So finster die Nacht

 
  • Deutscher Titel: So finster die Nacht
  • Original-Titel: Lat den rätte komma in
  • Alternative Titel: Let the Right One In | Let the Right One In - So finster die Nacht |
  • Regie: Tomas Alfredson
  • Land: Schweden
  • Jahr: 2008
  • Darsteller:

    Kåre Hedebrant (Oskar)
    Lina Leanderssson (Eli)
    Per Ragnar (Håkan)
    Peter Carlberg (Lacke)
    Ika Nord (Virginia)
    Patrik Rydmark (Conny)
    Cayetano Ruiz (Lehrer Avila)
    Karl-Robert Lindgren (Gösta)
    Rasmus Luthander (Jimmy)


Vorwort

Thema des heutigen Reviews ist „So finster die Nacht“, der schwedische Vampirfilm nach dem nicht minder schwedischen Bestsellerroman von John Ajvide Lindqvist. Der Streifen hat im Badmovies.de-Forum eine kleine Kontroverse ausgelöst, was seine Interpretation anbelangt. Einer für BM-Verhältnisse kurzen Inhaltsangabe folgt nun eine umso ausführlichere Analyse aus meiner Sicht, was diesen Punkt anbelangt. Viel Spaß beim Lesen!

Wir schreiben das Jahr 1981 und finden uns im Stockholmer Vorort Blackeberg wieder: Oskar leidet darunter, dass er in der Schule von Conny und dessen Kumpels auf regulärer Basis gehänselt, gedemütigt und gequält wird. Die Freizeit vertreibt er sich damit, Zeitungsausschnitte über Morde, Massaker und andere lustige Sachen zu sammeln und mit dem Messer auf Bäume einzustechen, während er sich dabei vorstellt, seine Peiniger vor sich zu haben. Dabei wird er von Eli beobachtet, einem Mädchen, das jüngst zusammen mit ihrem Vater Håkan in die Wohnung neben der von Oskar eingezogen ist. Sie riecht komisch, trägt trotz der Kälte nur leichte Sachen und stellt als erstes klar: „Wir können keine Freunde werden. Nur dass du das weißt.“
Doch Oskar kriegt sie nicht mehr aus dem Kopf und leiht ihr bei der nächsten Begegnung einen Zauberwürfel aus (den sie unmenschlich schnell löst). Die beiden freunden sich an, treffen sich abends regelmäßig zum Quatschen und Spielen und unterhalten sich mittels Morse-Code durch die Wand. Allmählich verliebt Oskar sich in das geheimnisvolle Mädchen.

Was er jedoch nicht weiß: Eli ist ein Vampir und Håkan nicht ihr Vater, sondern… Naja, so richtig klar wird das nicht, aber jedenfalls passt er auf sie auf und bemüht er sich, frisches Blut für sie zu besorgen, weswegen er in einem Waldstück im Nachbarort Vällingby einen Jugendlichen anspricht, ihn mit Halothan betäubt, an einem Baum aufhängt und mittels eines Kehlenschnitts ausblutet. Zumindest ist das der Plan, denn bevor er seine Arbeit beenden kann, wird er von einem Pudel sowie den zugehörigen Fußgängern gestört und muss unverrichteter Dinge die Flucht ergreifen. (Für den Jungen kommt jede Hilfe zu spät.)
Vom Hunger getrieben, geht Eli selbst los und lockt einen gewissen Jocke unter einen Bahnübergang, indem sie sich verletzt stellt. Als er ihr helfen will, saugt sie ihn aus und bricht ihm das Genick – selbiges beobachtet der Katzennarr Gösta von seiner Wohnung aus und rennt sofort zu Jockes Freunden; insbesondere Lacke, der beste Freund des Toten, ist besorgt. Als man zusammen die Stelle untersucht, findet man zwar Blut, doch die Leiche wurde inzwischen von Håkan weggeschleift und in einem nahe gelegenen Gewässer entsorgt.
Dieser versucht es noch einmal und findet sein nächstes Opfer im örtlichen Schwimmbad. Als er sich jedoch gerade an die schmutzige Arbeit machen will, wird er von den Freunden des Jugendlichen entdeckt. Bevor sie ihn erwischen und an die Polizei weitergeben können, schüttet er sich ein Glas mit Säure über das Gesicht – damit will er nicht nur seinem Leben ein Ende setzen, sondern auch verhindern, dass man ihn hernach identifizieren und zu Eli zurückverfolgen kann. Doch er hat Pech, überlebt und landet schwer entstellt im Krankenhaus. Dort findet ihn schließlich Eli, trinkt sein Blut und tötet ihn, indem sie ihn aus dem siebten Stockwerk fallen lässt.

