- Deutscher Titel: Spezialauftrag
- Original-Titel: Strange Report
- Regie: V.A.
- Land: Großbritannien
- Jahr: 1969/70
- Darsteller:
Anthony Quayle (Adam Strange), Kaz Garas (Hamlyn Gynt), Anneke Wills (Evelyn McLean), Charles Lloyd Pack (Professor Marks)
Vorwort
Adam Strange, ehemaliger Scotland-Yard-Inspektor, hat sich ins Privatleben zurückgezogen, was aber noch lange nicht heißt, dass er seine Finger aus kniffligen Kriminalfällen heraushält. Ganz im Gegenteil, selbst sein ehemaliger Arbeitgeber schaltet Strange gern ein, wenn die Exkremente vor sich hin kokeln. Mit seinem amerikanischen Partner Hamlyn Gynt und seiner Nachbarin Evelyn beweist Strange stets aufs Neue, dass keine Knacknuß zu hart für ihn ist…
„Shrapnel“
Paul Webber, Laborleiter von Hallidays Chemie-Fabrik und bekennender Workaholic, fliegt eines schönen Abends, als seine Ehefrau mal wieder ohne seine Begleitung zu einem Ball gehen muss, dekorativ in die Luft. Das überrascht sein trautes Weib und nicht minder seinen Chef Halliday – die beiden haben’s nämlich a) miteinander und b) zumindest schon mal geplant, den guten Paule mit einer Höllenmaschine in die nächste Welt zu befördern. Nur ist der gemeinsame Kenntnisstand, dass bislang niemand Anstalten gemacht hat, diesen Plan auch in die Tat umzusetzen. Vielleicht doch ein glücklicher Unfall?
Eher nicht, meinen Scotland Yard und Adam Strange, ein alter Freund von Halliday, hat man doch Überreste einer Bombe in den Trümmern gefunden. Und während auf Stranges Drängen nun doch noch eine Obduktion an Webber durchgeführt wird, erhält Carol Webber eine Lieferung – den Ausgehanzug ihres Mannes, den sie kurz vor der Explosion bei ihm abgeliefert hat, frisch aus der Reinigung. Und der Herr Wäschermeister schwört Stein und Bein, dass Carol die Tracht persönlich bei ihm abgegeben hat. Davon weiß Carol nun allerdings nicht gar so viel. Die Obduktion liefert das Ergebnis, dass im Rückenmark des Toten ein Stück Granat-Schrapnell aus japanischer Fertigung steckte. Nun hat Webber zwar gedient, aber nie eine Kriegsverletzung davon getragen. Wer also ist der Tote aus dem Labor – und wo ist Webber?
„Epidemic“
Hamyln Gynt ist auf eine Party bei seiner Arbeitskollegin Zeba eingeladen. Man feiert die Ankunft ihres Bruders Jamal aus Indien. Doch mitten in der schönsten Fete klappt Jamal sichtlich ernsthaft krank zusammen. Zu Hamlyns Bestürzung wird kein Arzt gerufen, sondern ein gewisser Morrison, ein Gönner der indischen Immigrantenszene, der verspricht, Jamal in ein Krankenhaus zu bringen. Hamyln traut dem Braten nicht und wird daher sicherheithalber bewusstlos geschlagen.
Jamal hingegen landet wenig später als aus der Themse gefischte Leiche im Leichenschauhaus, wo Strange gerade mit dem Chefpathologen Marks plaudert. Jamal, so stellt der Weißkittel fest, war schon tot, bevor er in der Themse landete und ist wohl ein illegaler Einwanderer. Strange macht sich anderweitig sorgen, denn Hamlyn Gynt ist verschwunden. Der ist nämlich auf Morrisons Boot, mit dem der elende Schleuser ganze Schiffsladungen Inder heimlich auf die Insel bringt, so auch Jamal. Aus diesem Grunde sind Zeba und ihre indischen Landsleute auch nicht sehr auskunftsfreudig – was aber bitter nötig wäre, denn wir Marks ermittelt, litt Jamal an der Cholera – und jeder, der in den letzten Stunden mit ihm in Kontakt war, schwebt in akuter Lebensgefahr. So z.B. auch Hamlyn…
„Hostage“
Direkt von der Vorbesichtigung einer Ausstellung revolutionärer chinesischer Kunst wird der Rotchina-Funktionär Sung Li gekidnappt. Die Forderung der Geiselnehmer ist primär die Freilassung eines in China einsitzenden Briten namens Deeds. Da die Mao-Jünger Scotland Yard für einen Haufen imperialistischer Faschistenknechte halten, bestehen sie auf einem neutralen Ermittler – Adam Strange. Strange vermutet nicht von ungefähr, dass die Kidnapper im Umfeld des gefangenen Briten zu finden sind, und in der Tat gibt es als Verdächtige einen verbitterten Bruder und einen Leidensgenossen des Gefangenen, der vor einigen Monaten freigelassen wurde *und* ein empfindliches pyschisches Problem mit sich herumschleppt.
