Schock

 
  • Deutscher Titel: Schock
  • Original-Titel: Shock
  •  
  • Regie: Alfred L. Werker
  • Land: USA
  • Jahr: 1946
  • Darsteller:

    Vincent Price (Dr. Richard Cross), Lynn Bari (Elaine Jordan), Frank Latimore (Lt. Paul Stewart), Anabel Shaw (Janet Stewart), Stephen Dunne (Dr. Stevens), Reed Hadley (District Attorney O’Neill), Renee Carson (Miss Hatfield), Charles Trowbridge (Dr. Harvey)


Vorwort

Janet Stewart wartet in einem Hotel in San Francisco auf die Rückkehr ihres Ehemanns aus zweijähriger Kriegsgefangenschaft – Paul verspätet sich und Janet wird zunehmend nervös. Vom Balkon aus späht sie ins Nachbarzimmer, wo Dr. Richard Cross mit seiner Frau streitet; er will sich, weil er eine jüngere Geliebte am Start hat, scheiden lassen, wovon Mrs. Cross nichts wissen will. In Rage erschlägt der Doktor sein Weib mit einem Kerzenständer und die zufällige Zeugin Janet verabschiedet sich in einen schweren katatonischen Schockzustand, in dem sie Paul Stunden später findet. Der Hotelarzt kommt angesichts der sich ins La-la-Land verabschiedet habenden Janet auf den Gedanken, einen zufällig im Haus logierenden Psychoexperten hinzuziehen – Dr. Richard Cross!
Cross kombiniert schnell, was der einzig denkbare Grund für Janets Schock sein kann und leiert Paul die Einwilligung aus dem Kreuz, sie in sein Privatsanatorium zu verfrachten. Während es Cross gelingt, den Tod seiner Frau als bedauerlichen Wanderunfall hinzutricksen, überlegen er und seine Geliebte, die Oberschwester seiner Klinik, Elaine Jordan, was man mit Janet anstellen soll. Es stellt sich heraus, dass Janet sich an den Mord erinnert – es gelingt Cross, Paul einzureden, die Anschuldigungen wären Auswirkungen einer amnesiebedingten Psychose, die er zu kurieren beabsichtige, dieweil er in Wahrheit mit Elaine daran arbeitet, Janet weiszumachen, sie wäre verrückt. Doch überraschend meldet sich der Staatsanwalt bei Cross – da man einen Hobo gefunden hat, der nahe dem Ort, an dem die Leiche von Mrs. Cross gefunden wurde, eine andere Frau überfallen und niedergeschlagen hat, vermutet man nun, dass ihr Tod kein Unfall gewesen sein könnte. Nun möchte man meinen, prinzipiell wäre das für Cross und seine Geliebte gar nicht so schlecht, wenn sich ein anderweitiger Killer findet, doch Janet und ihr hartnäckiges Instieren, Cross habe seine Olle selbst entsorgt, ist nach wie vor ein Sicherheitsrisiko. Elaine schlägt vor, diesen Unsicherheitsfaktor permanent auszuschalten…


Inhalt

Mill-Creek-„Drive-In Movie Classics“-Box, die, ähm, die wievielte? (19. Anm. d. Setzers). Heute mal mit einem, ähm, Qualitätsprodukt, und, wie schon bei Nabonga, einem Film, der eigentlich mit Autokinos nicht so wirklich was am Hut hat. Bei „Shock“ handelt es sich um einen B-Programmer, also Begleitfilm eines „größeren“ Films im Double Feature, allerdings nicht um einen aus Hollywoods Armenhaus-Suppenküche, sondern von einem richtigen Studio mit Geld – 20th Century Fox, und die ließen sich einen solchen lower-bill-Hobel schon mal 400.000 Dollar kosten (und das war 1946 durchaus eine Stange Geld). Dafür kann man sich dann sogar einen vernünftigen Hauptdarsteller einkaufen – Vincent Price hatte zu diesem Zeitpunkt immerhin schon Hauptrollen in „Tower of London“ oder „The Invisible Man Returns“ sowie tragende Nebenrollen im Film-Noir-Klassiker „Laura“ und „The Song of Bernadette“ am Gürtel.