Oskar findet in der Zwischenzeit dank Eli das Selbstvertrauen, sich bei Sportlehrer Avila zum Krafttraining anzumelden und setzt sich auf einem schulischen Eislauf-Ausflug gegen Conny zur Wehr, indem er ihm eine Kunststoff-Stange um die Ohren haut, die er am Ufer gefunden hat – zufälliger- und lustigerweise ist es dieselbe, mit welcher Håkan damals Jocke weiter ins Wasser gestoßen hat. Apropos Jocke: Während Oskar sich über seinen Triumph freut, finden zwei kleine Mädchen die tiefgefrorene Leiche von Elis Opfer.
Unser Protagonist erzählt dem Vampirmädchen voller Stolz von seiner Tat, als er aber mit ihr Blutsbrüderschaft schließen will, muss er entgeistert mit ansehen, wie sie sein Blut vom Boden leckt. Bevor Schlimmeres passieren kann, rennt sie davon.
Während Oskar diese Entdeckung macht, haben Jockes Freunde von dem Leichenfund erfahren. Außer sich vor Trauer stößt Lacke seine Freundin Virginia vor den Kopf – als er ihr nachläuft und sich bei ihr entschuldigen will, kriegt er gerade noch mit, wie sie von der hungrigen Eli (Oskars Blut hat ihren Appetit angeregt) angegriffen wird. Er kann den Vampir zwar vertreiben, doch Virginia hat sich bereits angesteckt und wandelt sich selbst zum Ungeheuer. Überwältigt von ihrem neuen Blutdurst, geht sie zu Gösta, um sich seinen Lebenssaft zu holen, zögert jedoch, als sie dort auch Lacke begegnet (selbiger wollte grad den Haustierfreund davon überzeugen, endlich zur Polizei zu gehen und auszusagen). Allfällige Aussprachen müssen warten, weil Virginia von Göstas Katzen angegriffen wird und sich beim Sturz die Treppe runter schwere Verletzungen zuzieht, so dass sie im Krankenhaus landet. Dort kommt sie zu der Einsicht, dass sie nicht als Vampir weiterleben und stattdessen Selbstmord begehen will: Sie bittet ihren Krankenpfleger, die Jalousien hochzuziehen, und verbrennt im Licht der Sonne bei lebendigem Leibe.

Oskar ist inzwischen aus der Hütte seines Vaters abgehauen (weil der sich mehr für einen Kumpel, der zu Besuch kommt, und Schnaps interessiert als für seinen Sohn) und hat sich heimlich zurück nach Blackeberg geschlichen, um Eli zur Rede zu stellen. Sie gesteht ihm, dass sie ein Vampir ist (oder zumindest so was Ähnliches), er geht zunächst auf Distanz – als sie ihn später in seiner Wohnung besuchen will, fordert er sie dazu heraus, ohne eine Einladung hereinzukommen. Als sie aus allen Poren zu bluten beginnt, bereut er das: „Du darfst reinkommen!“ Die beiden schließen Frieden miteinander.

Nach dem Tode Virginias endgültig am Boden zerstört, hat Lacke inzwischen in seinem Gedächtnis gekramt: Als damals Håkan und Eli eingezogen sind, hat er das Mädchen zwar nicht gesehen, aber mitbekommen, wie ersterer die Fenster der Wohnung mit Karton abgedeckt hat. Er zählt zwei und zwei zusammen und begibt sich eben dorthin, wo er tatsächlich das Vampirkind findet. Als er es töten will, wird er jedoch von Oskar abgelenkt, was Eli die Gelegenheit gibt, den Eindringling umzubringen.

Da Blackeberg offensichtlich zu einem gefährlich Pflaster geworden ist, verlässt Eli die Gegend und damit Oskar. Der kriegt tags darauf einen Anruf von Martin (ein Kumpel Connys, der sich seit dem Vorfall beim Eislaufen bei ihm einschleimt): Avila habe danach gefragt, ob er nicht wieder zum Training in die Schwimmhalle kommen wolle. Oskar sagt zu und geht hin, natürlich ohne eine Ahnung davon zu haben, dass das Telefonat von Jimmy, Connys großem Bruder, veranlasst wurde. Vor Ort wird dann der Sportlehrer mittels eines angezündeten Müllcontainers nach draußen gelockt, während drinnen Jimmy, Conny und Co. die anderen Schüler vertreiben, um mit Oskar in Ruhe eine „Wette“ abzuschließen: Schafft er es, drei Minuten unter Wasser zu bleiben, kriegt er von Jimmy nur einen kleinen Ritz mit dem Messer. „Schaffst du’s nicht, stech ich dir ein Auge aus, Schweinchen.“ Von Jimmy gewaltsam unter Wasser gedrückt, droht er zu ertrinken, doch da: Eli kommt ihm zu Hilfe und zergort die Angreifer brutalst.

Zuletzt sehen wir, wie Oskar mit dem Zug verreist und mit dem Finger per Morsecode auf ein Klopfen aus einem großen Reisekoffer antwortet…


Inhalt

Ursprünglich war John Ajvide Lindqvist mal Zauberer, Stand-Up-Comedian, Gagschreiber für berühmtere/erfolgreichere Kollegen und hat sich als (nach eigenen Angaben untalentierter) Dramatiker versucht. Irgendwann in seinen frühen Dreißigern wurde ihm bewusst, dass er mit seiner Gesamtsituation unzufrieden ist, hat sich daran erinnert, von Kind auf ein Fan des Horror-Genres gewesen zu sein (mit einer Vorliebe für entsprechende Filme, Pulp-Magazine swoie Stephen-King-Romane) und einfach mal aus Spaß an der Freude eine solche Kurzgeschichte verfasst. Daran habe er dann so viel Gefallen gefunden, dass er prompt seinen ersten Roman schrob: Låt den rätte komma in (der Titel ist eine Anspielung auf den von Lindqvist geschätzten Sänger Morrissey). In dem Buch einerseits seine Kindheit verarbeitend (er ist tatsächlich in Blackeberg aufgewachsen, viele der Figuren basieren auf realen Personen und in der Schule erlebte der Autor selbst Mobbing), beschäftigte er sich andererseits mit einem der ältesten Archetypen der unheimlichen Literatur, nämlich dem Vampir (ach ne! In späteren Büchern setzte er sich übrigens mit Zombies, Trollen und Geistern auseinander – teils sind da bereits weitere Verfilmungen im Anmarsch).

