Sotto il vestito niente

 
  • Deutscher Titel: Sotto il vestito niente
  • Original-Titel: Sotto il vestito niente
  • Alternative Titel: Nothing Underneath | The Last Shot |
  • Regie: Carlo Vanzina
  • Land: Italien
  • Jahr: 1985
  • Darsteller:

    Tom Schanley (Bob Crane), Renée Simonsen (Barbara), Donald Pleasence (Kommissar Donesi), Nicole Perring (Jessica Crane), Maria McDonald (Margaux), Catherine Noyes (Carrie), Paolo Tomei


Vorwort

Bob Crane arbeitet als Park Ranger im Yellowstone Nationalpark und freut sich, dass seine Zwillingsschwester Jessica, die in Mailand modelt, es auf die Titelseite eines italienischen Modemagazins geschafft hat. Kaum hält er aber die signierte Zeitschrift in Händen, ereilt ihn eine Vision – ein böser Pursche mit einer Schere in der Hand wackelt bedrohlich auf Jessicas Hotelzimmer zu… Bevor die Vision aber zählbare Ergebnisse bringt, schaltet sie sich ab.

In höchster Sorge springt Bob auf das nächste Flugzeug nach Italien auf, findet das Zimmer seiner Schwester verlassen und geht mit seiner Theorie, dass Jessica etwas passiert sein muss oder sogar ermordet wurde, Kommissar Donesi von der Mailänder Polizei auf den Keks. Da entgegen der Meinung des forschen Amis die Aussage „ich bin mit meiner Zwillingsschwester telepathisch aus verbunden und hab von Wyoming aus gesehen, wie sie vielleicht erstochen wurde“ in good ole Europe nicht dafür ausreicht, Cops, Nationalgarde und die Luftwaffe in Alarmzustand zu versetzen, muss er allerdings auf eigene Faust recherchieren, was aber auch kein Resultat außer „sie ist weg und keiner weiß wohin“ bringt. Ein offenes Ohr findet er nur bei Barbara, einer netten Kollegin Jessicas, die im gleichen Hotel, einer frequentierten Model-Herberge, abgestiegen ist.

Die Sache spitzt sich allerdings zu, als Carrie Blynn, ebenfalls Motel und gleichfalls Gast im bewussten Hotel, ermordet wird. Jetzt kann Kommissar Donesi die Möglichkeit, dass tatsächlich ein Serienkiller durch Mailand strolcht und bevorzugt Fotomodelle abmurkst, nicht mehr so leicht von der Hand weisen. Nun gibt es mit dem koksnasigen Playboy Paolo, der gerne mal after-show-Partys mit einer Horde schnupfwilliger Modelle schmeißt, einen 1A-Verdächtigen für den Mord an Carrie, weiß man doch, dass sie zuletzt in seiner Begleitung gesehen wurde, doch hat der ein überzeugendes Alibi – fünfzig Leute haben ihn zur Tatzeit beim Drogennachschubkauf in einem Nachtclub gesehen – wie Kollege Cassinelli in „Murder Rock“ sagen würde, der’s kein Mörder, der’s ’n Arschloch.

Dennoch führt der Meister Cops und Hobby-Detektive auf eine heiße Spur – er hatte einer seiner wilden Partys mit einer kleinen netten Partie Russisch Roulette aufgelockert und dabei ging eins der Models hops. Da solcherlei Schelmentum von der Polizei womöglich kritisch beäugt werden würde, entschloss man sich, die Sache unter Verschluss zu halten und Herr Playboy erkaufte sich das Schweigen seiner Gästinnen mit den besten Freunden einer jeden Frau – Diamanten. Weder in Jessicas Zimmer noch bei Carrie wurden allerdings Klunker gefunden. Macht sich ein Augenzeuge des kleinen Spiel-Fiaskos hier ein Hobby daraus, die Blutdiamanten gewaltsam einzusammeln?

Das würde den Täterkreis auf die Anwesenden bei der ominösen Party beschränken – zu denen neben Jessica auch ein weiteres Model namens Margaux gehört. Auch Margaux beißt kurze Zeit später ins italienische Gras – und Bob erhält eine Nachricht seiner Schwester, wonach er sich dringlich verpissen solle…


Inhalt

Giallozeit. In den 80ern lag das Genre, wie wir alle wissen, mehr oder minder in den letzten Zügen. Horror-Krimi-Hybriden, die mit einer guten Fuhre Sex oder wenigstens nackter Haut aufgepeppt wurden, brauchte nach dem Durchbruch der reinrassigen Slasher-Killer eigentlich niemand mehr und die meisten Genre-Könner wie Argento, Martino & Co. hatten sich längst anderen Fleischtöpfen zugewandt. Kampflos wollte der Giallo aber nicht aussterben – konnte es sein, dass man aus dem Genre durch ein gerüttelt Maß an 80er-Ästhetik noch etwas mehr Lebenssaft auszuquetschen?

