- Deutscher Titel: Schritte in der Nacht
- Original-Titel: Schritte in der Nacht
- Regie: Theo Mezger
- Land: BR Deutschland
- Jahr: 1961
- Darsteller:
Erik Schumann (Harry Benson), Dieter Eppler (Bill), Thessy Kuhls (Doris), Walter Buschhoff (Trigger), Gerold Wanke (Joe), Konrad Georg (Williams), Stanislav Ledinek (Wirt)
Vorwort
Harry Benson, ein einfacher Buchhalter, ist auf dem Heimweg vom wöchentlichen Abendessen mit Vetter Bill und dessen Weib Doris. Der Weg führt leider durch einen eher übel beleumundeten Stadtbezirk und ehe er sich’s versieht (bzw. ihm ein Taxi durch die Lappen gegangen ist), kuckt er in den Lauf eines Revolvers. Trigger und Joe wollen allerdings nicht seine spärliche Kohle, sie wollen ihn aus nicht monetären Gründen – die sie ihrem Opfer in spé jedoch wenig dienstleistungsorientiert nicht auf die Nase binden wollen – umlegen. Begreiflicherweise stößt dieses Ansinnen bei Harry auf recht wenig Gegenliebe. Zu seinem Glück wollen seine Killer ihn nicht an Ort und Stelle umnieten, sondern erst mit dem Auto irgendwoanders hin fahren. Harry gelingt es, einen Unfall zu provozieren und zu türmen, doch dummerweise ist Trigger im Viertel bestens vernetzt – will sagen, jeder Kneipenwirt, jeder Hotelportier und jeder Taxifahrer ist unterrichtet, dass ein leicht panisch wirkender Herr, der Unterschlupf und/oder polizeiliche Hilfe sucht, von Trigger zwecks Abmurksung gesucht wird. Harry gelingt es, eine Knarre zu erbeuten und seinen primären Verfolger, eben den Meister Trigger, zu dessen gesteigerter Verblüffung zu erschießen. Doch damit sind seine Probleme noch lange nicht gelöst…
Inhalt
Ja, das ist wieder mal ein kurzes, kleines Fernsehspiel, das von Pidax auf die DVD-Kundschaft losgelassen wird. Regie führt mit Theo Mezger derjenige, der ein paar Jahre später der „Raumpatrouille“ Beine machen sollte und die Vorlage stammt von Robert Arthur, dem Hitchcock-Kumpel, der die „Drei Fragezeichen“ erfand (in diesem Falle zusammen mit seinem langjährigen Co-Autor David Kagan, mit dem er u.a. die beliebte Radioanthologieserie „The Mysterious Traveler“ schrieb. Ich halte es nicht für ausgeschlossen, dass „Schritte in der Nacht“ die Adaption einer Radiofolge ist, die Thematik bietet sich für ein Hörspiel förmlich an). Das sind dann zumindest zwei Faktoren, die „Schritte in der Nacht“ jenseits des bloßen Kuriositätenfaktors „Krimi-/Mysteryfernsehspiel aus der guten alten Fernsehzeit“ für ein größeres Publikum interessant machen.
