SPL Killzone

 
  • Deutscher Titel: SPL Killzone
  • Original-Titel: Saat po long
  • Alternative Titel: Kill Zone | Kill the Broken Wolf | S.P.L. | S.P.L. Kill Zone | Sha Po Lang | SPL Hong Kong Force | Comando Final |
  • Regie: Wilson Yip
  • Land: Hongkong/Macau
  • Jahr: 2005
  • Darsteller:

    Donnie Yen (Ma Kwun), Simon Yam (Chan Kwok Chung), Sammo Hung Kam-Bo (Wong Po), Jacky Wu (Jack), Kai Chi Liu (Lok Kwun Wah), Danny Summer (Kwok Tsz Sum), Ken Chang (Lee Wai Lok), Austin Wai (Cheung Chun Fei)


Vorwort

Der erfahrene Hongkong-Bulle Chan sieht es als seine ehrenvolle Aufgabe an, den Gangsterboss Wong Po hinter Gitter zu bringen. Wong Po lässt allerdings den Kronzeugen ausschalten – einzige Überlebende des Attentats sind Chan selbst und die kleine Tochter des Zeugen. Wong Po kommt frei, aber es gelingt Chan wenigstens, einen Spitzel in die Verbrecherorganisation einzuschleusen. Bei den Nachuntersuchungen der Anschlagfolgen entdecken die Medizinmänner allerdings einen bösartigen Tumor im Hirn des Cops…

Drei Jahre später steht Chan kurz vor der Pensionierung. Seine begrenzten weiteren Tage auf dieser Welt will er eigentlich der adoptierten Zeugen-Tochter widmen (hm, ich wundere mich immer, wie einfach Adoptionen im Film funktionieren. Ein alleinerziehender Cop mit vermutlich letalem Hirntumor darf so’n dreijähriges Gör adoptieren?). Kurz vor der Übergabe der Amtsgeschäfte an den dynamischen Jungbullen Ma Kwun bietet sich Chan und seinem Team die Chance, eine von Wong Pos Drogenverteilungs-Außenstellen platt zu machen. Die Operation gelingt, aber Wong Po reagiert verständlicherweise ungehalten und lässt den ihm bekannten Polizeispitzel töten. Durch Zufall gelangt ein Videoband der Exekution in Chans Hände. Um Wong Po endgültig in den Knast zu bringen, beschließen Chan und seine Leute, die Beweise zu manipulieren; sie löschen den Teil der Aufnahme, der zeigt, dass einer von Wong Pos Henchmen den eigentlichen Mord begeht und beseitigen ihn. Ma Kwun ist anfänglich strikt gegen dieses Vorgehen, lässt sich aber im Blick auf das Große und Ganze breitschlagen, die Aktion zu decken. Soweit, so gut, doch finden Wong Pos Komplizen eine „ungeschnittene“ Version des Videos und bewirken die Freilassung ihres Meisters. Der hat natürlich nun nichts besseres zu tun, als blutige Rache zu schwören und seinen Chef-Exekutor Jack auf killende Mission zu schicken…


Inhalt

Armes Hongkong… vor 10-15 Jahren war die kleine (damals noch) Kronkolonie so etwas wie der Nabel der Welt für Filmgeeks. Rund um Jackie Chan und John Woo war eine Filmindustrie entstanden, die einfach *anders* war als Hollywood und demzufolge vom Publikum, das scharf auf etwas neues war, mit Begierde aufgenommen wurde. Doch war der Triumph des HK-Kinos gleichzeitig sein Niedergang – die Stars gingen in die USA, egal ob es nun Schauspieler (Jackie Chan, Jet Li, Chow Yun-Fat), Regisseure (John Woo, Ringo Lam, Tsui Hark) oder nur Fight-Choreographen waren. Die wenigsten schafften zwar den Durchbruch (bei den Schauspielern eigentlich nur Jackie und mit Einschränkungen Jet, John Woo und vielleicht noch Ronny Yu bei den Regisseuren – und die Choreographen wurden überflüssig, als sich rumsprach, dass man spektakuläre Actionszenen doch auch mit CGI machen könnte). HKs Problem war, dass der Nachwuchs nicht recht kommen wollte. Stephen Chow, der als Jackies legitimer Nachfolger gefeiert wurde, scheint bestenfalls eine Zweitagsfliege zu sein, die „Infernal Affairs“-Trilogie war so ziemlich der einzige wegweisende Beitrag, der im letzten Jahrzehnt aus HK kam. Die Fans orientierten sich um – harte Splatter-Action kam nun aus Japan, old-school-Martial-Arts-Klopper aus Thailand und den typisch asiatischen Gangster-/Cop-Thriller lieferten die Südkoreaner.