Damit stieß er in einem Land, das kaum eine entsprechende literarische Tradition hatte (selbst im schwedischen Film finden sich allenfalls Stummfilme wie „Der Fuhrmann des Todes“ oder vereinzelte Ingmar-Bergman-Streifen), etwas ganz Neues an (wobei man den düsteren Schwedenkrimi à la Mankell beinahe schon als direkten Vorgänger bezeichnen könnte). Und er hatte Erfolg damit, wurde das Buch doch zu einem ausgesprochenen Hit (nachdem Lindqvist lange Probleme hatte, einen interessierten Verlag zu finden), nicht nur in Schweden, sondern auch international. So nimmt es nicht wunder, dass baldigst eine Verfilmung in die Wege geleitet wurde. (Wie das Buch hat dann auch der Streifen einiges an internationaler Aufmerksamkeit auf sich gezogen, allerdings blieb er eher ein Achtungserfolg – in den USA zum Beispiel startete er gerade mal in knapp 50 Kinos.)

Lindqvist durfte sich unter zig Regisseuren einen aussuchen und entschied sich schließlich für Tomas Alfredson, der bis dahin vor allem mit Komödien aufgefallen war (nicht zuletzt als langjähriges Mitglied der Komikertruppe Killinggänget) – immerhin, für einzelne Dramen zeigte er sich ebenfalls verantwortlich. (Konserquenterweise verweigert er sich heute trotz des Erfolges von „So finster die Nacht“ vehement dem Stempel eines Horror-Regisseurs und hat als nächstes, fast schon aus Trotz, in Stockholm „My Fair Lady“ auf die Bühne gebracht.) Ausschlaggebend war für Lindqvist angeblich Alfredsons über dreistündige Tragikkomödie „Fyra nyanser av brunt“ (auch ein Killinggänget-Projekt).

Für das Drehbuch adaptierte der Romanautor seine Geschichte höchstselbst (wenn auch mithilfe eines Script Consultant und im stetigen Austausch mit Alfredson, der im Zweifelsfalle das letzte Wort behielt), was vor allem hieß, einen ziemlich dicken Schinken (das Buch hat in der deutschen Übersetzung mehr als 600 Seiten – frühe Drehbuchfassungen waren dann auch für einen Zweiteiler gedacht) auf ein sozialverträgliches Maß runterzustutzen. Konkret heißt das, dass für den Film nicht nur ganze Subplots, Passagen und Handlungs-Aspekte außen vor gelassen wurden, sondern auch das, was übrig blieb, einen weitaus komprimierteren Eindruck macht als im weitläufig erzählten Roman. Während dort alles ausführlich erklärt wird, herrschen hier erzählerische Raffung und Andeutungen vor – weswegen man sich den Film (sofern ohne Kenntnis der Vorlage) aufmerksam angucken muss, um alle Details mitzukriegen (wie z.B. Lacke auf Elis Versteck kommt). Es hat vor allem auch zur Folge, dass die Verfilmung bezüglich vieler Elemente mehr Interpretationsmöglichkeiten offen lässt und dass es einige äußerst interessante Akzentverschiebungen gibt. In dieses Feld spielen dann auch die Fragen um die beiden grundsätzlichen Interpretationsmöglichkeiten hinein, um die es im Folgenden gehen soll.

Die Natur des Vampirs

Kurz gesagt gibt es zwei verschiedene Blickwinkel auf den Film, die ich wie folgt beschreibe:

Die romantische Rosarote-Brille-Perspektive: In Oskar und Eli finden sich zwei vom Leben gezeichnete Außenseiter, die an der Welt zu verzweifeln drohen, aber im jeweils anderen ihre wahre Liebe finden und zusammen die feindliche Umwelt überwinden sowie auf ein besseres Leben hoffen können.
Die unromantische Realisten-Perspektive: In Oskar und Eli finden sich zwei psychopathische Gewalttäter, welche eine höchst zerstörerische Beziehung ohne Zukunft eingehen, die Oskar als Opfer einer manipulativen Eli ins Verderben führen wird.

Während ein Grossteil von Publikum und Rezensenten erstere Perspektive vertritt, sehe ich mich auf der Seite, welche diese radikal hinterfragt. Im Folgenden zähle ich auf, aus welchen Gründen ich zu meiner Ansicht komme:

