actionfilm-Archiv kommt. Ihr könnt euch sicher sein, dass sie auf keinste Weise zu dem Stil passt, den der Film mit dem symphonischen Score im Vorspann vorgelegt hat.

„Am nächsten Tag habe ich an derselben Stelle gewartet – und siehe da: Er kam wieder vorbei!“, jubiliert Christies inneres Ich. Also nochmal von vorn, Rad vs. Auto zu jazziger Blaxploitation-Actionfilm-Mucke. Wer gewinnt? Natürlich abermals das Auto. Unsere junge Hauptfigur ist wenig lernfähig. „Es war irgendwie entmutigend“, jammert sie, „aber ich gehöre nicht zu denen, die aufgeben.“

Also: „Am dritten Tag war ich einfach wieder da!“, trotzt Christie allen Widrigkeiten. Also nochmal von vorn, Rad vs. Auto zu jazziger Blaxploitation-Actionfilm-Mucke… Ja bitte? Ob das jetzt bis zum Ende so weitergeht? Ich will es doch nicht hoffen. Zum Glück geht es auch nicht so weiter. Die Musik endet jäh und schlägt um von Blaxploitation zurück zu John Paul Jones, als Christie den Wagen ihres Stiefvaters (der übrigens Paul Fox heißt, falls es euch noch nicht dick genug aufs Butterbrot geschmiert wurde) in einer Seitenstraße erblickt. Sie schleicht sich zum angrenzenden Haus und entdeckt darin Paul, wie ihm von einer Frau eine Zigarette angezündet wird. Das reicht ihr augenscheinlich als Beweis für untreue Machenschaften, und sie taumelt – blöd, wie sie nun mal ist – rückwärts zurück, stolpert in einen Mann im Holzfällerhemd, der wohl gerade vom Einkaufen zurückkommt, und läuft davon. Die empörten Rufe des Mannes machen auch Paul und die Frau hellhörig. Sie schauen noch gerade rechtzeitig aus dem Fenster, um Christie zu erkennen.

Die durch eigene Dummheit Ertappte kommt mit dem Fahrrad heim, erblickt aber schon den Wagen von Stepdad. „Er ist schon wieder da“, denkt sie. Ach? Im Wohnzimmer erwartet Paul sie bereits ungeduldig und möchte mit ihr über die Sache reden, aber Christie möchte nichts davon wissen. „Durchs Fenster spionieren, das tut man nicht“, hält Paul als getroffener Hund eine Moralpredigt und kriegt dafür einen Rüffel von seiner Stieftochter ab: „Du betrügst meine Mom! Das ist wohl erlaubt, ja?“ Und weil sie dämlich wie zwei bis zwölf Meter Feldweg ist, bindet sie ihm bei der Gelegenheit auch noch ans Bein, dass sie weiß, dass er den Mann vom Elektrizitätswerk auf dem Gewissen hat. Kluge Taktik, mach nur so weiter. Kurz darauf kommt auch ihre Mutter nach Hause – und der erzählt sie während seiner Anwesenheit glatt das Gleiche nochmal. Der Kerl sei ein Betrüger und Mörder: „Mom, ich habe ihn erwischt, wie er dich betrogen hat! (…) Er hat den Sicherungskasten unter Strom gesetzt! Dabei ist der Mann umgekommen, aber es sollte dich treffen!“ Äh, Christie, diese Äußerung mit der klugen Taktik von mir eben – die war ironisch gemeint. Nehmen wir an, Paul ist wirklich gefährlich – glaubst du, aus deinem Herzen keine Mördergrube zu machen, ist da eine gute Idee?

Christies Mutter glaubt ihrer Tochter nicht, zumal Paul gleich die passende Ausrede parat hat, die sie ohne Bedenken zu schlucken bereit ist: Er hätte Brenda Bohle lediglich für eine Probefahrt von zu Hause abholen wollen, und es sollte halt gerade losgehen, bis diese plumpe Amateurdetektivin dazwischen geplatzt ist und alles missverstanden hat. Damit ist der Fall für Mama erledigt (zumindest der Betrugsfall, auf die Mordtheorie steigen weder sie noch Paul ein), da kann Christie noch so sehr poltern: „Er hat eine Affäre mit dem Weibsstück! Ich bin ihm hinterhergefahren!“ Sie verrät, dass sie Paul die letzten Tage mit ihrem Fahrrad verfolgt hätte. (Dass sie dafür offenbar drei Tage lang die Schule geschwänzt hat, sagt sie dann aber doch nicht.) Ihre Mutter bleibt aber bei ihrer ursprünglichen Meinung (warum auch nicht – was beweist diese Info schon?): Ihr Gatte ist ein guter Mensch und ihre Tochter eine dreiste Lügnerin. „Okay, dann glaub es eben nicht! Wenn er dich umbringt, siehst du, was du davon hast!“, kreischt Christie. Äh, nein, ich glaube, sie sieht dann eben nicht mehr, was sie davon hat.

Töchterlein verzieht sich in ihr Zimmer und bläst Trübsal. Ihre Mutter, der ich gern langsam mal einen Namen geben würde (dass Paul Fox Paul Fox heißt, weiß ich nun schon 25 Mal, aber einmal den Namen der Mutter sagen, das kriegt keiner hin), setzt sich zu ihr aufs Bett und will nochmal mit ihr reden: Nicht weil sie ihr glauben würde, sondern weil sie ihr klarmachen möchte, dass Christie ihr mit derartigen Behauptungen sehr wehtun würde. Christie bleibt aber mucksch: „Wirst sehen, er tut es!“ Nach dieser gescheiterten Aussprache kommt auch schon Paul (also Paul Fox jetzt) hinzu: „Na, alles wieder geradegebogen?“ Ja klar, Paul, in nicht mal dreißig Sekunden Aussprache kriegt man eingeschnappte Teenager sofort um den Finger gewickelt. Du hast keine Ahnung von bratzigen Kindern. Stattdessen motzt dieses nervige Gör unentwegt weiter und bezichtigt ihren Stiefvater immer noch der Lüge: Als sie ihn kürzlich nachts unten angetroffen hätte, da hätte er gar nicht mehr gearbeitet wie behauptet. Paul und seine Frau gucken sich daraufhin wissend an.

Zumindest dieser Punkt kann nämlich schnell aufgeklärt werden. Paul hat hier nämlich seinerzeit ein Geschenk für Christies Geburtstag versteckt, mit dem sie eigentlich hätte überrascht werden sollen. Wie eine zu neugierige Dreijährige reißt sie lieblos die in Geschenkpapier verpackte Geburtstagsüberraschung auf und enthüllt – ein neues Fahrrad! Pflichtschuldig bedankt sie sich wenigstens auf die Bitte ihrer Mutter hin bei Paul, stellt aber auch undankbar klar: „Ein Auto hätte mir mehr gefallen.“ Ich weiß ja echt nicht, ob Holland und Winner allen Ernstes dachten, diese unhöfliche, freudlose und trampelige dumme Nuss könnte zur Identifikationsfigur taugen. Ich gehe zwar davon aus, dass sie mit ihren Unterstellungen am Ende recht haben wird, aber ein wenig sympathischer könnte sie ja wohl gezeichnet werden.

Am nächsten Tag ist Christie zur Abwechslung mal wieder in der Schule und begibt sich auf die Suche nach ihrer Freundin Janey, aber den Einzigen, den sie findet, ist deren Stecher Josh und beobachtet ihn dabei, wie er an einer anderen Tussi baggert. Sympathische Menschen allerorten. Janey sei krank, sagt Josh, und hätte er diese Auskunft doch mal schön für sich behalten, denn: „Dann musst du mir dabei helfen, die Freundin meines Stiefvaters zu beschatten.“ Ja, er muss natürlich. Eigentlich muss er gar nichts, und er will auch nicht, aber sie lässt nicht locker und versucht es halt mit klassischer Erpressung, weil sie ihren Willen nicht bekommt.

Christie: Na gut, dann erzähle ich Janey, dass du mit Patty gehst, wenn du mir nicht hilfst.
Josh: Oh, da wird sie mindestens fünf Minuten sauer sein.
Christie: Dann erzähl ich deinem Vater, dass du mit Janey schläfst.
Josh: Tu das nicht, sonst wird er neidisch. (???!)
Christie: Okay, dann werden es eben Janeys Eltern erfahren.

Das hat gesessen. Im dritten Versuch hat sie ihn soweit, dass er nachgibt. Aber eins noch: Habe ich das richtig gehört? „Tu das nicht, sonst wird er neidisch.“ Sein Dad will mal über die minderjährige Freundin seines Sohns drüber?! Puh. Langsam wundert es mich nicht, dass die Kinder in diesem Film so verdorben sind.

Also macht sich unser Duo wider Willen auf den Weg zu Pauls angeblicher Freundin. Christie fährt mit dem Wagen ihrer Mutter, obwohl ihre ruckelige Fahrweise verdeutlicht, dass sie in Sachen Autofahren noch nicht ganz so erfahren ist. Josh nutzt das für den einen oder anderen blöden Spruch. „Ach, leck mich, Josh Dealey!“, bleibt sie aber selbst in dieser Situation der fröhliche Sonnenschein, als den wir sie so liebgewonnen haben. Und gut, dass sie uns daran erinnert, dass Josh mit Nachnamen Dealey heißt. Die Fahrt findet zu gewohnter 70er-Jahre-Blaxploitation-Actionfilm-Mucke statt, unserem Leitthema für Verfolgungsjagden aller Art (auch wenn wir uns aktuell noch nicht in einer Verfolgungsjagd befinden, weil wir ja erst auf dem Weg zu Brenda sind). Plötzlich biegt ein Wagen scharf links ab, und Christie muss schnell bremsen und hat ungeduldig hupende Autofahrer hinter sich. Josh fragt, warum sie gebremst hat. Äh, wegen des scharf links abbiegenden Wagens vielleicht? Wärst du da normal weitergefahren? Trottel. Einer so blöd wie der andere hier.

Nach diesem kurzen Schreckmoment erhöht Christie die Geschwindigkeit, will sie doch schon da sein, bevor Brenda Feierabend hat. Woher auch immer sie weiß, wo die Olle arbeitet. Allerdings wird diese Frage schnell zur Nebensache, denn Christie und Josh stehen vor einem argen Problem: Irgendein Fiesling hat den Wagen manipuliert, sodass das Gaspedal durchgetreten bleibt und die Bremse nicht funktioniert. Die Folge: Sie werden immer schneller. Josh versucht mit all seiner handwerklichen Finesse, das Gaspedal händisch zurückzuziehen, bricht es dabei aber ab. Eine rasende Irrfahrt durch die Straßen von New Rochelle mit quietschenden Reifen und diversen Ausweichmanövern schließt sich an. Da zu allem Überfluss auch noch das Lenkrad eingerastet ist, würde das hier böse enden, wenn Josh nicht nochmal mit ordentlich Stampf aufs Bremspedal treten würde, wodurch sich der Wagen doch noch zu einem gewaltsamen Stopp schleudert, nicht ohne dabei gegen einen anderen Wagen zu krachen. Zum Glück bleiben die beiden Autoinsassen unbeschadet. Für Christie ist der Fall klar: „Das hat er getan. (…) Paul Fox. Er hat am Wagen rumgeschraubt, damit Mom umkommt.“ Obwohl diese Vermutung ja nun naheliegt – die zahlreichen technischen Pannen am Auto sind nach dem angeblichen Unfalltod des Elektrikers selbst mir ein Zufall zu viel –, macht aber nun Josh die Fahrerin zur Schnecke: „Wir hätten fast den Löffel abgegeben, weil du wie eine Bescheuerte fährst, und jetzt willst du deinem Stiefvater die Schuld in die Schuhe schieben.“ Mit diesem sehr theatralischen und daher auch schauspielerisch wenig überzeugenden Wutausbruch steigt Josh aus und geht. Gut, ein Stück weit hat Christie sich all die Leute, die ihr nicht glauben wollen, schon selbst zuzuschreiben. Wer wie ein Elefant im Porzellanladen immer nur beschuldigt, erhält natürlich irgendwann den Ruf, eine überspannte Verrückte zu sein.

Wie wir aber in der nächsten Szene sehen, mag Christie vielleicht überspannt und verrückt sein (und müsste nach ihrer Irrfahrt eigentlich auf dem Polizeirevier sein, aber den von ihr in der Stadt angerichteten Schaden interessiert hier keine Sau), aber ihr Verdacht, dass was faul ist im Staate USA, erhärtet sich: Der Automechaniker, der sich um die Reparatur des Wagens kümmert, findet die Ursache – eine gebrochene Vergaserfeder, die im Normalzustand dafür sorgen würde, dass das Gestänge zurückgeht, wenn man vom Pedal runtergeht. Die Tatsache, dass solche Federn so selten brechen, dass selbst dem erfahrenen Automechaniker bisher kein anderer Fall untergekommen ist, ist für Christie nun wirklich Alarm genug.

Atemlos hetzt sie anstatt zur Polizei lieber nach Hause – gefühlt sehen wir sie bislang sowieso den ganzen Film über nur laufen; ich bin mir unsicher, ob sie überhaupt schon einmal ganz normal gegangen ist, aber schon klar, sie steht ja auch ständig unter Strom, das muss dann natürlich visuell als hektisches Laufen dargestellt werden – und ruft nach ihrer Mutter, aber die ist gerade damit beschäftigt, sich im Ehebett mit ihrem Gatten zu vergnügen. Musik (diesmal wieder von Jones) und Bild weisen mal wieder die größtmögliche Diskrepanz auf, denn die musikalische Untermalung tut so, als hätte Christie gerade von einem Polizisten erfahren, dass ihre Mutter tot ist. Dabei sehen wir nur, wie sie sich in ihrem Zimmer nachdenklich aufs Bett wirft und sich vor Schmerz über so viel Sex dabei die Ohren zuhält. Mehr noch: Als sie sich auf den Rücken legt, sehen wir die Großaufnahme ihrer Hand, in der Christie besagte Vergaserfeder hält, die sie melodramatisch auf ihren Teppich fallen lässt – und die Musik drückt so big-drama-mäßig auf die Tube dabei, als würde unsere Hauptfigur gerade sterben. Ein herrlich schräger, weil auch im Nachhinein überflüssiger Moment, denn auf die Vergaserfeder werden wir nie mehr zurückkommen.

Am nächsten Tag läuft Christie mal wieder rastlos durch die Gegend, diesmal in die Schulbibliothek, wo Janey sitzt. „Ich habe dich überall gesucht! Ich muss mit dir sprechen!“, fällt sie wie gewohnt mit der Tür ins Haus. „Ich würde gern mit dir sprechen“ wäre schließlich zu höflich. Auch Janey hat ein Anliegen, das ihr auf der Seele brennt, aber nach einer kurzen Pro-forma-Frage nach dem Befinden ihrer Freundin, die ja gestern krank war, zählt für Christie wieder nur „Ich, ich, ich“: „Hast du dein Auto dabei? (…) Wir reden unterwegs! Wir müssen unbedingt Brenda Bohle verfolgen!“ Nochmal, Christie: Ihr müsst gar nichts – und Janey schon dreimal nicht. Ich hätte dafür einen anderen Vorschlag: Geh zur Polizei! Es hat einen Todesfall bei euch im Haus gegeben. Es gibt klare Indizien, dass der Wagen deiner Mutter manipuliert wurde. Das könnte man durchaus mal so weitergeben, aber wichtig dabei wäre ein Mindestmaß an Anstand, also kein Pöbeln, Schreien und Heulen, kein „Sie müssen Paul Fox verhaften“, sondern eher ein „Könnten Sie bitte der Sache mal nachgehen? Ich habe große Angst um meine Mom“. Wie wär’s?

