Siren

 
  • Deutscher Titel: Siren
  • Original-Titel: Siren
  • Alternative Titel: Zombie Siren |
  • Regie: Andrew Hull
  • Land: Großbritannien/Tunesien
  • Jahr: 2010
  • Darsteller:

    Eoin Macken (Ken), Anna Skellern (Rachel), Tereza Srbova (Silka), Anthony Jabre (Marco)


Vorwort

Eine attraktive Frau in einem aufregenden roten Kleid steht in der Pampa und wartet auf einen freundlichen Autofahrer, der sie, wohin auch immer, mitnimmt. Ein solcher findet sich auch nach kurzer Wartezeit. Bei einer Pinkelpause will der Driver den gesellschaftlich akzeptierten Preis für eine solche Taxifahrt, nämlich 1 Beischlaf, einfordern und kommt nach anfänglichem „no“, das zweifellos „yes“ meint, auch zum Zug, doch kommt’s zum coitus interruptus, weil die Frau sich durch die Anwesenheit eines unsichtbaren Dritten gestört fühlt.

Aber, haha, das war alles nur ein bisschen roleplay unter Liebenden, namentlich dem Yuppieschnösel Ken und seiner Flamme Rachel, die Urlaub machen. Plan ist’s, mit dem Segelboot für reiche Klienten von Kens Firma zur Partyvilla für reiche Klienten von Kens Firma in der Ägäis zu schippern und dort ein bis zwei drauf zu machen. Angesagt hat sich auch Rachels Ex-Freund Marco, der die Karriere eines Globetrottels eingeschlagen hat, die gemeinsame Freundin Claire musste leider absagen.

Man könnte nun meinen, die Konstellation wäre speziell durch die Personalie Ex-Freund ein wenig angespannt, aber zum Glück verstehen sich Ken (obwohl durchaus amtliches Arschloch) und Marco (obwohl durch die Blume andeutend, immer noch als Einwechselspieler parat zu stehen, sollten Ken und Rachel sich das anders überlegen) leidlich. Selbst als Marco die Yacht auf Grund setzt, verraucht Kens anfänglicher Zorn recht schnell, als er den Grund dafür erfährt. Marco wollte einen Schiffbrüchigen aufgabeln. Der ist allerdings offensichtlich mit einer ordentlichen Klatsche gesegnet, blutet aus den Ohren und bricht nach ein paar generischen Drohungen und Warnungen tot auf dem Vorderdeck zusammen. Guter Rat ist mal wieder nicht im Sonderangebot erhältlich – der Diesel ist kaputt und die Reparatur möglich, aber zeitaufwendig, im Funkäther herrscht das Schweigen im Walde und von Handyempfang ist sowieso nicht zu sprechen. Aufgrund fehlender Motivation, eine Leiche an Bord den örtlichen Behörden erklären zu müssen, entscheiden Marco und Ken, den Kadaver auf der Insel, von der der Schiffbrüchige kam, zu verklappen.

Beim Impromptu-Begräbnis bemerkt Rachel die Anwesenheit einer jungen Frau. Die nennt sich Silka, steht zweifellos mit dem Toten in irgendeiner Art Verbindung, reklamiert jedoch hinsichtlich der Vorfälle auf der Insel spontanen Gedächtnisverlust. Wohl oder übel nimmt sich unser Trio Infernal des Mädels an – sieht ja auch gut aus, ne, und ist womöglich trotz Schock und Trauma poppbar. Man beschließt, am Strand zu kampieren und dort ein Feuer zu entfachen, das vorbeifahrende Schiffer aufmerksam machen soll. Unter Zuhilfenahme diverser hochprozentiger Spirituousen entwickelt sich die Sause zu einem Besäufnis – während Rachel sich zu Silka, die sich als begabte Sängerin geoutet hat, hingezogen fühlt, streifen Marco und Ken im Suff ziellos herum und erleiden grausame Visionen von Folter und Tod…

Irgendetwas stimmt auf dieser Insel nicht, da sind sich die Herren der Schöpfung einig, und was da nicht stimmt, hat mit Silka zu tun. Es kommt zu einer handgreiflichen Auseinandersetzung zwischen Silka und Ken – Silka setzt sich nach einer Todesdrohung von der Gruppe ab. Es gelingt Ken und Marco, den maladen Bootsmotor zu reparieren – einer Rückreise stünde theoretisch nichts im Wege, aber Rachel wird von Silka mental zurück auf die Insel gerufen. Die Männer setzen ihr nach, aber nun beginnt erst das wahre Grauen…


Inhalt

Film Nummer 3 aus der „Horror Girls Unlimited Box“ verdient sich erste Minuspunkte dafür, dass der deutsche Verleiher es für nötig hielt, aus dem schlanken, eleganten und vollkommen treffenden Originaltitel „Siren“ ein „Zombie Siren“ zu machen, was nicht nur blöde klingt, sondern selbstverständlich auch dem Film nicht gerecht wird, der mit Untoten nun wirklich sowas von gar nichts am Hut hat. Aber ein Land, das für einen rustikalen Heimatfilm den Alternativtitel „Der Irre vom Zombiehof“ hervorgebracht hat, hat’s vermutlich auch nicht besser verdient.