Oskar ist ein Gewalttäter, dessen dunkler Seite Eli zum Ausbruch verhilft: Als Oskar Eli kennen lernt, befindet er sich in einer schwierigen Lebenssituation, soll heißen, er wird von Conny und seinen Spiessgesellen in der Schule regelmäßig gehänselt (man erniedrigt ihn zum „Schweinchen“, schlägt ihn mit Ästen – auch ins Gesicht –, droht ihm, ihn in ein Eisloch zu werfen, etc.). Freunde hat er keine und Unterstützung findet er weder bei seiner Mutter (die alleinerziehend, berufstätig sowie selten Zuhause ist und unter einer gemeinsamen Abendgestaltung versteht, sich mit ihrem Kind vor den Fernseher zu hocken – konsequenterweise wird sie zum größten Teil von hinten gefilmt und ist auch sonst selten richtig im Bild; sie ist nicht wirklich ein Teil von Oskars Welt), noch beim Vater (der mehr an Schnaps und seinem Kumpel interessiert ist als an seinem Sohn), noch bei den Lehrern (die vom Mobbing nichts mitzukriegen scheinen). Da er sich nicht wehren kann, muss er Ohnmacht und Wut anderswo kanalisieren: Er sammelt Zeitungsberichte über Mörder und lebt seine Gewaltfantasien aus, indem er mit einem Messer schreiend auf einen Baum einsticht (im Buch kommen Inkontinenz, Ladendiebstahl, Allmachtsfantasien und Feuerlegen hinzu, was Oskar in die Nähe eines Triebtäters oder Serienkillers rückt) – in einer solchen Situation wird er das erste Mal plötzlich auf Eli aufmerksam. Der Vampir ermutigt ihn dann dazu, zurückzuschlagen, und lobt ihn, nachdem er sich endlich getraut hat: Oskar versetzt Conny mit einer Plastik-Stange einen Schlag gegen die Schläfe, was eine schwere Verletzung am Ohr nach sich zieht – als er seinen ehemaligen Peiniger schreiend und blutend vor sich knien sieht, geht im dem Anschein nach fast einer ab. (Seltsamerweise wird er weder von den Eltern – die Mutter ist wohl zu schwach, der Vater zu verantwortungslos – noch von den Lehrern bestraft, jedenfalls sehen wir nichts dergleichen.) Oskar ist ein Junge voller aufgestauter Wut und unterdrückter Gewaltbereitschaft, Vergleiche zu Amokläufern an Schulen drängen sich auf – doch erst Eli hilft seinem Verhalten auf die nächste Stufe.

Eli ist ein Monster und ein Spiegelbild Oskars: Nachdem Oskar Conny wie beschrieben verletzt hat, eskaliert die Situation, als dessen älterer Bruder Jimmy sich einmischt. Er stellt unseren Protagonisten in einem Schwimmbad und droht, ihm ein Auge auszustechen, sofern er es nicht schafft, drei Minuten unter Wasser zu bleiben. Da greift Eli ein und zerstückelt die Übeltäter aufs blutigste (abgerissene Köpfe und Arme, juhu!) – was Oskar (noch) nicht sebst schafft, übernimmt der Vampir für ihn (wie er es Oskar schon damals versprochen hat, als er ihn beschwor, zurückzuschlagen). Dieser Gewaltausbruch jenseits aller Verhältnismäßigkeit ist für den Vampir nur folgerichtig, der aufgrund seiner Natur (er muss töten, um zu überleben) ein zutiefst gewalttätiges Wesen ist. Er ist geradezu die Personifizierung der Gewalt, die sich in Oskar (aufgrund der Hänseleien) aufgestaut hat, und es ist sicher kein Zufall, dass Eli ihm während eines Wutausbruchs das erste Mal gegenübertritt (später spricht er Oskar mit Bezug auf diese Szene explizit darauf an, wie ähnlich sie sich sind). Man beachte auch, dass beide im gleichen Alter sind (zumindest äußerlich), dass zudem Eli, entgegen dem, was man zunächst annimmt, wie Oskar ein Junge ist (letzteres kommt im Buch deutlicher rüber, wird aber auch im Film halbwegs klar gemacht: zweimal deutet Eli an, dass er kein Mädchen ist, und der – allerdings sehr kurze – Blick auf seine Scham lässt nur die Interpretation einer Kastrierung zu). Da könnte man fast schon auf den Gedanken kommen, Oskar für schizophren und Eli für einen Ausdruck seiner multiplen Persönlichkeit zu halten; tatsächlich bietet Tomas Alfredson in Interviews die Deutung an, dass Eli nichts als ein Traum, eine Fantasie von Oskar sei (versinnbildlicht in der Szene, in welcher Oskar nach Elis Wegzug durch seine leere Wohnung geht, als habe dieser nie existiert) – diese Sicht ist mir dann allerdings zu weit hergeholt, allzu oft agiert der Vampir mit anderen Menschen. Wie dem auch sei: Zunächst besteht noch ein Unterschied zwischen den beiden, wie Eli ganz richtig erkennt: Er selbst töte zum Überleben (womit er auch moralischen Bedenken widerspricht), Oskar wolle aus Rache töten (wobei man anmerken könnte, dass das mit dem Eisloch für ihn auch eine Frage des Überlebens ist). Er überbrückt diesen Unterschied jedoch, als er die Bitte ausspricht: „Werd ein wenig wie ich“. Indem Oskar Eli hinein bittet, lässt er den Vampir auch in seine Seele hinein, wird wie er. Seine Wandlung ist abgeschlossen, nachdem er Eli geholfen hat, Lacke umzubringen, und wird besiegelt durch einen blutigen Kuss (als dann seine Mutter mit ihm schimpft, als er nach Hause kommt, achtet er gar nicht mehr auf sie: Er lebt in einer anderen Welt, Elis Welt). In der Schwimmbad-Szene wird endgültig klar: Eli und Oskar müssen Gewalt anwenden, um gegen die feindliche Umwelt bestehen zu können – das ist nicht tragisch, sondern eine Frage der Dinge, wie sie halt sind. Die Gewalt wird von den Protagonisten und dem Film nicht mehr hinterfragt (das muss der Zuschauer schon selbst machen).

