Skyfall

 
  • Deutscher Titel: Skyfall
  • Original-Titel: Skyfall
  •  
  • Regie: Sam Mendes
  • Land: Großbritannien/USA
  • Jahr: 2012
  • Darsteller:

    Drehbuch: Neal Purvis, Robert Wade, John Logan
    Darsteller: Daniel Craig (James Bond), Judi Dench (M), Javier Bardem (Silva), Ralph Fiennes (Gareth Mallory), Ben Whishaw (Q), Naomie Harris (Eve), Berenice Marlohe (Severine), Albert Finney (Kincade), Ola Rapace (Patrice) u.a.


Vorwort

Warnung: In der folgenden Kritik sind Spoiler zu erwarten. Aber ich hoffe doch, dass ihr alle den Film schon gesehen habt.

James Bond (Daniel Craig) sitzt im Museum und betrachtet sinnierend ein Gemälde (ein typischer Bond-Film halt). Ein junger bebrillter Schnösel setzt sich zu ihm, quatscht ihn blöd von der Seite an und erläutert, was er auf dem Bild sieht: „Grand old war ship. Being ignominiously haunted away to scrap… The inevitability of time, don’t you think? What do you see?“ („Ein großes altes Schlachtschiff. Schmählich zur Verschrottung davongescheucht … Die Unaufhaltsamkeit der Zeit, finden Sie nicht auch? Was erkennen Sie darauf?“)
Daraufhin Bond (etwas pikiert): „A bloody big ship.” („Ein verdammt großes Schiff.“)

Bei dem jungen Schnösel handelt es sich um Q (Ben Whishaw) und er hat nicht ganz Unrecht. Nach einem Einsatz in Istanbul, bei dem Bond sich eben mal zwei Kugeln eingefangen hat und beinahe ertrunken wäre, sowie einer alkoholgeschwängerten Auszeit in der Südsee ist das alte Schlachtschiff in einem erbärmlichen Zustand. Im Grunde dürfte er gar nicht zurück in den Dienst – es ist einzig einer Schwindelei von M (Judi Dench) zu verdanken, dass er überhaupt noch einmal ran darf. Später wird er es nur mit Müh und Not schaffen, sich an der Unterseite eines Aufzugs festzuhalten, und bei einer kleinen Zielübung mit alten Pistolen versagt er auf ganzer Linie. Bond ist ein Wrack.

Nicht nur er ist unter Beschuss: Nachdem ein Söldner (Ola Rapace) es fertig gebracht hat, den Briten eine Liste mit Undercover-Agenten zu klauen (Bond hätte das in Istanbul verhindern sollen), wird M von Chairman Gareth Mallory (Ralph Fiennes) dazu gedrängt, sich in den Ruhestand zu verabschieden.
Und nach dem Anschlag auf die MI6-Zentrale muss sie vor einem öffentlichen Untersuchungsausschuss antanzen, wo ihr vorgeworfen wird, mit ihren alten Methoden unzureichend auf gegenwärtige Bedrohungen vorbereitet zu sein. Ihr Geheimdienst sei nicht dazu in der Lage, Terroristen und Hacker abzuwehren.

Zwei Dampfer im digitalen Zeitalter

In der Tat haben es M und 007 in „Skyfall“ mit einer neuen Art Bösewicht zu tun, der sie nichts entgegenzusetzen haben: Silva (Javier Bardem) ist ein Cyberterrorist. Er entschlüsselt die Liste mit den Undercover-Agenten und stellt die Namen auf YouTube. Und er hackt sich ins Computersystem von MI6 ein – gleich zweimal.
Im Museum sagt Q zu Bond, zuhause am Computer könne er an einem Tag mehr Schaden anrichten als Bond im Außendienst in einem ganzen Jahr. Ist die alte Garde in diesem neuen Zeitalter von Terrorismus und Cyberkrieg nicht längst obsolet geworden? Kann man Spionagearbeit rechtfertigen in einer Welt, in der Leute wie Julian Assange (es ist kaum ein Zufall, dass Silva eine wasserstoffblonde Mähne trägt) eh alles ans Licht holen? In der das Volk, vor dem sich die Regierung verantworten muss, nach Transparenz verlangt?