Um so herzerfrischender ist es, wenn man mit „SPL Killzone“ nun einen neuen (okay, von 2005, aber erst 2007 hierzulande erschienenen) Hongkong-Film vor die Glotzbuchten bekommt, der einen daran erinnert, warum man dereinst Fan wurde. Regisseur Wilson Yip (bislang eigentlich nur durch „Bio-Zombie“ aufgefallen) inszeniert einen feinen Thriller, der auf gekonnte Weise Ideen des klassischen Heroic Bloodshed Marke John Woo mit Martial-Arts-Einlagen und den „neumodischen“ Einflüssen aus der „Infernal Affairs“-Ecke kombiniert und zu einem schlüssigen und mitreißenden Ganzen verbindet.

In Sachen Script macht „SPL“ deutlich, dass die „Infernal Affairs“-Schule doch ihre Spuren hinterlassen hat. Bedienten sich auch frühere Heroic Bloodshed-Drehbücher wie „A Better Tomorrow“ & Co. komplexer Strukturen, um sie dann doch „nur“ als Backdrop für gewalttätige Auseinandersetzungen zu nutzen, legt das Writing Team, bestehend aus Yip selbst, Wai Lun Ng und Kam-Yuen Szeto überraschend viel Emotion und Human Drama in die gerade mal 93 Minuten – obwohl man zunächst auf den Gedanken kommen könnte, die x-te Variante des guten alten „aufrechte Cops versuchen bösen Obergangster zu verknacken“ würde abgespielt, wird schnell deutlich, dass hier mehr Tiefgang (und konsequenterweise auch mehr Pathos) vorliegt, der sich von den zwar ungeheuer effektiven, letztlich aber doch simplen Loyalitäts-Fragen der klassischen Woo-Filme abhebt. Die Charaktere haben Ecken und Kanten (mit eineinhalb Ausnahmen, auf die ich noch zu sprechen komme), die Gut/Böse-Schemata werden ein wenig aufgebrochen. Chan und seine Getreuen haben ihren Polizisten-Ethos über Bord geworfen, um Wong Po, wenn’s denn sein muss, auch mit ungesetzlichen Mitteln auszuschalten. Chan selbst hat die Verantwortung für seine Adoptiv-Tochter übernommen, wohl wissen, dass er aufgrund seiner Krankheit nicht mehr lange für sie da sein kann. Ohne, dass er etwas davon weiss, haben seine Leute Wong Pos Drogengeld beiseite geschafft, um dem Mädchen nach Chans eventuellem Ableben ein gesichertes Auskommen zu bieten – für sie sind Chan und seine Tochter Ersatzfamilie, da sie selbst kein oder nur ein unglückliches Familienleben haben (in einem kurzen, aber emotional wirkungsvollen Subplot trifft einer von Chans Männern seine eigene Tochter nach Jahren erstmals wieder). Auf der anderen Seite ist Wong Po „beruflich“ ein eiskalter Hund, aber – im glatten Gegenteil zu seinen Widersachern auf Seiten der Guten, nicht nur glücklicher, sondern auch treusorgender und liebender Familienvater (was eine extrem wirkungsvolle „Pointe“ möglich macht). Ma Kwan (die „halbe Ausnahme“) ist der Außenseiter, der nicht wirklich zu Chan und seinem Team gehört (und deshalb auch anfänglich offen angefeindet wird), der – hier greifen die „bewährten“ Mechanismen – sich fragen muss, ob seine Loyalität nun seiner Dienstmarke oder den Idealen, die von dieser verkörpert werden sollte, gilt. Die einzig eindimensionale wesentliche Figur ist Wong Pos weißgekleideter Todesengel Jack, der aus purem Spaß an der Freud‘ metzelt und meuchelt.