Die gemeinsame Zukunft von Oskar und Eli bietet wenig Anlass für Optimismus, das Happy End ist ein scheinbares: Im Buch ist Håkan ein pädophiler Lehrer, der Eli kennen lernt, nachdem er seine Stelle verloren hat – er ist angezogen von dessen kindlichem Körper und tut deshalb alles für ihn (er fordert allerdings auch). In der Verfilmung wird dieser Punkt fallen gelassen (selbst Håkans Opfer sind hier merklich älter als in der Vorlage), wie wir ja allgemein nichts über Håkans Vergangenheit erfahren; selbst die in einer einzelnen Szene dargestellte Zärtlichkeit zwischen den beiden lässt sich nicht so einfach als Hinweis auf eine pädophile Seite Håkans heranziehen –, was es uns umso besser ermöglicht, Parallelen zwischen Håkan und Oskar zu ziehen: Kennt Håkan Eli auch schon seit Kindertagen? Hat ihre Beziehung ähnlich begonnen wie die zwischen Eli und Oskar, wird sich diese wiederum auf die gleiche Art und Weise entwickeln? Es drängt sich die Vorstellung geradezu auf, dass Oskar ein Ersatz-Håkan ist und dass er wie dieser enden wird. Man beachte, dass Oskar Conny mit derselben Plastik-Stange schlägt, mit welcher zuvor Håkan Jocke weiter ins Wasser gestoßen hat (!). Unter diesem Blickwinkel steht das angebliche Happy End im Schatten eines großen Fragezeichens: Wie sieht die Beziehung zwischen Oskar und Eli in einigen Jahrzehnten aus, wenn ersterer schon längst im fortgeschrittenen Alter ist, während zweiterer immer noch im Körper reines Zwölfjährigen steckt? (Womit sich auch Oskars gewalttätige Seite nicht ändert, sofern man Eli gemäß der Spiegel-Hypothese als deren Verkörperung ansieht.) Liegen sie dann immer noch gemeinsam im Bett? Tötet Oskar für Eli, wie Håkan für ihn getötet hat? Natürlich ist dieses Ende nicht eindeutig, aber wer sich einfach mit der romantischen Sicht zufrieden gibt, redet sich möglicherweise unangebracht ein Happy End herbei und wird der Ambivalenz des Werkes, die selbiges doch grade so großartig macht, nicht gerecht. Natürlich kann man ein Weiterdenken des Endes als Zeitverschwendung titulieren, darauf bestehen, dass die Frage nach der innergeschichtlichen Zukunft nicht angemessen sei, weil die innergeschichtliche Gegenwart wichtiger sei, oder Hitchcocks Ausspruch „it’s only a movie“ zitieren. Doch damit verschließt man sich meiner Meinung nach nicht nur interessanten Interpretationsmöglichkeiten, sondern verpasst damit auch einen wichtigen Punkt, den der Film ja gerade macht.

Eli manipuliert Oskar bewusst dahin, ihn zu seinem Diener zu machen: Denkt man vorherigen Punkt konsequent durch, landet man schnell bei der Frage, ob Eli sich Oskar nicht durchaus bewusst als Ersatz für Håkan aussucht. Wir wissen, dass er Oskar dabei beobachtet hat, wie er mit einem Messer auf einen Baum einsticht – hat er sein mörderisches Potential erkannt und will sich dieses nutzbar machen? Eli ist auf jemanden angewiesen, der tagsüber Wache hält und für ihn nach Möglichkeit Blut besorgt, damit er nicht Gefahr läuft, erwischt zu werden (wie anhand vom „Fall Lacke“ sehen, besteht das Risiko durchaus – eine Frage der Moral ist das meiner Meinung nach nicht). Auch wenn Håkans Erfolgsquote keine hundertprozentige ist – zumindest gemäß dessen, was wir im Film sehen (wie er sich bei früheren Gelegenheiten angestellt hat, wissen wir nicht) – und es bei Oskar noch eine Weile dauern könnte, bis er ein effektiver Mörder wird (dass er einer wird, drängt sich, wie gesagt, auf): Eine Hilfe sind beide ohne Zweifel, das sehen wir in der filmischen Gegenwart. Wenn er sich also mit Oskar anfreundet, hat er tatsächlich keine anderen Motive als reine Freundschaft? Wenn er sich nackt zu ihm ins Bett legt und ihm mit den Fingern über den Arm streicht, ist das eine harmlose Zärtlichkeit, oder bewusste Verführung? (Die sexuelle Komponente aufgrund des Alters der beiden einfach beiseite zu schieben, ist leichtsinnig – auch wenn er noch ein halbes Kind ist, weiß Oskar immerhin annähernd, was es heißt, miteinander zu gehen – und wenn wir uns vor Augen führen, dass Eli nur äußerlich ein Teenager, in Wirklichkeit aber viel älter ist, können wir bei ihm nicht einfach von einer kindlichen Sicht auf Liebe und Co. ausgehen.) Ist Eli innerlich tatsächlich ein naives Kind geblieben, oder lügt er und weiß besser Bescheid, als er zugibt? Seine konsequente Freundlichkeit gegenüber Oskar macht einen misstrauisch, wenn man sich vor Augen führt, wie er Håkan beschimpft oder ihn von seinem Platz vertrieben hat (und seine zärtliche Geste seinem väterlichen Freund gegenüber steht im Widerspruch zu der Lieblosigkeit, mit der er ihn aus dem Fenster des Krankenhauses fallen lässt, nachdem er ihm das Blut ausgesaugt hat). Wohlgemerkt, Eli muss nicht unbedingt grausam oder „böse“ sein, aber er scheint sein Überleben konsequent zu verfolgen und dabei wenig Gewissensbisse zu haben (wie gesagt, rechtfertigt er sich gegenüber Oskar damit, nur zu töten, weil er nicht ohne Blut leben kann).