Nein, so weit denkt das Dummbrot nicht. Stattdessen legen sie und Janey sich auf die Lauer und beobachten Brenda dabei, wie sie in ein Motel fährt. Das heißt, eigentlich beobachten sie sie nicht dabei, weil sie aus ihrer von einem Haus versperrten Sicht gar nicht sehen können, wohin genau sie abbiegt, aber sie liegen mit ihrer Einschätzung goldrichtig. Aber Janey hätte da noch was auf dem Herzen und meldet sich schüchtern: „Christie, ich möchte dir vorher noch was sagen.“ Als tolle Freundin hat Christie natürlich sofort ein offenes Ohr: „Das hat Zeit! Das hier ist im Moment wichtiger als alles andere!“ Noch jemand, der die dumme egoistische Pute lieber gestern als heute von ihrem Stiefvater grausig zerstückelt sehen möchte?

Brenda steigt in einem reichlich schlampigen Outfit („schlampig“ im Sinne von „sehr aufreizend“) aus und betritt das Motel. Christie und Janey folgen ihr kurze Zeit später, und Stieftöchterchen entdeckt sogleich Pauls Wagen. Zu meiner Überraschung sagt sie tatsächlich: „Das ist Pauls Wagen.“ Sie sagt nicht: „Das ist Paul Fox‘ Wagen.“ Was ist hier los? Für Janey wichtiger: „Was machen wir denn jetzt?“ „Du wartest erstmal hier“, antwortet ihre einfühlsame Freundin, woraufhin Janey genervt ihre Augen verdreht. Ich kann es ihr so nachfühlen.

Christie schleicht gewohnt unauffällig – kurzum: sie läuft nach keinen drei Sekunden Detektivarbeit dem ersten Pärchen über den Weg – um das Motel herum und späht erfolglos durchs erste Fenster, aber bereits erfolgreich durchs zweite Fenster, wo sie durch die Jalousien Paul und Brenda erkennen kann, die auch gleich zur Tat schreiten, ergo: Sie entkleidet sich (ja, Lolita Lesheim zeigt ihre Hupen!) und macht sich bereit, sich mit dem bereits erwartungsvoll geil grinsenden Paul im Bett zu wälzen.

Damit hätte seine Stieftochter zumindest schon mal ihre Behauptung „Paul Fox ist ein Betrüger“ Schwarz auf Weiß (obwohl – Schwarz auf Weiß noch nicht, sie hat ja lediglich ihre eigenen Augen als Beweis) und rennt aufgeregt zurück zu ihrer immer noch brav wartenden Freundin, die jetzt aber wichtig wird: „Komm schnell! Sie treiben’s gerade!“ Geht das noch ein bisschen lauter, Christie? Ungehalten ist sie auch, weil Janey nicht sofort kommt: „Musst du denn unbedingt das blöde Auto abschließen?“ Nein, sie muss nicht, aber sie kann. Janey beeilt sich und beweist, dass sie an ihrem Kurzzeitgedächtnis arbeiten sollte: „Was machen sie denn?“ „Bumsen!“, antwortet Christie ihr vorsichtshalber, falls ihr der Begriff geläufiger ist als „Sie treiben’s gerade“. Dass Janey auch Zeugin dieses Techtelmechtels werden soll, hat einen bestimmten Grund: „Du musst es sehen, damit du es bezeugen kannst, wenn ich’s meiner Mom erzähle.“ Wenn denn deine Mom nicht davon ausgehen würde, dass du Janey den Betrugsfloh ins Ohr gesetzt hat – und das traue ich der ohne Weiteres zu…

Da bisher aber noch jede Aktion, die auch nur entfernt etwas mit dem Ausspionieren anderer Leute zu tun hat, schiefgegangen ist, ist Paul auch schon fertig mit Knattern (das war selbst für einen Quickie schnell!) und steht mit dem Rücken zu den beiden Mädchen vor der Motelzimmertür. Glück im Unglück, könnte man meinen, aber nicht mal das leise Wegschleichen kriegen sie hin. Entsprechend bemerkt er sie und läuft ihnen wie ein Berserker hinterher, wobei er – und das ist wirklich der Gipfel an Asozialität – einer Putzfrau rüpelhaft den Putzmittelwagen umstößt. Vielleicht sind genau das die Sekunden, die ihn zu lange aufhalten, jedenfalls können die jungen Frauen durch die Rabatten fliehen und ihn abhängen. Wenn Paul nicht bald mal ernst macht und im Blutrausch Frau und Stieftochter (vor allem die Stieftochter!) tötet, werde ich unleidlich.

Nun hat Christie endlich wenigstens ein halbes Ohr für die Sorgen von Janey, die ja schon die ganze Zeit über mit ihr über etwas reden wollte. Bis dato war es Christie ja aber wichtiger, sich bereits zum zweiten Mal von Paul (ich meine ihren Stiefvater Paul Fox) beim Hinterherspionieren ertappen zu lassen, als ihrer besten Freundin einfach mal zuzuhören – zumal es sich um etwas nicht ganz Unwesentliches handelt: Janey ist schwanger, und zwar von Josh! Christie heuchelt Mitgefühl. Das kann sie sich aus meiner Sicht sparen. Wer soll ihr das abnehmen? Janey sieht Abtreibung als einzigen Ausweg aus ihrer Bredouille (Abtreibung?! In den USA?! Steinigt sie!): „Hey, ich schlafe gern mit ihm. Ich bin erst 17, genau wie du. Soll ich mir da eine Familie aufhalsen? Ich will was erleben. Ich will reisen. Ich habe noch mein ganzes Leben vor mir.“ Sagt sie und wird prompt von hinten von einem heranrasenden roten Wagen erfasst und überfahren. Okay, eine Steinigung hätte es meiner Meinung nach auch getan, aber tot ist letztlich tot. Kleine Sünden bestraft der liebe Gott sofort. Christie hingegen kann (leider!) noch im letzten Moment in die Laubblätter am Straßenrand springen. Als das Auto über alle Berge ist, kriecht sie zu ihrer blutüberströmten Freundin, sagt zweimal alibihalber „Janey“ und hält sie dann im Arm. Da, wo es mal angebracht wäre, ist sie natürlich nicht hysterisch. Sie ist und bleibt ‘ne dumme Kuh.

Im Krankenhaus können die Ärzte nur noch Janeys Tod feststellen. Einer von ihnen überbringt den entsetzten Eltern die traurige Nachricht, woraufhin die heulende Mutter fast einen Nervenzusammenbruch erleidet. DAS nenne ich mal eine angemessene Reaktion, nicht dieses lapidare „Janey, Janey“ wie Christie eben, die übrigens nur drei Meter entfernt sitzt und keine Regung zeigt. Paul ist auch da und überbringt seiner Stieftochter die Hiobsbotschaft. Ey, Paul, die sitzt drei Meter entfernt und müsste schon taub sein, um davon nichts mitbekommen zu haben! Aber er hat noch eine weitere Info für sie: Der Commissioner möchte mit ihr reden und ihr ein paar Fragen stellen. Christie – nach wie vor merklich ungerührt von dem Tod ihrer besten Freundin – steht auf, um mit eben diesem Commissioner zu sprechen. Kurz vorher dreht sie sich aber nochmal um und faucht in Richtung Paul: „Hoffentlich hast du jetzt Angst.“ Und hoffentlich kriegst du noch dein Fett weg, Dumpfbacke!

Tja, nun hätte Christie also doch noch verspätet die Möglichkeit, ihre Befürchtungen an die Polizei weiterzugeben. Hätte sie das vorher gemacht, könnte Janey jetzt noch leben. Ich habe es schon zwei Sätze lang nicht mehr gesagt, aber ich habe nur Verachtung für das dumme Ding übrig. Nun also auch hier nochmal zum Mitschreiben für die Polizei: Janeys Tod war kein Unfall. Sie wurde von Paul Fox ermordet. Eigentlich hätte er Christie statt Janey über den Haufen fahren wollen – aus Rache dafür, dass sie ihn in flagranti mit Brenda Bohle erwischt hat. Ach ja, und Paul möchte auch noch ihre Mutter umbringen. Und den Mann, der den Zähler bei ihnen im Keller ablesen wollte, hat er auch getötet. Und am Wagen ihrer Mom hat er auch gebastelt. Deshalb wären sie und Josh fast draufgegangen. Ja, das klingt in dieser Aneinanderreihung wie die ausgeprägte Fantasie einer zu viele Kriminalromane gelesen habenden Teenagerin, aber der zunächst sehr skeptisch nachhakende Commissioner, dem man den arroganten herablassenden Vollarsch auch von der ersten Sekunde ansieht, erklärt schließlich doch seine Absicht, der Sache mal nachzugehen. Man sollte auch davon ausgehen, dass er ein persönliches Interesse daran hat, Janeys Tod und vor allem den Vorfall mit dem Wagen aufzuklären, denn beim Commissioner handelt es sich um – Commissioner Dealey, den Vater von Josh! Wie klein die Welt ist.

„Endlich hatte ich jemanden gefunden, der mir helfen würde“, freut sich Chrissies lang vermisste Off-Stimme ein Loch ins Knie. „Ich hatte vor, Paul Fox so lange aus dem Weg zu gehen, bis der Police Commissioner genug Beweise zusammen hat, um ihn zu verhaften.“ Ihr Gelaber ist schwer zu ertragen. „Ich war nicht beunruhigt – auch nicht, als Commissioner Dealey zu uns nach Hause kam und von Paul so freundlich empfangen wurde“, erzählt sie, während wir sehen, wie Commissioner Dealer zu ihnen nach Hause kommt und von Paul freundlich empfangen wird. Und weiter geht’s: „Ich nehme an, dass die Polizei sich Verdächtigen gegenüber immer so benimmt. So erlangen sie ihr Vertrauen, aber ich schreibe trotzdem mein Tagebuch weiter, nur für den Fall des Falles.“ Dabei sehen wir, wie sie weiter in ihr Tagebuch schreibt. Äh, Leute, Voice-over schön und gut, aber sollte ein Voice-over nicht vielleicht auch ein klein wenig – nun ja – produktiver sein und der Handlung etwas Sinnvolles beisteuern? Darüber hinaus halte ich es für eine ausgesprochen bekloppte Idee, ein Tagebuch direkt in Sichtweite des vermeintlich mordenden Stiefpapas zu führen, denn der unterbricht sie in ihrem Schreibfluss. „Kannst du mir mal erklären, was du da die ganze Zeit aufschreibst, Christie? Die sexbesessenen Abenteuer eines Teenagers?“, fragt er und amüsiert sich über diesen mehr als misslungenen Gag mehr, als es gerechtfertigt wäre. Christie rollt mit den Augen und denkt für sich: „Dieser Kerl ist nicht nur ein unfähiger Mörder, sondern auch ein totaler Idiot.“ Sie hat ja recht, aber: Das denkt genau die Richtige.

Damit nicht genug, dass Christie zu Hause einen schweren Stand hat, muss sie sich nun auch in der High School harsche Worte anhören. Mitschülerin Patty bohrt ihren Finger tief in die Wunde: „Hättest du Janey nicht zu dieser blöden Verfolgungsjagd überredet, wäre sie heute noch mit Sicherheit am Leben.“ Christie sieht das naturgemäß völlig anders: „Aber das ist doch nicht wahr.“ Äh, doch, eigentlich schon. Dann will sich auch noch ein Mitschüler die emotional ob des Todes ihrer besten Freundin doch so aufgewühlte (ähem) bräsige Blondine vorknöpfen und wird handgreiflich. Zum Glück ist rechtzeitig Josh zur Stelle, und plötzlich sind die beiden Angreifer, obwohl Josh von der Statur her wirklich nicht mal einen Drittel Türsteher abgibt, ganz kleinlaut und trollen sich. Erstaunlicherweise ist ihr, der Egoistin vom Dienst, diese Form von Zivilcourage sogar ein Dankeschön für Josh wert. Dann wird sie ins Büro des Schuldirektors gerufen: Commissioner Dealey wartet.

Hoffnungsfroh betritt Christie das Büro, aber dort bläst ihr ein eisiger Wind entgegen. „Du bist das bösartigste Mädchen, mit dem ich je zu tun hatte“, gibt Dealey dem Satansbraten gleich zu Beginn einen kräftigen Rüffel mit. Paul (der mit Nachnamen Fox heißt – ich schreibe das nur, damit ihr bei all den Namen nicht durcheinanderkommt) hätte ein wasserdichtes Alibi für den Unfallzeitpunkt: Er sei zu der Zeit bei seiner Frau in der Firma gewesen. Christie ist überrascht, wirft aber die Möglichkeit eines Mittäters in den Raum, die Dealey aber nicht mal in Erwägung ziehen möchte, denn er hat sich ein Bild gemacht, das er nicht bereit ist zu revidieren: Gegen Christie ist Pinocchio ein wahrheitsliebender Fanatiker – Ende der Diskussion. Ich gebe zu, dass sie bisher mit ihrer trotzigen lauten Art alles dafür getan hat, nicht für voll genommen zu werden, aber so ein bisschen fassungslos bin ich jetzt schon: Ein toter Elektriker, ein beinahe tödlich endender Autounfall, bei dem auch sein eigener Sohn Josh hätte draufgehen können, und eine tote Schülerin, die zugleich die Freundin dieses eigenen Sohns Josh war, und all das innerhalb weniger Tage im direkten Umfeld von Familie Fox – und bei Dealey schrillt nicht eine einzige Alarmglocke?! Alles nur Zufall?! (Und vielleicht bin das nur ich, der da überempfindlich reagiert, aber die Art und Weise, wie sich Dealey während seiner Standpauke breitbeinig auf dem Drehstuhl fläzt, hat für mich etwas sehr Obszönes – insbesondere vor dem Hintergrund, dass Josh ja an anderer Stelle bereits angab, sein Daddy wäre scharf auf seine Freundin.)

Auf Christies Aussage hin, dass ihr Stiefvater aber doch im Motel gewesen sei, reagiert der Commissioner mit einem Achselzucken: „In dieser Absteige trägt sich niemand mit seinem richtigen Namen ein, und niemand nimmt von einem anderen Notiz. Auf jeden Fall würde es keiner zugeben.“ Messerscharfes Argument, Ermittlungsarbeit beendet, Fall geschlossen. So einfach ist das. Gott, bitte lass mich NIE in den USA in irgendeiner Form im Zentrum irgendeines oder mehrerer Verbrechen stehen. Es hilft Christie in der ganzen Angelegenheit nicht, dass ihr – so hören wir aus Dealeys Worten eindeutig heraus – auch noch ihre eigene Mutter in den Rücken gefallen ist, die dem Polizisten lieber von Christies Therapiestunden und Animositäten gegen den neuen Daddy berichtet hat, als in Betracht zu ziehen, dass Paul ein gemeingefährlicher Bösewicht sein könnte. Tut mir leid, ich muss darauf herumreiten: Es gab in den letzten Tagen einen toten Elektriker, einen infolge einer gebrochenen Vergaserfeder kaputt gegangenen Wagen mit Christie am Lenkrad und mit Janey eine weitere Tote – in einer Welt, in der inkompetente Polizisten selbst in Mordfällen im näheren Umkreis nachlässige (oder vielleicht sogar gar keine) Ermittlungen anstellen, in einer Welt, in der Mütter ihrem frischgebackenen Ehemann mehr glauben als der eigenen Tochter, in einer Welt, in der so nervtötende und unsympathische Plagen wie Christie herumlaufen, ja, in einer solchen Welt möchte ich nicht leben.