„Shock“, erdacht von B-Film-Spezialist Albert DeMond („The Purple Monster Strikes“, „The Phantom Rider“) und dem mit einer eher indifferenten Karriere gesegneten Eugene Ling („Behind Locked Doors“, „The Man from Cairo“), dialogtechnisch aufgepeppt von Martin Berkeley (Tarantula, „The Deadly Mantis“), versucht den Eiertanz, Elemente des klassischen damsel-in-distress-Thrillodrams (Marke „Rebecca“ oder Eiskalte Rache) mit Einflüssen aus dem gerade angesagten Film Noir-Boom und der ebenfalls, nicht zuletzt seit Hitchcocks „Ich kämpfe um dich“, aktuell angesagten Psychoanalyse zu kombinieren – und das alles in knapp über einer Stunde. Could be a hell of a ride, schon allein, weil keine drei Minuten vergehen, bis wir uns in einer surrealen Traumsequenz wiederfinden (nicht gerade Dali-Qualität, aber immerhin), nur leider hält „Shock“ diese Attitüde nicht lange durch und verlegt sich größtenteils darauf, ein recht vorhersehbares Standard-treib-die-Lady-in-den-Wahnsinn-Szenario abzuspulen. Da und dort gibt’s noch inspirierte Momente (wenn z.B. aus keinem bestimmten Grund, nur, dass sich gerade die Gelegenheit bietet, ein wirklich Bekloppter in Janets Krankenzimmer schleicht und sich dann dort einen Kampf mit Elaine liefert), doch über weite Strecken fehlt Film und Script die Chuzpe, mehr aus dem Konzept herauszuholen, ein wenig über die Genre-Stränge zu schlagen und wirklich memorabel zu werden (aber was erwarte ich von einem B-Film?).

Mein zentrales Problemchen mit „Shock“ ist, dass sein Mystery keins ist – alles wird säuberlich ausgebreitet, keine Frage ist offen, alle Motivationen liegen klar erkennbar auf dem Tisch. Ja, Hitchcock und seine „suspense“-Schule machen den Wissensvorsprung des Zuschauers gegenüber den Charakteren zum wesentlichen Mittel der Spannungserzeugung, aber wenn wirklich ALLES aufgedeckt ist, welchen „incentive“ habe ich als Zuschauer dann noch? Im Fall von „Shock“ weiß ich, wer der Mörder ist, wie er es tat, warum er es tat, wie er die Tat getarnt hat, was er mit Janet als Zeugin machen will und wie er dies umsetzen will – es gibt keine Geheimnisse, keine Enthüllungen, die Spannung muss sich einzig und allein aus der Frage aufbauen, ob es ihm gelingen wird, Janet zu beseitigen (und, da wir es mit einem Hollywood-Studiofilm von 1946 zu tun haben, in dem das Böse nun mal aus Prinzip nicht gewinnen darf, gibt’s da ja auch nicht ernstlich eine Diskussion…). Sicherlich schreibe ich das mit mehr als sechs Jahrzehnten Abstand, ebenso ist der Fall schlüssig konstruiert und erlaubt sich keine Logikfehler (wie auch, wenn der Plan der Bösewichter von A bis Z ausbuchstabiert wird?), trotzdem – auch zeitgenössischem Publikum müsste das doch als „Spannungsfilm“ etwas zu dünn gewesen sein.