Einen solchen Versuch unternahm 1985 Carlo Vanzina, ein Hansdampf in allen Gassen als Regisseur und Autor, der zu dieser Zeit aber hauptsächlich im angesagten Sexklamotten-Fach unterwegs war und nur 1983 mit „Mystere“ einen Spionagethriller-/Giallo-Mischmasch als halbwegs direkte Genreerfahrung vorlegen konnte (zu seinen späteren Werken gehört der, eh, gewöhnungsbedürftige Leslie-Nielsen-Schwank „Die römische Kanone“). Vanzina war auch nur zweite Wahl für die Verfilmung des zugrundeliegenden Romans von Marco Parma. Zuerst hatten die Produzenten – in einem nahezu liebenswerten Anflug von unangebrachtem Optimismus – bei Michelangelo Antonioni (!) angefragt (vielleicht, weil es im Script ansatzweise um „Fotografie“ geht und Antonioni durch „Blow Up“ dadurch als qualifiziert angesehen wurde). Der Maestro steckte damals allerdings in seiner „ich mache nur noch seriöse Dokumentationen“-Phase und lehnte dankend ab. Man kann sich nur fragen, welch originelle Interpretation der Giallo-Thematik uns hier durch die Finger glitt…

Sieht man sich nun Vanzinas Film an und spekuliert auf das Drehbuch, das man Antonioni vorlegte (das aber von Vanzina auch noch geändert wurde), kann man allerdings gut verstehen, warum der Meister von einer Übernahme des Regiejobs absah. Originell ist an „Sotto il vestito niente“ (was so viel wie „Nichts unter dem Kleid“ heißt, vom englischen Verleiher treuherzig akkurat übersetzt wurde und durchaus als programmatisch angesehen werden kann) nun wirklich nichts – das Modesujet war mehr als einmal Schauplatz mörderischer Aktivitäten (gibt es doch voyeuristisch veranlagten Filmproduzenten einen halbwegs rationalen Grund, warum die Schnepfen oft nackig rumlaufen), sonderlich „fresh“ ist auch ein Scherenkiller nicht und sogar den Kniff der telepathischen Connection unseres Hobbyermittlers mit Opfern oder Tätern lebte uns u.a. Argento vor – zumal dieses potentiell brauchbare Gimmick auch nach der Eröffnungsszene prompt auf den Müllhaufen geworfen wird, weil Bob sich ja nur mit seiner Schwester verbinden kann und die als Charakter für den Restfilm kaum mehr stattfindet.

Bob ist zudem ein für das Genre zwar nicht untypischer, nichtsdestotrotz aber eben merklich überflüssiger Held, der zum Fortgang der Handlung nicht so arg viel beiträgt außer dumme Fragen zu stellen, vom Kommissar ignoriert zu werden (trotzdem aber an jedem Tatort rumzuhängen, wie das in Italien offenkundig so üblich ist) und sich von Barbara becircen zu lassen. Passend dazu ist sein Darsteller Tom Schanley („Melrose Place“, „Savage“) auch ein adäquat farbloser Geselle, der nicht gänzlich unsympathisch, aber mit dem Charisma eines BILLY-Regals durch den Film stapft und praktisch erst in den letzten zehn Minuten handlungstragend tätig wird (wenngleich hauptsächlich als punching ball für den Killer).

Vanczina ist allerdings Profi genug, das Geschehen (bzw. den Mangel thereof) flott genug voranzutreiben, um nicht aktiv zu langweilen. Strukturell problematisch, aber kaum anders zu lösen ist die langwierige Flashback-Sequenz, in der die Geschehnisse der fatalen Party aufgedröselt werden – allerdings hätte man die wegen mir nicht mit einem gelblichen Farbfilter versehen müssen. Visual shorthand schön und gut, aber als Giallo-Kenner ist man ja verschachtelte Erzählstrukturen gewohnt und braucht nicht unbedingt noch einen zusätzlichen optischen Hinweis zum voiceover, dass wir einer Rückblende beiwohnen.