Abends liegt Christie nachdenklich auf ihrem Bett. Alle Welt hat sich gegen sie verschworen, nicht mal die Polizei, dein Freund und Helfer, will bei gleich zwei Todesfällen in kürzester Zeit ernsthaft tätig werden. Doch es gibt zumindest einen Lichtblick in ihrem Leben (was man halt so mangels Alternativen als Lichtblick bezeichnen möchte): Josh! Der stattet der bekümmerten Nervensäge einen Besuch ab und hat Glück, dass Christies Erziehungsberechtigten gerade für einen Tanzabend außer Haus sind. So kann sie ihn hineinbitten – und nicht mal das bekommt sie sympathisch hin: „Hi! Na los, komm rein!“ Kaum haben sie sich begrüßt, kommt sie ihm mit einer neuerlichen Bitte – und diesmal sogar höflich (!): „Josh, würdest du mir helfen, bei Brenda Bohle einzubrechen?“ Hat mein Crashkurs also zumindest für den Moment Früchte getragen. Woran sie allerdings noch arbeiten muss, ist ihr Lebensmotto „Mit dem Kopf durch die Wand“. Von dieser Devise verabschiedet sie sich nicht mal nach all den Reinfällen mit so mancher Todesfolge. Irgendwie bemerkenswert.

Josh will von dieser Bitte nichts wissen und hat eher anderes im Sinn. Nach dem Tod seiner Freundin hält er einen Tag Trauerphase für völlig angemessen und drückt Christie ungefragt einen Kuss auf die Lippen. Wenigstens Christie scheint noch so etwas wie ein schlechtes Gewissen zu plagen, und sie widersteht der Versuchung nach anfänglicher Erwiderung – selbst dann noch, als Josh zum zweiten und zum dritten Mal sehr empathisch („Na, komm schon!“) seinen Angriff startet. Stattdessen will sie, dass er geht. Josh sucht nach Ausflüchten: „Tut mir leid, ich tu‘ das nur, weil – na ja, ich vermisse Janey auch, und als du so dicht neben mir gesessen hast…“ … da meldete sich dein Schwanz zu Wort, weil du ein triebgesteuertes Arschloch bist, das selbst dann zuerst an Sex denkt, wenn die geschwängerte Freundin gerade mal 30 Stunden tot ist. Schon klar, Josh.

So wenig Einfühlsamkeit wirkt aber offenkundig anziehend auf die diesbezüglich ja ebenfalls wenig zimperliche Christie. „Josh, lass uns auf mein Zimmer gehen, okay?“, hält sie die Empathie-Kanone doch noch vom Gehen zurück, und nur eine Szene weiter sind sie auch schon in ihrem Zimmer, wo sie gleich richtig zur Sache kommen wollen (ja, kein Schmusen und etwas Küssen, es geht gleich ans Eingemachte). Zu romantischer Musik entkleidet sich unser neues Traumpaar, und das für mich Überraschendste an der gesamten Szene ist, dass Hauptdarstellerin Rachael Kelly BH und Slip anbehält und ihre intimsten Stellen nicht mit uns teilt, sondern für das Ausziehen der verbliebenen Kleidungsstücke unter die Bettdecke schlüpft. So viel Zurückhaltung ist man von einem Regisseur, der seine attraktiven Darstellerinnen gefühlt immer Brust zeigen lässt (notfalls baut er eine Vergewaltigung ein, und schon hat er Brüste), gar nicht gewohnt. „Josh, da ist etwas, was du wissen solltest“, flüstert Christie verunsichert, aber Josh reagiert wie ein echter Gentleman: „Ich weiß es schon. Janey hat’s mir erzählt. Du hast es noch nie gemacht, stimmt’s?“ „Nein, es betrifft Janey“, antwortet Christie, aber bevor sie erneut ihre stimmungstötenden Mordszenarien vor ihm ausbreiten kann, stopft er ihr mit seiner Zunge das Maul. Wie gesagt: ein wahres Traumpaar. Würde Janey noch leben, hätte sie es bestimmt gewollt, dass sich die beiden kriegen – einen Tag nach ihrem Tod.

Doch noch während des Sexualaktes kündigt sich in einer Parallelmontage Unheil an. Zwei Gummipunkte (mehr nicht!) für diejenigen, die sofort erraten haben, dass das Unheil „Die Eltern kommen verfrüht nach Hause“ heißt. Davon ahnen die beiden Turteltäubchen aber noch nichts. Christie schreit bei Joshs energischen Stößen auf, was ihn immerhin dazu veranlasst, mal nachzuhaken, ob ihr was fehlt. „Nein, entschuldige, es tut nur so weh“, erwidert sie. Das war das, was er hören wollte: Es tut weh, da macht er doch glatt ungerührt weiter – jedenfalls, bis plötzlich Paul (Paul Fox, ihr Stiefvater!) die Zimmertür aufreißt und die beiden auf frischer Tat ertappt. Er komplimentiert Josh heimlich hinaus, damit seine Frau nichts von der neuerlichen Schandtat ihrer Tochter mitbekommt. Paul macht klar: Ihre infamen Lügen sind eine Sache, aber nun auch noch – mit süßen 17! – mit einem Jungen schlafen, das geht gar nicht. Und ihre Mutter sei übrigens auch noch sauer, deshalb wegen ihrer schlechten Stimmung die verfrühte Heimkehr. Ich bin zwar grundsätzlich der Meinung, dass die Mutter – selbst wenn sie in der Lage ist, alle Zeichen (ich muss es immer wieder sagen: zwei Tote und ein Mordanschlag) um sich herum zu ignorieren – in einer Situation, in der Christie ihre beste Freundin verloren hat und fast selbst umgekommen wäre, für ihre Tochter da sein sollte, aber es ist ja einfach so, dass Christie jegliches Mitgefühl abgeht, wie wir ja gerade erst wieder gesehen haben. Wer außer Christie würde mit dem Freund der toten Freundin ins Bett springen wollen, solange ihre Leiche noch warm ist? Insofern kann ich der Mutter ihre Bockigkeit nicht übelnehmen.

Ich hatte ja geschrieben, wie überrascht ich eben war, dass Rachael Kelly ihre Brüste eingepackt lassen durfte. Das soll aber nicht heißen, dass Winner plötzlich seine einfühlsame Ader entdeckt hätte, die viel Wert auf die weibliche Privatsphäre legt. Im Gegenteil: Er kommt mit einer besonders geschmacklosen Szene daher, die den Film endgültig in den Exploitation-Bereich zerrt. Wie wir wissen, war Christie bis eben noch Jungfrau. Jetzt ist sie es nicht mehr. Das bedeutet gleichzeitig, dass ihr Jungfernhäutchen nicht mehr intakt sein kann. Das ist Fakt, das können wir uns denken, das müssen wir nicht sehen. Nun ja, und hier? „Oh mein Gott, ich blute ja!“, stößt Christie erschrocken aus – und zeigt uns und Paul ihre blutbesudelte Hand! Danke auch.

Schnell möchte Christie in ihr Badezimmer stürmen und sich das Blut abwaschen, aber ihr Stiefvater hat etwas dagegen und stellt sich mit einem entschiedenen „Nein!“ davor. (?) Unten hört seine Frau die lauten Stimmen und ruft, was denn da oben los sei. „Alles bestens! Ich habe nur ein bisschen Nasenbluten!“, ruft Paul zurück. (??) Ähnlich verwirrt wie ich reagiert Christie: „Was erzählst du denn schon wieder? Du hast doch gar kein Nasenbluten!“ Für einen ganz kurzen entsetzten Moment dachte ich, Winner würde nach dem Jungfernhäutchenblut NOCH weitergehen: Paul bittet Christie darum, dass sie sich ihre Hände mit einem Taschentuch abwischt, damit er es sich an seine Nase halten kann, um gegenüber der Mutter zu kaschieren, dass Christie gerade ihr erstes (blutiges) Mal erlebt habt. Aber ZUM GLÜCK war in diesem Fall meine Fantasie noch blühender als die von Winner. Stimmt mit mir etwas nicht oder sollte sich Winner eher schämen, dass ich ihm einen solchen Einfall ohne Weiteres zugetraut hätte?

Doch weiter im Text. Was hat es nun mit dem Vorwand, Nasenbluten zu haben, auf sich? Nun, der Film ist jetzt bereit für die große Enthüllung, dass Paul in der Tat das kriminelle Sackgesicht ist, für das ihn Christie schon die ganze Zeit über hält. Das käme womöglich knalliger, wenn er denn nicht von seiner ersten Szene an so offensichtlich nach Bösewicht gestunken hätte. Mit einem vors Gesicht gehaltenen Tuch (ohne Blut!!) stürzt Paul ins dunkle Badezimmer, und schon riecht auch Christie im wahrsten Sinne des Wortes, was hier gespielt wird: „Gas!“ Ja richtig, indem er den Gasboiler in ihrem Bad ebenso manipulierte wie den Lichtschalter, hätte Christie nach seinem Plan während der Abwesenheit ihrer (Stief-)Eltern eigentlich in die Luft fliegen sollen. Seine Rechnung: ausströmendes Gas + Kurzschluss = BUMM! Doch nun macht er alles rückgängig: Zündflamme im Boiler wieder an, das oben in den Boiler gestopfte Handtuch wieder raus, Fenster auf – Gefahr gebannt. Christie, bei diesen hastigen Handgriffen irritiert bis fassungslos daneben stehend, geht ein Licht auf: „Mein Gott, jetzt willst du mich auch noch umbringen!“ Ach, sag an – wie kommst du bloß darauf? Und ihr dämmert noch mehr: „Jetzt verstehe ich. Du musst mich auch umbringen. Wenn Mom stirbt, kriege ich ihr Geld, nicht du. Und wenn das Bad in die Luft geflogen wäre, dann hätte es dich auch erwischt.“

Diese Szene ist gleich in mehrerlei Hinsicht bemerkenswert bescheuert. Zum einen wurde sie so nonchalant beiläufig, überraschungsfrei und spannungslos inszeniert, dass man fast schon Respekt zollen muss, das SO hinzukriegen. Hätte Winner für diesen von Paul nicht ganz freiwillig selbst vereitelten Anschlag auf die Suspense-Karte hitchcockscher Prägung gesetzt, hätten wir ihm also vorab bei den Vorbereitungen zugesehen, hätte man daraus gegebenenfalls etwas Nervenkitzel ziehen können. So, wie Winner die Szene aber inszeniert hat, erscheint sie so, als würden wir einem Heizungsmechaniker bei seiner langweiligen Arbeit zuschauen. Der zweite Punkt ist einer, an dem ich mich schon lange stoße, der aber durch die eben gesehene Aktion manifestiert wird: Bis dato ahnte Christie nur, dass ihr Stiefvater Mordabsichten hat. Nun weiß sie es. Würden du und ich spätestens mit dieser Gewissheit noch eine Sekunde lang ruhig schlafen können? Würden du und ich nicht sofort zu Mama laufen und notfalls schreiend auf sie einreden, bis sie den schweren Anschuldigungen, dass du und ich gerade fast ermordet worden wären, endlich glaubt? Würden du und ich Mama noch neben Papa im Ehebett schlafen lassen, wenn er sie doch, wann immer er will, umbringen könnte? Wie nachlässig geschrieben und schlichtweg idiotisch ist das ganze Szenario bitte?!

Christie tut all diese im letzten Absatz angesprochenen Dinge nicht, sondern sie putzt sich am nächsten Morgen seelenruhig ihre Zähne. Ihre Mutter könnte zwar bereits erschossen im Bett liegen, und sie selbst wäre vergangene Nacht fast in die Luft geflogen, aber was soll’s? Business as usual. Noch kann sie aber tatsächlich entspannt ihr Leben leben, denn noch lebt Mama – aber dann passiert ein Unglück: Ihre Mutter schlendert gemütlich die Treppenstufen runter, bleibt dort an einer deutlich hervorragenden Teppichstange hängen – sprich: man muss schon blind sein, um die zu übersehen – und fällt unter lautem Radau die Treppe herunter. Christie hört das und springt umgehend aus dem Badezimmer, um das Malheur zu betrachten: Mama liegt am Boden, und Paul (Paul Fox – nicht vergessen) hockt angeblich besorgt neben ihr. Christies Reaktion ist die einer liebenden Tochter. Sie herrscht ihren Stiefvater an: „Jetzt hast du’s doch geschafft! Endlich hast du’s erreicht!“ Hallo? Da unten liegt deine Mutter! Ist ihr Wohlbefinden nicht wichtiger, als Stepdad zur Sau zu machen? Alter, so eine Tochter wünscht man doch seinem ärgsten Feind nicht. Wäre Paul nicht selbst so ein heuchlerischer Vollarsch, hätte er für folgende Worte mein vollstes Verständnis: „Zum Teufel! Tu etwas! Ruf einen Krankenwagen!“

Mal wieder Glück im Unglück (irgendwie klappt das bei Paul mit dem Morden nicht so): Mama hat sich nur ein Bein gebrochen und möchte mit ihrem Gips auch gleich wieder nach Hause entlassen werden – sehr zum Widerwillen von Christie, die es besser fände, wenn sie noch ein, zwei Nächte im Krankenhaus bliebe. „Wieso denn?“, fragt die Mutter allen Ernstes – und es ist wirklich erstaunlich, mit welcher Merkbefreitheit hier jeder Hinz und Kunz durch den Film spaziert. Abermals muss Christie ihre Anschuldigungen gegenüber dem gerade abwesenden Paul wiederholen und klarstellen, dass er die Teppichstange verbogen hat (und, was sie aber nicht sagt, Christie heute Nacht in die Luft jagen wollte – sorry, ich wollte es nur nochmal erwähnen), und abermals will ihre Mutter nichts davon hören: „Oh Christie, jetzt geht das schon wieder los! Lass das sein! Ich habe sie wahrscheinlich verbogen, als ich gestürzt bin.“ Manche Menschen verdienen es einfach nicht besser. Vielleicht würde Aufmalen helfen: der tote Elektriker, die gebrochene Vergaserfeder, die tote Janey, das austretende Gas, die verbogene Teppichstange… Hab‘ ich was vergessen? Das alles muss man schon absichtlich ignorieren wollen. Ich muss sagen: Bei so einer Mutter bringe ich sogar geringfügiges Verständnis für den rettungslos verkorksten Charakter unserer Christie auf.