„Schritte in der Nacht“ beruht, wie es sich für ein kurzes Fernsehspiel gehört, auf einer einfachen, aber bestechenden Idee, mit der sich so ziemlich jeder identifizieren könnte? Was, wenn man spät nachts mal unterwegs ist und man verfolgt wird, ohne zu wissen, warum? Es wird jedem schon mal passiert sein, dass man sich auf dem Heimweg von einer Fete o.ä. nervös umsieht, jeden Typen, der suspekterweise *auch* um drei Uhr nachts auf der Straße unterwegs ist, für einen potentiellen Mörder hält und – speziell, so man das Pech hat, weiblich und nachts allein unterwegs zu sein – in einen fremden Hauseingang drückt und mit ‚m Schlüssel rumnestelt, bis der arglos pfeifende freundliche Herr, der einem entgegenkam, zwei Blocks weiter ist. Will sagen – es ist eine Situation, in der man sich nicht schämen muss, wenn man eine leichte Paranoia entwickelt. Arthurs Stück (adaptiert von Regisseur Mezger und Produzent Heinz B. Steffens) ist etwas weniger paranoid als ich es mir vorgestellt (und vielleicht gewünscht habe). Ich ging eigentlich davon aus, dass die eigentliche Konfrontation von Verfolger und Verfolgtem eher spät als früh erfolgen wird und dadurch der, wenn man so will, „Mysteryaspekt“ – also das „ist da jemand hinter mir her? Bilde ich mir das nur ein? Besteht *wirklich* eine Gefahr für mich?“ – breiteren Raum einnehmen würde. Der Film allerdings legt die Karten gleich auf den Tisch – grad ist Harry bei Bill zur Tür hinaus, da läuft er auch schon geradewegs in seine Häscher. DASS jemand ihn umbringen will, ist also kein Geheimnis, es bleibt nur die Frage des „Warum?“ (da sich der Streifen unglückseligerweise dafür entscheidet, als Flashback-Movie, sprich Schilderung der Vorfälle aus Harrys Sicht – wobei da geschummelt wird und Szenen gezeigt werden, die Harry unmöglich mitbekommen haben kann – im Polizeiverhör zu arbeiten, kann der Streifen aus der Frage, *ob* Harry entkommt, keine Spannung schöpfen).
Aber – das ist gar nicht so wichtig. Bei der Laufzeit von knapp 40 Minuten ist die Erzeugung eines größeren, übergreifenden Spannungsbogens zu vernachlässigen. Es reicht völlig, dass Arthur und Kogan ihren Protagonisten in eine atemlose Hetzjagd stürzen, in der sich selbst vermeintliche Atempausen als hinterhältige Fallen entpuppen. Benson ist dabei ein nachvollziehbarer Protagonist – er ist keiner, der seine Gegner „outsmarted“, ihm stehen lediglich schieres Glück und Überlebenswille (gepaart mit einer „erst handeln, dann denken“-Attitüde, was ihn dann auch wieder in Schwierigkeiten bringt) zur Seite, er ist in der Tat völlig überfordert, was dann auch entsprechende unerfreuilche Konsequenzen hat. Ja, man kann meckern, dass die Auflösung a) recht banal und b) ziemlich offensichtlich ist (was bedeutet, dass c), auch wenn Harry nicht alle Informationen hat, er ziemilch dämlich rüberkommt, weil er sich nicht zusammenreimen kann, wer ihm da an den Kragen will), aber, wie gesagt, die Geschichte ist straff genug, dass man inhaltliche Probleme erst mal vernachlässigen kann (trotzdem: im „entscheidenden Moment“ agiert Harry ziemlich doof).
Von der filmhandwerklichen Seite her ist „Schritte in der Nacht“ im Vergleich zu bühnen-orientierteren Fernsehspielen wie Die letzte Folge oder Spuk im Morgengrauen regelrecht kinematisch – Mezger hetzt seinen Protagonisten durch eine Fülle von Sets und, eiderdaus, sogar einiges an Außenaufnahmen (die dann sogar halbwegs passabel eine amerikanische Stadt doublen. Warum man die Geschichte unbedingt in den Staaten ansiedeln musste, ist mir zwar nicht klar, aber soll mir auch mal Wurst sein). Der Setdekorateur (das wäre dann Karlheinz Frank) erfreut mit unerwarteter Liebe zum Detail (der Lagerraum einer Kneipe, in der sich eine brisante Szene absieht, ist mit Kartons authentisch amerikanischer „brands“ vollgestapelt. Ist man vom deutschen Fernsehen nicht gewohnt), die Kameraarbeit von Rolf Ammon (Flug in Gefahr, „Merkwürdige Geschichten“, „Die Physiker“) ist – auch dies speziell im Rahmen eines Fernsehspiels aus den frühen 60ern – recht einfallsreich. Der Score von Heinrich Feischner („Der Geisterzug“, „Bei Anruf – Mord“) ist, wie üblich für TV-Filme dieser Ära, knapp, jazzig angehaucht und insgesamt eher dazu gedacht, Stimmungen zu unterstützen als sich in den Vordergrund zu drängen.
