- Deutscher Titel: Sherlock Holmes
- Original-Titel: Sherlock Holmes
- Alternative Titel: Sherlock Holmes vs. Monsters | Sir Arthur Conan Doyle's Sherlock Holmes |
- Regie: Rachel Lee Goldenberg
- Land: USA
- Jahr: 2010
- Darsteller:
Ben Syder (Sherlock Holmes), Gareth David-Lloyd (Dr. Watson), Dominic Keating (Thorpe Holmes), William Huw (Inspector Lestrade), Elizabeth Arends (Anesidora Ivory), David Shackleton (Old Dr. Watson), Rachael Evelyn (Lucy Hudson), Neil Williams (Phineas Stiles)
Vorwort
Während eines Bombenangriffs auf London anno 1940 erinnert sich der gealterte Dr. Watson an das erste Mal, als er London brennen sah… 1882 sinkt vor der britischen Küste ein Schiff des Königlichen Schatzamts mit den Steuereinnahmen aus Westindien. Inspektor Lestrade schaltet den Meisterdetektiv Sherlock Holmes ein (was mich schon zur Frage bringt, was Holmes jetzt ausgerechnet zur Aufklärung von Schiffsunglücken qualifiziert. Wäre Lloyd’s of London da nicht die naheliegendere Adresse?). Der einzige Überlebende des Unglücks fabuliert von einem Seeungeheuer, das das Schiff auf den Grund gezogen habe. Lestrade und Watson halten das natürlich für Seemannslatein eines im Schock fröhlich vor sich hin Delirierenden, aber Holmes‘ Neugierde ist geweckt – zumal wenig später Gerüchte umgehen, wonach in Whitechapel (jenem Londoner Slum, in dem auch Jack the Ripper sich betätigte) ein Monster für Angst und Schrecken sorge. Holmes wittert einen Zusammenhang, ist aber gleichzeitig emotional etwas aus der Bahn geworfen, weil sein älterer Bruder Thorpe, Ex-Polizist und bei einem Einsatz zum Krüppel geworden, wieder im Lande sein soll.
(SPOILER)
Nichtsdestotrotz legen er und Watson sich in Whitechapel auf die Lauer und finden heraus, dass der mordende Saurier kein lebendes Wesen, sondern eine Maschine ist. Bevor allerdings der Lieferant für die Gummihaut des Monstrums interviewt werden kann, wird der vom Robosaurier verschmurgelt. Holmes findet aber einen Hinweis und der führt ihn und Watson auf ein altes Schloss in der Heimatgegend des Detektivs, wo sie dem Übeltäter in die Hände fallen – es ist niemand anderes als Thorpe Holmes, der mit Hilfe eines viktorianischen Iron-Man-Anzugs seine Lähmung überwunden hat und nunmehr gerne aus genereller Menschenfeindlichkeit mit seinen mechanischen Monstern London vernichten würde…
(SPOILER ENDE)
Inhalt
Es ist mal wieder so weit – Mockbusterzeit mit Asylum. Die Ankündigung (und der Erfolg) von Guy Ritchies neumodischer Holmes-Adaption (die ich, trotz im Regal stehender BluRay, noch nicht gesehen habe) muss den Rip-off-Königen ein Freudenfest gewesen sein, stehen doch die Werke von Sir Arthur Conan Doyle im Public Domain und sind daher sichere Beute für finanzklamme B-Filmer, die sich gern an Blockbustermotive anhängen. Da kann eine Klitsche wie Asylum sich sogar soweit aus dem Fenster lehnen und ihr stolzes Werk „Sir Arthur Conan Doyle’s Sherlock Holmes“ nennen, ohne befürchten zu müssen, von aufgebrachten Rechteinhabern an den eigenen Testikeln aufgehängt zu werden.
Allerdings – wer das Posterartwork begutachtete, hatte guten Grund, skeptisch zu sein (d.h. zusätzlich zu der allgemeinen Skepsis, wenn’s um neue Asylum-Filme geht). Urzeitmonster in einem Holmes-Film? Ja, ich weiß, man ist bei Asylum mächtig stolz darauf, das man mittlerweile einigermaßen achtbare Saurier animieren kann, aber… Holmes? Der pfeifenrauchende Detektiv, der mit purer Geisteskraft unlösbare Kriminalpuzzles aufdröselt? Der soll mit Monstern rangeln?