Vom Horror-Gehalt her ist der Streifen unspektakulär – allzuviele Kills gibt’s eh nicht und die werden in Sachen Splatter recht zurückhaltend für’s Genre gezeichnet. Sex gibt’s auch nicht in solchen Massen, wie man sie anhand des Settings vielleicht erwarten könnte, aber ausreichend Gelegenheit für die durchaus sehr attraktiven Damen, aus ihren Gewändern zu fahren (erfreulicherweise spielt dieser Film in einer Zeit, in der Modelle noch keine heroin-chique-Hungerhaken waren, denen man Essensmarken schenken möchte, sondern richtige Frauen, die man(n) auch gern mal mit ins Schlafzimmer nehmen würde. Hüstel).

Die angesprochene 80er-Ästhetik, an der sich einige Spät-Giallo-Regisseure versuchten, harmoniert nicht recht mit dem Setting. Der gelackte Look passt nun mal eher zu neongetränkten Großstädten wie Miami oder New York und nicht zu den eher pittoresken Altstadtgässchen und der romantischen Architektur Mailands. Aber es datiert den Film zumindest…

Ausgesprochen positiv zu vermelden ist der tolle Score von Altmeister Pino Donaggio, der die ganze Bandbreite seine Könnens von Hermann-esquen Klängen, für die Pino ja berühmt ist, bis zu moderneren, fast an Goblin erinnernden Synthi-Klängen auffährt. Dazu kommen einige geschmackvoll ausgewählte Popsongs (und zwar Originalversionen. Hoppla!).

Zu den Aktiven vor der Kamera – zu Schanley hab ich mich ja schon geäußert. Donald Pleasence verschenkt an die nicht überaus gehaltvolle Rolle des Commissario Donesi sicher nicht sein Herzblut, aber alleine seine Anwesenheit verleiht dem Film eine gewisse Legitimität.

Renée Simonsen (Barbara) ist ein echtes „Supermodel“, zumindest gewann sie mal den Titel als dänisches Supermodel des Jahres, drehte aber nur noch einen Film – die italienische Komödie „Via Montenapoleone“ mit Carol Alt, ebenfalls unter der Regie von Vanzina – und fand ihr Glück als Autorin von Kinderbüchern, von denen einige in Dänemark verfilmt wurden. Durchaus möglich, dass auch die anderen Damen echte Models sind (zumindest verstehen sie sich auf dem Laufsteg für meine Begriffe authentisch zu bewegen), zumal von ihnen auch kaum andere Filmcredits überliefert sind. Nicola Perring (Jessica) tauchte ein Jahr später noch in Andrei Konchalovskys „Duet for One“ in kleiner Rolle auf, Maria McDonald (Margaux) ergatterte einige kleinere Parts in „Miami Vice“, „Liebe, Lüge, Leidenschaft“ und dem TV-Film „Entstellt – Die Geschichte der Marla Hanson“.

Keine Fragen gibt es zur Aufmachung des erstmaligen uncut-releases in deutscher Sprache von den Freunden von XCess. Mir liegt die „Deluxe“-Ausgabe vor, die den Streifen mit seinem 1988 entstandenen Sequel paart und zwei Mediabooks im Schuber enthält. Die Blu-Ray-Version bringt einen schönen 1.85.1-Widescreen-Print, der lediglich in der Schluss-Sequenz, mutmasslich in früheren Version mal geschnitten, in deutlich getrübterer Qualität als der Restfilm daherkommt. Der Ton (Dolby Digital 1.0, deutsch/italienisch) ist brauchbar. Als Extras gibt’s eine EInführung von Marcus Stiglegger, Trailer, alternative Credits und ein ausführliches, schön aufgemachtes Booklet.

„Sotto il vestino niente“ ist sicherlich keine Offenbarung einer vergessenen Spätgiallo-Perle – dafür bietet der Film zu wenig, was wir nicht schon anderswo gesehen haben und ist in Sachen Sex und Gewalt nicht sonderlich aufregend. Allerdings langweilt er auch nicht, hat einen coolen Score und ein Rudel hübscher Darstellerinnen. Manchmal ist ja auch das schon genug…

Kurioserweise dirigierte Vanzina 2011 noch ein weiteres Sequel/Remake mit Richard E. Grant… manche „Ideen“ sind wohl nicht umzubringen.

(c) 2017 Dr. Acula


BOMBEN-Skala: 6

BIER-Skala: 6


mm
Subscribe
Benachrichtige mich zu:
guest
0 Comments
Inline Feedbacks
View all comments