So viel Ignoranz offensichtlicher Tatsachen hat zur Folge, dass Christie dann eben doch wieder auf eigene Faust recherchieren muss. „Auf einmal wusste ich, was ich zu tun hatte“, erzählt sie und fährt fort: „Ich fuhr am Nachmittag zum Haus der Bohles und wartete, bis Paul auftauchte. Dann wartete ich noch eine Weile, aber dann riskierte ich es.“ Wir sehen also, wie Christie vor dem Haus der Bohles wartet, bis Paul auftaucht. Dann wartet sie noch eine Weile, aber dann riskiert sie es. Erwähnte ich, für wie sinnlos ich den Voice-over halte? Christie schleicht zum Haus und probiert es mit ein paar heimlichen Blicken durch diverse Fenster – immer in der Hoffnung, Kompromittierendes zu erhaschen. Hinter dem ersten Fenster sitzt ein Mann im weißen Unterhemd vor der Glotze und trinkt ein Bier (also das US-amerikanische Äquivalent zu einem Klischee-Hartz-IV-Empfänger). Es ist derselbe Mann, dem Christie vorhin schon bei ihrem ersten Ausspähversuch ungeschickt in die Arme gelaufen ist. Soll das Brendas Mann sein? Keine Ahnung. Pikanter ist das, was sich hinter Fenster zwei verbirgt: Dort vergnügt sich Paul nämlich mit Brenda und nimmt sie von hinten durch, was uns Gelegenheit für kurze „full frontal nudity“ von Lolita Lesheim gibt. Ich möchte – auch nicht zum ersten Mal – betonen, dass Paul nicht nur ein Vollarsch, sondern auch ein Vollidiot ist. Er weiß, dass Christie weiß, wo Brenda wohnt. Er weiß, dass Christie ihn dort schon einmal mit Brenda gesehen hat. Er weiß, dass er eine verdammt neugierige Stieftochter hat, die nichts lieber täte, als endlich seine Missetaten zu beweisen. Und was macht er? Vögelt laut mit Brenda vor offenem Fenster, damit es die ganze Nachbarschaft mitbekommt. (Und wenn das nebenan vor der Glotze Brendas Ehemann ist, ist er gleich nochmal blöder als ohnehin schon.)

Wenn sich Paul (Paul Fox!) schon auf diese Weise auf den Präsentierteller setzt, kann Christie natürlich nur zuschlagen. Diesmal hat sie eine sperrige Polaroidkamera mitgenommen, um einen Beweis für den Seitensprung mit nach Hause zu nehmen. Weil sie aber so dermaßen absolut saublöd ist, fotografiert sie die Ficker mit Blitz und lässt darüber hinaus auch noch das Foto durch das offene Fenster ins Schlafzimmer fallen. Dreimal spioniert, dreimal ertappt – ich glaube, nicht mal der amateurhafteste Amateurdetektiv, den die Menschheit je gesehen hat, würde sich SO dämlich anstellen. Folglich muss sie sich zurück in die Büsche schlagen – ohne Foto. Brenda und Paul sind nicht ganz unverständlicherweise ziemlich aufgebracht und rufen auch Lacey, den Fernsehgucker, herbei. Anscheinend bildet dieses Trio ein Gespann und möchte nun dringend die neugierige Rotzgöre ausfindig machen. Also Brenda und Lacey zumindest. Die teilen sich auf. Paul geht hingegen die Muffe und fährt davon, um vor Christie zu Hause zu sein.

Es mag keine richtige Verfolgungsjagd sein, aber zumindest das Blaxploitation-Action-Theme dreht wieder auf, während Christie die allgemeine Unruhe dafür nutzen will, durch das bekanntlich offene Schlafzimmerfenster zu krabbeln, um sich das Beweisfoto zu holen. Oder nicht? Eigentlich dachte ich das. Warum sonst sollte sie ein solches Himmelfahrtskommando starten? Kaum ist sie im Haus, schert sie sich aber kein Stück um das Foto, sondern versteckt sich lieber hinter dem Bett (?). Lacey, von dem ich noch nicht so recht weiß, welche Funktion er bekleidet, entdeckt auf seiner Suche nach der ungewollten Augenzeugin frische Erde auf dem Fensterbrett am Schlafzimmer. Was noch viel gravierender ist: Sein Blick fällt auf das von Christie geknipste Foto. Der gehörnte Gatte sieht die ganze Sache gar nicht mal so locker und ruft wutentbrannt nach Brenda, um sich in Handgreiflichkeiten gegen sie zu üben. Aus dem schreiend vorgetragenen Dialog ergibt sich immerhin mal ein klareres Bild: Lacey duldet die Affäre seiner Frau mit Paul, solange sie keinen Spaß beim Sex hat, wonach es auf dem Foto aber nicht aussieht (deshalb seine Wut). Brenda will aber noch ein klein wenig länger mit Paul schlafen und ihn bei der Stange halten, solange er (also Paul) sie (also Christies Mutter) nicht umgebracht hat, denn mit Druck würde sie bei Paul nichts erreichen. Sobald diese Mission erledigt ist, wollen Brenda und Lacey wiederum Paul erpressen und noch mehr Geld herausschlagen. Klingt… äh… logisch?

Lacey bleibt in seiner rasenden Eifersucht unerbittlich und lässt selbst dann nicht von Brenda ab, als sie schon im Gesicht blutet. Allerdings kann sie sich mit einem Tritt gegen sein Schienbein aus seinem brutalen Griff befreien und sich im Badezimmer einsperren. Dort wiederum hält sich inzwischen Christie, die aus akuter Blödheit das Schlafzimmer verlassen hat, hinter dem Duschvorhang versteckt und lebt nun in der Angst, von Brenda erwischt zu werden. Da sie sich bisher ja noch immer hat erwischen lassen, ist das eine berechtigte Sorge. Lacey bricht mit roher Gewalt die Tür auf und prügelt weiter auf seine Frau ein, bis er endlich die Kontrolle über sich selbst wiedergewinnt und sie allein lässt, damit sie sich das Blut aus dem Gesicht waschen kann. Da er für sie den Wasserhahn in der Badewanne anmacht, steht Christies Entdeckung unmittelbar bevor – wenn es nicht an der Tür klopfen und Brenda ebenfalls das Bad verlassen würde. Gut, ich möchte nicht sagen, das wäre eine sonderlich aufregende Szene gewesen, aber es ist immerhin eine, die dem, was man gemeinhin als Thriller bezeichnet, bislang am nächsten kommt.

Der ungebetene Besucher ist der offensichtlich mit übersinnlichen Fähigkeiten ausgestattete Josh, über die er instinktiv fühlte, dass Christie gerade jetzt ein Ablenkungsmanöver gebrauchen könnte. Er gibt vor, nach „Mr. und Mrs. Smith“ zu suchen, aber Brenda weist ihn barsch ab. Das ist für Christie nicht weiter schlimm, denn so kann sie zurück ins Schlafzimmer und von da aus dem Fenster ins Freie klettern. Weil es sich bei Christie aber immer noch um Christie handelt, läuft sie bei ihrer Flucht – klar – dem draußen herumstehenden Lacey in die Arme. Der führt sie aber wider Erwarten nicht umgehend in seine geheime Folterkammer, um ihr einen Zehennagel nach dem anderen zu ziehen. Er drückt ihr vielmehr zu ihrer eigenen Verwunderung das begehrte Foto in die Hand und lässt sie laufen. Sie kann ihr Glück wahrscheinlich selbst nicht fassen. Lacey lacht ihr hinterher: „Jetzt wirst du in Schwung kommen, Paul.“ Ich hoffe, das gilt auch für den Film, in dem alle Leute gleichermaßen blöd sind und nicht eins und eins zusammenzählen können. Streng genommen ließe sich die Story bislang in einem Satz zusammenfassen: Dummer eingeheirateter Idiot will dumme Familie umbringen – und scheitert.

Auf ihrem Heimweg trifft Christie freudestrahlend ihren Lebensretter Josh und stellt die Frage, die ich mir auch schon gestellt habe: Woher wusste Josh, dass Christie bei den Bohles war? Die Erklärung ist maximal unbefriedigend: „Als du nicht zum Englischunterricht kamst, habe ich mir Sorgen gemacht. Und dann ist mir eingefallen, dass du ja einen Beweis brauchst.“ Ich habe eine bessere Erklärung: Josh war da, weil Herrn Drehbuchautor keine bessere Ausrede eingefallen ist, seine Anwesenheit genau in diesem bestimmten Moment zu erklären. Immerhin hat er auch eine Entschuldigung mitgebracht für letzte Nacht: „Ich wollte dir nicht wehtun.“ Das kann man anders sehen, wenn man bedenkt, dass sie „Es tut nur so weh“ sagte und er daraufhin erst recht wie ein Irrer mit seinem Schwanz in ihr herumstocherte. Christie ist nicht nachtragend und nimmt die Entschuldigung dennoch an, aber sollte Josh darauf spekuliert haben, damit hätte er nun einen Freifahrtschein für weitere sexuelle Aktivitäten mit ihr, hat er sich geschnitten: „Sex ist durch und durch mies. (…) Josh, ich will dich nicht verletzen. Ich will nie wieder mit dir ins Bett gehen. Ich will mit überhaupt niemandem jemals wieder ins Bett gehen. Es tut mir leid.“ Mit den Worten lässt sie ihn stehen, und er schaut ihr nachdenklich hinterher, gedanklich vermutlich die nächste Mitschülerin durchgehend, die er klarmachen kann.

Wichtiger als Sex ist Christie ohnehin, ihrer Mutter endlich den Beweis dafür zu überreichen, dass ihr Mann fremdgeht – wenn sie ihn denn schon nicht des Mordes überführen kann. Es gilt übrigens immer noch das, was ich oben sagte: Ich an Christies Stelle hätte Angst, nach Hause zu kommen und meine Mutter tot in ihrem eigenen Blut zu entdecken, aber Christie scheint sich darüber keinen Kopf zu machen. Zu Hause lauert ihr Paul (Paul Fox, ihr Stiefvater) auf und verlangt ultimativ und sehr wütend die Herausgabe des Fotos, aber bevor er sie windelweich prügeln kann, kommt auch schon die natürlich quicklebendige Mutter dazu – und bittet zu meinem größten Erstaunen um Mäßigung ihres wildgewordenen Waschlappen-Ehemannes. Auch dies verdeutlicht einmal mehr die Plumpheit des gesamten Skripts: Paul geht auf seine Stieftochter los, obwohl sich seine Frau in unmittelbarer Hörweite aufhält. Das lässt ihn erneut äußerst dumm aussehen – und seine Ausrede ist es auch: „Ich habe mir die Frage erlaubt, wo sie gewesen ist. Darauf hat sie mir eine freche Antwort gegeben.“ Die Ausrede würde wahrscheinlich dennoch verfangen, wenn Christie ihrer Mutter nicht feierlich das Foto in die Hand drücken würde. Paul gibt aber immer noch nicht auf und verrät uns endlich – halleluja – den Vornamen seiner Frau: „Hör zu, Karen, ich habe eine Erklärung dafür. Es ist anders, als es aussieht.“ In der Tat kann man das Bild missverstehen: eine nackte Frau, die in der Hündchenstellung von einem nackten Mann durchgeorgelt wird, der wie Paul Fox aussieht. Da gibt es mehrere Deutungsmöglichkeiten.

Es überrascht daher, dass Dummtröte Karen diese Kröte NICHT schluckt. Christie hätte damit ihr Soll erfüllt und rennt zufrieden nach oben in ihr Zimmer. Richtig, Christie! Er wollte dich und deine Mutter umbringen – und das mehrfach –, da ist es eine gute Idee, Mama den Kampf mit Stiefpapa allein ausfechten zu lassen, anstatt ihm eins mit der Bratpfanne überzubraten. Sag doch, dass du Mama tot sehen willst und uns hier nur was vorspielst. Karen erhält für ihre Aufforderung, Paul möge bitte das Haus verlassen, umgehend eine schallende Backpfeife von ihm. Jetzt, da auch sie sein wahres Gesicht kennt, gibt er jede Zurückhaltung auf: „Das ist dafür, dass ich mich jedes Mal beim Küssen fast übergeben habe.“ Er hätte sie seit seiner Kindheit gehasst, sie aber schließlich doch geheiratet, damit er es zu etwas bringen konnte. Gleichzeitig behauptet er, er hätte es nicht wegen des Geldes getan. Äh, wenn nicht aus Liebe und Geld, aus welchem Grund dann? Paul haut sauer ab, weil er halt einfach ein Feigling ist, der nicht mal jetzt, wo er die Frauen servierbereit unter einem Dach hat, Anstalten macht, ihre Lebensdauer drastisch zu verkürzen. Nun, da alles vorbei ist, kommt Christie doch wieder zu ihrer Mutter runter, aber die will nur allein sein und heult. Tja, sie hat dich ja gewarnt, Karen. Kein Mitleid.

Am Abend hat sich die Lage immer noch nicht entscheidend beruhigt: Karen ergeht sich in Selbstmitleid, und Christie schreibt schier unerträglichen Schmalz in ihr Tagebuch: „Tja, so ist es passiert. Ich glaube, jetzt gibt es nur noch Mom und mich. Ich werde mich um sie kümmern müssen und aufpassen, dass so etwas nie wieder passiert. Mein ganzes Leben wollte ich lieben und geliebt werden, aber Liebe kann schreckliche Dinge anrichten. Jetzt ist wenigstens alles vorbei.“ Ächz.

Mit diesem Tagebucheintrag könnten wir somit eigentlich in den Abspann gehen – und hätte Winner das tatsächlich durchgezogen und nun ein „The End“ über ein Schwarzbild gelegt, hätte er meinen vollsten Respekt für so viel Frechheit. Einen Thriller mit einem Finale beenden, in dem die Frau ihren untreuen Ehemann einfach rauswirft und sich so auch weiterer Mordanschläge entzieht, weil er einfach nicht mehr da ist – von einem solchen Ende würde man heute noch sprechen. Vielleicht wäre besagter Schluss bei so einem Pantoffelhelden wie Paul auch gar nicht mal so unrealistisch, aber das hätte zugegebenermaßen auch zwei, drei Handlungsfäden rabiat abgeschnitten, unter anderem alles rund um Pauls Komplizen Brenda und Lacey. Und außerdem geht der Film auch noch über eine halbe Stunde.

Also donnert die Filmmusik laut los, als sich drei finstere Gesellen schnurstracks und wild entschlossen dem Haus der Frauen nähern: Paul ist wieder da, und er hat Brenda und Lacey mitgebracht. Obwohl sie sich noch außerhalb von Christies Blickfeld befinden, bemerkt die Tochter des Hauses das schleichende Trio instinktiv. Sofort weiß sie, was zu tun ist und rennt zu ihrer immobilen Mutter ins Wohnzimmer, um sie in ihrem Rollstuhl aus dem Haus zu schieben („Mom, bitte keine großen Diskussionen jetzt!“), aber zu spät: Weil Karen Paul zwar herausgeworfen, ihm aber nicht den Haustürschlüssel abgenommen hat, hat er leichtes Spiel. Dummheit wird manchmal eben doch bestraft, selbst wenn alle dumm sind. Die Flucht über den Seitenausgang scheitert ebenfalls, denn da steht bereits Lacey. Kurzum: Die Frauen sitzen in der Falle – und das Home-Invasion-Thriller-Büffet wäre hiermit eröffnet.

