So Close – Nichts ist so wie es scheint

 
  • Deutscher Titel: So Close - Nichts ist so wie es scheint
  • Original-Titel: Chik yeung tin si
  • Alternative Titel: So Close |
  • Regie: Cory Yuen
  • Land: Hongkong
  • Jahr: 2002
  • Darsteller:

    Shu Qi (Lynn), Zhao Wei (Sue), Karen Mok (Hong), Seung-heon Song (Yen), Michael Wai (Siu Ma), Siu-Lun Wan (Chow Nunn), Sau Sek (Chow Lui), Yasuki Kurata, Derek Wan


Vorwort

Die Schwestern Lynn und Sue verdienen ihren Lebensunterhalt als Profi-Killerinnen – Lynn ist zuständig für die Martial Arts und Gunplay-Einlagen, Sue bedient von zu Hause aus a la Oracle das ausgefuchste Computersystem der Grazien – dank einer genialen Erfindung ihres verblichenen Erzeugers, einem Programm namens „World Panorama“ (Street View?) können sich die Mädels in JEDES Überwachungssystem der Welt einklinken, was bei heiklen Einsätzen begreiflicherweise ein nicht zu unterschätzender Vorteil ist. Auftragsgemäß plättet Lynn den fiesen Firmenboss Chow Lui, ahnt jedoch nicht. dass ihr Auftraggeber, Chows Bruder Nunn, den Hit nicht aus Menschenfreundlichkeit oder höherem Gerechtigkeitsempfinden befohlen hat, sondern weil er schlicht auf die Chefposition scharf ist, um von dort aus seine eigenen krummen Dinger drehen zu können. Trotzdem tanzt der Vorstand noch nicht nach seiner Pfeife, deswegen soll der Führer der innerbetrieblichen Opposition ebenfalls ausgeknipst werden. Ein weiterer Job für Lynn, doch die hat keinen Bock, hat sie doch ihren Jugendfreund Yen wieder getroffen und weil der ihr glatt die Ehe angetragen hat, mag sie nun nicht mehr killen. Sue meint, dass die Aufgabe des Familiengeschäfts nicht nur von Lynn beschlossen werden kann und übernimmt den Hit selbst, erweist sich aber als nicht ganz stressfest. Lynn greift in letzter Sekunde ein, aber da taucht auch schon Forensik-Expertin Hong auf, die mit ihrem Assistenten nach dem Chow-Lui-Mord auf eigene Faust ermittelt. Nach einem Sparringsgefecht möchte Hong Lynn gerne arrestieren, doch haben sich den Moment auch Nunns Schergen ausgesucht, um ihre Spuren zu beseitigen und die angeheuerten Attentäterinnen nun selbst zu eliminieren. Mit vereinten Kräften gelingt die Flucht, aber deswegen sich sich die Damen noch lange nicht grün – während Hong versucht, Sue in einer Autoverfolgungsjagd zu stellen,gerät Lynn zu Hause unter Feuer von Nunns Killerkommando…


Inhalt

Weil wir grad noch drüber gesprochen haben… mit „So Close“ stellt sich ein Vertreter der 2000er-HK-schmeißen-wir-ein-paar-Models-zusammen-lassen-einen-erfahrenen-Kampfchoreographen-Regie-führen-und-hoffen-dass-ein-brauchbarer-Film-bei-rumkommt-Schule, die so manchem Fan des chop-suey-Kinos fast die Freude am Hobby vermieste.

Aber steigen wir nicht so negativ ein – „So Close“ mag zwar oberflächlich nach einem dieser hastig zusammengeklöppelten Vehikel für den flavor-of-the-month-Star aussehen, hat aber dann doch darstellerisch und inszenatorisch mehr Substanz. Shu Qi hatte immerhin ein paar Jahre vorher schon mit Jackie Chan gedreht (den netten Action-/Romantic-Comedy-Hybriden „Gorgeous“, hierzulande als „Under Control“ gelaufen) und Karen Mok konnte immer schon auf Erfahrungen mit Wong Kar Wei („Fallen Angels“) und Jet Li („Black Mask: Mission Possible“) zurückblicken; Zhao Wei hatte zwar bis dato hauptsächlich im TV gearbeitet, aber immerhin auch schon mit Andy Lau („Das Duell in der verbotenen Stadt“) und Stephen Chow („Shaolin Kickers“) gefilmt. Die Regie übernahm der renommierte Veteran Cory Yuen („Karate Tiger 1/2“, „Righting Wrongs“, „The Transporter“, „D.O.A. – Dead or Alive“), der eigentlich noch aus fast allem einen ansehbaren Actionklopper stricken kann.

