Schöne Venus

 
  • Deutscher Titel: Schöne Venus
  • Original-Titel: Vénus beauté (Institut)
  •  
  • Regie: Tonie Marshall
  • Land: Frankreich
  • Jahr: 1999
  • Darsteller:

    Nathalie Baye (Angèle), Samuel Le Bihan (Antoine), Bulle Ogier (Nadine), Mathilde Seigner (Samantha), Audrey Tautou (Marie), Robert Hossein, Marie Rivière


Vorwort

Angèle, etwas über 40, arbeitet in einem Pariser Schönheitssalon. Gemeinsam mit ihren jüngeren Kolleginnen Marie und Samantha bearbeitet sie dort die Alterserscheinungen der weiblichen Kundschaft und muss sich des öfteren auch als Seelentrösterin betätigen. Sie selbst ist allerdings unglücklich – ihrem Ex-Mann hat sie beinahe die Rübe weggeschossen, seitdem sucht sie erfolglos Ablenkung in kurzlebigen Abenteuern. Eines Tages tritt der jüngere Antoinie in ihr Leben – ungefragt und aufdringlich, hat er sich doch spontan und Hals über Kopf in die spröde Frau verliebt. Angèle redet sich ein, an Antoine nicht interessiert zu sein und erteilt dem jungen Mann eine deutliche Abfuhr, doch er gibt nicht auf. Während Marie eine Angèles Ansicht nach ungesunde Beziehung zu einem sehr viel älteren Kunden aufbaut und die äußerlich flippige und promiskuitive Samantha auf eine fatale Weihnachtsdepression zusteuert, versucht Angèle, sich über ihre Beziehungen und ihre Zukunft klar zu werden…


Inhalt

Es war ja zu erwarten und/oder zu befürchten. Nachdem Audrey Tautou, die ewige „Amélie“ nun auch als „Mathilde“ wieder Kinosäle füllt, kommen clevere DVD-Distributoren auf die Idee, Frühwerke des französischen Jungstars plakativ als Tautou-Filme zu vermarkten – so auch Sunfilm mit „Schöne Venus“, einer vielfältig preisgekrönten romantischen Dramödie, in der Audrey Tautou eine verhältnismäßig kleine Rolle spielt (sie wird an sechster Stelle kreditiert, und das kommt in Punkto Screentime und Wichtigkeit der Rolle auch ungefähr hin). Nun ja, wenn dadurch ein hierzulande unbekannter Film verdiente Popularität erlangt, soll das recht und billig sein.
Der Haken dabei ist das Wörtchen „verdient“. Ich will nicht sagen, dass „Schöne Venus“ ein schlechter Film ist (schließlich kann ich mich kaum in Widerspruch zur französischen Filmakademie setzen, die dem Streifen vier „Césars“ verlieh, u.a. für das beste Drehbuch und den besten Film), aber er klickt bei mir einfach nicht (und das kann nicht an einer generellen Abneigung gegen französische und/oder romantische Filme liegen, schließlich liebe ich die „Amélie“).

Für mich liegt die Hauptschwierigkeit bei „Schöne Venus“ im schwer zugänglichen, sperrigen zentralen Charakter – ich hab ja auch prinzipiell nichts gegen Charaktere, die sich erst im Filmverlauf entwickeln und definieren, ganz im Gegenteil, aber zu Angèles Seelenleben fehlt mir der Zugang oder kurz gesagt: ich versteh‘ die Frau einfach nicht (okay, Kritiker meiner Person könnten behaupten, ich verstünde generell die Frauen nicht, aber wer tut das schon?). Ich wollte ja schon der lieben Amélie ab und an mal ins Ohr brüllen, dass sie sich die ganze Sache mit der wahren Liebe und so deutlich einfacher machen könnte, aber gegen Angèle ist Amélie eine Vulkanierin (anders ausgedrückt: wer Amélie für eine Nervensäge hielt, dürfte versucht sein, Angèle zu erwürgen). Sicher versteht sich der Film nicht nur als romantische Komödie mit dramatischen Untertönen, sondern auch als Parabel auf das Älterwerden (dafür steht schon allein die visuelle Metapher des Schönheitssalons, danke, soviel Filmtheorie kapiere ich gerade noch…), aber der Charakter Angèle entwickelt sich für mich nicht schlüssig und nicht nachvollziehbar (naja, es handelt sich um eine Frau… äh).