Christie gibt noch nicht auf und stürzt in die Küche zum Küchentelefon, doch bevor sie wählen kann, wirft Paul sie in seiner bisher bösartigsten Aktion zu Boden und tritt ihr auch noch in den Unterleib. Lacey, augenscheinlich der Kopf der Bande, und Paul breiten vor ihren Geiseln ihren großen Plan aus: Christie und Karen werden bis 2 Uhr nachts in den Keller gesperrt, Paul wird von einem „Einbrecher“ bewusstlos geschlagen – und „alle, die sich im Haus befinden, werden getötet.“ Karen kann es nicht fassen: „Paul, das kannst du doch nicht tun.“ Klar, das kommt für alle überraschend, die all die Morde und Mordanschläge der letzten Woche ausblenden können – also in diesem Fall „alle“ im Sinne von „Karen“. „Doch nicht ich, Babymäuschen, sondern mein Freund“, gibt Paul frank und frei zu, wer in dieser Zwangsgemeinschaft die Hosen anhat. Damit er nach dieser Aussage nicht zu luschig wirkt, schubst er Karen in ihrem Rollstuhl mit Schwung durchs Wohnzimmer, bis das Gefährt samt menschlichem Inhalt umkippt. TEUFEL!

Kaum hat sich Karen von dieser Attacke erholt, und kaum wurde sie wieder von Lacey in den Rollstuhl gesetzt, setzt Paul zur nächsten Schandtat an: Er schiebt seine Frau die Kellertreppe hinunter! TEUFEL!! Ist ja nicht so, dass sich Karen dabei theoretisch das Genick brechen könnte, womit der ganze Einbrecher-Plan mit einem Schlag obsolet wäre, aber Hauptsache, er hat seiner wehrlosen Frau mal so richtig gezeigt, was eine Harke ist. Bravo, Paul! „Das ist für jedes Mal, wo ich dich küsste und mich übergeben wollte“, schiebt er noch angewidert hinterher. Dieser Mann hat offenbar ein schweres Trauma zu verarbeiten. Es ist schließlich nicht das erste Mal, dass er diesen Satz brachte (das erste Mal bei seiner Backpfeife vor seinem Rauswurf vorhin) – meiner bescheidenen Meinung nach reichlich übertrieben, denn Karen mag vielleicht insgesamt etwas bieder sein, ist nun aber auch kein Gesichtsgulasch mit 5.000 Eiterpickeln auf den Wangen. Lacey schubst Christie hinterher. Bis 2 Uhr sollen die Frauen jetzt da unten ausharren, dann Exitus (warum eigentlich erst um 2 und nicht schon jetzt?). Karen verliert in ihrer Panik völlig den Kopf, zerdeppert mit einem Besenstiel ein viel zu schmales Fenster und ruft laut um Hilfe. Christie bittet um Contenance auch im Angesicht des Todes: „Wenn du schreist, werden sie uns hören und früher umbringen.“ Ihre Mutter gibt ihr schluchzend recht: „Ich bin durchgedreht.“ Ach?

Es ist gut, wenn wenigstens eine Person besonnen ist, und das ist in diesem Fall Christie, der einfällt, dass der Keller doch einen Notausgang hätte. Die Mutter kriegt sich vor Freude über die Idee kaum ein. Schnell zur Luke gesprintet möchte Töchterchen fliehen und Hilfe holen, aber da erwartet sie auch schon Paul (ihr Stiefvater Paul Fox!) – und der tritt in einem weiteren heftigen Gewaltausbruch die Luke wieder zu und quetscht Christies Zeigefinger ein! „Du Mistkerl! Einem unschuldigen Mädchen wehzutun!“, schimpft Karen durch die geschlossene Luke angesichts der klaffenden Wunde ihrer Tochter, die ungefähr so viel Blut verursacht wie ein Piekser mit der Spritze. Mit dem Wort „unschuldig“ triggert Karen Paul, der daraufhin zum Rundumschlag ausholt: Im Bett mit Josh Dealey hätte er sie erwischt. Was für eine miese Petze! Passt aber zu seinem Charakter. Diese Vorlage lässt sich Christie nicht entgehen und mit einem feinen psychologischen Trick sät sie Zwietracht: Ja, sie hätte mit Josh geschlafen, aber der würde sie wenigstens lieben (ach ja?), nicht so wie Brenda, der Paul ja völlig egal wäre und die ihn erpressen werde, sobald er erstmal das ganze Geld von Karen geerbt hätte. Mehr noch: Sie verrät, dass Lacey und Brenda in Wirklichkeit Mann und Frau und nicht Bruder und Schwester wären. Ach, das war bisher nicht klar? Und Christie wusste, dass Paul nicht wusste, dass das Ehepaar sich ihm gegenüber als Geschwister ausgegeben hat? Wäre fair von Autor Holland gewesen, uns das dann auch mitzuteilen. Wie dem auch sei: Es arbeitet in Paul.

Zurück im Wohnzimmer, wo Brenda und Lacey am Esstisch sitzen und die kostenlosen Kühlschrankvorräte ihrer Geiseln verzehren, fallen Paul dann auch gleich Vertraulichkeiten in ihren Gesten auf, die er vorher nicht wahrgenommen hat – was wieder nicht für ihn spricht, denn wenn das Pärchen auch früher so auffällig mit seinen Fingern gefingert hat wie gerade in diesem Moment, während Brenda Lacey die Ketchup-Flasche reicht, muss er eine ganze Bretterbude vorm Kopf gehabt haben, um anzunehmen, dass das hier Bruder und Schwester sind. Er ist einfach nur ein Vollidiot.

Im Keller hat in der Zwischenzeit ein Rollentausch zwischen Mutter und Tochter stattgefunden, denn plötzlich ist Christie die Pessimistin und Karen die Optimistin. „Es gibt immer einen Weg, Christie“, beruhigt Mama ihr Fleisch und Blut, das jeglichen Lebenswillen aufgegeben hat. Und vielleicht führt dieser Weg sogar über den im Keller erscheinenden Paul, der sich die ganze Bruder-Schwester-Sache mal durch den Kopf hat gehen lassen und seine Stieftochter mit Waffengewalt auffordert, ihn nach oben zu begleiten und sich dort in die Unterhaltung zwischen Brenda und Lacey einzumischen, damit er aus ihren Reaktionen herausbekommen kann, ob sie wirklich Mann und Frau sind. Alter, was für ein Blindfisch! Dafür brauchst du Christie? Das sieht man doch! Depp. Die von Paul als Lockmittel gegebene Aussicht, die Frauen als Gegenleistung freizulassen, glaubt Christie natürlich kein Stück (denn was bitte schön hätte er von einer Freilassung?!): „Du wirst uns doch sowieso umbringen. Ist doch völlig egal, was du sagst.“ Nur um zu zeigen, dass die Sache mit der Freilassung natürlich nur ein Bluff war, geht der eiskalte Mann ohne Nerven wutentbrannt auf Christie los und würgt sie. Ein Machtwort von Karen verhindert Tödlicheres.

Nur sitzt Paul trotz erwiesener Blödheit immer noch am längeren Hebel, und so muss Christie letztendlich doch bei der Scharade mitspielen. Unter dem idiotischsten Vorwand, den Paul ersinnen konnte, nämlich dass Christie den Knalltüten Blaubeerpfannkuchen (!) macht, stellt sie sich in die Küche an die Herdplatte. Das sorgt für Unmut bei Brenda, die den Jungs doch auch gern welche machen würde (!). Es ist ein reiner Kindergarten. Damit der Streit noch weiter eskalieren kann, stellt Trampeltier Christie die entscheidende Frage: „Ach so, Brenda, wie lange seid ihr beide verheiratet?“ SO hätte Haudrauf Paul das auch gekonnt. Ein düsterer Musikcue mit gleichzeitiger Großaufnahme des erschrockenen Lacey deutet an, dass hier niemand mit so einer Frage gerechnet hätte. Brenda möchte die Situation retten: „Das hat du falsch verstanden. Lacey ist mein Bruder.“ Gewohnt biestig und gekonnt ignorierend, dass sie sich mit bewaffneten Mördern anlegt, bellt Christie zurück, die Wahrheit zu kennen. Damit bringt sie Lacey auf die Palme, der dem Mädchen an die Gurgel will, was wiederum Paul zu verhindern weiß. Als Alphamännchen liefern sich die Kerle sogleich einen Zweikampf, den Christie dafür nutzen möchte, ihre Mutter aus dem Keller zu holen und mit ihr zu fliehen, aber sie schaffen es nicht einmal die Kellertreppe hoch, da steht auch schon Lacey mit dem verprügelten und desorientierten Paul vor der Kellertür und stößt wüste Drohungen aus: „Seht’s euch gut an, was eine große Fresse einbringt.“ Ergo: Fluchtversuch gescheitert, alles auf null, Christies Stimmung im wahrsten Sinne des Wortes im Keller: „Wir sind tot.“

Dann klingelt das Telefon – und der energische Anrufer ist wild entschlossen, nicht aufzulegen. Der lädierte Schlappschwanz Paul, dem durch die Prügeleinlage sämtlicher Wille, sich zu widersetzen, abhandengekommen ist (die Tatsache, dass er jetzt weiß, dass Brenda und Lacey Ehepartner sind, spielt ab sofort nullkommagarkeine Rolle mehr – mit dem Plotpunkt hätten wir uns also auch gleich den Hintern abwischen können), wird von Lacey genötigt, den Hörer abzunehmen – nicht dass sie am Ende die Bullen auf dem Hals hätten. Und haben wir es uns nicht fast gedacht? Der Anrufer ist Josh, dessen männliche Intuition ausgeprägter ist als so manche weibliche. Paul wimmelt ihn ungehalten ab und ist sich hinterher sicher: „Das dürfte für den kleinen Bastard reichen.“ Danach verbringt das Verbrechertrio seine Zeit mit abendfüllenden Tätigkeiten: Paul guckt Fernsehen, Lacey fummelt an seiner Waffe rum, und Brenda steht blöd da. Sie hätten sich ja wenigstens mal was zum Lesen mitbringen können, um die Zeit bis 2 zu überbrücken.

Christie sucht trotz ihrer Wir-sind-tot-Mentalität immer noch nach einem Ausweg aus ihrem Dilemma und kommt letzten Endes zur einzigen für sie umsetzbaren Lösung: „Ich werde sie töten müssen.“ Bliebe nur die Frage nach dem Wie, aber sie hat mit ihrer Mutter da schon etwas ausbaldowert. Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber meine Vorfreude ist riesig. Immerhin ist bisher jeder Plan, egal ob von Gut oder Böse, durchweg unterhaltsam in die Hose gegangen. Also: Was ist der Plan? Christie ruft nach Brenda, weil sie auf Klo muss. Brenda sieht nicht ein, dafür die Tür aufzuschließen, aber das gewitzte Mädel hätte da ein Argument, seinem Wunsch nachzukommen: „Die Bullen werden Urinspuren finden. Das geht nicht auf, wenn man uns in unseren Betten ermordet haben soll.“ Äh, was? Ist Urin so ätzend, dass er sich in die Fliesen frisst? Mit einem Wischmopp wegwischen ist nicht? Und wer sprach von Ermordung im Bett? Weiß Christie schon wieder was, was wir nicht wissen? Argh.

Wie deutlich geworden sein sollte, verfängt dieses Argument bei mir nicht, bei Brenda aber schon. Punkt eins des Plans hat also schon mal geklappt. Sie führt Christie mit einer Pistole in der Hand ins Bad – und schon tritt Punkt zwei des Plans in Kraft. Mama hat in der Zwischenzeit bis 20 gezählt – und schaltet mittels Sicherungskasten den Strom ab! Den Überraschungseffekt nutzt Christie, um Brenda die Badezimmertür gegen den Körper zu donnern und im Dunkel des Hauses zu verschwinden. Dabei profitiert sie auch von akuter Nachtblindheit ihres Stiefvaters, der sie, obwohl sie direkt vor seinen Augen herumhuscht, nicht entdeckt. Ihr gelingt es zwar noch, sich ein großes Messer aus der Besteckschublade in der Küche zu schnappen, macht dann aber – weil sie nun mal sie ist – durch ein unachtsames Geräusch Lacey auf sich aufmerksam. Der bekommt sie zu fassen, aber nicht lange, denn sie hat ja jetzt ein Stechwerkzeug und ratscht ihm damit dezent den Oberarm auf. „Ich werde sie töten müssen“, hat sie vor einigen Minuten in Bezug auf die Eindringlinge gesagt. So aber nicht.

Dennoch konnte Christie sich vorübergehend etwas Luft verschaffen. Dann aber läuft sie nach etwas Katz-und-Maus-Spiel auch ihrem Stiefvater (Paul Fox!) in die Arme. Abermals hilft ihr das Messer, wenn sie auch mit dem Hieb in dessen Oberschenkel immer noch weit davon entfernt ist, irgendwen zu töten. Ich rate ihr, sich künftig Körperstellen auszusuchen, bei denen Messerstiche etwas tödlichere Wirkung entfalten können. Aber vielleicht krepiert Paul auch, jedenfalls memmt er wegen seiner Beinverletzung ganz schön rum. Auch Brenda stellt sich nicht besser an, denn eine bewusst von Christie umgestoßene Vase lässt sie erstmal reflexartig blind durch die Gegend ballern. Da sich die anderen nicht in ihrem Schussfeld befinden, bleibt die Aktion ohne Konsequenzen.

Da das elendige Geschleiche durch ein stockfinsteres Haus, in dem sich lediglich Christie einigermaßen zurechtfindet, auf Dauer so nicht weitergehen kann, gerade wenn man die Geisel wieder einfangen will, geht Paul ein Licht auf: Er macht sein Feuerzeug an – zack, Lichtquelle. Erstaunlich genug, dass er von selbst darauf gekommen ist. Weil Christie – ich muss es eigentlich gar nicht mehr betonen – ebenfalls nicht die hellste Kerze auf der Torte ist, bewirft sie Paul aus ihrem Versteck heraus mit ihrer einzigen Waffe, dem Messer, und dann auch noch mit dem Griff zuerst. Doch einer stellt sich hier so dämlich an wie der andere, denn Paul wirft sich anstatt auf Christie auf Luft, was der wiederum die Gelegenheit gibt, sich nach oben in ihr Zimmer zu flüchten. Lacey und Paul sprinten hinterher und versuchen, sie mit dem üblichen Blabla („Komm raus!“ usw.) zum Aufgeben zu bewegen. Als hätte das in irgendeinem Film in so einer Situation schon mal irgendwer gemacht.

Karen liefert sich währenddessen im Keller einen Catfight mit Brenda um den Sicherungskasten und kann ihn auch eine Zeit lang wacker verteidigen, aber da plötzlich auch Paul als Unterstützung mitmischt, ist dies ein aussichtsloses Unterfangen. Christie hat sich derweil in ihrem Badezimmer verkrochen und versteckt sich vor dem oben allein zurückgebliebenen Lacey. Sie hat früher im Film ja von Meister Paul gelernt, wie man einen Mordanschlag vereitelt. Dann kann man einen solchen doch auch genauso gut vorbereiten. Daher: Zündflamme im Gasboiler aus, Gas ausströmen lassen, Handtuch oben in den Boiler stopfen – und schon bräuchte es doch nur noch jemanden, der den noch nicht reparierten Lichtschalter betätigt, um einen Kurzschluss auszulösen. Da das aber ungünstig wäre, solange Christie im Bad ist, ergibt sie sich Lacey schließlich freiwillig. Vielleicht sollte ihn das stutzig machen, aber mit dem Denken hat es hier ja keiner von denen. Zu Christies Pech ist Lacey sehr nachtragend, was seine ihm von ihr zugefügte lächerliche Schramme am Oberarm betrifft, weshalb er sie über das Treppengeländer in die Tiefe stürzen will. Was denn nun? Wolltet ihr nicht bis 2 bis zur Ermordung warten? Könnt ihr euch bitte mal einigen? Dieser Truppe fehlt eindeutig ein Hans Gruber.

