Spotlight

 
  • Deutscher Titel: Spotlight
  • Original-Titel: Spotlight
  •  
  • Regie: Tom McCarthy
  • Land: USA
  • Jahr: 2015
  • Darsteller:

    Mark Ruffalo (Mike Rezendes), Michael Keaton (Walter Robinson), Rachel McAdams (Sacha Pfeiffer), Liev Schreiber (Marty Baron), John Slattery (Ben Bradlee jr.), Brian d’Arcy James (Matt Carroll), Stanley Tucci (Mitchell Garabadian)


Vorwort

Anfang 2001 – der Boston Globe, eine der großen Tageszeitungen der Metropole von Illinois, der auflagentechnisch auch schon bessere Tage erlebt hat, bekommt einen neuen Chefredakteur. Marty ist kein Einheimischer und – gasp – Jude und deutet an, dass man sparen müssen wird, so nicht bald eine Megastory gefunden wird. Eine Idee hätte Marty auch schon – seiner Meinung nach hat die Zeitung über den Fall eines pädophilen Priesters nicht genug berichtet. Er verdonnert das Investgativ-Team der Zeitung, „Spotlight“, sich um den Fall zu kümmern.

Während Reporter Mike Rezendes in der neuen Aufgabe völlig aufgeht, ist Spotlight-Chef Robbie Robinson zunächst skeptisch. Die Story groß herauszubringen wird zwangsläufig bedeuten, der katholischen Kirche an die Soutane zu pinkeln, und Boston ist als Stadt an und für sich SCHWER katholisch – überall hat die Kirche oder wenigstens Kardinal Law seine Finger drin. Aber schnell erkennt das Spotlight-Team, das an den Anschuldigungen mehr dran ist als bislang bekannt. Pädophile Pfaffen sind ganz augenscheinlich keine bedauerlichen Einzelfälle und die Kurie scheint von dem unsittlichen Treiben seiner Schäfer nicht nur zu wissen, sondern es auch zu decken.

Schon bald haben die Reporter eine Liste von 13 Täternamen und Dutzende von Opfern – und auch der Opferanwalt Garabedian, der den Ermittlungen des Globe anfänglich skeptisch gegenüber steht, ist zunehmend von der Ernsthaftigkeit der Reporter überzeugt. Widerstände zu überwinden gibt es vierlerlei – von den unter Verschluss gehaltenen Kirchenakten über zunächst sanfte Einschüchterungsversuche bis hin zum Eingeständnis eigener Versäumnisse der Zeitung, die, hätte sie wirklich gewollt, schon lange viele Informationen vorliegen hatte und hätte auswerten können.

Der Chef einer Opferevereinigung vermittelt dem Team Kontakt zu einem Psychotherapeuten, der sich seit dreißig Jahren mit dem Thema pädophile Priester befasst und der gibt zu Protokoll, dass 13 Priester für seinen Begriff zu wenige sind – es müssten eher so 90 sein, rein statistisch gesehen. Die Zahl erweist sich als erschreckend akkurat, doch gerade, als die Sache richtig ins Rollen zu kommen scheint und eine echte Chance auftaucht, die weggesperrten Geheimnakten ohne Gerichtsbeschluss einsehen zu können, fliegen ein paar islamistische Attentäter Flugzeuge ins World Trade Center.

Die Ermittlungen geraten, da jeder Reporter anderweitig gebraucht wird, ins Stocken, doch das Spotlight-Team ist nicht gewillt, die Sache auf sich beruhen zu lassen – doch eins fehlt noch, eine Inside-Quelle, die die Vorwürfe bestätigt…


Inhalt

Der Skandal um die systematische Vertuschung beinahe schon institionellen Kindesmissbrauchs in der (nicht nur) amerikanischen katholischen Kirche war fraglos eine der ganz großen Enthüllungs- und Erfolgsgeschichten des guten alten altmodischen investegativen Journalismus. Der echte Robbie Robinson und seine Spotlight-Crew, die die Geschichte aufdeckten und insgesamt über 600 Storys zum Thema veröffentlichten, dafür auch wohlverdient den Pulitzer-Preis erhielten, waren daher ideale Vorbilder für ein auch schon öfter tot geglaubtes Filmgenre – den Reporter-/Journalistenfilm. Die publizistische Veriante des Detektivfilms erlebte ihren Höhepunkt sicher in den 70ern mit dem Watergate-Klassiker „Die Unbestechlichen“ und wenn Robinson und seine Mitstreiter nicht gleich einen Präsidenten zu Fall brachten, so waren ihre Enthüllungen gleichwohl wichtig und gewichtig genug, um nicht nur die katholische Kirche in Zugzwang zu bringen (auch wenn man durchaus der Ansicht sein mag, dass Vatikan und Kardinäle noch immer nicht alle notwendigen Lehren aus dem Skandal gezogen haben und beileibe noch nicht alles aufgeklärt ist, was an bösartigen Verbrechern im Priesterrock systematisch verschleiert oder verleugnet wird), sondern auch um Filmhelden abzugeben.