Gut, Paul Bales, einer von Asylums Oberhonchos (zuständig z.B. u.a. für den unterhaltsamen Firmenblog), der sich um das Drehbuch verdient macht, lässt sich zumindest eine halbwegs, äh, plausible Ausrede für das Auftauchen von Riesenoktopoden und Saurieren einfallen: sie sind im Filmkontext nicht echt, sondern die Maschinen eines genialen Erfinders – das ist zwar immer noch nicht unbedingt eine glaubwürdige Masche (zumal die Viecher so perfekt sind, wie sie mit den technischen Mitteln von 1882 nun mal nicht zu machen waren, egal, wie genial ihr Erbauer – der es bei Urzeitmonstern auch nicht belässt – sein mag), aber zumindest verhindert es das Abgleiten des Holmes-Mythos in pure Fantasy-Gefilde (nix gegen Fantasy, aber aus einem etablierten literarischen Motiv sollte man sie raushalten. Die SF-Elemente sind da ein wenig einfacher zu schlucken).
Nichtsdestotrotz gelingt es Bales nicht wirklich, eine sich „echt“ anfühlende Holmes-Geschichte zu verfassen. Zwar lässt er Holmes zu Beginn eine Kostprobe seines Könnens geben (er ermittelt die Todesursache eines bei Watson auf dem Obduktionstisch liegenden Leichnams durch bloßes konzentriertes Ankucken, und durchaus im „Monk/Psych“-Stil der Mini-Flashbacks zu den „Tatsachen“), in der Folge ist aber nicht viel mit Kombinieren und logischen Schlussfolgern, eher nährt sich Holmes in seiner Ermittlung von Zufällen (zugegeben aber auch von scharfer Beobachtungsgabe) und enzyklopädischem Wissen (kein Wunder, das letzte, was eine Firma wie Asylum auf die Beine stellen will, ist ein intelligenter, aber actionarmer Krimi). Und dann kann der Showdown auch natürlich nicht in der Form abgehalten werden, als dass Sherlock dezidiert und pointiert den Ablauf eines Verbrechens schildert (weil: so richtig ein Verbrechen im Holmes-Sinne gibt’s ja gar nicht), sondern mit einer ausufernden Action-Sequenz, in der Holmes in einem lenkbaren Ballon mit Maschinengewehren auf den Bösewicht im Flugdrachen (der saurierartigen Schule, nicht etwa so’n Teil, wie’s Ator erfunden hat) ballert, während der (der Schurke also) mit Flammenwerfern und Raketen London planiert und gleichzeitig Watson mit roher Gewalt verhindern muss, dass eine Bombe hochgeht. Sehr, äh, im Sinne des alten Doyle, nehme ich an. Das Resultat ist, dass die Story wirkt, als wären ein paar Arthur-Conan-Doyle-Charaktere in eine Jules-Verne-Geschichte gestolpert, was zwar auch irgendwie nicht völlig unwitzig ist, aber schlussendlich nicht das, was ich mir unter Sherlock Holmes vorstelle…
Was eigentlich ein bisschen schade ist, denn das Bales den Holmes-Mythos zumindest mal überflogen hat, ist ersichtlich – Holmes darf praktisch alle bekannten und beliebten Trademark-Catchphrases loswerden („elementary!“), lustigerweise aber grad in diesem Film nicht die berühmte „wenn alles Unmögliche ausgeschlossen ist…“-Ansprache; außerdem baut Bales relativ leichthändig einen Auslöser für Holmes‘ spätere Morphium-Abhängigkeit ein und, überhaupt, die Hauptcharaktere und die Beziehungen untereinander derselben bekommt er ziemlich gut hin. Holmes ist leicht überheblich und sarkastisch, lässt Watson gern die eigentliche Arbeit tun, trotzdem ist die tiefempfundene Freundschaft zwischen den beiden stets spürbar (auch wenn Watson Holmes nach einem besonders kitzligen „Einsatz“ mal als „ass“ tituliert, was im englischen Schimpfwörterlexikon aber ja auch nur „Esel“ bedeuten kann), und die Hassliebe Holmes/Lestrade (der Holmes zwar beauftragt, dessen Ermitlungen aber auf Schritt und Tritt verfolgt, um im Erfolgsfall die Lorbeeren ernten zu können) liegt durchaus auch auf Spur.
Ohne Logikfehler und „vergessene“ Szenen geht’s bei Asylum natürlich nicht – der Grundplan des Bösewichts ist selten unsinnig (er versenkt mit dem Seemonster das Schiff, um Geld für die Konstruktion seines Sauriers zu erbeuten. Mit welchen Lottomillionen hat er dann den Oktopus gebaut? Der dürfte deutlich *teurer* – da größer – gewesen sein… Abgesehen davon – ein Superschurke, der Schiffe versenkt und Roboter konstruiert, und der muss sich sein Morphium vom Arzt verschreiben lassen? Das müsste sich doch auch klauen lassen).