Man sieht also: Wer sich mit dem romantisierenden Blick auf die Beziehung zwischen Eli und Oskar zufrieden gibt, übersieht fahrlässig deren Ambivalenz, die den Film doch gerade so reizvoll macht. Und offenen Auges kommt man fast nicht umhin, das Happy End infrage zu stellen.

Friede, Freude, Eierkuchen ist eh nicht Sache eines Filmes, der sich vor einem geradezu erdrückenden Hintergrund abspielt. Wie oben erwähnt, hat Lindqvist in dem Roman angeblich seine Kindheit verarbeitet, doch ist das offensichtlich nicht der einzige Grund, weshalb die Geschichte im Jahre 1981 spielt. Man könnte auf das sogenannte Volksheim und auf die düstere Seite eines im Grunde begrüßenswerten Sozialsystems hinweisen, in dessen Rahmen der Bürger kontrolliert wird und sich mit einer restriktiven Staatsmacht konfrontiert sieht, die sich gegen alles Nonkonforme richtet. Als wichtiger empfinde ich aber noch den Einfluss des Kalten Krieges und der wirtschaftlichen Probleme: Als im Oktober 1981 ein gestrandetes sowjetisches U-Boot vor der Küste Schwedens entdeckt wurde, wuchs im neutralen Schweden die Furcht vor den Russen und die Entspannungspolitik von Premierminister Olof Palme wurde unterminiert (wobei der Konflikt dem Anschein nach auch von den Westmächten angeheizt wurde – man informiere sich auf Wikipedia über die schwedische U-Boot-Affäre). Die daraus resultierenden Ängste, der reale Horror vor einem Atomkrieg einerseits schlägt sich auf die Handlung in „So finster die Nacht“ ebenso nieder wie andererseits die Folgen der Ölkrise von 1979 und der Wirtschaftskrise Anfangs der Achtziger, mit denen auch Schweden zu kämpfen hatte: Lacke erscheint angesichts dessen als der typische Sozialverlierer, alkoholkrank und arbeitslos. Wie ein Hohn wirken da die massiven Wohnblöcke von Arbeitervierteln wie Blackeberg, die zu einer Zeit entstanden sind, als Schweden wirtschaftlich noch auf der Höhe war (auch deshalb, weil der Zweite Weltkrieg kaum Schäden hinterlassen hatte) – als man sich zudem noch ein Sozialsystem leisten konnte, wie es Anfangs der Achtzigerjahre langsam zusammenzubrechen droht. Daher Lackes eher zynische Bemerkung, dass man sich in Schweden nur auf die Strasse legen müsse, um Hilfe zu kriegen, daher seine Ausführungen zu Blackeberg, das schon in seiner Architektur einen nicht näher definierten „Fehler“ habe, der immer schlimmer werde.

Unter diesen Voraussetzungen scheint der Einbruch des übernatürlichen Bösen nur folgerichtig: Aus dem politischen und wirtschaftlichen Horror heraus hebt Eli das Haupt. Aber auch er ist von der Zeit geprägt, nicht nur, weil er sich von den Schlössern und Kastellen runter in die Vororte von Stockholm begeben hat (zumindest ist Skandinavien mit seinen langen Nächten und den dünn besiedelten Gebieten für jeden Vampir die logische Wahl, wenn es um den Wohnort geht), oder nicht mehr im Sarg, sondern in der Badewanne schläft: Er ist nicht der glamouröse Vampir, wie man ihn von Stoker oder Le Fanu kennt, er ist ein armseliges, ungepflegtes und stinkendes Wesen, das ohne Blutnachschub schnell abgehärmt wirkt, sich angesichts von Blut kaum unter Kontrolle hat, seine Beute brutal tötet und dabei eine Riesensauerei macht. Da ist wenig von Würde oder Grazie geblieben und die erotische Komponente fällt angesichts des äußerlich niedrigen Alters weitgehend weg. Oder fällt dann in den Bereich von Teenagerliebe, bzw. Pädophilie – wobei der richtige Begriff wohl Ephebophilie wäre. Egal. (Man ziehe übrigens mal Claudia, das Blutsaugermädchen aus „Interview mit einem Vampir“, zum Vergleich heran.)
Apropos Sexualität: Wie oben erwähnt, hält sich der Film im Vergleich zum Roman in Sachen Deutlichkeit zurück, was die Tatsache anbelangt, dass Eli in Wirklichkeit ein Junge ist. Dass er Oskar selbiges zweimal (allerdings eher indirekt) gesteht, ignoriert dieser geflissentlich (und der Zuschauer kann es im Sinne von „kein menschliches Mädchen, sondern ein weiblicher Vampir“ verstehen), und bei dem kurzen Blick auf seinen Intimbereich muss man schon genau hingucken (nicht sooo genau, Perversling!). Und dass es für Oskar im Buch einfacher ist, zu akzeptieren, dass Eli ein Vampir ist, als dass er ein Junge (und er selbst damit wiederum eine „schwule Sau“) ist, ist ein interessanter Aspekt, der in der Verfilmung leider wegfällt. Womit ich allmählich einen Bogen zum Anfang meiner Analyse schlagen und auf meinen einzigen Kritikpunkt am Film hinweisen will: Genau so, wie gewisse Aspekte bei der filmisch komprimierten Umsetzung der Vorlage unter die Räder kommen (darunter eben eigentlich wichtige Sachen wie die homoerotische Komponente oder Oskars Inkontinenz), so werden auch einige psychologisch ausgefeilte Neben-Hauptfiguren zu eindimensionalen Stichwortgebern degradiert: Lacke zum Beispiel verkommt zu einem bloßen Plot Device (Bedrohung für den Vampir), Jimmy wird zum Abziehbild eines gewaltgeilen Verrückten (im Buch ist seine Tat viel nachvollziehbarer).

