Sole Survivor

 
  • Original-Titel: Sole Survivor
  •  
  • Regie: Paul Stanley
  • Land: USA
  • Jahr: 1970
  • Darsteller:

    Vince Edwards (Major Devlin), Richard Basehart (Brigadier General Hamner), William Shatner (Lt. Gronke), Lou Antonio (Tony), Patrick Wayne (Mac), Lawrence P. Casey (Gant), Dennis Cooney (Brandy), Brad David (Elmo)


Vorwort

Siebzehn Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs wird in der libyischen Wüste das Wrack eines amerikanischen Bombers, der von einem Einsatz gegen die Achsenmächte in Sizilien nicht zurückkam, gefunden. Das verwundert zum Einen diversen Bedenken- und Hütchenträger des US-Militärs, denn nach dem Bericht des einzigen Überlebenden dieser Bomber-Crew, stürzte die Maschine unter heftigem Feindbeschuss ins Mittelmeer, nur ihm, dem mittlerweile dekorierten Brigadegeneral Hamner, gelang der Absprung ins kühle Nass. Zum Anderen ist die Rest-Crew entzückt, denn die harrt seit siebzehn Jahren am Wrack aus und wartet auf Rettung. Pilot Mac und seine Kameraden Tony, Gant, Brandy und Elmo vertreiben sich die Zeit hauptsächlich mit Baseball und sind, zu unserer Überraschung, immer noch so jugendlich-dynamisch wie anno 1944.

Das hat seine Gründe, denn wie Mac und seine Leute herausfinden, als die Untersuchungskommission der Air Force unter der Leitung von Lt. Gronke und Major Devlin, begleitet vom General himself, der sich auf dem Weg zu wichtigen diplomatischen Verhandlungen in der Türkei ein paar Tage Zeit genommen hat, um die Theorie, dass es sich bei dem Wrack *wirklich* um „seine“ Maschine handelt, zu zerstreuen, können die Neuankömmlinge die Bombermannschaft nicht sehen. Der Groschen fällt bei den Kampffliegern recht schnell – offensichtlich sind sie tatsächlich *tot* und spuken als Geister um die alte B-25 herum.

Indes stellen Gronke und Devlin, zu Hamners sichtlichem Unbill, fest, dass es sich in der Tat um die bewusste Maschine handelt, was nun wiederum die Frage eröffnet, wieso die Kiste weitab vom Kurs nach Benghasi in der Wüste runtergekommen ist und nicht, wie von Hamner, seinerzeit Navigator des Flugs, über offener See. Mac und die Seinen wissen natürlich warum – Hamner war unter dem Feindbeschuss in Panik geraten und war befehlswidrig allein mit dem Fallschirm abgesprungen, obwohl Mac sich mit der maladen Maschine zum Stützpunkt Benghasi durchhangeln wollte. Befehlsverweigerung und Feigheit vor dem Feind sind natürlich erhebliche Minuspunkte im Lebenslauf eines Karriere-Militärs und so drängt Hamner darauf, die Untersuchung abzukürzen. Dass die Maschine nun in der Wüste ist, ist halt so, aber shit happens, passiert ist passiert, und überhaupt ist das alles lange her, da kann er sich auch nicht mehr an alles so genau erinnern, vielleicht ist die Maschine nach dem gemeinsamen Absprung auch noch wider Erwarten ein paar hundert Meilen steuerlos geflogen, unmöglich wäre das nicht. Gronke, erpicht darauf, auf der Karriereleiter auch die ein oder andere Sprosse nach oben zu klettern, wäre durchaus gewillt, dem General seinen Willen zu lassen, aber für Devlin gibt’s zu viele Ungereimtheiten, um die Sache auf sich beruhen zu lassen. Und auch die Geister haben durchaus Interesse daran, Hamner nicht so einfach von der Angel zu lassen – einerseits möchten sie durchaus, dass Hamner für seine Panikreaktion und Eigenmächtigkeiten eine auf den bemützten Dez kriegt, und andererseits, falls Devlin nachweisen kann, dass die Crew mit ihrem Flattermann in der Wüste abgestürzt ist, würde die Air Force auch die Leichen suchen und in die Heimat überführen, was im Allgemeinen für besser als bis alle Ewigkeit in der Wüste rumgeistern befunden wird.