„Siren“ ist der erste (und letzte) Langfilm des Briten Andrew Hull, der normalerweise als Art Director seine Brötchen verdiente und in dieser Funktion u.a. an „Resurrection“, „Jill Rips“, „Robocop: Prime Directives“ und „P2 – Schreie im Parkhaus“ arbeitete. Hull verstarb 2010 nach Abschluss der Dreharbeiten, aber noch vor Veröffentlichung von „Siren“ im Alter von 46 Jahren. Zusammen mit Geoffrey Gunn (der für „Garm Wars: The Last Druid“ mit dem legendären japanischen Anime-Regisseur Mamoru „Ghost in the Shell“ Oshii zusammenarbeitete) verfasste Hull auch das Drehbuch, das sich, wie unschwer zu erkennen ist, auf Homer, Odysseus und die Sage um die verführerischen Gesänge der Sirenen, die in der Ägäis Seeleute in ihren Bann und den Untergang zieht, bezieht. Da bin ich ‚für, das find ich gut, denn ich bin nicht nur ein bekennender Fan der „Odyssee“ (hey, ich hab jede Folge von „Unterwegs mit Odysseus“ mindestens dreimal gesehen), sondern auch immer für noch nicht abgenudelte Horror-Motive und die Sirenen gehören zweifellos zum noch nicht bis zur Erschöpfung ausgequetschten Sagen- und Legendengut der Antike. Also, schon mal Stein im Brett.

Wie der gerade erst besprochene „The Devil’s Rock“ pflegt auch „Siren“ einen vergleichsweise minimalistischen Ansatz – wir haben vier abgezählte Charaktere und zwei Locations (das Boot und die Insel, die zwar recht weitläufig erscheint, aber durchaus möglich ist, dass Raum und Zeit, wie wir sie kennen, dort nicht unbedingt vorausgesetzt werden können). Hull erlaubt sich eine relativ komfortable Auftaktphase, beginnend mit dem etwas deplatziert wirkenden Prolog um den heißen Landstraßenklorollenspielsex unseres Heldenpärchens (mehr, als dass es impliziert, die beiden wären noch in der Phase ihrer Beziehung, in der man am liebsten 24 Stunden am Tag miteinander vögeln will, kommt dadurch nicht rum) und der darauffolgenden Etablierung unseres sort-of-Liebestriangels Ken/Rachel/Marco. Man könnte meinen, der Film würde die simple psychologische Karte ziehen und einen Alphamännchenkonflikt konstruieren, um „tension“ ins Prozedere zu bringen, aber Hull und Gunn lassen diesen Aspekt bis auf ein paar Andeutungen weitgehend außen vor. Ken und Marco sind weniger Rivalen als zwei Seiten der gleichen Medaille, nur dass Ken sein asshole-Dasein etwas mehr heraushängen lässt und Marco den etwas sensitiveren Typen gibt (der sich aber trotzdem nichts dabei denkt, die Fickbarkeit von Silka erst mal zu bejahen). Man mag sich vielleicht mal kurz ankeifen, aber Pack schlägt sich, Pack verträgt sich. Das eigentliche Herzstück der Geschichte ist aber freilich Rachel, und die ist schwierig zu charakterisieren – sie liebt Ken aufrichtig, hat aber auch kein Problem damit, ihn zusammenzufalten, wenn’s ihr notwendig erscheint, wäre durchaus anfällig für Marcos Avancen, fällt aber auch als erste und am heftigsten unter Silkas Bann. In der Gesamtschau macht sie das nicht unbedingt zu einer obersympathischen Figur, da manche ihre Entscheidungen schon, sagen wir mal, zweifelhaft sind und es eher an Ken, dem, wie gesagt, designierten Arschloch der Gruppe, ist, vernünftige Maßnahmen zu ergreifen und ernstlich zu versuchen, den traurigen Haufen halbwegs lebendig von der Insel zu bringen.

Das Manko der Geschichte ist, dass sie trotz der überschaubaren Laufzeit von 77 Minuten inkl. Credits ein wenig dünn ist. Hull und Gunn spicen den Handlungsablauf mit ein paar mindfuck-Sequenzen, die aber im Endeffekt nur Gelegenheit bieten, ein paar blutigere Sequenzen einzubauen, bevor die eigentliche Story sie hergibt. Trotzdem ist der Storyablauf sehr geradlinig – wer sich nicht nach dem ersten verträumten Blick Silkas auf Rachel zusammenreimen kann, dass Silkas Ansinnen es sein wird, a) die Männer zu töten und b) Rachel als neue Kollegin anzuwerben, dem sei dringend ein bisschen Nachhilfe sowohl in griechischer Mythologie als auch in Horrorgeschichten für Einsteiger empfohlen. Ähnlich wie bei „The Devil’s Rock“ hätte es sich auch hier wohl angeboten, die Möglichkeiten, die sich durch Silkas Verführungsfähigkeiten bieten, für ein paar Twists, Turns und Charaktermanipulationen zu nutzen, um etwas mehr Konflikt, mehr Drama in die Protagonistengruppe hineinzutragen.

