Seven from Edo

 
  • Original-Titel: Ôedo shichininshû
  •  
  • Regie: Sadatsugu Matsuda
  • Land: Japan
  • Jahr: 1958
  • Darsteller:

    Chiyonosuke Azuma (Murase)
    Shinobu Chihara (Rengetsu)
    Utaemon Ichikawa (Katsukawa)
    Takashi Shimura (Sagiyama)
    Hashizô Ôkawa (Akizuki)
    Ryûtarô Ôtomo (Hirahara)
    Isao Yamagata (Tatewaki)
    Kenji Susukida (Manabe)


Vorwort

Edo, die japanische Hauptstadt, zu Shogunats-Zeiten. Katsukawa, ein vergleichsweise kleines, dafür aber ehrbares Licht in der Hierarchie der Shogun-Vasallen, versucht mit seiner kleinen Truppe Samurai für Recht und Ordnung zu sorgen. Seine Männer sind durch die Bank auch nicht gerade hochangesehene Samurai – Hirahara ist dem Sake stark zugeneigt, Akizuki hat arge Probleme, sein Temperament im Zaum zu halten und Murase wurde von seiner Familie verstoßen, weil er unterklassig geheiratet hat und nach dem Tod seiner Frau sich nun als alleinerziehender Papa durchs Leben schlagen muss.

Katsukawas Erzfeind ist Tatewaki, ein hochrangiger Vasalle, der’s nicht nur übel nimmt, dass Katsukawa sich auch mit „Outlaws“ wie Händlern abgibt, sondern ihm auch die Luxus-Geisha Somekichi ausgespannt hat. Da Tatewaki Magistrat und den für Disziplinverstöße bei Samurai zuständigen Inspektor in seiner Tasche weiß, warten er, sein alter und notgeiler Berater Manabe und ihr Trupp aus frisch angeheuerten Ronin nur auf einen nichtigen Anlass, um Katsukawa anzuschwärzen. Eine Klopperei zwischen Katsukawas Leuten und von Tatewakis Kijin-Organisation protegierter Trickbetrüger liefert die passende Ausrede. Zwar wird Katsukawa nicht, wie vom Schurken insgeheim als Maximalausbeute erhofft, zu Seppuku verurteilt, sondern nur ins Nimmerland strafversetzt, dennoch hält Tatewaki den ersten Teil seines Plans für vollauf gelungen.

Katsukawa gibt seinen Samurai den Tipp auf den Weg, sich ruhig und besonnen zu verhalten, um dem Feind keine Ausrede für weitere Strafmaßnahmen zu liefern. Leichter gesagt als getan, denn Tatewaki arbeitet weiter an der vollständigen Vernichtung von Katsukawas Gruppe. Murase wird samt Kind aus seinem Mietshaus vertrieben – und dann wird das Kind auch noch schwer krank und eigentlich schuldet Hirahara dem Doktor noch ordentlich Kohle von früheren Eskapaden. Akizuki gewinnt das nötige Kleingeld beim Zocken in Tatewakis Spielhölle und rettet auf dem Rückweg auch noch die Geisha Oichi, die Manabe grad vergewaltigen wollte. Oichi wird kurzerhand als Leihmutter und Haushälterin eingespannt.

Bei der Premiere eines Theaterstücks eines von Katsukawa geförderten Schauspielers kommt es zu einer erneuten Auseinandersetzung, als Tetikawas Leute den Start der Aufführung verhindern wollen (weil der Schauspieler sich weigert, einen von Tetikawa gestifteten Vorhang einzusetzen). Die Kijin-Kämpfer werden von Hirahara und seinen Freunden ordentlich gefoppt. Tetikawa möchte die Sache am liebsten auf der Stelle terminal regeln, aber Manabe kann seinen Protegé von einem zünftigen Massaker vor Publikum abhalten. Statt dessen nimmt er lieber Somekichi gefangen und diesen Umstand via Buschfunk an Hirahara und Co. durchsickern.