Dumm ist nur, dass der entscheidende Beweis für den Verbleib der Crew an Bord, das Schlauchboot, einige Meilen entfernt von der Absturzstelle liegt (als die Crew wirklich ausstieg und sich noch über offener See wähnte), und die Geister, wie sich herausstellt, die nähere Umgebung des Wracks nicht verlassen können. Wird es den Geistern gelingen, rechtzeitig den Beweis für ihr Hiersein zu erbringen, bevor Gronke und Hamner Devlin ultimativ die Einstellung seiner Nachforschungen befehlen?


Inhalt

Man stößt mitunter, wenn man sich durch die Empfehlungsliste bei amazon (egal welche Dependance) pflügt, auf Filme, von denen man noch nie gehört hat, die einem aber sofort irgendwie „KAUF MICH!“ entgegenschreien. Okay, manch einer würde behaupten, ein Film müsste nichts anderes tun außer existieren, um diesen Effekt auszulösen, aber „Sole Survivor“ hatte tatsächlich einen besonderen Hook – eine „zwischen-Star-Trek-Rolle“ von William Shatner. Und Shatner-Filme kann man, meiner bescheidenen Ansicht nach, nie genug haben.

„Sole Survivor“ ist formal ein kleiner bescheidener TV-Film von CBS, produziert 1969 und ein Jahr später ausgestrahlt, der sich vage an eine wahre Geschichte anlehnt. 1958 wurde in der libyschen Wüste tatsächlich das Wrack eines vermissten Bombers (einer B-24 allerdings) gefunden, der während seines ersten Einsatzes 1943 spurlos verschwand und als über dem Mittelmeer abgestürzt galt. Wie sich herausstellte, hatte die Crew in einem Sandsturm ihre Einsatzbasis nicht gefunden, war irrtümlich weiter ins Landesinnere geflogen und abgesprungen. Beim Versuch, in die Zivilisation zurückzufinden, kamen alle neun Besatzungsmitglieder ums Leben. Ihre Leichen und ein Tagebuch, das ihr Schicksal in den acht Tagen nach dem Absturz schildert, wurden bei einer Suchaktion 1960 gefunden. Die Geschichte wurde filmisch bereits 1960 in einer „Twilight Zone“-Episode namens „King Nine Will Not Return“ verarbeitet. Für CBS war es einer der ersten selbstproduzierten TV-Filme. Als Regisseur wurde der undistinguierte TV-Auftragsarbeiter Paul Stanley verpflichtet, der an Serien wie „Die Leute von der Shiloh Ranch“ oder „Kobra, übernehmen sie“ gearbeitet hatte und auch in der Folge beinahe exklusiv für die Fischkiste drehte, u.a. noch für „Die Straßen von San Francisco“, „Flamingo Road“, „Drei Engel für Charlie“ und „Ein Colt für alle Fälle“. 1978 brachte er immerhin eine des einer Ein-Personen-Theaterversion von „Moby Dick“ mit Jack Aranson in die Kinos. Das Script verfasste Guerdon Trueblood, der neben diversen TV-Einsätzen das Drehbuch zu „Der weiße Hai 3“ verfasste. Nennt man nun auch nicht gerade die allereindrucksvollste Visitenkarte; er schrieb auch die TV-Tierhorrorfilme „Mörderbienen greifen an“ und „Ameisen – Die Rache der schwarzen Königin“.