Wie schon so oft kommt Christie ein glücklicher Zufall zur Hilfe: Jemand klopft an der Haustür. Wer könnte das denn sein? Wer will, kann mitraten: Ist es Josh, Josh oder Josh? Und – Trommelwirbel – es ist natürlich Josh, der mit seiner Freundin sprechen möchte! Das finden die Ganoven erwartungsgemäß ziemlich scheiße. So viel zu „Das dürfte für den kleinen Bastard reichen“, nicht wahr, Paul? Da hilft einmal mehr nur die Improvisation: Um keinen Verdacht aufkommen zu lassen, gibt Paul vor, seine Stieftochter aus dem Bett zu holen. Der wird die ehrenvolle Aufgabe zuteil, Josh abzuwimmeln. Notgedrungen muss sie wieder mitspielen und schlägt sich bei ihren Notlügen ganz gut. Glücklicherweise lässt uns der Film nach viel zu langer Zeit auch endlich mal wieder an ihren Gedanken teilhaben, denn ohne Voice-over verstünden wir niemals, was ihr durch den Kopf geht: „Oh Josh, begreifst du denn nicht, dass ich lüge? – Oh doch, es wird ihm klar! Es wird ihm klar!“ Sagen wir mal so: Tatsächlich wird Josh klar, dass Christie ein wenig durch den Wind ist, aber weil er trotzdem Einlass begehrt, muss sie andere Saiten aufziehen: „Kommt überhaupt nicht infrage! Ich habe wegen dir eine Menge Ärger gehabt! Nachdem du neulich mit mir geschlafen hast, habe ich alles vollgeblutet!“ Allmählich checkt der Besucher, dass er hier und jetzt unerwünscht ist, und spätestens mit ihrem „Ich wollte bloß meine Unschuld loswerden, ganz egal bei wem! Es hätte der Müllmann sein können!“ trifft sie ihn tief ins Mark. Christie knallt die Tür zu – und ich würde mal sagen, wenn Josh das schluckt, ist er noch blöder als gedacht. Andererseits: Eine gewisse Wankelmütigkeit in ihren Emotionen haben wir bei Christie ja schon an der einen oder anderen Stelle feststellen können.

Nachdem der Störenfried nun auch endlich weg wäre, hat Brenda endgültig genug von den permanenten Störfeuern von innen und von außen und will die beiden Weiber endlich umgebracht sehen. Paul aber bittet noch um etwas Geduld, weil sie für eine sofortige Doppelexekution viel zu viel Blut aus ihren Stichwunden ausgesondert haben, das erstmal weggewischt gehört. Lacey stimmt ihm zu: „Wir töten sie genau um 2! Bis dahin schaffen wir sie wieder in den Keller.“ Jetzt redet er plötzlich wieder so. Eben aber noch Christie die Treppe runterwerfen wollen. Wisst ihr, was ich glaube? Die Idioten haben in Wirklichkeit gar keinen Plan.

„Oh Josh, glaub nicht, was ich dir erzählt habe! Bitte nicht!“, setzt Christie – zurück im Keller – ihre telepathischen Kräfte ein, um ihrem Freund begreiflich zu machen, dass sie in großer Gefahr ist. Tja, und dann sehen wir den nachdenklich die Straße entlanggehenden Josh, wie er sich immer schneller in Bewegung setzt und schließlich zu laufen beginnt. Jaaa, er glaubt ihr!

Bis auf Weiteres müssen sich die Frauen aber noch selbst helfen, und da hat Christie vorgesorgt. Sie hat oben in ihrem Zimmer heimlich ihr Schweizer Taschenmesser mitgehen lassen. Völlig zu Recht hat sie darauf spekuliert, dass die drei Intelligenzbestien da oben sie nicht abtasten würden, ehe sie sie zurück in den Keller schicken. Das Taschenmesser hat sie allerdings nicht bloß zur Selbstverteidigung gehortet, sondern für weitere Fallen ganz nach Vorbild von Wile E. Coyote. Deshalb ritzt und schneidet sie erst im Inneren des Sicherungskastens an diversen Stromkabeln herum und dann am nebenan verlaufenden Wasserrohr. Das Ziel ist klar: Das Wasser aus dem Rohr spritzt direkt auf den Sicherungskasten – und über kurz oder lang sollte ein Kurzschluss das gesamte Haus erneut in Finsternis hüllen. Und noch einen hübschen Nebeneffekt hat die ganze Sache laut Christie: „Wenn einer den Kasten anfässt, ist er so gut wie tot.“ Hm, „anfässen“ ist doch kein richtiges Hochdeutsch, oder?

Und dann ist es auch endlich Schlag 2 Uhr. Wird auch Zeit. Unser Triumvirat des Blöden möchte folglich zur Tat schreiten. Noch schnell das Taschenmesser im Hosenbund verstaut ergeben sich Mutter und Tochter Hand in Hand scheinbar ihrem Schicksal, das Tod heißen soll. Man könnte erwarten, dass selbst Vollidioten bei einer so widerspenstigen Geisel wie Christie irgendwann lernfähig werden und vor dem Doppelmord im Keller nach dem Rechten sehen, ob die Frauen in der Zwischenzeit artig waren, aber wie ich schon schrieb: Man könnte.

Stattdessen wollen die Geiselnehmer Christie und Karen nach oben in ihre jeweiligen Betten führen. Dagegen legt nun wieder Paul (Paul Fox!) sein Veto ein, denn eigentlich sei es doch viel zu anstrengend, Karen mit ihrem Gipsbein die Treppe hochzutragen. Deshalb würde er sie doch ganz gern schon im Wohnzimmer abknallen. Seine Faulheit ist das eine. Das andere ist: Hattest du vorhin nicht noch gesagt, dass „dein Freund“ Karen erledigen würde, Paul? Leute, wenn ihr keinen Plan habt, könnt ihr das auch ganz ehrlich sagen! Christie schickt einen Stoßseufzer zum Lampengott: „Das Licht! Bitte geh aus!“ Äh, Christie?! Ich verstehe, dass du von deinem Plan begeistert bist, aber wie soll der funktionieren, wenn du ihn vor den Verbrechern laut ausplauderst?! Jeder Mensch mit nur einer funktionierenden Gehirnzelle würde doch jetzt hellhörig werden und vielleicht doch mal prüfen, ob da unten am Sicherungskasten alles so ist, wie es sein soll. Aber gut, was rege ich mich auf? Ich schrieb ja, dass das jeder Mensch mit nur einer funktionierenden Gehirnzelle tun würde. Das schließt das Trottel-Trio ja automatisch aus. Also tut es auch keiner.

Was auch keiner tut, ist, das Taschenmesser zu bemerken, das Christie im nächsten Moment zückt, um Laceys rechte Hand auf das Treppengeländer zu tackern. Herrlich bekloppt ist die darauffolgende Einstellung, in der sich Lacey erstmal mehrere Sekunden lang schön dramatisch vor Schmerz windet und dabei seinen Kopf in den Nacken wirft, damit die Kamera seine theatralische Pose einfangen kann (siehe auch Screenshot), bevor er sich das Messer aus der Hand zieht. Man sollte doch annehmen, dass die Reflexe einen mit der anderen Hand blitzschnell nach der schmerzenden Stelle greifen lassen und nicht erst Sekunden später.

Christie will in der durch sie ausgelösten Unruhe ihre Mutter zum Weglaufen animieren. Äh, und wie, Blitzbirne? Mit Gipsbein? Für diesen schwachsinnigen Vorschlag fällt sie dann im Gerangel berechtigterweise auch hin und hat gleich darauf Pauls Waffe im Gesicht, aber – ihr könnt es euch denken – im letzten Moment fällt durch den Kurzschluss im Keller das Licht aus, und ihr Stiefvater schießt ein formschönes Loch in den Boden statt ins Gesicht. Die neuerliche Verwirrung nutzt Christie für die erneute Flucht in ihr Zimmer.

Also nochmal Planänderung (wenn es denn wie gesagt je einen Plan gegeben hat): Brenda soll im Keller wieder den Strom einschalten, Paul soll Christie hinterherlaufen, und Lacey will – obwohl das doch eben noch Pauls Aufgabe war (wagga!) – kurzen Prozess mit Karen machen, die sich in der Verwirrung im Schatten des Wohnzimmers verstecken konnte. Wenigstens für fünf Sekunden, dann hat Lacey sie ausfindig gemacht und würde ihr nach seinem lächerlichen Abschiedsspruch „Ruhe sanft, Mutter“ ins Gesicht schießen, wenn denn hier endlich mal einer der Verbrecher töten statt nur davon reden würde.

So folgt auch diesmal – in der Häufung wie in diesem Film mittlerweile echt arg behämmert – die Last-Minute-Rettung, weil Lacey ein lauter Knall nebst grellem Schrei dazwischenkommt, und zwar aus dem Keller, wo Brenda sich bis zum Stromkasten vorgetastet hat und gerade wegen einer garantiert tödlichen Kombination aus angeschnittenen Stromkabeln und auf eben diese freigelegten Kabel laufendem Wasser gegrillt wird. Es zischt und brutzelt effektvoll, Brenda zischt und brutzelt effektvoll, tja, und dann ist sie auch schon hin. Lange haben wir auf den nächsten Tod warten müssen, aber für den hat es sich zugegebenermaßen vollauf gelohnt. Furios-fies inszeniert. Das muss man Winner lassen. Lacey lässt Karen Karen sein und stürmt in den Keller.

Christie hält sich hinter ihrem Bett versteckt und wartet darauf, dass Paul (Paul Fox!) ihr Zimmer betritt. Eigentlich völlig unmöglich, dass er von der Aufregung unten nichts mitbekommt, aber vielleicht interessiert es ihn in seinem Wahn, sich endlich seiner Stieftochter zu entledigen, schlichtweg nicht. Er erinnert sich daran, dass sein brennendes Feuerzeug beim Kampf gegen die absolute Dunkelheit ihm vorhin schon einmal treue Dienste erwiesen hat, und darum nutzt er es wieder und jubiliert vorfreudig: „Ich weiß, dass du hier drin bist.“ Ferner glaubt er immer noch, er könne sie durch bloßes Zureden zum Aufgeben bewegen. Womit will er sie ködern? Entweder sie stirbt – oder sie stirbt?

Vorsichtig neben sich gegriffen rollt Christie im nächsten Moment zielsicher einen Ball gegen die Badezimmertür. Wir wissen natürlich, warum sie das tut, und ich kann nicht anders, als zuzugeben, dass das die klügste Aktion, die Christie – ach Quatsch –, die irgendwer in diesem Film durchgeführt hat. Paul lässt sich lumpen und glaubt nun natürlich, dass sich der Plagegeist im Bad aufhält, wo bereits seit einiger Zeit fleißig das Gas ausströmt. Mit dem brennenden Feuerzeug in der Hand öffnet er die Tür – und es passiert, was passieren muss: BUMM! Die Explosion schleudert ihn blutüberströmt und mit fetten Brandwunden im Gesicht gegen die Wand hinter ihm – und das wäre es dann auch für den Mann, den sie Paul Fox nannten. Christie hingegen hat hinter ihrem Bett nichts von dem Feuersturm zu befürchten. Bis auf ein fast auf sie kippendes Bücherregal übersteht sie ihr eigenes Attentat auf Stepdad problemlos.

Falls nun wer fragt, was denn eigentlich mit Josh ist, den ich letztmals erwähnte, als er voller böser Vorahnungen davonlief – der ist gerade bei Christie mit seinem Commissioner-Vater mit dem Wagen vorgefahren. Und nein, mir erschließt sich nicht, wie Josh seinen Dad überreden konnte, mal nach dem Rechten zu sehen. Diverse Mordanschläge und mysteriöse Tode ließen den stupiden Bullen nicht misstrauisch werden – was genau hat denn nun Josh für handfeste Beweise? Er hat seine Freundin erst telefonisch nicht erreicht und sie danach persönlich besucht – und sie wollte ihn nicht reinlassen. Nicht die ganzen Anschläge und Tote sind es, die den Cop überzeugen, sondern DAS?! Besonders stellt sich schnell noch eine Frage: Wozu musste Commissioner Dealey überhaupt diesen unglaubwürdigen Sinneswandel vollziehen? Weder Josh noch sein Vater werden für die Heldenrollen gebraucht. Sie rennen erst ins Haus, als schon alles vorbei ist.

Nun ja, fast.

Wer bis drei zählen kann, hat sicherlich auch noch Lacey auf dem Schirm, der gerade im Keller dabei ist, um seine tote Frau zu trauern. Mit lautem Tatütata kommt eine Polizeiwagenkarawane mitsamt Feuerwehr angerast. Unter normalen Umständen wäre Lacey also geliefert. Man könnte auch sagen: Nach logischen Gesichtspunkten wäre er geliefert. Doch was passiert stattdessen? Lacey entkommt. Wie ihm das bei diesem Massenauflauf gelungen sein soll, lässt dieser Film vorsichtshalber selbst schamvoll aus, weil er sich sonst schwer damit täte, das zu erklären. Und er entkommt natürlich aus einem einzigen Grund, den wir schon gleich erfahren werden…

Ein kleiner Zeitsprung von ein, vielleicht auch zwei oder mehr Tagen. Christie und ihre Mama haben die Nacht unbeschadet überlebt und wohnen, da das Dach über dem Kopf fehlt, vorübergehend bei Familie Dealey. Zumindest schließe ich das aus den Dialogen. Christie liegt im Bett und sinniert über den spurlos verschwundenen Lacey nach, der doch eigentlich tot sein müsste. Karen, bereits vollständig über den Schrecken der vergangenen Stunden hinweg, wäre es am liebsten, wenn ihre Tochter die Sache schnell wieder vergisst, und wähnt sie und sich in Sicherheit – erst recht, da sie sich im Haus des Commissioners befinden. Dann lässt sie ihre Tochter allein zurück, um nochmal zum Ort des Geschehens zurückzukehren und Commissioner Dealey dort ein paar Fragen zu beantworten. Sie wird von einem Polizeiwagen abgeholt und zum Ort des Geschehens gefahren. Dabei sind Blaulicht und Sirene eingeschaltet. Und ich dachte bisher, das würde die Polizei nur in absoluten Notfällen machen.

Christie macht es sich wie gesagt im Bett gemütlich – nur um dann seltsame Geräusche an der Tür zu hören. Sie schreckt hoch und starrt zur Zimmertür. „Mom!“, ruft sie und: „Josh! Josh! Josh, bist du das?“ Spannungsmusik. Nervenzerren.