Hirahara macht sich auf zum Kijin-Hauptquartier, wo ihm eine Gespielin des bösen Samurai den Hals rettet und den Weg zur Somekichi weist. Es gelingt Hirahara, die Geisha zu befreien, bezahlt das aber mit dem Leben. Somekichi flüchtet zu Katsukawa ins Exil, informiert aber noch Murase und Akizuki per Brief über die neuesten Entwicklungen.

Schweren Herzens halten Murase und Akizuki die Füße still, während Katsukawa auf den Trichter kommt, dass er sich schon früher gegen Tatewaki hätte auflehnen sollen und sich aufmacht, diesen Fehler zu korrigieren. Bevor er allerdings in Edo eintrifft, linkt Tatewaki die braven Samurai mit einer Fake-Herausforderung zu einem ehrlichen Duell. Als die Helden unverrichteter Dinge vom Kampfplatz zurückkehren, haben die Kijin bereits Oichi und Murases kleinen Sohn gekidnappt. Jetzt ist Schluss mit Zurückhaltung…


Inhalt

Wenn man nach einer längeren Pause (und „knapp zwei Wochen“ sind für mich eine längere Pause) wieder mit dem Filmekucken anfängt, will man ja nicht unbedingt gleich wieder mit üblem Rotz behelligt werden, sondern lieber etwas qualitativ hochwertiges betrachten. Ein klassischer Samurai-Film scheint da eine sichere Bank zu sein. „Seven from Edo“, leider aktuell nur als Bootleg-DVD (OmenglUT) zu bekommen, passt da schon recht gut.

Auch wenn Regisseur Sadatsugu Matsuda kein „auteur“, sondern ein schlichter Auftrags-/Vertragsregisseur gewesen sein mag (40 seiner 57 Regie-Credits verdiente er sich in hektischen Jahren zwischen 1954 und 1963), der Film stammt aus der Toei-Produktion und ist damit ein Major-Produkt, in den schon gewisse Geldmittel und Sorgfalt geflossen sein müssen – zumindest sieht der Film (in Farbe gedreht, was für Japan 1958 nun auch keine Selbstverständlichkeit ist) durchaus nach Kompetenz und Budget aus.

Über weite Strecken seiner kompakten 92 Minuten Laufzeit spielt „Seven from Edo“ sich als Drama des Samurai-Lebens. Natürlich gibt’s Kämpfe (aber bis zum Showdown eher in übersichtlicher Zahl – Matsuda erlaubt sich z.B., von der alles auslösenden Rangelei zwischen den Gangstern und den Samurai wegzuschneiden, um uns Katsukawa vorzustellen), aber ebenso wichtig ist auch, unnötige Kämpfe zu vermeiden, in entscheidenden Situationen die Ruhe zu bewahren und nicht in die Fallen zu laufen, die Tatewaki für seine Gegner aufbaut (nicht, dass das immer funktioniert).

Die große Frage, und das ist ein Thema, das asiatische Filmemacher bis heute nicht losgelassen hat, ist das Dilemma zwischen „Loyalität“ und „das Richtige tun“, speziell, wenn die zweite Option zwar moralisch zu bevorzugen ist, aber mit unmittelbaren Konsequenzen für Leib und Leben verbunden ist. Das Script von Yoshitake Hase macht diesen Konflikt, der in einer Welt der strengen Hierarchie und der Verhaltenscodices, die uns fremd sind, noch stärker ausgeprägt ist, greifbar.

Dies insbesondere, weil seine Charaktere nicht, wie in vielen anderen Samurai-Filmen, nur Chiffren sind, keine austauschbaren Schwertträger, die sich nur durch unterschiedliche Interpretationen ihres Moralkodexes unterscheiden, sondern Ecken und Kanten haben. Hirahara z.B. ist eigentlich in die Wirtstochter Osen verknallt (was auch auf Gegenseitigkeit beruht), aber er weiß auch, dass er als „low-level samurai“ nie die finanziellen Möglichkeiten haben wird, an Familiengründung zu denken und tarnt diese Resignation in ein Schicksal der Einsamkeit mit übertriebener Jovialität und seinem Hang zum Trunk. Akizuki ist ein Hitzkopf, der sich und seine „Kollegen“ gern in Schwierigkeiten bringt, weil er einfach zu gern kämpft, und lernen muss, dass es manchmal eben doch die bessere Option sein kann, eine Demütigung zu schlucken, um an einem anderen Tag zu kämpfen. Und Murase, der es gewagt hat, eine einfache Händlerstochter zu heiraten und sich damit in den Augen seiner Familie entehrt hat, muss irgendwie damit zurechtkommen, in einer Zeit, in der das nun wirklich nicht angesagt ist, allein mit einem Baby durchzukommen und deswegen auch in der Verantwortung steht, nicht immer seinem ersten Instinkt nachzugeben, sondern eben auch manchmal der Klügere zu sein.