Durch die Konzentration der (wesentlichen) Handlung auf praktisch eine Nacht erzeugt das Script immensen Druck, wobei besonders erfreulich (und überraschend) ist, dass die dramatischen und melodramatischen Elemente nicht schwerhändig eingefügt werden, sondern sich sehr natürlich entwickeln (die einzige „Schwachstelle“ ist die Person des videofilmenden Mordzeugen, der erstens Nerd, zweitens offensichtlich leicht geistig behindert und drittens, dem Zufall sei dank, noch ein Kumpel von Ma Kwan ist – es stört aber nicht weiter, auch wenn ich bei der Figur hin und wieder an den Sammo-Hung-Charakter aus „Heart of Dragon“ aka „Powerman 3“ denken musste). Ob der zumindest teilweise überraschenden „Auswahl“ der Überlebenden ist „SPL“ auch nichts für Heile-Welt-Happy-End-Fetischisten.

Trotz allem vergisst „SPL Killzone“ nie, genügend Platz für beinharte Action zu lassen – choreographiert von Donnie Yen (der diesen Job auch für „Blade 2“, „Highlander: Endgame“, „The Twins Effect“ und den längst vergessenen deutschen TV-Versuch eines Martial-Arts-Action-Films „Der Puma – Kämpfer mit Herz“ besorgte, lassen diese Gefechte nichts zu wünschen übrig. Das Hauptaugenmerkt legt Yen auf Martial Arts anstatt auf Gunplay, wobei in einem bewussten (und geglückten) Versuch der Modernisierung neben klassischem Kung-fu verstärkt Wrestling- und MMA-Elemente eingebaut werden. Höhepunkte sind u.a. der Showdown-Fight Sammo Hung vs. Donnie Yen und speziell der komplett improvisierte Kampf zwischen Donnie Yen und „Jack“ Jacky Wu. Im Zuge der blutigen Auseinandersetzungen ist übrigens auch der ein oder andere rüde Splattereffekt zu bewundern, der die fehlende Jugendfreigabe absolut gerechtfertigt erscheinen lässt (in Hongkong selbst verdiente sich „SPL“ übrigens das „Cat. III“-Rating).

Die Inszenierung von Wilson Yip orientiert sich durchaus an dem düsteren Look, den die „Infernal Affairs“-Trilogie etablierte – Yip zeigt das (größtenteils nächtliche) Hongkong in kühler Neo-Noir-Optik, passend zur düster-tragischen Geschichte. Im ersten Akt scheint noch Gimmick-Alarm zu herrschen (wenn Yip z.B. unnötigerweise einen Fünffach-Splitscreen einbaut, „because he can“), aber in der Folgezeit beschränken er und sein Stammkameramann Wah-Chuen Lam sich auf spektakuläre, mitreißende Bilder ohne Technik-Overkill. Trotz des scriptbedingt hohen Tempos, das Yip vorlegen muss, findet er die richtige Ausgewogenheit zwischen den ruhigeren Charakter-Momenten und den harten und souverän gefilmten Actioneinlagen. Keine Frage – mit dem richtigen Material kann auch die neue Generation von HK-Filmemachern noch rasante Actionfilme mit dem richtigen, in einem ordentlichen HK-Thriller obligatorischen, Quentchen Pathos und Melodrama bewerkstelligen.