Auch rückblickend betrachtet muss man angesichts dieser Empfehlungen nicht davon ausgehen, hier großes Fernsehtennis vorgesetzt zu bekommen, aber lo and behold, „Sole Survivor“ erweist sich als wirklich positive kleine Überraschung. Der Film bemüht wenig Aufwand – ein Mock-up des Bombers, ein paar Stock-Footage-Aufnahmen aus WW-II-Filmen, ansonsten praktisch nur die Wüste rund um das Wrack, es ist quasi ein Kammerspiel unter heißem Wüstenhimmel. Und in dieser „Kammer“ vollzieht sich ein überraschend kraftvolles Drama um Schuld und Sühne, Hoffnung und Enttäuschung, Karriere gegen Wahrheitsfindung. Das sind durchaus starke Themen – nicht total originell, klar, das kann und will ein kleiner Fernsehfilm auch nicht bieten, der soll schließlich hauptsächlich Werbung verkaufen, aber das Script macht das durchaus gut, baut das Mystery der jung gebliebenen Bomberbesatzung gut auf, bringt uns deren Charaktere näher und schafft es, Mitgefühl für sie zu entwickeln – wir *verstehen*, dass die Jungs unbedingt nach Hause wollen, und wenn schon nich lebendig, dann zumindest in Form ihrer sterblichen Überreste. Hamner ist kein eindimensionaler Schurke – natürlich will er seine Karriere retten und ist dafür bereit, notfalls seine Autorität der Sterne auf den Epauletten einzusetzen, aber seine damalige Reaktion ist natürlich verständlich, wer könnte von sich behaupten, dass er auf keinen Fall in Panik geraten würde, wenn er in einem waidwund geschossenen Flugzeug sitzt und sich ausrechnet, dass die Überlebenschance auf dem Meer größer ist… Und so ungefähr bis Filmhalbzeit kann man sich auch fragen, was es denn für einen Unterschied gemacht hätte, wenn Hamner nun an Bord geblieben und im Zweifel mit seinen Kameraden gestorben wäre – bis wir eben erfahren, dass er der Navigator war und seine Freunde ohne ihn und seine Kursangaben keine Chance hatten, nach Benghasi zurückzukehren (was ansonsten, wie die Flugdauer der Maschine beweist, allemal möglich gewesen wäre), und der Tod der Crew eben doch auf seine Kappe geht. Devlin und Gronke sind dann die zwei Seiten der Ermittler-Medaille. Gronke ist nicht böswillig, wenn er sich mehr oder minder auf Hamners Seite schlägt, sondern beurteilt die Lage anhand der vorliegenden Fakten (wiewohl er auch weiß, dass es ihm schaden kann, wenn er einem General unnötigerweise ans Bein pinkelt, was Hamner ihm auch verdeutlicht) – Devlin hat bei seinem Wunsch nach Aufdeckung der ganzen Wahrheit nicht mehr als ein Bauchgefühl und die Tatsache, dass er aus eigener Erfahrung weiß, wie es ist, wenn man in Panik eine falsche Entscheidung trifft (was einerseits dazu führt, dass Devlin und Hamner Gemeinsamkeiten finden können, andererseits aber auch das Motiv der reinen Wahrheitsfindung ein wenig abschwächt, wenn Devlin eben doch persönlich vorbelastet ist).

Naturgemäß kann bei dieser Prämisse nicht wahnsinnig viel „kinematisches“ passieren – es gibt ein, wie angedeutet, ein wenig Flugzeugaction aus dem Kriegsfilmarchiv als Flashbacks (die mich, das muss ich gestehen, in Art und Weise ihrer Einbindung mächtig an die „Macho Grande“-Passagen aus „Die unglaubliche Reise in einem verrückten Flugzeug“ erinnerten. Würde mich nicht tierisch überraschen, wenn die ZAZler den Streifen mal gesehen und zumindest andeutungsweise in ihr Opus Magnum eingearbeitet hätten), ansonsten stehen und sitzen die Protagonisten im und ums Flugzeugwrack herum und debattieren. Was aber nicht langweilig wird – es packt genau so, wenn Mac, der versucht, so etwas wie militärische Disziplin zu warten, der hitzköpfige Italo-Amerikaner Tony, der emotional zwischen den Extremen pendelt, aber auch derjenige mit den Ideen ist, oder der depressive Gant ihre Möglichkeiten ausloten, wie wenn Devlin Gronke bei seiner Soldatenehre zu packen versucht, nicht nur auf mehr Lametta zu hoffen, oder Hamner von den Dämonen seiner Vergangenheit heimgesucht wird und Trost im Wodka sucht.