M hält dagegen, als sie sich vor dem Untersuchungsausschuss verteidigt. Es werde auch im Zeitalter der Transparenz stets Schatten geben und es werde stets Leute brauchen, die in diesen Schatten operieren. Die sich die Hände schmutzig machen. Auch Bond hält dagegen, mit Faust, Messer und Gewehr.
Ist Silva den beiden lange Zeit voraus, so locken sie ihn am Schluss aufs offene Feld. Als sie sich auf dem alten Familienanwesen der Bonds verbarrikadieren, zwingen sie den Terroristen, zu ihnen zu kommen. Mit Computern kann Silva hier nichts ausrichten, klassische Methoden sind gefragt. Aber mit denen kennen sich M und Bond ebenfalls aus.

Immerhin: Es ist am Ende Q und seinen Künsten als Computernerd zu verdanken, dass Silva ihnen überhaupt in die Falle geht. Die alten Methoden mögen immer noch funktionieren, aber ohne den Rechner geht’s halt trotzdem nicht.

Ganz nebenbei steht Silva auch für ein Zeitalter, in dem Internet und Terroristen Grenzen aufheben, in dem Bedrohungen weniger von anderen Nationen, als von schwer fassbaren Organisationen ausgehen. M und Bond antworten mit knallhartem Patriotismus darauf. Kaum eine Szene kommt ohne den Union Jack aus. Selbst die potthässliche Bulldoggen-Statue auf Ms Schreibtisch hat die Nationalflagge auf dem Rücken. Ein Zyniker wie Silva mag sich darüber lustig machen, aber am Ende kriegt er die Fresse poliert.


Inhalt

Vorwärts zu den Wurzeln

Der Regisseur Sam Mendes und seine Mittäter nehmen nicht nur auf die politische Lage Bezug, wenn sie von Altem und Neuem sprechen. Mendes, der seinen Durchbruch mit dem oscarprämierten Drama „American Beauty“ feierte (erinnert ihr euch noch an den?) und mit „Jahrhead“ einen Kriegsfilm explizit ohne Action drehte, erweist sich als idealer Regisseur für einen klassischen Actionfilm. Die Tendenz von Casino Royale und Quantum of Solace zu Schnittgewitter und Wackelkamera geht „Skyfall“ vollständig ab. Die furiose Vortitelsequenz demonstriert mit Nachdruck, was einen erwartet: Hübsch übersichtliche, geradezu altmodische Actionszenen.

Als Q Bond im Museum trifft, übergibt er ihm eine Waffe und einen Peilsender. Der Agent fragt, ob das alles sei. Daraufhin Q: „What did you expect, an exploding pen?“ („Was haben Sie erwartet? Einen explodierenden Kugelschreiber?”) Die Zeiten seien vorbei.
Zugegeben, mit „Casino Royale“ und „Quantum of Solace“ war die Zeit der klassischen Bondfilme tatsächlich vorbei – vorübergehend. Denn „Skyfall“ kehrt in vielerlei Hinsicht zu den Wurzeln zurück. Nicht nur, was die Action angeht: Science-Fiction-Elemente wie die herrlich idiotische Computerzentrale im MI6 könnten fast schon aus „Star Trek“ stammen (oder aus „Moonraker“). Silva ist ein Bond-Villan der alten Schule. Im Laufe der Handlung wird ein mit Gadgets ausgerüsteter Aston Martin aus dem Lager geholt. Und der Schluss setzt ein eindeutiges Signal: Der neue Bond ist der alte Bond. Inklusive Frauenverachtung (dazu später mehr).

Ödipus in Schottland

Wie gesagt, Mendes ist mit „American Beauty“ berühmt geworden. Also kommt es nicht völlig überraschend, dass „Skyfall“ nur ein halber Actionfilm ist (wenn überhaupt). Sehr viel Raum nimmt das persönliche Drama zwischen Bond, M und Silva ein. Die drei bilden ein ödipales Dreiecksverhältnis. Zwei Kinder kämpfen und die Liebe der Mutter. Der verlorene Sohn will Rache.

Seit „Casino Royale“ muss sich Bond bekanntlich auch psychologisch durchleuchten lassen. Handelten die beiden Vorgängerfilme davon, wie Bond die Liebe überwindet (oder so ähnlich), geht es in „Skyfall“ darum, wie er seinen Kindheits-Traumata einen Arschtritt versetzt. Und wir stellen fest: Bond hat seine Eltern verloren. M ist seine Ersatzmutter. Und damit ist England seine Ersatzmutter. Aber sie ist eine harte Mutter: Als es hart auf hart kommt, opfert M ihren Sohn ohne zu zögern. Bond lernt, damit umzugehen. Silva, der ebenfalls ein Agent war, ebenfalls Ms Liebling war, hatte es nicht gelernt. Er sieht Verrat, er ist eifersüchtig auf den neuen Sohn. Und er sinnt auf Rache. Shakespeare kriegt einen Ständer.