Übel aufgestoßen ist mir die Szene, in der Watson eine Küstenklippe hinunterkraxelt und beobachtet, wie ein Körper angeschwemmt wird. Nachdem er nach unten gebrüllt hat, Hilfe zu holen, kommt er beim Aufstieg dank Riss eines Seils in eine brenzlige Situation und hat, bis er von Holmes wieder auf sicheres Geläuf gezerrt wird, den unglückseligen Brandungsschwimmer vergessen… (und wir kommen auch nie wieder darauf zurück, obwohl der Film in der Szene versucht, einen „big deal“ draus zu machen). Noja, it’s Asylum.
Filmisch gibt’s Licht und Schatten (was mehr ist, als man über manchen Asylum-Klopper sagen kann). Wir steigen gleich mal mit einer erbärmlich schlechten Effektszene an (die deutschen Bomberverbände über dem lächerlichen Modell-London lassen die Frogs in „Orion“ nach state-of-the-art-Technologie aussehen), die Monster-Animationen (wie üblich bei den aktuellen Asylum-Filmen teils CGI, teils Modelle) sind überwiegend in Ordnung bis richtig gut, dafür ist der Lenkballon dann wieder eine komplette Kapitulation des (von Asylum-Oberguru David Michael Latt persönlich überwachten) FX-Departments – Augsburger Puppenkiste lässt grüßen. Die größeren Zerstörungssequenzen rangieren sich gleichfalls auf der „peinlich“-Seite der Skala ein, allerdings schmuggelt sich immer wieder ein gelungener Shot ins Prozedere (z.B. der Flugdrachen, der sich auf Big Ben positioniert).
Die Ausstattung ist für Asylum-Verhältnisse beinahe schon spektakulär, das wirkt in der Regel durchaus viktorianisch-authentisch, was Kostüme und Kulissen angeht (natürlich nicht auf einem epischen Niveau, aber praktikabel für einen B-Film), nur dass man Watson ein verflucht modern (also ca. 1930-1940) wirkendes Telefon zugeteilt hat (immerhin, es GAB 1882 schon funktionierende Telefone und zumindest Holmes traue ich zu, dass er einer der ersten war, der eins hatte), und die arge Klaustrophobie der Whitechapel-Szenen (die wirklich nicht so aussehen, als würden sie unter „freiem Himmel“ spielen), stören den an sich ganz positiven Eindruck im Production Design/Art Direction-Department (an der Stelle muss ich übrigens mal anmerken, dass ich, als der Saurier in Whitechapel auf Nutten- und Freierjagd ging, überlegte, ob Asylum tatsächlich eine „ernsthafte“ Version des „War Nessie Jack the Ripper“-Sketch aus „Amazonen auf dem Mond“ anstrebt). Ein kleines Lob verdient sich auch der „Steampunk“-Iron-Man-Anzug des Bösewichts… Erwähnt werden muss, dass eine gewisse Resistenz gegen Sepia-/Braunfilter (alte Filmemacherrechnung: „Braunton“ = „alt“) mitzubringen ist.
Sunday School Musical-Regisseurin Rachel Lee Goldenberg kommt mit dem Stoff überraschend gut zurecht – das Tempo ist, obwohl es nicht wahnsinnig *viele* Actionszenen gibt (jedoch aber eben mehr als man bei Holmes vermuten möchte), recht flott, ohne große Hänger (da hat ein Thema wie Holmes halt dann doch den Vorteil, das man zwischen den Effekt- und Actionsequenzen mit etablierten Charakteren arbeiten kann und daher nicht zwangsläufig in bodenlose Langeweile und dummschwätzendes Gelaber verfallen muss, wie es die übelsten Asylum-Heuler Dragon und AVH: Alien vs Hunter tun. Der Streifen hat ein gefälliges Pacing, verteilt die „money shots“ relativ gleichmäßig über die Laufzeit, ist einigermaßen anständig fotografiert und geschnitten.
Zum Glück widerstanden die Macher dem Drang, großflächig Splattereffekte drüberzugießen – es gibt einmal massiven Kunstbluteinsatz und einen verkokelten Kadaver (und das auch noch in der selben Szene), das war’s an echten Härten.
