Savage Journey

 
  • Deutscher Titel: Savage Journey
  • Original-Titel: Savage Journey
  •  
  • Regie: Tom McGowan
  • Land: USA
  • Jahr: 1983
  • Darsteller:

    Maurice Grandmaison (Brigham Young), Richard Moll (Joseph Smith), Robin Russell (Mary Ann Angel), Terrence Gehr (Samuel Rudley), Faith Clift (Claire Rudley), Kate Hill (Emma Smith), Lawrence Webb (Hyrim Smith), John Patrick Garvey (William Law), Dan Adams (Governor Ford), Keith Gurr (Porter Rockwell), Mark Shipley (Captain Allen), Marc Lawrence (Chief Walker)


Vorwort

Um 1830 – der West-Pionier Brigham Young sucht in einer Seelenkrise nach göttlichem Beistand, den er bei den „klassischen“ Religionen (und einigen abartigeren Varianten) nicht findet, und trifft auf den selbsternannten Propheten Joseph Smith, der als unbedeutender Sektierer in Ohio predigt. Smiths Philosophie ist das, was Young braucht und seinerseits wird Young schnell zu Smiths rechter Hand. Der charismatische Smith und der hemdsärmelige Pragmatiker Young machen im Verbund aus Smiths kleiner Sekte eine ernstzunehmende religiöse Gruppe – die „Heiligen der letzten Tage“, bzw. Mormonen, wie sie landläufig genannt werden. Geleitet von Smiths Visionen ziehen die Mormonen nach Westen, doch in Missouri, wo sie ihre Stadt errichten wollen, werden sie angefeindet. Gottesfürchtige Leute, die nicht rauchen, trinken oder spielen, sind den harten whiskeysaufenden Revolverhelden im noch wirklich wilden Westen ausgesprochen suspekt, zumal Smiths Kirche immer mehr Zulauf findet. Es kommt zu Gewalttätigkeiten, die in einem Massaker an Mormonen kulminieren. Die Regierung in Form von Präsident van Buren will sich – ob eines anstehenden Wahljahres – nicht in innerstaatliche Angelegenheiten einmischen. Den Mormonen bleibt nur der Trek nach Illinois, wo sie aus einem moskitoverseuchten Sumpf eine blühende Stadt, Nauvoo, zaubern. Doch als Gerüchte aufkommen, Smith würde Polygamie zur Kirchendoktrin erheben wollen, kommt es zu Spannungen. Ein Mordkomplott gegen Smith wird aufgedeckt, aber die Verschwörer geben nicht auf – sie geben eine Zeitung heraus, die Smith nach allen Regeln der Kunst verunglimpft. Smith lässt die Druckerpresse zerstören, kommt damit aber in den Konflikt mit Staats- und Bundesgesetzen zur Pressefreiheit. Illinois‘ Gouverneur verspricht Smith einen fairen Prozess, der Kirchenführer stellt sich, wird jedoch, von den Wachtposten ungehindert, mit einigen weiteren Kirchenoberen von einem Lynchmob ermordet. Young übernimmt die Führung der Kirche und entscheidet, die Mormonen in einem beschwerlichen 2000-Meilen-Treck weiter nach Westen zu führen, ins heutige Utah (damals noch ein Teil von Mexiko). Doch auch im vermeintlich „gelobten Land“ reißen die Schwierigkeiten nicht ab…