Graphische Gewalt ist die Sache des Films natürlich nicht – wenn hier jemand erschossen wird, greift er sich an die Brust und sinkt dramatisch zusammen…
Die Schauspieler müssen nichts übermenschliches leisten – für’s frühe 60er-TV ist das praktisch Action pur, da gibt’s nichts großartiges zu mimen. Erik Schumann („Griff nach den Sternen“, „Das Rasthaus der grausamen Puppen“, „Es muss nicht immer Kaviar sein“, „Die Sehnsucht der Veronika Voss“) ist zwar ganz patent in der Darstellung der fortschreitenden Panik, andererseits mir aber auch etwas *zu* naiv und unbedarft für jemanden, der nun schon ein paar Jahre im harten Erwerbsleben steht. Walter Buschhoff („Babes in Toyland“, „Forsthaus Falkenau“, Das Geheimnis der Mary Celeste) ist als gedungener Meuchelmörder Trigger passabel, wie auch Dieter Eppler (kurzfristig mal Tatort-Kommissar „Liersdahl“, auch zu sehen in „Kampf um Rom“, „Polizeiinspektion 1“, der „Schwarzwaldklinik“, „Die Todesstrahlen des Dr. Mabuse“ oder Lana – Königin der Amazonen als Bensons Vetter Bill und Gerold Wanke („Liebe, Jazz und Übermut“, „Der Graf von Luxemburg“) als Triggers tumber Partner Joe. Stanislav Ledinek, hier in einer kleinen, aber prägnanten Rolle als fieser Wirt, kennen wir aus Madeleine Tel. 13 62 11.
Bildqualität: Ich muss dieses Mal vor Pidax wirklich den Hut ganz tief ziehen – der 4:3-s/w-Print sieht sprichwörtlich aus wie aus dem Ei gepellt bzw. direkt aus der Live-Kamera gezogen. Gestochen scharf, exzellenter Kontrast, vollkommen frei von Defekten oder Verschmutzungen.
Tonqualität: Und für den Dolby 2.0-Mono-Ton gilt gleiches – minimales, nie störendes Grundrauschen, überraschend druckvoll und klar – besser könnt’s nur sein, wenn die Sprecher neben einem auf der Couch sitzen würden…
Extras: Leider nix.
Fazit: Wieder mal ein schönes Stück spannender TV-Vergangenheit, das Pidax hier aufgetrieben hat. Sicher, das Mystery, das Robert Arthur sich hier ausgedacht hat, mag nicht das cleverste der Kriminalgeschichte sein, aber Mezger inszeniert die Geschichte so flott, so straff, so frei von Leerlauf, das man als Zuschauer unwillkürlich in den Sog der Story gerät und man das Gefühl, wesentlich schlauer als der Protagonist zu sein, mal zumindest für die Laufzeit des Filmchens verdrängen kann. Da der ganze Kram etwas filmischer ist als die oft ihre Theaterherkunft nicht verleugnenden zeitgenössischen Konkurrenz-Fernsehspiele und mit einer überraschend detaillierten Ausstattung aufweisen kann, empfehle ich uneingeschränkt – unter dem Caveat, dass die Scheibe mal wieder nicht ganz billig ist (10 € bei amazon.de für 40 MInuten Film) und ich einmal mehr meinen Vorschlag unterbreite, ein Kurzfernsehspiel-Boxset herauszubringen…
4/5
(c) 2012 Dr. Acula