Der Score von Asylum-Hauskomponist Chris Ridenhour haut mächtig auf die Pauke mit großen symphonischen Themes, nicht unpassend, aber doch *leicht* übertrieben für eine Produktion wie diese. Angemerkt sei an dieser Stelle, dass der Soundmix BRÜLLEND laut ist – sobald Geräuscheffekte von der Tonspur dringen, empfiehlt es sich, die Lauststärke deutlich runterzudrehen, will man keinen Ärger mit Nachbarn, die Härtetests der Dolby-Anlage um Mitternacht wider Erwarten feindselig gegenüberstehen, riskieren.
Bleibt noch das acting – Gareth David-Lloyd („Torchwood“) ist ein passabler Watson, wenn auch leicht debil wirkend, aber nie in bloßen comic relief verfallend (deswegen darf er auch im Showdown wichtiges erledigen), Dominic Keating („Enterprise“) hat als Bösewicht mal wieder die Zeit seines Lebens, da hat einer richtig Spaß dran, wenn er böse sein darf (war ja auch schon in Hollywood Kills zu beobachten (und lustigerweise hat er durchaus gewisse Ähnlichkeit mit Robert Downey jr. als „Iron Man“).
William Huw („Merlin and the War of the Dragons“) ist an und für sich auch ein okayer Lestrade, wenn er auch relativ wenig zu tun hat, Elizabeth Arends recht imposant (wenn auch rollenbedingt etwas steif) als Keatings weiblicher Sidekick/Henchwoman.
Warum man aber ausgerechnet für die Titelrolle einen offenkundig völlig unerfahrenen Akteur wie Ben Syder verpflichtet hat, ist mir schleierhaft – nicht, dass er eine völlige Fehlbesetzung wäre, aber ihm fehlt bei allem Bemühen etwas die notwendige gravitas, um eine solche ikonische Figur wie den Holmes (auch wenn er hier wohl noch im ersten Stadium seiner Detektivkarriere steht) wirklich glaubhaft zu verkörpern.
Bildqualität: Nachdem ich mit den letzten Asylum-Neuerscheinungen datenträgertechnisch recht zufrieden war, ist die „Holmes“-Disc dann doch ein deutlicher Rückschritt. Nicht nur, dass das Bild (1.85:1 anamorph) der HD-Fotografie zum Trotz recht weich ist, das stetige und auf die Dauer arg störende Ruckeln müffelt schon nach verhunzter NTSC-/PAL-Konversion, zudem stellen sich einige Farbschwankungen ein. Nee, das hat auch Great Movies schon besser hinbekommen.
Tonqualität: Da hab ich weniger zu meckern. Die deutsche Synchro (Dolby 5.1) ist überraschend gut (was Sprecher- und Textqualität angeht) ausgefallen, der englische O-Ton (Dolby 2.0) ist ebenso gut verständlich und, wie erwähnt, in Sachen Soundeffekte tierisch laut, dabei aber immer noch klar und differenziert.
Extras: Behind the scenes, Outtakes, Bildergalerie, Trailershow, also das übliche.
Fazit: Ich war – auf Grundlage von Bauchgefühl und „word of mouth“ – vorbereitet auf alles zwischen „totaler Katastrophe“ und „Asylums bester Film“. Im Endeffekt reiht sich „Sherlock Holmes“ (der bei der IMDb bei einer für Asylum spektakulären User-Wertung von 4.3/10 steht) wieder mal zwischen den Extremen ein. Mir wäre eine bodenständigere, „altmodischere“ Holmes-Version deutlich lieber gewesen als die aufgepeppte SF-Variante mit mucho Spezialeffekten, allerdings war mit einem Gegenentwurf zum Adrenalin-Actionkino der Ritchie-Variante gerade eben wegen der Neuinterpretation der Figur durch den Studiofilm (und an dem orientiert sich Asylum halt und nicht unbedingt an der klassischen Vorlage) nicht zu rechnen. Dafür ist dann doch noch relativ viel aus dem Holmes-Mythos übriggeblieben, speziell was die Hauptcharaktere angeht, Dominic Keating macht als Holmes‘ fieser Gegenspieler richtig viel Spaß und, wie gesagt, für einen Asylum-Film befleißigt sich der Streifen recht flotter Gangart, aber die Story an sich und die in ihrer Qualität enorm schwankenden FX sorgen dafür, dass der totale Frohsinn nicht aufkommen mag. Da gefiel mir The Land That Time Forgot, auch und speziell im Umgang mit der literarischen Vorlage, doch ’ne deutliche Ecke besser.
2/5
(c) 2010 Dr. Acula