Gleich mehrere Generationen HK-Top-Stars geben sich als Darsteller die Ehre. Simon Yam („Naked Killer“, „Dr. Lamb“, „Raped by an Angel“ und international vermutlich am bekanntesten durch „Tomb Raider: Cradle of Life“), obwohl permanent gut beschäftigt, ein Star der späten 80er und frühen 90er; Donnie Yen („Iron Monkey“, „Hero“), dessen Karriere Mitte der 90er abhob; Sammo Hung, best buddy von Jackie Chan und Ikone des 80er-HK-Kinos und Jacky Wu („Zu Warriors“, „Twins Mission“), shooting star des aktuellen HK-Action-Kinos – ein eindrucksvolles Ensemble, ergänzt um souveräne Nebendarsteller wie Kai Chi Liu („Infernal Affairs 2“, „In the Line of Duty 4“), Ken Chang („Tsui Hark’s Vampire Hunters“), Austin Wai („The Blade“, „Water Margin“) und den populären Sänger Danny Summer. Praktisch alle Performances sind bemerkenswert – sei es Yam als desillusionierter Veteranen-Cop, Yen als der dynamische Hotshot, der noch an das „Gute“ im Polizisten glaubt, die beängstigende stand-out-Leistung von Wu als Killermaschine, und doch schießt Sammo Hung in einer seiner raren Schurkenrollen den Vogel im positiven Sinne ab – nochmal deutlich in die Breite gegangen, hat er an Explosivität in seinen Kampfszenen nichts eingebüßt, zeigt sich aber auch in den dramatischen Momenten als wirklich guter Schauspieler – sowohl den skrupellosen Gangsterboss als auch den treusorgenden Familienvater bringt er überzeugend. Der kulturelle Hang asiatischer Darsteller zu theatralischem Overacting (und Fingergefuchtel) ist allerdings durch die Bank gut vertreten, aber wer nicht erst seit gestern HK-Filme anschaut, wird damit kein Problem haben.

Bildqualität: Ascot Elite präsentiert „SPL Killzone“ nicht nur in einem extrem schicken Pappschuber, sondern auch makellosem anamorphen 1.85:1-Widescreen, der der unterkühlten noirishen Fotografie des Streifens zur Ehre gereicht. Frei von Defekten, sehr gute Schärfe- und Kontrastwerte und klaglose Kompression. Daumen hoch!

Tonqualität: Der Konsument hat die Wahl zwischen deutschem und kantonesischem O-Ton, jeweils in Dolby 5.1 (deutsche Untertitel für Hörgeschädigte werden mitgeliefert). Die Synchro hinterlässt einen guten Eindruck, die Sprachqualität ist kristallklar, Score und Effekte kommen gut zur Geltung.

Extras: Neben einem zehnminütigen und durchaus informativen Making-of, in dem alle wesentlichen Beteiligten zu Wort kommen, gibt es Aufnahmen von einer Pressekonferenz (bei der man aber anscheinende die Untertitelung vergessen hat), ein Rudel Trailer und Fernseh- Teaser sowie die obligatorische Trailershow. Geht in Ordnung.

Fazit: Das hat sich jetzt alles nach Heiligsprechung angehört und ist, haha, auch tatsächlich so gemeint. Selten hat mich ein Film, den ich ohne Vorkenntnis auf der Grundlage eines coolen Cover-Artworks und ein paar mir genehmer Namen erworben habe, so mitgerissen, so gepackt – „SPL Killzone“ ist vielleicht nicht die Wiedergeburt des Martial-Arts-lastigen Actionthrillers Made in Hong Kong (dafür war der Streifen in seinem Heimatland wohl kommerziell zu erfolglos. Grr), aber der lebende Beweis dafür, dass Heroic Bloodshed mit all seinen Facetten nicht tot ist, im Gegenteil, mit der ein oder anderen vorsichtigen Modernisierung und gutem Willen der Beteiligten noch eine blühende Zukunft vor sich haben sollte. Dazu gehört allerdings auch, dass jeder, der blutiges Fernost-Kino mag, jetzt schleunigst zum DVD-Dealer rennt und sich diese Scheibe besorgt. You won’t regret – it’s a killer ride! Einzig den von den internationalen Verleihern aufgedrückte Titelzusatz „Killzone“, mit dem man wohl die Proll-Crowd anlocken will, hätten sich die Publisher getrost schenken können.

5/5
(c) 2008 Dr. Acula


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