Tom McCarthy, Schauspieler, Autor und Regisseur (vor „Spotlight“ zuletzt als Regisseur von Adam Sandler in „The Cobbler“ auffällig geworden), versammelt ein erlesenes Star-Ensemble, das sich auch nicht lumpen lässt und außergewöhnliche Leistungen vollbringt.

Aber in erster Linie ist schon das Script, das sich nur geringe Freiheiten in der Nacherzählung der Geschichte erlaubt (das echte Leben unterwirft sich halt nicht freiwillig einer Filmdramaturgie und wenn man keine Dokumentation macht, sondern einen Spielfilm, ist es legitim, da und dort mal etwas zu korrigieren, solange die Aussage nicht verfälscht wird). Es braucht mit dem neuen Herausgeber Marty Baron eine externe Treibkraft, um die wackeren Globe-Reporter anzuschubsen – es ist teils schllichter Unglaube, dass die Geschichte größer sein könnte als der Sündenfall eines einzelnen vom rechten Pfade abgewichenen Priesters, andererseits natürlich auch das Leben in einer katholischen Metropole an und für sich, das selbstverständlich auch auf die Reporter abgefärbt hat, ohne dass sich einer von ihnen als speziell religiös bezeichnen würde, der die Globe-Mitarbeiter daran hindert, die potentielle Tragweite der Story auf Anhieb zu erfassen (es ist einer der ironischen Punkte, auf die das Script verweist, dass Kardinal Law in seiner Jugend Herausgeber einer kleinen Südstaaten-Kirchenzeitung war, sich dort für die Bürgerrechte stark machte und dafür angegriffen wurde).

Zum Glück setzt sich der journalistische Ehrgeiz durch – und wie die Spotlight-Reporter eine ganze Kultur des Wegsehens und Ignorierens puzzlestückweise aufdecken und feststellen müssen, dass das Geheimnis der Kirche ein mehr oder weniger offenes war, ist packend, mitreißend, und trotz des bekannten Ausgangs spannend. Dabei muss McCarthy überhaupt nicht auf die emotional manipulierende Brechstange setzen (wer heulende Opfergesichter erwartet, die mit tränenerstickter Stimme ihre Mißhandlungen hervorstammeln, wird enttäuscht) – er geht sachlich vor, lässt oft genug authentische Dokumente sprechen und die Folgen der Mißhandlungen aus zweiter/dritter Hand schildern. McCarthy widersteht auch der Versuchung, das Privatleben der Reporter zu sehr einzubeziehen – es geht um die Sache, die Aufklärung und die Widerstände, nicht die persönlichen Befindlichkeiten der Aufklärer. Gerade das bringt dem Film bei einer ohnehin schon deutlich über 2 Stunden eintickenden Laufzeit Gewinn – wir müssen uns, ob wir wollen oder nicht, auf den casus knacksus fokussieren, können uns nicht in subplots oder auf Nebenschauplätzen verlieren (selbst 9/11 ist bei aller realen Wirkung hier „nur“ ein weiterer Stolperstein, den die Reporter überwinden müssen).

McCarthys Inszenierung ist nüchtern, nicht effekthascherisch – er überlässt die Geschichte den Schauspielern, allen voran den exzellenten Mark Ruffalo (den ich nie so gut gesehen habe), Michael Keaton (der einmal mehr sein Händchen für anspruchsvolle Rollen beweist) und Stanley Tucci in der nicht großen, aber entscheidenden Rolle des Opferanwalts Garabedian – was die Leistungen der anderen wichtigen Darsteller nicht schmälern soll, auch Liev Schreiber, Rachel McAdams, John Slattery und in kleineren, aber einprägsamen Rollen Billy Crudup und „Randall Flagg“ Jamey Sheridan überzeugen.

Ein nunacierter, fein ausbalancierter Score von Howard Shore ist als weiteres Positivum zu vermelden.

Man kann gelegentlich auf die Idee kommen, das Kino hätte seine gesellschaftliche Verpflichtung vergessen, um sich nur noch dem Michael-Bay-Explosionsgewitter zu ergeben. Sicher existiert das politische Kino und das mit sozialer Aussage noch, doch heute hat es diese Art Film schwer, überhaupt ins Kino zu kommen und wenn, dann tatsächlich auch ein Publikum zu finden. Um so wichtiger sind Filme wie „Spotlight“, die beweisen, dass man mit wahren, wichtigen Geschichten auch SPANNENDE Geschichten erzählen kann. Und selbst die blinde Academy findet mal ein Korn und zeichnet einen solchen Film it einer wohlverdienten „Best Picture“-Statuette aus. Großes Kino!

4,5/5
(c) 2017 Dr. Acula


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