Zudem ist die Erzählstruktur des Films – und jetzt leg ich mich doch mit der französischen Academie an – recht holprig. Gelegentlich fehlt mir zwischen einzelnen Szenen die Verbindung, außerdem handelt sich der Film mit dem Unterfangen, alle drei Kosmetikerinnen (und ansatzweise noch ihre Chefin Nadine und diverse ihrer exzentrischen Kundinnen) zu beleuchten, etwas viel auf – das fügt sich nicht immer zusammen und lässt die Subplots um Samantha und Marie manchmal im übertragneen Sinne im Regen stehen. Andererseits fehlt dem Film im Umkehrschluss durch die unterentwickelten, aber Zeit verschlingenden Nebenhandlungen manchmal die nötige Ruhe, um die Hauptgeschichte um Angèle und Antoine (der sowieso viel zu kurz kommt, was seinen Charakter angeht; man merkt, es ist ein Frauenfilm…) konsequent zu entwickeln.
Regisseurin Tonie Marshall (nicht zu verwechseln mit dem deutschen stimmungstötenden Schlagersänger) hat sich mit der Doppelbelastung Regie/Drehbuch vielleicht etwas zu viel aufgeladen – das Drehbuch hätte meiner bescheidenen Ansicht nach die ein oder andere Überarbeitung und Straffung vertragen können. Dem Film fehlt in seiner vorliegenden Form einfach der gewisse verve – er plätschert vor sich hin, liefert ab und an einen zündenden Dialog oder eine eindrucksvolle Szene, schafft es aber nie, wirklich mitzureißen. Möglicherweise wäre es auch sinnvoller gewesen, den Film eindeutiger als Drama oder Komödie zu definieren; nicht von ungefähr ist eine „dramatische Komödie“, die in beiden Aspekten überzeugen kann, eine der schwierigsten Übungen für ambitionierte Filmemacher. Insgesamt scheinen mir bei „Schöne Venus“ die komödiantischen Elemente gelungener zu sein, die psychologisch-dramatische Seite scheint mir als männlichem Wesen nicht immer nachvollziehbar, aber ich wiederhole: „Schöne Venus“ ist nun mal wirklich ein Frauenfilm von, mit und über Frauen, in dem Männer zwar eine gewisse Rolle spielen, weil’s in heteroorientierten Liebesfilmen nun mal nicht ohne geht, aber den Frauen in filmischer und drehbuchgemäßer Bedeutung klar untergeordnet sind. Frauen dürfte der Film also vermutlich deutlich besser gefallen – also vielleicht ein idealer „date flick“?

Handwerklich-technisch gibt’s nichts auszusetzen – abgesehen davon, dass der Film manchmal den berühmten metaphorischen Tritt in den Allerwertesten vertragen könnte, liefert Marshall eine akzeptable Regieleistung ab. Die Kameraführung ist unspektakulär, aber gefällig, der Schnitt gutklassig, die musikalische Untermalung dezent.

Die Schauspieler sind über jeden Zweifel erhaben – Nathalie Baye, renommierte Truffaut- und Godard-Akteurin, die in letzter Zeit zwischen ambitionierten Arthouse-Filmen wie „Eine pornographische Affäre“ und Mainstream wie „Catch me if you can“ pendelt, bemüht sich wirklich nach Kräften, dem schwierigen Charakter Angèla Leben einzuhauchen. Es gelingt ihr nicht immer, die Rollengestalt verständlich und nachvollziehbar zu interpretieren, aber das liegt m.E. mehr am Script als an ihrer Leistung. Etwas problematisch ist, dass sie mit ihrem Film-Liebhaber Samuel Le Bihan („Wahnsinnig verliebt“, „Pakt der Wölfe“) kaum Chemistry verbindet – in ihren gemeinsamen Szenen funkt es nicht wirklich, die Beziehung scheitert also schon daran, dass sie nicht glaubhaft rüberkommt (da geht’s mir gar nicht um den Altersunterschied, sondern um die vermittelte Emotionalität zwischen den Charakteren). Aber auch hier geht der schware Peter wohl größtenteils ans Drehbuch – Le Bihans Charakter ist einfach underwritten. Die beiden Jungschauspielerinnen Mathilde Seigner (Schwester von Emmanuelle Seigner), deren internationaler Durchbruch noch bevorsteht, und Audrey Tautou deuten ihr Talent an. Seigner hat die komplexere Rolle, Tautou dafür die besseren Szenen, ihr Charme blitzt jedenfalls auf.