In einem der abstrusesten False Scares der Filmgeschichte – direkt nach Steve Miners „Freitag der 13. Teil 2“ (ihr wisst schon: die Szene, in der statt Jason Vorhees ein süßer kleiner Hund direkt vor der Tür steht) – kommt urplötzlich Josh stillschweigend herangestürmt und fällt ihr in die Arme. Vollidiot. „Oh Josh, ich hatte solche Angst“, bibbert Christie, aber Josh sieht das locker, denn seiner Meinung nach ist Lacey eh schon kilometerweit weg. Er fällt küssend über sie her und lässt sich mit ihr auf die Matratze plumpsen. Christie hatte sich zwar geschworen, nach ihrem ersten Mal enthaltsam zu leben, aber Küssen ist wohl gerade noch so in ihrer persönlichen Toleranzzone. „Soll ich dir was sagen? Ich habe dich wirklich gern, Christie“, schleimt Josh, bis –

In einem der wahnwitzigsten Schlussschocks der Filmgeschichte – direkt nach Juan Piquer Simóns „Pieces – Stunden des Wahnsinns“ ([SPOILER] ihr wisst schon: die Szene, in der der eigentlich schon tot unter dem Leichentuch liegende Kettensägenkiller einen der Überlebenden mit einem kräftigen Griff in die Eier kastriert [SPOILER ENDE]) – tropft Blut auf das blütenweiße Kopfkissen, und über dem Liebespaar hockt plötzlich Lacey und zieht Josh einen Kerzenständer über den Schädel („Das hier ist für Brenda!“ – was kann denn Josh dafür?!). Zum Glück ist Christie im Gegensatz zu ihren wie immer ignoranten Mitmenschen gerüstet und hat ein Messer unter dem Kopfkissen griffbereit, das sie Lacey, während er bereits ausholt, um auch ihr eins überzubraten, geistesgegenwärtig in den Bauch rammt. Lacey torkelt vor Schmerz zurück gegen die Zimmerwand und macht daraus einen ähnlich lachhaft-theatralischen Affentanz wie vorhin (siehe Screenshot), als sie ihm ihr Taschenmesser in die Hand rammte. Das reicht Christie nicht: Sie springt auf und dreht das Messer in der vermutlich sowieso schon auf Dauer tödlichen Wunde. Aus dem Mund blutend bricht der Schuft tot zusammen. Josh – noch benommen, aber am Leben (nicht mal den hat Lacey ausschalten können) – sieht Christie dabei zu, wie sie zum Telefonhörer greift, um den Commissioner zu sprechen: „Mr. Dealey, ich schätze, Sir, diesmal glauben Sie mir.“

ENDE.

Blickt man auf „Spur in den Tod“ zurück, würde ich ihn in vielerlei Hinsicht als Parodie auf „The Stepfather“ bezeichnen, so, als hätten Michael Winner und Tom Holland diesen Film mit der Absicht gemacht, das nahezu perfekte Original einmal gepflegt durch den Kakao zu ziehen und einige der darin funktionierenden Aspekte gewaltig zu überdrehen. Das wirkt aber nur so, denn, wie ich in der Einleitung schon schrieb, ist „Spur in den Tod“ drei Jahre VOR „The Stepfather“ erschienen. Insofern konnte dieser eben nicht als Vorbild fungieren. Meine Lesart würde aber eigentlich ziemlich gut passen, eben weil es einige Elemente in besagtem Semiklassiker gibt, die extrem vergröbert bereits hier vorkommen.

Das fängt an mit der groben Storyline: Mann heiratet sich in Familie ein und trachtet ihr nach dem Leben. Die Absichten der Männer sind aber verschieden: Terry O’Quinns Jerry Blake hat ursprünglich keinen Mord im Sinn, sondern ist krankhaft von der Idee besessen, nach dem Muster der guten alten US-Familienserien eine Bilderbuchfamilie mit Frau, Kind und Hund zu gründen, die bis ans Ende ihrer Tage harmonisch zusammenlebt. Je vehementer dieses streng traditionelle und auf Dauer natürlich nicht glaubwürdige Familienbild, das er unter allen Umständen aufrechterhalten will, torpediert wird (etwa indem die neue Tochter ihren ersten Freund mit nach Hause bringt, den er als Gefahr betrachtet), desto stärker brodelt es hinter seiner liebenswerten Fassade und desto weniger kann er sich kontrollieren – bis zu dem Punkt eben, an dem er sich nicht mehr anders zu helfen weiß, als sie zu ermorden und sich unter neuem Namen eine neue Familie zu suchen, die ihn hoffentlich nicht wieder so enttäuschen wird wie die letzte(n).

In „Spur in den Tod“ bleiben die Gründe von David Allen Brooks‘ Paul Fox hingegen lange Zeit völlig dubios (sicherlich auch, weil der Fokus durch die gewählte Ich-Erzählung von Anfang an auf Stieftochter Christie liegt, wohingegen er in „The Stepfather“ auf mehrere Schultern verteilt wird) und werden erst in einem kurzen Dialog kurz vor dem Schlussdrittel mal angesprochen, den man fast überhören könnte: Es geht nur um den schnöden Mammon. Ein satirischer Blick auf die Heile-Welt-Familie, die es mit allen Mitteln zu schützen gilt, wie eben in „The Stepfather“ war von vornherein nicht gewollt, was man Winner und Holland ja auch nicht vorwerfen kann. Es gibt genügend simpel gestrickte Thriller, die einen solchen MacGuffin kreieren und damit mal mehr und mal weniger Erfolg haben.

Was ich den Köpfen hinter diesem Film aber vorwerfe, ist, dass Paul Fox halt von vorn bis hinten wie ein Idiot daherkommt und daher vom Bedrohlichkeitspotenzial her ungefähr bei Tom aus „Tom und Jerry“ einzuordnen ist. Er ist ein zahnloser Tiger, dessen Aktionen an Grobschlächtigkeit nicht zu überbieten sind und der in seinem kopflosen Tun einzig und allein davon profitiert, dass seine Mitmenschen (bis auf Christie) sich geradezu böswillig der Wahrheit verschließen. Paul strengt sich ja nicht mal an, seine Affäre mit Brenda geheim zu halten. Er weiß ab einem bestimmten Zeitpunkt, dass er fast auf Schritt und Tritt von seiner Stieftochter verfolgt wird und wundert sich am Ende noch, dass er von ihr beim Vögeln vor offenem Fenster ertappt wird. Jeder seiner Mordanschläge ist plump und würde in der normalen Welt von der Polizei durchschaut werden, sodass sich Paul sein Erbe auch dann abschminken könnte, wenn sie funktioniert hätten. Und selbst wenn einer der Anschläge nicht sofort durchschaut worden wäre – ich meine, da ist zu Beginn ein Elektriker im Keller ums Leben gekommen. Sollte das nicht Warnsignal genug für jeden soliden Commissioner sein, wenn dann ein paar Tage später gleich nochmal im selben Haushalt ein „Unfall“ mit Todesfolge geschieht? Man sieht: Allein weil die Ausgangslage so bekloppt ist, steht Paul sofort richtig blöd da.

Dass sich später noch herausstellen soll, dass er nicht allein handelt, sondern zwei Komplizen hat, wäre an sich zu verkraften, zumal die Gefahr, der Christie und ihrer Mutter ausgesetzt sind, dadurch nach Adam Riese verdreifacht wird. Zudem schließt dies auch ein von mir zunächst erkannt geglaubtes großes Logikloch, wie er gleichzeitig bei seiner Frau im Laden gewesen und Janey totgefahren haben kann. Das sind dann vermutlich Brenda und/oder Lacey gewesen, auch wenn das nie geklärt wird. Ein ernsthaftes Problem liegt aber darin, dass er das schwächste Glied der Kette darstellt. Seine zwei Mitstreiter sind ihm höhergestellt, weshalb er als noch viel größerer Schlappschwanz erscheint als ohnehin schon, wenn Lacey mit ihm mal eben in einem Zweikampf den Boden aufwischt. Andererseits könnte man das natürlich als interessante Wendung bezeichnen, dass der als großer Buhmann aufgebaute Bösewicht am Ende selbst nur ein Handlanger von zwei potenziell noch kriminelleren Gesellen ist. Weil sich aber das fiese Ehepaar im Schlusspart als ähnlich unfähig erweist wie Paul, bringt das „Spur in den Tod“ vom Thriller-Aspekt her nicht wirklich nach vorn. Weit und breit fehlt hier ein Terry O’Quinn, der als tickende Zeitbombe nur einen finsteren Blick aufsetzen musste, um den Zuschauer wissen zu lassen, dass eine Bestie in ihm schlummert.

Eine weitere Parallele zu „The Stepfather“ ist die dem angeblichen Saubermann hinterherschnüffelnde Stieftochter. Der erste Unterschied ist aber, dass Jill Schoelens Stephanie ihrem neuen Papa naturgemäß zwar argwöhnisch gegenübersteht, aber erst nach und nach dahinterkommt, wie gefährlich er tatsächlich sein könnte, während wir dank der brillanten Anfangsszene längst wissen, dass er eine ganze Familie dahingeschlachtet hat. Ruben setzt also auf den Faktor Suspense: Wir wissen mehr als die Hauptfigur. In „Spur in den Tod“ wird noch vor dem Vorspann innerhalb der ersten Sekunde eine Szene vorangestellt, in der Christie ihren inneren Monolog mit dem Publikum teilt und behauptet, dass Paul ein ganz schlimmer Finger sein könnte, während wir aber noch nicht wissen, ob er es auch ist. Und weil wir eben fast ausschließlich die Perspektive der jungen Christie einnehmen, hätten Winner und Holland aus dieser Ausgangslage einen kleinen Funken Ungewissheit entzünden können, ob ihr Stiefvater tatsächlich ihre Mutter umbringen möchte oder ob sie sich das alles zurechtspinnt. Nun ist es zwar so, dass der Film erst nach der Halbzeitmarke sicher enthüllt, dass Paul tatsächlich das Arschloch ist, für das Christie ihn hält, aber für denjenigen, der schon ein paar Thriller gesehen hat, steht das eigentlich schon, wenn nicht von der ersten Szene an, dann doch ziemlich früh fest. Ein wirkliches Geheimnis wird nicht daraus gemacht.

Aber egal – worunter „Spur in den Tod“ ernsthaft leidet, ist der aufreizend unsympathische Charakter, den Rachael Kelly hier spielen muss. Vielleicht ist sie in gewisser Weise auch ein typischer Teenager auf der Schwelle zum Erwachsensein, aber ihr Verhalten über weite Strecken des Films schreit nach Prügel. Sie hält sich für den Nabel der Welt, nur das „Ich, ich, ich“ gilt und nichts anderes. Ihre beste Freundin wird wie ihre Leibeigene behandelt und quasi ungefragt für ihre eigenen Zwecke eingespannt, was letztlich auch für deren Tod sorgt – und wenn sie nicht greifbar ist, muss halt kurzerhand Josh herhalten. Wie Paul hat sie praktisch nicht einen ruhigen Moment und poltert mit ihrer Jetzt-komm‘-ich-Attitüde durch die Story und erzählt entsprechend jedem, der es nicht hören will (und es will ja bis auf Josh gegen Ende niemand hören, nicht die Mama, nicht die Freundin, nicht die Polizei), ihren ungeheuerlichen Verdacht, dass Paul lügt, betrügt und mordet und hat auch kein Problem damit, das dem Beschuldigten selbst bei jeder Gelegenheit aufs Butterbrot zu schmieren. Wo Stephanie im Stillen Indizien sucht und sich heimlich ihrem Psychologen anvertraut (wobei auch Jill Schoelen ihr natürlicher „Girl next door“-Charme zugutekommt), kennt Christie keine Zurückhaltung, fällt bei ihren lächerlich offensichtlich durchgeführten Nachforschungen ständig auf die Schnauze und macht trotzdem immer weiter. Das ist deshalb so kopfpatschwürdig, weil sie durch ihr Gepoltere sich und ihre Mutter eigentlich immer tiefer in die Scheiße reitet, denn wie lange kann sich ein Mörder beherrschen, der weiß, dass seine Stieftochter überall damit hausieren geht, dass er ein Mörder ist? Ab der Badezimmer-Szene mit dem ausströmenden Gas weiß Christie dann ganz sicher, dass Paul böse Absichten hat – und sie setzt ihre Anschuldigungen und Detektivspiele einfach fort. Aus logischen Gesichtspunkten ist das einfach nur haarsträubend. Zugang zur Christie-Figur erhalten wir so jedenfalls nie.

Der sich einheiratende Stiefvater und die spionierende Stieftochter sind also die wesentlichen Elemente, die sowohl „Spur in den Tod“ als auch „The Stepfather“ gemein haben. Darüber hinaus gibt es auch noch in beiden Filmen die Mutter, die erst kurz vor Schluss wahrhaben will, dass sie ein Schwein geheiratet hat. Nur ist das in unserem heutigen Exemplar viel schwachsinniger, weil Christie im Gegensatz zu Stephanie ihrer Mutter halt die Mörder-Karten von Anfang an offen auf den Tisch legt – und die ihrer Tochter selbst dann keinen Glauben schenken will, wenn sich Tote und mysteriöse Unfälle um sie herum stapeln. (Sie ist da wie gesagt in guter Gesellschaft: Hier verschließt sogar die Polizei die Augen vor Offensichtlichkeiten.) Gegen Ende versucht Karen als Geisel zwar, ihre Erkenntnisdefizite nach Kräften wiedergutzumachen, aber aktiv einbringen kann sie sich allein schon durch ihre mobile Einschränkung nicht. Da trägt Stephanies lange passive Mutter im Finale von „The Stepfather“ dann doch etwas mehr bei.

Das Finale wiederum, das hier wie dort im Familienhaus stattfindet, erstreckt sich bei „Spur in den Tod“ auf das komplette Schlussdrittel, wo es in „The Stepfather“ sehr knapp, aber auch sehr effektiv gehalten wird. „Spur in den Tod“ kippt dabei ziemlich überraschend unversehens in einen Home-Invasion-Thriller mit mehreren Schurken um und nimmt sogar etwas „Kevin – Allein zu Haus“ vorweg, wenn auch hier mit tödlicheren Fallen. Wenn man so will, handelt es sich dabei auch um den besten Teil des Films, weil er nicht ganz so bekloppt ausfällt wie die erste Stunde und schließlich auch hübsch-feurige Tode bereithält. Trotzdem leidet er entschieden unter den trotteligen Verbrechern, die – wenn wir schon bei „Kevin – Allein zu Haus“ waren – so einiges von Marv und Harry haben und sich ständig von ihren Geiseln ins Bockshorn jagen lassen. Wenig hilfreich ist dabei auch, dass sie sich vorab – so behaupten sie – einen Plan zurechtgelegt haben, bei jedem Zwischenfall dann allerdings doch davon abweichen wollen und dann doch wieder nicht.

Auch Jerry entwickelt in „The Stepfather“ den Plan, Frau und Stieftochter zu ermorden und trifft dabei Vorkehrungen, indem er sich parallel an einem anderen Ort bereits ein neues Leben aufbaut (und eine potenzielle neue Frau kennenlernt), das er nach Vollendung seines Mordplans nahtlos antreten kann – und die Spannung entsteht daraus, dass es sich bei ihm um einen astreinen unberechenbaren Psychopathen handelt, bei dem man nur auf den Tropfen wartet, der das Fass zum Überlaufen bringt (was dann in der denkwürdigen „Wer bin ich hier?“-Szene geschieht). Paul und seine Kumpane morden aus purer Geldgier, und wenn sie schon spät abends wild entschlossen bei Christie und Karen aufkreuzen, wäre es doch ganz schön gewesen, einen Plan im Gepäck zu haben, an dem nicht ständig gerüttelt werden muss, nur weil man zu blöd ist, auf jeden von Christie ja auch nicht immer bis ins Letzte durchdachten Bluff reinzufallen. Kaum etwas ist weniger sexy als Filmverbrecher, die nicht wissen, was sie wollen.