In der Tat sind William Blake und Deeds Bruder die Kidnapper – und sie wollen nicht nur den Gefangenen freipressen, sondern, zumindest Blake, auch gleiches mit Gleichem vergelten und unterziehen Sung Li Psychofolter und Gehirnwäsche. Die britische Regierung drängt die Chinesen darauf, die Forderung der Entführer zu erfüllen, doch es gibt da ein kleines Problem – das wird schlecht gehen, weil Deeds tot ist…
Inhalt
„Strange Report“ ist eine kritiker- und fanseits hochangesehen britische Krimiserie von 1969/70, die es insgesamt auf 16 Folgen brachte (bei der Inselbevölkerung ist das ja schon ne ordentliche Strecke, denn bekanntlich haben’s die abseits von „EastEnders“ und „Doctor Who“ nicht immer mit „langlebigen“ Serien, auch wenn sie beim Publikum gut ankommen). Drei ausgesuchte Folgen sind nun unter dem Titel „Spezialauftrag“ hierzulande als günstige DVD erhältlich – nach welchen Gesichtspunkten die Episoden ausgesucht wurden, ist mir nicht bekannt. Sind’s die einzigen drei, die je deutsch synchronisiert wurden, die letzten drei existierenden Folgen (auch das „wipen“ vermutlich nicht mehr benötigter MAZ-Bänder ist ja gelebte britische Tradition), sind’s drei, die der Publisher irgendwo in einer Garage gefunden hat oder die drei besten, keiner weiß es, und letztlich ist es auch egal, da „Strange Report“ streng abgeschlossene Geschichten erzählt, die über die drei Hauptfiguren hinaus nicht miteinander verknüpft sind.
Was wir als treue DVD-Konsumenten für unseren schmalen Obolus (bei amazon kostet das Ding grad ein bissl was über drei Euronen) ist eine Serie, die gleichermaßen typisch britisch-distinguiert und doch überraschend modern für ihre Entstehungszeit wirkt. Wir wissen alle, dass manch britische Serie heute ausgesprochen altbacken und steif wirkt (ich denke da mal wieder an „Task Force Police“), aber „Strange Report“ – sichtlich auch keine BBC-Produktion, sondern von ITC gestemmt – braucht sich nicht hinter fünfzehn-zwanzig Jahre neueren Serien zu verstecken, wenn man mal vom Zeitkolorit an sich absieht. Die Episoden sind sehr straff inszeniert, im Gegensatz zu BBC-Serien stimmt auch der Look (es gibt keinen auffälligen Unterschied zwischen Exteriors und Interiors, was darauf schließen lässt, dass „Strange Report“ konsequent „on film“ gedreht wurde und nicht „on video“, wie’s die BBC tat) und auch, wenn zumindest die drei vorliegenden Episoden keine Action-Feuerwerke sind, so geht alles sehr energisch nach vorn, ohne Verzettelung in human interest oder side plots.
Ersichtlich hatte die Show auch keine Berührungsängste mit politisch heiklen Themen – „Epidemic“s zentrales Thema ist die illegale Einwanderung (wobei man ein wenig säuerlich schmunzeln wird, wenn man von den „verschärften Einreisebestimmungen“ hört, denen die Inder ausgesetzt sind und für die sich jeder heutige Refugee vermutlich mehrere Gliedmaßen ausreißen würde, käme er dafür in ihren Genuss) und die Verschlossenheit der indischen „Parallelgesellschaft“, „Hostage“ legt sich mit Mao-China an und erlaubt sich das (SPOILER) freche Ende, dass die Kidnapper zwar gefasst werden, aber zumindest den moralischen Sieg feiern können, Sung Li erfolgreich umgedreht zu haben.
