Shaitani Dracula

 
  • Original-Titel: Shaitani Dracula
  • Alternative Titel: Shaitaani Dracula |
  • Regie: Harinam Singh
  • Land: Indien
  • Jahr: 2006
  • Darsteller:

    Birbal, Ramesh Goyal, Manmauji, Anil Nagrath, Gurbachchan Singh, Harinam Singh, Vinod Tripathi


Vorwort

Graf Dracula hat sich’s im indischen Hinterland in einer Villa gemütlich und zwei reizende junge Damen, die nun als Vampirinnen sein schändlich Werk verrichten, gefügig gemacht. Außerdem steht ihm ein ausgesprochen zotteliger Werwolf, ein Skelettmonster und eine Varietät anderweitiger Gruselgestalten, die in einer viertklassigen Geisterbahn nicht tot über’m Gleis liegen sollten, zur Verfügung.

Nahe seines neuen Hauptquartiers stellt sich ein Rudel Camper ein, zu dem auch attraktives Weibsvolk gehört, und auf das hat Dracula in seiner Pseudo-Militäruniform mit Rangabzeichen und seinem Fedora-Hut mit hochgeklappter Krempe, ein bis zwei Stielaugen geworfen. In einer, pfuahahaa, Nacht des Schreckens beginnen Draculas gräßliche Kreaturen unsere Camper arg zu foppen, bis es Chanta, der augenscheinlich einzig anwesenden Person mit mehreren in Verbundschaltung operierenden Gehirnzellen, auffällt, mit welcher Art Kreatur es man hier zu tun hat. Und jetzt wird mit schnell zusammengebastelten Holzkreuzen kräftig Vampirarsch getreten!


Inhalt

Indischer Horror (ich schreibe mal bewusst nicht „Bollywood-Horror“, weil mir dann die Puristen wieder ins Kreuz steigen, mich darauf hinweisen, dass „Bollywood“ nur die Filmproduktion aus Mumbai meint und die sich im Allgemeinen nicht mit Horror befasst, sondern das den regionalen Filmküchen in den verschiedenen Bundesstaaten und den „Unabhängigen“ überlässt – ich weiß das, seht ihr!) ist so ’ne Sache für sich. Ganz abgesehen von den von mir schon öfter breitgetretenen kulturellen Unterschieden zwischen unsereins und dem gemeinen Asiaten, der sich vor ganz anderen Dingen gruselt, kommt bei den Indern dazu, dass Horror einerseits gar nicht das zeigen kann, was gemeinhin als Horror durchgeht, also graphische Effekte, Blut, Splatter… und zudem als minderwertiges Genre gilt, an das kein Talent verschwendet werden sollte, so dass sich hier meist nur Leute versuchen, die im regulären indischen Film mangels jeglicher Begabung keinen Fuß auf den Boden kriegen würden.

So z.B. Harinam Singh, den ich persönlich mal als Indiens Ed Wood titulieren würde, wenn Ed Wood handwerklich im Vergleich zu Singh nicht mindestens Francis Ford Coppola wäre. Singh versorgte den Z-Film-Markt über fünfzehn Jahre hinweg mit seinen eigentümlichen Visionen, sein Meisterstück legte er aber mit „Shaitani Dracula“ vor, einem Film, der 2006 (offenbar bislang als letztes crowning achievement des Meisters entstanden) gedreht wurde und selbstverständlich so aussieht, als wäre er bestenfalls 1956 produziert worden.

Ich habe den Film auf einer 3-auf-1-für-49-Rupien-DVD in Hindi ohne Untertitel gesehen, aber das macht nichts. Man versichert mir glaubhaft, auch mit Kenntnis des indischen Idioms mache ein Film wie „Shaitani Dracula“ keinen Meter heiligen Kuhmist weit Sinn. Rudimentär ist eine Art Handlung erkennbar – wie oben skizziert. Viel mehr Plot dürfte der Streifen in seinen knapp 79 Minuten Laufzeit auch nicht haben, verstünde man die Dialoge. Singh setzt auf „random imagery“, seine ultrabilligen Masken und im Zweifelsfalle auf das blendende Aussehen seiner Darstellerinnen (und das muss man auch dem letzten indischen Grützefilm lassen – die Babes sind awesome, die müssen dort wirklich auf den Bäumen wachsen).

Aber gerade darum muss man, speziell als Freund des, eh, abseitigen Kinos, „Shaitani Dracula“ mal gesehen haben. Eine komplettere Verweigerung an die Konventionen des Erzählkinos einerseits, aber auch an die handwerklichen Grundvoraussetzungen des Filmemachens andererseits, muss man erleben. Vom bizarren Framing über die hysterische Beleuchtung, den Heckenscheren- und Tesafilm-Schnitt, die beherzt geklaute musikalische Untermalung (als Titelthema fungiert ein modernes Arrangement des James-Bond-Themas, das ich auf mittleres Brosnan-Zeitalter datiere), die unglaublichen „Kampfszenen“, in denen jede sanfte Berührung mit den Fingerspitzen mit Bud-Spencer-Dampfhammerfaust-Schlaggeräuschen untermalt wird (und das ist auch nur ein Beispiel für die kuriosen Soundeffekte, mit denen Singh seine Tonspur garniert), bis hin zu den schlicht drolligen Monsterkostümen (ist der Werwolf ein Werwolf, ein Werbär oder vielleicht nur ein pelziges Werschwein? Jedenfalls hat der Darsteller im wahrsten Wortsinne alle Hände voll zu tun, seine Maske aufzubehalten, und selbst wenn drunter mal die menschliche Visage deutlich zu sehen ist, ist das noch lang kein Grund für einen zweiten Take) und den auch ohne Sprachkenntnisse klar durchschaubaren schauspielerischen Fähigkeiten des Ensembles bzw. dem eklatanten Mangel an denselben.

Ich weiß gar nicht, welche Kuriosität mir am meisten ans Herz gewachsen sind – die Vampirzähne aus dem Novelty-Shop, bei denen die Reißzähne nach oben zeigen, der Skelettmann, der in einem Ganzkörperanzug mit aufgemaltem Knochengerüst rumläuft, die Darstellerin, die sich im Kampf mit dem Werwolf schon selbst hinlegen muss, damit er auf sie draufspringen kann, oder die Vampirin mit den herzallerliebst ausgeschnittenen Styropor-Flügeln, deren „Schwebesequenz“ Singh so gut gefiel, dass er sie mindestens viermal verwendet hat… man kann sich schlicht nicht entscheiden.

Wer Angst vor Musicaleinlagen hat, darf beruhigt sein – der indische Z-Film kommt auch ohne ausschweifende choreographierte Sangesnummern aus. Das einzig ausgespielte Musikstück in „Shaitani Dracula“ (das sich NOCH älter anhört als der Film eh schon aussieht) beschallt die große „Massakersequenz“ (die Anführungszeichen stehen aus gutem Grund da), in der der Cast (nicht sehr) gelichtet wird (der Bodycount ist nämlich spärlich. Garantieren möchte ich nur für einen Toten…).

„Shaitani Dracula“ ist einer der ganz großen Trashhämmer, der mühelos jegliche Kritik von sich abperlen lässt und aus dem „so bad it’s good“-Territorium in ein völlig neues, unerforschtes Land transzendiert. Seeing is believing.

5/5
(c) 2017 Dr. Acula


mm
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