Nach einem Script des zwar umtriebigen, aber nicht gerade international bedeutende Werke en gros abliefernden Jeffrey Lau entstand mit „So Close“ endlich der Film für alle, die an den „Charlie’s Angels“-Neuauflagen mit Diaz, Barrymore und Liu der dokumentarisch-realistische Anspruch störte – das macht schon die Eröffnungsszene klar, in der Lynn, getarnt als Superhackerin „Computer Angel“ Chow Liu mittels einer Zyanid-verseuchten Sonnenbrille platt macht, obwohl der sich und seinen Schreibtisch von einem undurchdringlichen Kraftfeld hat umhüllen lassen, Lynn physikalisch vollkommen unmögliche Wire-Fu-Kunststücke vollbringt und sich nach getaner Arbeit mit einer Basejump-/Bungee-Kombination in Sicherheit bringt. Klar, dass derart hypergestylte Actionsequenzen noch mit mehr oder weniger gelungener CGI (für zersplitterndes Glas oder eine verdächtig an ein Videospiel erinnerndes set piece in einem Fahrstuhlschacht) aufgemöbelt wird – und Hongkongs Animatoren (bzw. die Australier, für die Columbia Pictures, deren Asia-Dependance das ganze Unterfangen bezahlt hat, Kohle ausgespruckt hat) waren anno 2002 halt noch nicht unbedingt auf einem Level mit der Creme der Hollywood-Pixeljongleure.

Aber Yuen hat grundsätzlich schon recht, wenn er auf style over substance setzt und den kompletten Film in der TV-Werbefilmästhetik absolviert, denn die Plotte ist wie üblich bei derlei Unterfangen äußerst dünn – Lau bedient sich freimütig bei einschlägiger Superhelden-bzw. -schurken-Lore (ich erwähnte schon, dass Sues Computerzentrale etwas an Oracle erinnert), packt ein bisschen Einzelgängercopgedöns dazu (mit dem „Twist“, dass seine Heroine Hong Bier säuft, Zigarillos raucht und offenbar Columbos alte Trenchcoats aufträgt), schüttet ein bisschen fast schon völlig unverdauliche Liebesschnulze drüber, garniert das Ganze mit Pansenhumor und der schon sprichwörtlichen Naivität vieler HK-Drehbücher und schmeckt die Brühe noch mit ein wenig Melodrama-Pathos von der Stange ab. Ich glaub ehrlich nicht, dass sich in dem kompletten Script eine originelle, eigenständige Idee findet. Gut, Drehbücher sind in Hongkong selten gut und werden eh meist nur als Mittel zum Zweck eingesetzt, aber „So Close“ verlangt schon viel guten Willen des Zuschauers, um die Chose enigermaßen ernst nehmen zu können (ganz besonders großartig ist ein Riesenplothole, das ich nach SPOILER-Warnung aufdecke. Lynn wird von den fiesen Bösewichtern ermordet. Die Schurken drehen die Sache so, als hätte Hung Lynn in die nächste Welt geballert. Prinzipiell ja ein altbewährter Storykniff, nur hat Hung ein perfektes Alibi, hat sie sich doch GENAU ZU DER ZEIT, als Lynn getiltet wurde, mit ungefähr 387 anderen Streifenwagen eine wilde Verfolgungsjagd durch Hongkongs Straßen geliefert – und der spektakuläre Stunt, mit dem diese Jagd endet, sollte eigentlich jedem im Gedächtnis bleiben. Bleibt er aber ersichtlich nicht mal Hung selbst, die das Thema nie aufbringt. SPOILERENDE).

Die Charaktere sind platte Klischeekameraden, die Dialoge (okay, zumindest in der englischen Sprachfassung) teilweise erbarmungswürdig und, naja, das kann man nicht leugnen, zwischendurch geht der Plotte schon mal ganz schön die Puste aus, wenn die Love Story die Regierung übernimmt und die Action auf dem Rücksitz Platz nehmen muss – ein großer dramatischer und/oder komödiantischer Regisseur ist Cory Yuen halt nicht, er ist einer für’s Grobe, in dem Fall Action. Und in dem Falle muss man halt damit seinen Frieden gemacht haben, dass hundert Pfund leichte Asia-Babes die Gesetze der Physik brechen, an Wänden hochlaufen, sich mit ihren High Heels in Decken bohren, mit den Henchmen der Bösen den Fußboden aufwischen usw. usf. Battlin‘ Babes haben zwar durchaus Tradition im HK-Kino, doch eins fällt schon auf – wo die Moon Lees, Yukari Oshimas oder Cynthia Khans der 80er und frühen 90er ihren männlichen Kollegen in Sachen Dynamik und Athletik nicht nachstanden, brauchen die Qis und Weis alle erdenkliche Unterstützung durch Kampfchoreographie und Post Production, um einigermaßen „gut“ auszusehen. Zweifellos ein legitimes Mittel, aber eins, das ich aus Hollywood gewohnt bin und nicht aus Hongkong, das seinen Ruf unter Actionfreunden eben gerade auf den „handmade“-Aspekt gründet.