Nun ja, Schwamm drüber: Inhaltlich ist hier ja nun wirklich Hopfen und Malz verloren, aber auch inszenatorisch erweist sich Winner als Grobmotoriker. Er bekommt maximal eine Szene hin, die ich als einigermaßen gelungen ansehen würde (Christies Besuch im Haus der Bohles). An keiner anderen Stelle besitzt er das nötige Gespür für Spannungsaufbau, geschweige denn, wie er eine Szene aufregend präsentiert. Als Musterbeispiel hierfür muss ich noch einmal die große Enthüllung in Christies Badezimmer hinzuziehen, als klar wird, dass Paul tatsächlich der böse Mensch ist, als den ihn seine Stieftochter schon die ganze Zeit über hinstellen will. Unabhängig davon, dass diese Enthüllung keine wirkliche Überraschung ist – hier hätte er einiges rausholen können, wenn er eine Ahnung davon gehabt hätte, wie. So, wie wir sie sehen, geschieht das in der am langweiligsten möglichen Form. Würde man hier nur eine Minute lang mal nicht richtig aufpassen, könnte man glatt übersehen, dass Paul hier und jetzt gerade seine Stieftochter in die Luft sprengen wollte, so nebensächlich hat Winner das inszeniert. Auch die große Actionszene – der außer Rand und Band geratene Wagen – hat bis auf etwas Blechschaden wenig zu bieten. Umso stärker haut Winner in punkto Gewalt auf die Pauke, vielleicht um seine sonstigen Defizite irgendwie auszugleichen: brutale Morde mit dem Auto, blutüberströmte und verbrannte Gesichter, Messer in Körperteilen.

An dieser Stelle ist der Regisseur ganz in seinem Element und im Besonderen, wenn es um diverse Geschmacklosigkeiten geht – neben dem happigen Mord an einer schwangeren Schülerin wäre da zuvorderst natürlich die Entjungferung, die zunächst noch schamvoll verhüllt unter der Bettdecke stattfindet, aber uns dann doch noch das daraus hervorgegangene Blut als bildlicher Beweis nachgeliefert wird. Zugleich ist das auch das offensichtlichste Beispiel, aber den ganzen Film durchströmt mitunter mal mehr, mal weniger unterbewusst eine – wie ich es nennen würde – sleazige Altherrenschmierigkeit, die bis zum Ende nicht abgewaschen werden kann. Ich kann das nicht mal genau in Worte kleiden, weil sie nicht so leicht zu fassen ist – da könnte ich bei den „Schulmädchenreporten“ wesentlich leichter mit dem Finger drauf zeigen –, aber sie spiegelt sich im allgemein groben Umgang mit den Figuren und dabei vor allem im Umgang mit den jungen Figuren Christie, Janey und Josh wider. Manchmal mutet es so an, als wollten Winner und Holland auch eine Coming-of-Age-Story erzählen, die sich mit Christie und ihrer Sexualität auseinandersetzt – das allerdings so peinlich geschrieben, dass man wirklich den Eindruck hat, hier würden zwei 60-jährige sitzen, die verzweifelt versuchen, die Irrungen und Wirrungen von 17-jährigen wiederzugeben, ohne so recht zu wissen, wie die überhaupt ticken.

Die Tagebucheinträge und inneren Gedanken von Christie haben Poesiealbumniveau, und im weiteren Verlauf des Films vögelt sie mal eben den Macker ihrer besten Freundin, die gerade mal einen Tag zuvor brutal aus dem Leben gerissen wurde. Sexuelles Erwachen? Pffft. Josh wird als Allesnagler dargestellt, was zumindest noch einen gewissen Realitätsbezug hätte, denn solche Typen hat wohl jeder zu Schulzeiten gekannt, aber das Drehbuch möchte ihn uns ja alsbald als empathischen Sympathikus andrehen, der Christie doch so lieb hat, nachdem er bei ihrem ersten Mal auch auf den Hinweis hin, dass er ihr weh tut, keine Anstalten machte, einen Gang runterzuschalten und auf sie einzugehen. Am besten kommt fast noch Janey weg, wobei auch sie das Thema Abtreibung erstaunlich gelassen nimmt, weil: „Soll ich mir eine Familie aufhalsen?!“ Sicher, auch solche Mädchen wird es geben, aber wenn man gebündelt das gesamte Zusammenwirken der Jugendlichen betrachtet, drückt sich mir der Eindruck auf, dass Regisseur und Autor weit von der Jugendzeit entfernt sind und vielleicht doch lieber jemanden hätten Korrektur lesen lassen, der sich damit auskennt. Sex wird stets mit Unannehmlichkeiten und Gewalt gekoppelt und verfestigt somit seine konservative Aussage: Janey wird ungewollt schwanger (und stirbt prompt, nachdem sie ihrer Freundin den Entschluss mitteilte, abtreiben zu wollen – gerechte Strafe, oder?), Christie findet das erste Mal deprimierend und ertappt ihren Stiefvater beim wilden – und in der deutschen Version gekürzten – Fremdgehsex mit Brenda, der sie endgültig einen Schlussstrich unter das Thema ziehen und ab sofort lieber enthaltsam leben lässt (jedenfalls für den Moment). Das Einzige, was in diesem schmierigen Mief hier noch fehlt, ist eine Vergewaltigung, aber die hat Winner ja bereits in anderen Filmen frei Haus geliefert.

Und weil „Spur in den Tod“ ziemlich daneben ist, ist es dann auch irgendwie symptomatisch, dass man das auch für die musikalische Untermalung festhalten kann. Wie auch immer Winner das gelungen ist, konnte er für diesen Film John Paul Jones von Led Zeppelin gewinnen, der für diesen Bereich auch alleinverantwortlich aufgeführt wird. Allerdings kann ich mir aufgrund verschiedener Stilbrüche schwerlich vorstellen, dass die Musik nur von ihm stammt. Beim symphonischen Score des Vorspanns, der einen Hollywood-Klassiker alter Prägung erwarten lässt, könnte Jones als Komponist meines Erachtens passen, aber die eher cheesige Musik, die über die Verfolgungsjagden läuft, assoziiere ich eher mit einem billigen Blaxploitation-Film (oder zeitweise auch mit dem Vorspann zu einer 70er-Jahre-Fernsehserie). Beide Musikrichtungen gehen jedenfalls weit auseinander und reihen sich nicht harmonisch ein. Das hat eher Quentin-Tarantino-Vibes, ein Regisseur, der uns ja auch in allen Filmen ein wildes Potpourri verschiedener Stile präsentiert. Wenn ich nach der symphonischen Musik gehe, möchte ich ihr die Qualität keinesfalls absprechen, aber sie ist halt in einem dreckigen B-Thriller fehl am Platz. Gleichzeitig sorgt sie aber auch für einige Heiterkeit, wenn harmlose Szenen mit lautstark peitschenden Instrumenten zu einer Shakespeare-Tragödie aufgeblasen wird.

Darstellerisch muss Winner diesmal deutliche Abstriche machen und greift auf ein Ensemble von nur acht handelnden Figuren zurück (die drei Teenager Christie, Josh und Janey, die Schurken Paul, Brenda und Lacey, Mutter Karen und der Commissioner). Alle anderen sind lediglich Statisten. Die Schauspielerschar setzt sich dabei aus unerfahrenen und unbekannten Gesichtern zusammen, die teilweise davor und danach nie mehr vor der Kamera gesehen wurden. Entsprechend sieht dann auch das Ergebnis aus: Es regiert viel Steifheit. Das gilt auch für die schön anzusehende Rachael Kelly (Christie), die aber immerhin mit so viel Hyperaktivität unterwegs ist, dass man es während des Films gar nicht mal so bemerkt. Sie hatte zuvor lediglich in drei Folgen der Serie „Jung und leidenschaftlich – Wie das Leben so spielt“ und in einem TV-Film („A Private Battle“) mitgewirkt und sollte nach „Spur in den Tod“ auch ihre kurzlebige Schauspielkarriere an den Nagel hängen. Man möchte sie beglückwünschen, dass sie sich für Winner nicht nackt gemacht hat.

Als vermeintlicher Oberschurke Paul Fox tritt David Allen Brooks auf, den man mit seinen heute 31 Darstellereinträgen in der IMDb in diesem Ensemble schon fast als routinierten Hasen bezeichnen möchte (auch wenn er letztmals 2006 in der TV-Serie „Justice: Nicht schuldig“ spielte). Generell stehen in seiner Vita mehr Serien- als Filmrollen, aber die Filme können sich sehen lassen, darunter „Blutmond“, „The Doors“ und „Cast Away – Verschollen“. Auch in einem SchleFaZ hatte er sich die Ehre gegeben: „Jack Frost 2 – Die Rache des Killerschneemanns“. Man muss leider sagen, dass er schon eine ausgeprägte Blassnase ist, die Terry O’Quinn nicht einmal die Schuhe putzen dürfte. Im deutschen Sprachraum darf man sich wenigstens über den prominenten Synchronsprecher Volker Brandt (u.a. Michael Douglas) freuen.

Ziemlich leer sieht auch die Liste an Darstellereinträgen für Marie Masters (Karen) aus. Kurioserweise hat sie ebenso wie ihre Filmtochter Rachael Kelly in einigen Folgen der Serie „Jung und leidenschaftlich – Wie das Leben so spielt“ ihre Nase vor die Kamera gehalten, allerdings erst 2010 und somit rund 30 Jahre nach Kelly. Scheint eine ziemlich heiße Sache gewesen zu sein, diese Serie, denn sie lief 54 (!) Jahre lang von 1956 bis 2010. Und nein, ich glaube nicht, dass man Masters die Schuld dafür in die Schuhe schieben kann, dass die Serie kurz nach ihren Auftritten eingestellt wurde, auch wenn sie eher eindruckslos als eindrucksvoll in Erinnerung bleibt. Von den ganzen Knallchargen würde ich sie trotzdem qualitativ in die obere Hälfte packen.

Am meisten Eindruck macht und am meisten Schauspielerfahrung hat Rocco Sisto, der sich als gewalttätiger Obermotz Lacey die vermutlich abstoßendste, aber auch klischeehafteste Figur geangelt hat. Er ist bis heute sporadisch aktiv und ist in zumindest vom Namen her durchaus imposanten Filmen wie „Carlito’s Way“, „Lorenzos Öl“ und „Donnie Brasco“ aufgetreten, wenn es bestimmt auch nicht die größten Rollen waren. Sicherlich kommen auch von ihm keine schauspielerischen Glanzlichter, aber Teil eines der idiotischsten Schlussgags aller Zeiten zu sein, ist ja auch schon was.

Lolita Lesheim wurde in diesem Film als Lolita Lorre kreditiert. Auch sie kann wahrlich nicht von sich behaupten, im Filmgeschäft zu sein mit gerade mal sechs Rollen. Ich könnte mir gut vorstellen, dass Brenda zum einen ihre größte und zum anderen ihre freizügigste Rolle ist. Als einzige Vertreterin zeigt sie sich zur Freude des chauvinistischen Zuschauers in einer besonders dreckigen Sexszene vollständig unbekleidet. Keine Ahnung, ob sie gern daran erinnert werden mag. Der effektvollste und am längsten gezeigte Tod gehört auch ihr.

Dann hätten wir noch Corey Parker als Schlawiner Josh. Zwei seiner Filme, in denen er mitspielte, befinden sich aktuell – Stand: Juli 2022 – in der Postproduktion („The Trouble“ und „The Trouble with Billy“). Vor „Spur in den Tod“ hatte er noch in keinem Film mitgewirkt, aber immerhin schon in einer Serie, und zwar „Jung und leidenschaftlich – Wie das Leben so spielt“. Wahrscheinlich hatte da in ihrer 54-jährigen Laufzeit jeder mal irgendwo eine Rolle. Zugleich hatte er das Pech, in einer Nebenrolle im allgemein als am schlechtesten angesehenen fünften Teil der „Freitag der 13.“-Reihe mitzuspielen, wo er eines der Opfer darstellte (allerdings keins von Jason Vorhees, wie Kenner wissen).

Für Sandra Clark (Janey) bedeutete ihr Auftritt in „Spur in den Tod“ ihren ersten, letzten und einzigen Auftritt in einem Film überhaupt. Selbst in „Jung und leidenschaftlich – Wie das Leben so spielt“ war sie nicht mit dabei, womit ich meine Hypothese aus dem vorherigen Absatz gleich wieder ad acta legen kann. Andererseits: Vielleicht war sie darin auch ungenannte Statistin. Ich gebe noch nicht auf. In Erinnerung bleibt sie wegen zwei Szenen: der, in der sie uns ihre Brüste zeigt, und der, in der sie nach dem Abtreibungsgespräch direkt zu Klump gefahren wird.

Zu guter Letzt sei noch der einzige andere bemerkenswerte Darsteller genannt, und das ist der 2011 in Thailand verstorbene Tony Sibbald als besonders debiler und tatenloser Commissioner Dealey. Er ist heute weniger wegen seiner Filmrollen bekannt, obwohl er in „Superman II – Allein gegen alle“ und sogar in Roger Moores Bond-Abgesang „Im Angesicht des Todes“ zu sehen war (mag daran liegen, dass er darin einerseits einen namenlosen „Presidential Imposter“ und andererseits einen namenlosen „Mine Foreman“ verkörperte), sondern für eine ihm nachgesagte Affäre mit Angelina Jolie während der Dreharbeiten zu „Hackers – Im Netz des FBI“, wo er einen namenlosen „Jail Guard“ spielte. Noch mehr Wikipedia-Trivia: Er hat eine auffällige Ähnlichkeit zu seinem Schauspielkollegen Manning Redwood (falls der euch was sagt).

Ich nehme den Faden zur Einleitung wieder auf und halte hiermit fest: „Spur in den Tod“ bestätigt mich in der These, dass es sich bei „Death Wish III – Der Rächer von New York“ nicht um eine absichtliche, sondern maximal um eine unabsichtliche Satire handelt. Dieser Thriller ist im nahezu identischen Hauruckverfahren mit viel Sleaze konzipiert und inszeniert. Winner donnert mit Karacho wie ein Höhlenmensch mit einer riesigen Keule in der Hand durch die Prärie und lässt keine leisen Zwischentöne zu, die aber angebracht wären, wenn man ein 17-jähriges vorgeblich sensibles Mädchen in den Mittelpunkt stellt, das seine Gefühle in Tagebucheinträgen und inneren Monologen an das Publikum weitergibt. Die Figuren verhalten sich wie Karikaturen echter Menschen, nämlich durchweg laut, schrill, unglaubwürdig – kurzum: idiotisch. Das macht den Film für das Thriller-Genre letztlich nahezu völlig ungenießbar, auch wenn er im letzten Drittel wenigstens dem ganz besonders anspruchslosen Fan solcher Ware ein leidlich spannendes Belagerungsszenario mit knalligen Morden liefert (wofür man aber wie gesagt ausklammern können muss, dass die Figuren Dummköpfe sind). Für Freunde kurioser, weil hoffnungslos missglückter Filmware – Freunde von badmovies.de eben – ist „Spur in den Tod“ allerdings eine enorm temporeiche, schwer unterhaltsame und garantiert nie langweilige Fundgrube voller Absurditäten. Man sollte nur nicht zu empfindlich sein, doch wer Michael Winner kennt, weiß ja eh, was ihn erwartet.


BOMBEN-Skala: 8

BIER-Skala: 8


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