Man verstehe mich nicht falsch – das Script ist solide und erfüllt, sofern man sich eben damit angefreundet hat, dass es kein Geheimnis gibt, das im letzten Akt dramatisch gelüftet werden kann, absolut seinen Zweck. Die kurze Laufzeit erlaubt keine großartigen Sperenzchen um unnötige Subplots, die Mechanik funktioniert bestens und das Gimmick der Story, die Mordzeugin in die Obhut des Mörders zu geben, ist pfiffig. Der film-noir-Einschlag, wonach alles ja irgendwie die Schuld einer femme fatale sein muss, fügt sich gut ein (Cross steht mehr oder minder unter der Fuchtel von Elaine, die ihm vorgibt, was er zu tun hat – er selbst hat [being Vincent Price, ähem] Gewissensbisse). Der Seelenklempnerzunft, die hier munter mit Insulinschocktherapie (damals durchaus state-of-the-art in der Schockbekämpfung) hantiert, steht das Script offensichtlich eher kritisch gegenüber – Psychotherapie ist aus Patientensicht brotlose Kunst, scheint der Streifen suggerieren zu wollen, so oft wie seinen Protagonisten in den Mund gelegt wird, dass sie ja eigentlich keine Ahnung haben, ob ihre Therapie anschlagen wird etc. Das brachte dem Film in der zeitgenössischen Kritik manchen Rüffel ein, da psychologische Betreuung von Kriegsveteranen ein recht aktuelles Thema war und man „Shock“ – nicht ganz unberechtigt – vorwarf, vor solcher therapeutischer Betreuung zu warnen (hm, ob L. Ron Hubbard unkreditiert mitgeschrieben hat?).

Die Regie des routinierten B-Film-Profis Alfred Werker (dessen größte Ruhmestat der Disney-Semi-Doku-Streifen „Der Drache wider Willen“ sein dürfte, in dem erstmals 1941 ein Blick hinter die Kulissen der Zeichentrickschmiede geworfen werden durfte) ist zweckmäßig und in den besten Momenten (die ersten fünf-sechs Minuten, einige Szenen im Sanatorium) sehr effektiv – gerade diese Sequenzen stimmen ein wenig traurig, dass Werker nicht den Mut hatte, den Film durchgängiger auf Effekt, auf Scare, auf Thrill hin zu inszenieren, quasi den psychologischen Schrecken weiter anzuheizen, anstelle, wie vorliegend, die bodenständigere, aber eben auch nicht sonderlich aufregende Krimihandlung in den Vordergrund zu stellen. Sowohl Werker als auch seine Kaermaleute Joseph MacDonald (der sich noch in die A-Liste hochdienen sollte und u.a. „Wie angelt man sich einen Millionär?“, „Niagara“ oder „Viva Zapata!“ fotografierte) und Stummfilmveteran Glen MacWilliams (Hitchcocks „Lifeboat“) deuten Talent für das surreale, unheimliche Element an – ihre Bemühungen werden allerdings vom oft sehr harten, ruckligen und manchmal schlichtweg unangebrachten Schnitt von Harmon Jones (der die Editiererei dann auch bald ließ und ins Regiefach wechselte) untergraben.

Recht drollig ist aus heutiger Sicht die verzweifelte Bemühung des Films, ja keine echten Gewalttätigkeiten zu zeigen – der Mord an Mrs. Cross findet strategisch hinter einer Wand statt und für einen zweiten Tötungsakt im Finale müssen die Beteiligten sich im Laufe ihres Handgemenges noch umständlich hinter einen Paravent wuchten. Aber so waren sie, die Zeiten des Production Codes…