Der Geheimagent und der Ritter

Hat eigentlich schon mal jemand auf die vielen Parallelen zwischen „Skyfall“ und The Dark Knight Rises hingewiesen? In beiden Filmen fängt der Held auf dem geistigen und körperlichen Tiefpunkt an, muss sich selbst überwinden und hochkämpfen. In beiden Filmen ist der Bösewicht ein exaltierter Typ, der mittels Cyberterrorismus zuschlägt und einen hyperkomplizierten Plan verfolgt, der im Grund nur dank puren Glücks und der Dummheit der Guten genau so abläuft, wie der jeweilige Bösewicht es sich vorstellt (hätte Bond Silva im Untergrund erschossen, statt blöd herumzustehen, hätte er sich eine Menge erspart). In beiden Filmen hat besagter Bösewicht ein entstelltes Gesicht. Und beide Filme sind betont patriotisch.
Immerhin ist Bond nicht so eine Pussy, die sich weigert zu töten.

Frauen und Schwuchteln unerwünscht

„Skyfall“ ist rasend frauenfeindlich (und ein bisschen schwulenfeindlich). Man schaue sich mal an, wie der Film mit seinen Frauenfiguren umgeht:
M (Judi Dench) stirbt am Ende. (Wie gesagt, Spoilerwarnung.) Mallory wird an ihre Stelle gesetzt (womit auch klar wird, weshalb diese lange eher nebensächlich scheinende Rolle mit einem nicht ganz unprominenten Schauspieler wie Ralph Fiennes besetzt wurde). Erinnert ihr euch noch an „Goldeneye“? Damals war es durchaus ein Thema, dass M von einer Frau gespielt wurde – auch im Film selbst. Nicht nur der Kalte Krieg, sondern auch der Patriarchismus der alten Bondfilme war Geschichte. „Skyfall“ scheißt demonstrativ darauf und besetzt die Stelle wieder mit einem Mann.
Eve (Naomi Harris) hat die Funktion zu beweisen, dass Frauen für den Außendienst nichts taugen. Ihre weiblich bedingte Inkompetenz als Scharfschütze ist schuld daran, dass Bond beinahe stirbt (und Patrice entkommt). Als sie in den Innendienst versetzt wird, hat sie zunächst vor, bald wieder an die Front zurückzukehren. Aber bis zum Filmende besinnt sie sich eines Besseren und hat gelernt, welcher Platz einer Frau gebührt: Hinter dem Schreibtisch im Empfangsraum.
Severine (Bérénice Marlohe) ist das nominelle Bondgirl. Viel zu tun hat sie nicht: Bond verspricht ihr, sie aus den Händen von Silva zu retten. Er überfällt sie unangekündigt in der Dusche (mit seinem Penis). Silva lässt sie dafür von seinen Handlangern verprügeln. Anschließend stellt er sie hin wie damals Gessler den Walterli: Tell, also Bond, soll ihr einen Apfel, will sagen, ein Glas mit Scotch vom Kopf schießen. Bond feuert daneben, Silva knallt sie ab. Bond quittiert das nur mit einem dummen Kommentar. Im nächsten Moment kämpft er sich frei und tanzt die Kavallerie an. Hätte Bond frührer einen Versuch unternehmen und Severine retten können? Ja, hätte er. Aber dann hätte ihn das Leben eines Weibes interessieren müssen.

Und wieso ist “Skyfall” schwulenfeindlich? Naja, wegen Silva halt. Bardem spielt ihn als Schwuchtel. Denn was ist schlimmer als ein Cyberterrorist und Mörder? Ein schwuler Cyberterrorist und Mörder. (Okay, technisch gesehen ist er bisexuell. Ändert nichts daran, dass er Bonds sexuelle Integrität bedroht. So ein Unhold.)
Aber ich gebe zu: Bardem spielt den Bösewicht verdammt sexy. Ich meine, wow. Schwitz. Okay, ich nehme alle bösen Worte zurück: „Skyfall“ ist einer der besten Bondfilme aller Zeiten.

© 2012 Gregor Schenker (Manhunter)


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