Einen heftigen Tadel erlaube ich mir heute in Richtung Sunfilm-Covergestalter. Das Cover ist ziemlich ätzend ausgefallen – das betrifft weniger das eigentliche Plakatmotiv, sondern die mit dem hinterletzten hässlichen Windoof-TrueType-Font hingerotzten Blurbs „Amelie-Star Audrey Tautou“ und „4 Cesars“. Da hat ein unterbeschäftigter Praktikant sicher fünf Minuten an MS-Paint drüber gebrütet. Tut mir herzlich leid, aber das kann ICH besser und halte mich nicht für einen begabten Grafik-Designer.

Bildqualität: Die Qualität des anamorphen 1.85:1-Transfers ist leider als suboptimal zu bezeichnen. Der Transfer ist für eine doch erst knapp fünf Jahre alter Produktion unnötig grob, verwaschen und in helleren Szenen zu kontrastarm. Detail- und Kantenschärfe sind allenfalls als zufriedenstellend zu bewerten und die Kompression ist dafür, dass die Scheibe nicht gerade mit Extras zugekleistert ist, ziemlich enttäuschend ausgefallen. Außerdem nervt mich langsam aber sicher gewaltig, dass Sunfilm-Scheiben traditionell auf meinen beiden Playern beim Layerwechsel freezen. Das muss doch irgendwie am Mastering liegen, dass ich beinahe ausnahmslos mit Sunfilm-Discs diese Probleme habe.

Tonqualität: Sunfilm liefert deutschen und französischen O-Ton wahlweise in Dolby 5.1 oder 2.0. Leider scheint nun auch Sunfilm dem Club der Publisher beizutreten, die Tonspurwechsel nur noch übers Menü zulassen, was ich nach wie vor für eine wenig kundenfreundliche Methode halte. Aus diesem Grund hab ich mich dann mit der deutschen Synchronfassung begnügt. Die ist von ausgezeichneter Sprachqualität, mit sehr angenehmem Musik-Mix (der dezente Score fällt kaum auf, was positiv gemeint ist). Deutsche Untertitel werden mitgeliefert, ausnahmsweise scheinen die Subs sich aber an der französischen Tonspur zu orientieren und nicht an der Synchronfassung.

Extras: Mager, mager. Außer dem deutschen Kinotrailer und Biographien für die wichtigsten Darsteller (natürlich ist die für Audrey Tautou die umfangreichste) auf Texttafeln gibt’s nur noch eine (auch nicht gerade umwerfend ausführliche) Sunfilm-Trailershow.

Fazit: Vermutlich sollte ich „Schöne Venus“ überhaupt nicht bewerten, weil ich schlicht und ergreifend nicht die Zielgruppe bin – ich bin einfach Angehöriger des falschen Geschlechts. Allerdings gibt es genügend romantische Filme, die dem sentimentalen Trottel yours truly durchaus das Herz aufgehen lassen, also halte ich es für bewiesen, dass man diese Art Filme drehen kann und dabei beide Geschlechter ansprechen kann. In diesem Sinne bleibt mir nur noch festzustellen, dass „Schöne Venus“ trotz guter darstellerischer Leistungen und solidem filmtechnischem Handwerk aufgrund eines irgendwie verquasten Drehbuchs nicht zünden will. Schade, da wäre durchaus Potential für eine etwas tragischere (und „ältere“) Variante von „Amélie“ vorhanden gewesen (ohne den Film jetzt auf Teufel komm raus mit dem Jeunet-Geniestreich vergleichen zu wollen), aber die, naja, schwierigen Charaktere, der rumpelige Erzählstil und das arg betuliche Tempo machen „Schöne Venus“ zu einem eher ermüdenden Gesamtkunstwerk. Sunfilm hat durchaus technisch bessere DVDs abgeliefert.

2/5
(c) 2003 Dr. Acula

originally posted: 2003


mm
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