Vincent Price liefert in der Hauptrolle durchaus einen guten, wenn auch keinen spektakulären Job ab (auch wenn es zum gern, auch von mir, gepflegten Vorurteil des „weinerlichen“ Price passt, dass er mal wieder unter dem Pantoffel steht und selbst nicht wirklich zu einer Entscheidung fähig ist). Jedenfalls zeigt er, dass er ohne das Overacting der Corman-Poe-Adaptionen auch zu seriösen, „realistischen“ Darstellungen fähig ist.
Lynn Bari hatte sich von Bit-Parts als „chorus girl“ etc. über größere Rollen in anspruchslosen B-Filmen wie der „Mr. Moto“- oder „Charlie Chan“-Reihe in die Riege der B-Film-leading ladies vorgearbeitet, der immer ein wenig Glück und/oder Timing fehlte, um auch mal in die A-Liga vorzustoßen (in ihrem einzigen richtigen A-Film, „The Magnificent Dope“, teilte sie sich aber immerhin top billing mit Henry Fonda und Don Ameche). Als eigentlich treibende Kraft des sinistren Plans macht sie eine gute Figur.
Frank Latimore, als Lt. Stewart reichlich blass und uncharismatisch, wechselte bereits in den frühen 50ern nach Europa und fand im italienischen Abenteuerfilm eine feste Heimat, ehe er 1970 in „Patton“ ein kleines Comeback feierte, das ihm um Ende seiner Karriere noch einige US-TV-Rollen bescherte.
Anabel Shaw hat – gottseidank, aufgrund eher überschaubarer dramatischer Fähigkeiten (und mich prinzipiell irritierender großer Kulleraugen… ungefähr Heike-Makatsch-Territorium) – nicht viel mehr zu tun als komatös oder hysterisch in ihrem Krankenbett zu liegen. Wenn sie *spielt*, ist das schon sehr schmerzhaft anzusehen (vgl. Screenshot); ihre Karriere beschränkte sich auf einige bedeutungslose B-Filme, wenig bemerkenswerte Fernsehauftritte und als Abgesang 1971 ein Bit-Part im „Mephisto Walzer“.

Bildqualität: Mill Creek zeigt den Film in erträglichem s/w-Vollbild, mit der zu erwartenden Anzahl an Defekten und Laufstreifen (sieht aber immer noch besser aus als der Print von Voodoo Black Exorcist, und „Shock“ ist dreißig Jahre älter). Schärfe und Kontrast sind, angesichts Alter des Films und Preisschild der DVD, mittelprächtig.

Tonqualität: Der englische Mono-Ton ist allerdings dafür erschütternd. Schätzungsweise die Hälfte der Dialoge versinkt in völlig undechiffrierbarem Soundbrei – selten habe ich mir bei einem Film aus dem Mill-Creek-Fundus Untertitel so gewünscht. Wenn man einen Großteil der Dialoge erraten oder aus dem Kontext erschließen muss, ist das schon sehr anstrengend (aber vielleicht ist das ja auch der gerechte Ausgleich dafür, dass ich über die Simplizität des Plots geschimpft habe). Übrigens ist „Shock“ bei Sunfilm als deutsche DVD mit deutscher Tonspur erschienen (allerdings erscheint mir der amazon-Listenpreis von 13 Euro für einen 70-Minuten-B-Film aus Uropas Mottenkiste doch eher heftig).

Extras: –

Fazit: „Shock“ mag filmhistorisch kein großer Wurf sein und keine echte Bedeutung besitzen, ist als Beispiel dafür, was die großen Studios in den 40ern als B-Film betrachteten, aber gut geeignet – handwerklich bis auf die Schwächen im Schnitt akzeptabel bis ansprechend gearbeitet, seriös gespielt und mit einem zwar sehr eindimensionalen, aber stimmigen Script ausgestattet, ist das genau die Sorte Film, die das Publikum eine gute Stunde lang solide unterhält, ehe der „Hauptfilm“, für den man idealerweise Eintritt bezahlt hat, über die Leinwand flimmert. Da machte sich niemand Gedanken darüber, ob das eine Plotte für die Ewigkeit ist oder sich schon nächste Woche kein Mensch mehr daran erinnert, ein Film wie „Shock“ musste einfach nur eine simple Aufgabe erfüllen, „programmer“ im originären Sinn zu sein. Aus heutiger Sicht ist die Verquickung verschiedener Motive, dem durchaus schon eingeführten Thrillodram und modernerem Krimi-Spannungsfilm mit noir’schem Einschlag, reizvoll – genau wie die „frühe“ Hauptrolle von Vincent Price, aber die Mill-Creek-Fassung ist aufgrund der geschilderten Tonproblematik indiskutabel – als Gratisdownload würde ich mir das eingehen lassen, aber selbst in einem 50er-Boxset darf man ein Mindestmaß an technischer Sorgfalt erwarten. Der Film selbst verdient aber eine vorsichtig positive Bewertung.

3/5
(c) 2009 Dr. Acula


mm
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