Das zieht sich weiter über Katsukawa, der eigentlich für Gerechtigkeit sorgen will, aber das Risiko offener Auseinandersetzung aus Furcht um seine loyalen Männer scheut, Somekichi, die für eine Geisha unverfrorenerweise die Liebe dem „Geschäft“ vorgezogen hat bis hin zur spielsüchtigen Samurai-Witwe, die sich zwar vom Bösewicht aushalten lässt, aber noch nicht so korrumpiert ist, um seine Ränkespiele unwidersprochen hinzunehmen.

Dagegen sind die Schurken leider deutlich unterentwickelt – Tatewakis Hass auf Katsukawa wirkt etwas überproportioniert (es muss doch noch andere attraktive Geishas in Edo geben), und wieso er, nachdem der erste Teil seines Plans ja prächtig funktioniert hat, von Anfang an plant, auch Katsukawas Gefolgsleute auszuschalten, obwohl die sich, bis zum Kampf im Theater, ruhig verhalten, wird auch nicht so ganz klar. Der alte Manabe als sprichwörtliches Teufelchen auf Tetikawas Schulter, das ihm all die bösen Pläne einflüstert, ist dagegen eine recht nette Idee (insbesondere mit der für ’58 doch ziemlich gewagten Darstellung eines vergreisten Sexmaniacs…).

Das komplexe Charaktergeflecht – das, zugegeben, den Einstieg mal wieder nicht ganz einfach macht, weil man schon ne gute halbe Stunde braucht, bis man überhaupt alle Charaktere mal auf die Reihe gekriegt hat – sorgt für ein recht energischen Voranschreiten des Films trotz der sehr dosiert eingesetzen Actionszenen. Die Widescreen-Fotografie sorgt für mehr Scope, als der Film mit verhältnismäßig wenig Schauplätzen und wenig exterior scenes eigentlich hergibt, der Score von Shiro Fukai ist ausgezeichnet, und wenn die Action dann kommt, ist sie (für 1958) verhältnismäßig ruppig – natürlich kein Vergleich mit den Blutfontänen und Splatterorgien, die sich so zehn Jahre später vorstellen sollten (wie auch der klassische Samurai-Film immer deutlich unblutiger war als die Schwertkampforgien aus Hongkong), aber der Bodycount, der vor allem im Finale aufgefahren wird, ist immens (wobei der Film zu meiner Überraschung nicht so sehr auf Melodrama und Pathos abzielt, wie das nach Hiraharas äußerst theatralischem Ableben zu erwarten war) und das dabei gezeigte Swordsplay durchaus ansprechend (auch hier muss man natürlich das Entstehungsdatum relativierend im Auge behalten. Das ist keine ausgefuchste Kampfchoreographie für die Jet Lis dieser Welt, sondern vergleichsweise „realistisch“ und dabei doch elegant gehalten).

Die schauspielerischen Leistungen sind ebenfalls löblich – mangels Credits kann ich niemanden zuordnen, möchte aber die Darsteller des Hirahara, Akizuki, Murase und Manabe einmal herausstellen.

Es ist wirklich schade, dass „Seven from Edo“ in keiner legalen Veröffentlichung vorliegt – das ist ein wirklich gut gemachter, gut geschriebener und durchaus spannender Samurai-Klassiker, der ein breites Publikum verdient hat. Wer die Chance hat, den Film zu sehen, sollte nicht zögern.

(c) 2017 Dr. Acula


BOMBEN-Skala: 3

BIER-Skala: 7


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