Inhalt

Womit man nicht alles konfrontiert wird, wenn man arglos eine 50-Filme-Box wie die „Drive-In Movie Classics“ von Mill Creek anschafft… hätte man mir vor einem Jahr erzählt, ich würde mir mal zu einem Film über die Gründung und ersten Jahre der Mormonen-Glaubensgemeinschaft (die wir heutzutage gemeinhin als harmlosere und weniger nervende Ausgabe der Zeugen Jehovas ansehen) ein paar Zeilen aus dem Daumen lutschen müssen, ich hätte denjenigen einweisen lassen. Und ich muss zugeben – nach der dreizeiligen Inhaltsangabe auf der Papphülle der DVD war ich auch nicht sonderlich scharf darauf, tatsächlich ein paar Stunden Lebenszeit an Mormonen-Mythen zu verschwenden. Im Endeffekt waren es zwei Überlegungen, die mich dazu veranlassten, „Savage Journey“ zu kucken: zum einen habe ich für meinen Geschmack schon zu viele Filme aus der Box aufgrund mangelnden Interesses übersprungen, zum anderen spielt Richard Moll mit. Der Charakterkopf, der seine größte Popularität sicher aus der Comedy-Serie „Night Court“, die auch einige Zeit lang hierzulande zu sehen war, bezieht, hat bekanntlich eine Karriere daraus gemacht, groß zu sein und, wenn er nicht gerade damit beschäftigt ist, seine einprägsamen Stimmbänder für Marvel- und DC-Zeichentrickfilme zu strapazieren, seine stets wiedererkennbare Visage in einprägsamen Klein- bis Nebenrollen gewinnbringend vor die Kamera zu halten. In einer richtigen Hauptrolle sieht man Moll selten, noch dazu in einer, die nicht auf seine physische Ausnahmeerscheinung abstellt.

Was ich leider im Zuge meiner Recherchen (und ich gebe zu, ich habe ausnahmsweise mal wirklich recherchiert, den Film mehrfach unterbrochen und nachgeschlagen, ob die Darstellungen historisch akkurat sind etc.) nicht herausfinden konnte, war, ob „Savage Journey“ von den Latter-Day Saints direkt oder indirekt produziert wurde oder einfach „nur“ ein dokumentarischer Historienfilm ohne propagandistischen Hintergrund ist. Fakt ist, dass Regisseur Tom McGowan und Drehbuchautor Philip Yordan (ein Team, das u.a. auch beim unsäglichen „Night Train to Terror“ Hand anlegte) bereits 1977 für die offensichtlich eigens hierfür gegründete Produktionsfirma Sunset Films ein deutlich über zwei Stunden laufendes Biopic über Brigham Young, den ersten wirklichen „Führer“ der Mormonen, unter dem Titel „Brigham“ abdrehten, der sechs Jahre später für eine Fernsehbearbeitung umgetitelt, um eine gute halbe Stunde gekürzt und umgeschnitten wurde – diese Kurzfassung liegt nun in Form von „Savage Journey“ vor mir auf dem Schreibtisch.Ob McGowan und Yordan Mormonen waren, ist mir nicht bekannt. McGowan hatte eine kuriose, drei Jahrzehnte überspannende Karriere, in der er zwar nur elf Filme drehte (eigentlich nur acht, denn „Brigham“/“Savage Journey“ muss man ebenso abziehen wie die „Night Train to Terror“, der eine Resteverwertung u.a. seines Horrorfilms „Cataclysm“ darstellte, und den Disney-Tierfilm „The Hound That Thought He Was a Raccoon“, der für die TV-Serie „The Wonderful World of Walt Disney“ zweitverwertet wurde und so in McGowans Filmografie zwei Einträge belegt). Sein größter Erfolg dürfte der legendäre Tierfilm „Frei geboren“ sein, an dem er unkreditiert neben James Hill herumschraubte, aber er war sich auch nicht zu schade für eine Sexkomödie („Wilbur and the Baby Factory“) und auch nicht dafür, Russ Meyer das Drehbuch für „Megavixens“ zu schreiben. Autor Philip Yordan seinerseits schrieb schon seit den 40er Jahren erfolgreich Drehbücher in allen möglichen Genres von Thriller bis hin zum Western, kassierte 1954 für „Broken Lance“ einen Oscar, und machte sich bei Kollegen beliebt, indem er seinen Namen für die Arbeiten vermeintlicher Kommunisten, die auf McCarthys schwarzer Liste standen, hergab und diesen so die Möglichkeit gab, mit ihrer Arbeit Geld zu verdienen (Ben Madden profitierte hiervon bei „Johnny Guitar“ oder „The Naked Jungle“, Bernard Gordon konnte so seine Bücher für „Day of the Triffids“ und „Circus World“ an den Mann bringen). Selbst arbeitete er an den Büchern für Monumentalfilme wie „King of Kings“, „El Cid“ oder „Der Untergang des römischen Reichs“, in den 80ern wandte er sich dann dem Exploitation-Fach zu, schrieb und produzierte Filme wie „Cataclysm“, „Death Wish Club“, „Bloody Wednesday“ oder „The Unholy“.