Und um nochmals auf den Vampirmythos zurückzukommen: Selbiger wird in der Vorlage um einiges ausführlicher ausgebreitet und ist eine eigentümliche Mischung aus biologischen und metaphysischen Erklärungsansätzen – hier ist von der Metaphysik nur noch die Sache mit dem Reinbitten übrig geblieben, was so ganz auf sich allein gestellt irgendwie seltsam fehlplaziert wirkt. Aber da ist wohl die Erzähllogik der Analogie untergeordnet (man beachte den Filmtitel).
Alles in allem hat die Komprimierung von 600 Seiten auf eine Laufzeit von zwei Stunden und die Konzentration auf die beiden Hauptdarsteller nicht nur Vorteile.

Die Schauspieler

Apropos Konzentration auf die beiden Hauptdarsteller: Kåre Hedebrant (Oskar) und Lina Leandersson (Eli) geben hier ihr Schauspieldebüt, nachdem sie in einem einjährigen Casting-Prozess ausgewählt wurden. Dass der Film so gut funktioniert, ist zu einem großen Teil auf die grandiose Leistung der beiden zurückzuführen (und wohl auch auf Alfredson, der in seinen vorhergehenden Filmen einiges an Erfahrung mit Kinderdarstellern gesammelt hat). Lindqvist war übrigens zunächst dagegen, für die Rolle ein Mädchen zu besetzen, musste aber schließlich einlenken – Lenadersson wurde dafür (auch im schwedischen Original) nachsynchronisiert, weil ihre Stimme nicht tief genug war.
Im Vergleich zu Hedebrant und Leandersson kommen die erwachsenen Darsteller nur am Rande vor: Henrik Dahl und Karin Bergquist als Oskars Eltern sind, wie oben beschrieben, absichtlich im Abseits gehalten. Weitaus mehr Screenpräsenz hat da der altverdiente schwedische Schauspieler Per Ragnar als Håkan (der in seinen Szenen dann auch durchaus Eindruck macht – vor allem aber durch das heftige Ende seiner Figur).
Peter Carlberg als Lacke und Ika Nord als Virginia geben ein Vorzeige-Unterschichten-Paar ab (grad Carlberg mit seiner Säufer-Fresse bleibt einem im Gedächtnis); Patrik Rydmark wirkt als Conny vielleicht eine Spur zu harmlos für einen Klassenschläger.

Die Inszenierung

„So finster die Nacht“ ist sicher ein schön anzuschauender Film: Die Bilder von Hoyte Van Hoytema („Svidd Neger“, „Flickan“, mit dem Christian-Bale-Vehikel „The Fighter“ ist er in die USA gewechselt) sind teils atemberaubend, wobei das winterlich-nächtliche Schweden aber auch ein toller Schauplatz ist. Gedreht wurde übrigens zum Teil an Originalschauplätzen in Blackeberg, aber auch weiter oben im Norden in Siedlungen wie Luleå, die wie Blackeberg in den Fünfzigerjahren entstanden sind, aber aufgrund der klimatischen Bedingungen mehr Schnee zu bieten hatten.
Die Kameraarbeit wird zum größten Teil von langen, statischen Einstellungen beherrscht, selbst in spannenden Szenen nehmen weder Kamerabewegungen noch Schnittfrequenz zu (auch musikalisch wird kein Unterschied gemacht). Handlungen werden weniger in der Montage aufgelöst, als im Raum verteilt; bevorzugte Methoden sind die Fokussierung der Tiefenschärfe oder Bildkompositionen, die an einen Split Screen erinnern.
Der Blick der Kamera wirkt zudem meist neutral beobachtend, ungerichtet. Der Apparat steht vom Geschehen entfernt, wichtige Sachen passieren im Hintergrund oder gleich außerhalb des Bildausschnittes. Oftmals verhindert die Konzentration auf Details den Blick aufs Ganze, teils stehen Gegenstände im Weg oder verschleiern Dunkelheit und extreme Kamerawinkel die Sicht (was gelegentlich eine suggestive Wirkung hat). Hier wird nicht einfach draufgehalten, der Zuschauer muss sich die (visuellen) Informationen aktiv suchen.