Stanley muss da als Regisseur nicht viel mehr tun als die Kamera auf seine Darsteller zu richten, und die erledigen dann schon ihren Job. Was nicht heißt, dass Stanley und sein Kameramann James Crabe (später mit Major-Produktionen wie „Rocky“ und „Karate Kid“ befasst, also offenbar auch ein Spezl von John G. Avildsen) eingie interessante Kamerafahrten und -einstellungen aus dem Händchen zaubern und die drohende Eintönigkeit aus beige und blau immer wieder mit einem kleinen Kabinettstückchen auflockern. Der Score von Paul Glass („Bunny Lake is Missing“, „Lady in a Cage“, „Die Braut des Satans“) passt sich angenehm der melancholischen Stimmung des Films an.

Die Produktion hat zum Glück auch überwiegend die Schauspieler zur Verfügung, die sie verdient. Vince Edwards („Space Raiders“, „Mission to Kill“), den ich bislang primär für einen gepflegten overacter hielt, legt hier eine nuancierte Vorstellung hin, vermutlich im Wissen, gegen den König des Overacting, William Shatner, in der Diszplin eh keinen Stich zu sehen und dann lieber zurückgenommen zu agieren. Shatner himself hat, zum Vorteil des Films, keine Haupt-, sondern nur wichtige Nebenrolle, in der er mehr oder minder als Ein-Mann-Greek-Choir die Entwicklungen rekapituliert und sich nicht aktiv in die Handlung drängt – aber sein Monolog, in dem er Devlin seine Motivation erklärt, im Zweifel pro Hamner zu entscheiden, weil man dem Militär nicht in die Hand beißt, wenn es einen füttert, ist ein Shatnerism at its best, der mit dramatischen Klassik-Klängen unterlegt und auf CD gepresst werden sollte. Der verdiente Alt-Mime Richard Basehart („Moby Dick“, aber von 1958, „Vierzehn Stunden“, „Das Lied der Straße“) gibt Hamner, der in den Händen eines schlechteren Akteurs leicht zur Karikatur hätte werden können, mehr Tiefe als man bei einem kleinen billigen TV-Film erwarten darf. Eine couragierte Vorstellung bietet Lou Antonio als Tony, dem Star-Trek-Fan als „schwarz-weiß“-Wesen Lokai aus der Original-„Enterprise“-Folge „Let That Be Your Last Battlefield“ bekannt, und später selbst durchaus erfolgreich als TV-Regisseur, u.a. für Serien wie „Picket Fences“ und „Boston Legal“. Lawrence Casey (Gant) tauchte später u.a. im Chuck-Norris-Vehikel „Black Tiger“ auf, und spielt hier sehr anständig den ganz besonders unter der Situation leidenden Gant. Und den Bombercommander Mac mimt niemand anderes als der Sohn des Duke, Patrick Wayne, der ja mit zweifelhaftem Erfolg versuchte, die gigantischen Fußstapfen seines Daddys zu füllen, aber nur selten andeuten konnte, auch etwas Talent geerbt zu haben – hier allerdings zeigt er, dass er durchaus was kann.

Die UK-Veröffentlichung kommt im „dual format“, also mit Blu-Ray und DVD in einer Hülle. Die Bildqualität ist so gut wie man es bei einem fast fünzig Jahre alten Fernsehfilm, um dessen Konservierung sich nie jemand gesteigerte Gedanken gemacht haben dürfte, erwarten kann – stellenweise wird’s sehr sehr grobkörnig, andere Passagen sind aber kristallklar. Als Extras gibt’s leider nur eine Still Gallery, aber auch hier – was will man erwarten, auch wennn einige Beteiligte noch zur Verfügung stünden.

Insgesamt aber für einen „erwarten-se-nix“-Film eine wirklich positive Überraschung – ein schickes, kleines, gut gespieltes übernatürliches Drama, das zeitlose Themen aufgreift, die auch außerhalb eines militärischen Rahmens ihre Gültig- und Diskussionswürdigkeit besitzen – ein kleiner Geheimtipp für den Freund des eher Obskuren.

(c) 2017 Dr. Acula


BOMBEN-Skala: 3

BIER-Skala: 7


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