Trotzdem ist die beste Episode des Dreierpacks zweifelsfrei „Shrapnel“, die einzige reinrassige Krimigeschichte der Sammlung – nicht, dass die anderen Folgen schwach wären, aber „Shrapnel“ ist britische Kriminalkost vom Feinsten – auch dank der exzellenten darstellerischen Leistungen der Gaststars Leo Genn und Sylvia Syms.
Erfreulich ist die Serie für den Freund echter Kriminologie auch dadurch, dass Adam Strange und sein Team tatsächlich Detektivarbeit verrichten und nicht durch puren Zufall zu ihren Lösungen kommen. Dabei bedient sich die Show einer konsequenten Teamarbeit – Hamlyn Gynt ist qua Fähigkeit als wissenschaftlicher Museumsmitarbeiter der Forensiker des Teams, Evelyn die Fußsoldatin, die ausgeschickt wird, um Verdächtige und Zeugen zu befragen, und Adam Strange selbst zieht die Schlussfolgerungen aus den Hinweisen, die seine Mitarbeiter ihm liefern. Das sorgt für eine taugliche Dynamik innerhalb der Gruppe (und natürlich pflegen Ham und Evelyn eine Art Haßliebe, zumal Hamlyn Evelyn auch als Wäscher- und Näherin missbraucht).
Die drei Hauptfiguren sind auch trefflich besetzt – Oscar-Nominent Anthony Quayle, legitimer Shakespeare-Mime und u.a. in Klassikern wie „Lawrence von Arabien“, „Die Kanonen von Navarone“ oder ;Laurence Oliviers „Hamlet“ zu sehen, bringt die richtige Mischung aus Gentleman-Charme und Autorität mit (mit einem majestätischen Bart, wie sich das gehört). Für den gebürtigen Litauer Kaz Garas war „Spezialauftrag“ zwar der größte Gig seiner Karriere, er blieb aber bis in dieses Jahrtausend im Geschäft und zierte fast jede wichtige amerikanische TV-Serie von „Hart aber herzlich“ über „Die Straßen von San Francisco“ bis „Agentin mit Herz“. Im Filmbereich spielte er für Cirio H. Santiago in „Final Mission“ und hatte sogar einen kleinen Auftritt in „Puppet Master 5“. Als Hamlyn ist er der „lockere“, jugendliche Partner und macht das auch gut. Anneke Wills hatte schon eine lange TV-Karriere hinter sich, die im zarten Alter von 13 Jahren begann – eine Kult-Gefolgschaft erspielte sie sich durch ihren Stint als Companion des ersten und zweiten Doktors, Polly, in „Doctor Who“.
Neben den erwähnten Gaststars Leo Genn („Moby Dick“, „Quo Vadis“) und Sylvia Syms („Geheimaktion Crossbow“) ist für dieses Set noch die Mitwirkung von Zienia Morton in „Epidemic“ erwähenswert. WIr kennen sie als Sandra Benes aus „Mondbasis Alpha 1“ und Roy-Black-Gspusi in „Wenn du bei mir bist“.
Die unter dem Banner „TV-Serienklassiker“ im Great-Movies-Umfeld erschienene DVD bringt die drei Folgen trotz des geringen Preises in ausgezeichneter Bildqualität. Englischer O-Ton und deutsche Synchronfassung werden geboten, wobei die Synchronisation zeitgemäß erstklassig ist und auch von der Tonqualität her überzeugen kann – lediglich in der dritten Episode ist der Synchronton etwas dumpf.
Wer ein Herz für solides britische Krimientertainment hat, bekommt hier viel Spaß für kleines Geld. Empfehlung des Hauses!
(c) 2017 Dr. Acula
BOMBEN-Skala: 2
BIER-Skala: 7
Review verfasst am: 08.06.2017