Ganz geschickt eskaliert der Film allerdings das Ausmaß der durch Silka verkörperten Bedrohung – zuerst ist es der wohl griechische oder türkische Fischer, der der Gruppe vor’s Boot schwimmt, dann entdeckt Ken eine verstümmelte Leiche, dann ein vergrabenes Boot voller verwesender Leichen und der Showdown entspinnt sich vor der Kulisse eines gesunkenen Supertankers. Silka war zweifellos fleißig…

Handwerklich ist das alles durchaus ordentlich gemacht – klar, auch hier ist das Budget wieder gering und die production values halten sich in Grenzen (am teuersten war sicher die Miete für das Boot), aber Hull hat durchaus ein Auge für schöne Bilder und das Widescreen-Format ausnutzende Kompositionen; sein Kameramann Will Humphris versteht es, mit der RED umzugehen. Natürlich ist „Siren“ keine Tempogranate – kann ein 4-Personen-Stück, das seine Horror-Karten erst im Finale aufdecken will, natürlich nicht sein, aber Hull entwickelt das Szenario mit angemessenem Druck, dem schon erwähnten Sinn für die behutsame Eskalation der Bedrohung hin zur finalen Konfrontation. Wie üblich bei Low-Budget-Horror ist die Klimax nicht so spektakulär, wie man es sich als Zuschauer vielleicht wünschen möchte, aber dafür eben einigermaßen „realistisch“ und im Filmkontext glaubwürdig.

FX werden spärlich eingesetzt – die wenigen blutigen Effekte sind okay, am stolzesten sind die Macher sicher auf die Computertricks, mit denen Silka ausgestattet wird, um zwischen ihrem menschlichen und ihrem „Sirenen“-Selbst zu fluktuieren. Die sind wirklich sehr flüssig und dabei dezent (beim ersten Einsatz mag man sogar an eine Sinnestäuschung glauben).

Der Score ist unauffällig, der Sirenen-Song, von Silka-Darstellerin Tereza Srbova übrigens selbst eingesungen, zwar schön anzuhören, aber nicht sonderlich catchy (was wohl nicht überraschen sollte, stammt er doch im Original von der Experimental-Art-Indie-Rock-Band Warpaint).

Der kleine Cast schlägt sich recht wacker. Eoin Macken schaffte praktisch direkt nach „Siren“ den Durchbruch durch eine Hauptrolle in „Merlin – Die neuen Abenteuer“ und war seitdem in „The Forest – Verlass nie den Weg“ und „Resident Evil: The Final Chapter“ zu sehen, aktuell ist er mit einer Hauptrolle in der Netflix-SF-Serie „Nightflyers“ beschäftigt. Hier spielt er den Ken ansehnlich auf dem schmalen Grat zwischen Arsch und nachvollziehbarem „leader“. Anthony Jabre, als Marco durchaus brauchbar, hat mittlerweile das Berufsfeld gewechselt und ist unter die Produzenten gegangen, dies für die Firma, an die Bruce Willis offensichtlich seine Seele verkauft hat (die also B-plus-Kram wie „Marauders“, „Extraction“, „Precious Cargo“ etc. runterkloppt).

Anna Skellern, hinguckenswert, aber leider vorderseitig zugeknöpft (Nacktansichten bekommen wir von beiden Damen nur von hinten, aber auch das kann sich sehen lassen, ähn), könnte der Genrefan in „The Descent 2“ gesehen haben, zuletzt war sie in der BBC-Crime-Serie „The Interceptor“ dabei. Die Tschechin Tereza Srbova wurde von David Cronenberg für „Eastern Promises“ entdeckt und war in der Folge auch in „Die Girls von St. Trinian“, „Tintenherz“ und „Goal III“ zu sehen. Ihre ätherische, blasse Schönheit kommt hier gut zur Geltung, und sie spielt die Sirene auch mit der angemessenen Distanziertheit.

Die Bildqualität (2.35:1 anamorph) des Transfers in der „Horror Girls Unlimited“-Box ist okay, auch hier gibt’s in manchen Szenen wieder Klötzchenbildung, wenn feine Linien dargestellt werden sollen, aber das ist erträglich (und halt auch dem Medium Multifilm-DVD geschuldet. Wer Sparschwein ist, muss damit leben können). Die deutsche Synchro ist annehmbar, O-Ton wird wie üblich bei diesen Ramschboxen nicht geboten.

Insgesamt ist „Siren“ kein sonderlich bemerkenswerter Film, hält aber über seine knapp 80 Minuten hin bei Laune und erweist sich als nicht unbekömmliche Zwischenmahlzeit. Sicher hätte man aus der Prämisse etwas mit mehr Zug, mehr Action, mehr inter-character-Dynamik machen können, aber für Low-Budget-Horror ist das in Ordnung.

© 2018 Dr. Acula


BOMBEN-Skala: 5

BIER-Skala: 5


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