Sei’s drum – hat man seine disbelief ordnungsgemäß suspended und sich mit der glattgelutschten Videospiel-Fernsehwerbung-Musikclip-Ästhetik angefreundet, sind die zentralen drei-vier großen Actionsequenzen schon sehenswert, durchaus spektakulär und zum Finale hin auch zunehmend gut blutig, zumal auch ordentlich Leichen gestapelt werden. Schlichtweg vergessen kann man in einem anständigen HK-Film, trotz dreier ausgesprochen nett anzukuckender Damen in den Hauptrollen, dass mehr als keimfreie Erotik geboten wird – die Ladies zeigen gern mal Bein und in der Zweikampfszene von Mok und Qi reißen sich die Kämpinnen neckisch die jeweiligen Oberteile zur BH-Begutachtung auf, insgesamt bleibt das aber absolut züchtig. „Züchtig“ ist irgendwie auch das richtige Wort für den Score, der zwar prinzipiell die passenden Ideen hat, aber selten so wuchtig oder dramatisch wird, wie’s denn wirklich angemessen wäre – klingt ein bisschen nach Fernsehserien-Score und nicht nach SLAM-BANG-WHAM-Kino.

Die Darstellerinen mühen sich redlich – Shu Qi ist ein schnuckliges Babe, aber als Actionheroine werde ich sie einfach nie kaufen können; in romantischen Komödien wie „Gorgeous“ scheint sie mir deutlich passender besetzt zu sein; Zhao Wei ist ebenfalls absolut ansehbar, aber ein bisschen frecher, wilder und damit irgendwie auch „präsenter“ als Qi, ihr liegt zumindest vom Typus her die Actionheldin eher, aber die eindrucksvollste Vorstellung (und, wenn man einigermaßen nach dem Gebotenen urteilen kann, die, die am wenigsten mit unlauteren Tricks aufgemotzt werden musste) liefert Karen Mok (von der wir Deutschen auch noch was haben – wenn ich das richtig eruiere, müsste von ihren Urgroßeltern einer deutsch gewesen sein; ansonsten finden sich in ihrer Ahnengalerie neben Chinesen auch noch Waliser und Perser), die Frau macht hier richtig Spaß. „Gaststar“ Seung-heon Song scheint in seiner Heimat Korea recht angesagter TV-Star zu sein – mir sagt er nix und seine Vorstellung als Shu Qis love interest ist auch nicht dazu angetan, sich bei mir bleibend einzuprägen. Veteran Yasuaki Kurata („Bloodfight“, „Blood: The Last Vampire“, „Shanghai Police“, „Der Ninja“, „Mad Mission II“) und Derek Wan sorgen als chief henchmen des Bösen für Expertise in den Mann-gegen-Frau-Kampfszenen, Siu-Lun Wan („Legend of the Liquid Sword“) ist mir als Oberbösmann etwas zu farblos.

Bildqualität: Ich habe hier die französische DVD von Columbia (kühner Grund: die ist erheblich billiger als die D-Version), die den Film in anamorphem 1.85:1-Widescreen der eher schlappen Natur zeigt. Die Farben könnten kräftiger sein (das mag aber auch der intendierten stilisierten Ästhetik geschuldet sein), Schärfe und Kontrastwerte bewegen sich auf mittelprächtigem Niveau für einen Major-Release.

Tonqualität: Englischer, französischer und kantonesischer O-Ton jeweils in Dolby 5.1, Untertitel gibt’s auf Arabisch, Englisch und Französisch. Keine der Tonspuren zeichnet sich durch besondere Dynamik auf – das ist praktikabel, aber nicht überwältigend.

Extras: Nur der Trailer.

Fazit: Ob und ggf. wie viel Spaß man mit „So Close“ haben wird, hängt ganz entschieden davon ab, wie man sich sowohl mit dem durchgestylten, geschniegelten Look des Films und den mit nach allen Regeln der Kunst aufgepäppelten Kampfszenen leben kann – prinzipiell kann ich das, nur – DAS kann Hollywood auch, schon lange und durchaus auch unter fachmännischer Mitwirkung der allerbesten Fight Choreographers Hongkongs; der unique selling point des HK-Kinos der 80er und 90er war eben, dass es die Action Directors „damals“ nicht nötig hatten, mit CGI um sich zu werfen und minderbegabte Models (ich denke da an Konsorten wie Maggie Q) an Drähten durch die Luft zu wirbeln – die machten ihre Stunts noch altmodisch on set und nahmen eben in Kauf, dass ihre Stars sich alle möglichen Knochen brachen. Nicht sonderlich menschenfreundlich (Moon Lee kann ein fröhlich Liedlein davon trällern), aber eben gerade der Umstand, mit dem sich HK vom durchgeschniegelten Hollywood-Mainstream absetzte. „So Close“ ist schon unterhaltsam – vielleicht 10-15 Minuten zu lang (die man mühelos aus dem Romantik-Gedöns hätte kürzen können), letztendlich dann doch aus der gleichen Soße wie „Charlie’s Angels“ oder „D.O.A.“. Und von Hongkong – und gerade von Cory Yuen, der einige meiner Jugend-Faves auf dem Kerbholz hat – erwarte ich dann schon etwas mehr. Knappe drei DVDs.

3/5
(c) 2011 Dr. Acula


mm
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