Auch in Sachen Spezialeffekte geht es eher subtil zu – der Computer wird vor allem für Elis vergrößerte Augen im „Vampir-Modus“ oder ihre „Verälterung“ bei Hunger angeworfen. Ziemlich furchtbar sind allerdings Göstas CGI-Katzen in der Szene, in welcher Virginia von selbigen angegriffen wird – da wird einem bewusst, wie niedrig das Budget des Filmes im Grunde gewesen sein muss. Apropos Katzen: Wer genau hinguckt, erkennt in der Kiosk-Szene, dass der dortige Stubentiger wohl nicht so ausführlich gefaucht hat, wie Alfredson das wohl gern gehabt hätte, und daher zurück- sowie vorgespult wird (wenn ihr euch vorstellen könnt, wie ich das meine).
Was die Gewaltdarstellungen angeht, ist die FSK16-Freigabe durchaus gerechtfertigt, aber ein Splatter-Massaker für den anspruchsvolleren Gorehound ist „So finster die Nacht“ nicht. Abgesehen von einer gewissen Menge Kunstblut gibt es grade mal Håkans von Säure zerfressenes Gesicht (im Buch sind seine Verletzungen erheblich schlimmer; wer Aaron Eckhart in The Dark Knight gesehen hat, wird so schnell keine Albträume kriegen) und im Finale einen abgetrennten Kopf nebst einem ebenso abgetrennten Arm. Relativ heftig sind Virginias Verbrennung und der Sturz Håkans aus dem Krankenhausfenster.

Die Musik von Johan Söderqvist („Exit“, „Effi Briest“, „Tannöd“) ist ebenfalls von der unaufgeregten Art, dafür sehr melancholisch. Das Augenmerk (will sagen, Ohrenmerk) liegt auf den Streichern, teils kommt aber die Gitarre zum Einsatz. Ein wundervoller Soundtrack, der jedes CD-Regal aufwertet. Zur Ergänzung gibt’s vereinzelt alte Popsongs sowie Liedgut neueren Zuschnitts von Per Gessle (Roxette), das sich allerdings ganz nach den 80ern anhört.
Apropos Ton: Es lohnt sich, auf die subtile (schon wieder dieses Wort) Geräuschekulisse des Filmes zu achten. In einem Film, der von einer durchgehenden, erdrückenden Stille (auch das steht im Zusammenhang mit dem historischen Setting: keine Handys oder mp3-Player) geprägt ist, erhält jedes noch so kleine Geräusch eine Bedeutung.

Die DVD

Ich habe hier die Schweizer Silberscheibe von Ascot Elite vorliegen, die inhaltsgleich mit der deutschen DVD von Ascot Elite und MFA ist (einzig die Trailershow unterscheidet sich). Es stehen schwedischer (mit festen dt. Untertiteln) und deutscher Ton zur Verfügung – ich empfehle die Originaltonspur, denn die deutsche Synchro ist zwar nicht schlecht, aber die Stimmen kommen merklich steriler und ausdrucksärmer rüber. Mühsam ist, dass man Audiospur und Untertitel nicht während des Filmes mit der Fernbedienung wechseln kann, sondern hierzu jeweils zurück ins Audiomenü muss. Das gibt Punkteabzug.
Im Bonusbereich finden sich vier „Deleted Scenes“: Oskar wird auf der Toilette gequält; Oskar und Eli spielen ein „Rückenspiel“ (was die Szene, in welcher Eli zu ihm ins Bett steigt, in ein etwas anderes Licht rückt); Virginias kotzt sich die Seele aus dem Leib (ziemlich schwach getrickst); Elis und Oskars raufen sich in ihrer Wohnung. Dazu gibt’s den deutschen Trailer sowie die erwähnte Trailershow.
Dass es weder Making-of noch Audiokommentar gibt, ist übrigens böse Absicht: Alfredson versteht sich als ein „Filmmagier“, der seine Tricks nicht einfach so verrät. (Was ihn nicht davon abhält, in Interviews aus dem Nähkästchen zu plaudern.)

Fazit

Der originelle Ansatz zum Vampirmythos, die inhaltliche Ambivalenz, die ungewöhnliche, sorgsame Inszenierung, die Leistung der beiden Hauptdarsteller und die wundervolle Musik machen „So finster die Nacht“ zu einem der besten Horrorfilme der letzten Jahre, trotz gewisser Schwächen, die sich aus der Adaption der dicken Romanvorlage ergeben. Führt man sich vor Augen, dass hier zwei Neulinge im Horror-Genre am Werk waren, kommt man aus dem Staunen nicht mehr raus.
Es wird interessant zu sehen sein, was Matt Reeves („The Pallbearer“, „Cloverfield“) mit „Let Me In“, der kommenden US-Version, aus dem Thema machen wird. Gerüchten zufolge soll das kein Remake des schwedischen Streifens, sondern eine Neuverfilmung des Buches werden – da bietet sich natürlich die Gelegenheit, Aspekte aufzugreifen, die Alfredson und Lindqvist liegen gelassen haben. Ich bin gespannt…

(c) 2009 Gregor Schenker


BOMBEN-Skala: 1

BIER-Skala: 8


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