Schon eine seltsame Mischpoke, die sich berufen fühlte, der Welt die Anfänge der Mormonen-Kirche nahe zu bringen. Unabhängig von der Frage, ob McCowan und Yordan nun tieferes persönliches Interesse an der Materie hatten oder schlichte Auftragsarbeiter im Namen der Organisation selbst waren, steht fest, dass „Savage Journey“ weniger an historischer Akkuratesse denn an einem idealisierten, in vielen Aspekten beschönigendem Bild der Anfangsjahre der Kirche – die man heutzutage ja eher als harmlose Organisation ansieht – interessiert ist und zudem, speziell in der 96-Minuten-Kurzfassung, schon allein aus formalen und strukturellen Gründen kaum in der Lage ist, tiefer in die Materie einzusteigen als vielmehr einen Reader’s-Digest-artigen „best-of“-Abriss der ersten zwei-drei Jahrzehnte der Kirchengeschichte. In schon fast nicht mehr nachvollziehbarem Tempo hakt das Script (bzw. die gekürzte Fassung der TV-Version, aber das gilt generell für alle Betrachtungen dieses Reviews) verschiedene wichtige Punkte der Mormonen-Historie ab und kann dadurch kaum auf die Hintergründe der diversen geschilderten Begebenheiten eingehen. Zwar sind die meisten der dargebotenen Ereignisse in der Realität begründet, aber Yordan blendet vieles, was der Mormonenkirche negativ ausgelegt werden könnte aus, beschönigt es oder berichtet einfach einseitig.

So ist z.B. der Konflikt zwischen den mormonischen Zuwanderern und den bereits in Missouri ansässigen Siedlern belegt – wie auch das Massaker in Haun’s Mill, bei dem neunzehn mormonische Siedler, darunter auch einige Kinder, ermordet wurden. „Savage Journey“ spart allerdings aus, dass die Mormonen ebenfalls bewaffnet waren und sich durchaus verteidigten, außerdem wurden – im Gegensatz zur Behauptung des Films – keine Frauen getötet. Ebenfalls historishe Tatsache ist Smiths erfolgloser Besuch bei Präsident van Buren, allerdings machte sich der echte Smith im Gegensatz zum Film-Smith keine Hoffnungen, dass der Präsident, von dem der Mormonenführer sowieso nichts hielt, hilfreich eingreifen würde. Die Ereignisse in Nauvoo leiden unter Anachronismen – im Film wird Smith ein Verstoß gegen den Ersten Verfassungszusatz (Meinungs-, Rede- und Pressefreiheit) vorgeworfen, doch der galt 1844 nur im Bezug auf Bundesbehörden. Bundesstaaten und Territorialregierungen wurden erst 1868 durch den Vierzehnten Zusatz in die Pflicht genommen, und bis weit ins 20. Jahrhundert hinein wurden Verstöße gegen diese Zusätze nicht ernstlich verfolgt. Zutreffend ist, dass Smith sich nach dem Versprechen, einen fairen Prozess zu erhalten, nach der Zerstörung der Presse stellte; falsch ist dagegen wieder die Darstellung seiner Ermordung. Smith und seine Begleiter waren bewaffnet, Smith selbst verwundete einige Angreifer und wurde nicht melodramatisch aus einem Fenster geschossen, sondern versuchte, durch einen Fenstersprung stiften zu gehen, verletzte sich allerdings dabei und wurde dann, deutlich würdeloser, erschossen. In den die Ansiedlung in Utah betreffenden Kapiteln spart „Savage Journey“ die Auseinandersetzungen Brigham Youngs mit der Bundesregierung völlig aus – seine Rolle im Indianerkrieg von 1853/54 (er brachte den auf Kriegspfand befindlichen Häuptling Walker tatsächlich zur Räson) wird falsch dargestellt. Walker war 1854 längst (allerdings wohl nur des anfänglichen guten Verhältnisses zwischen Mormonen und Indianern zuliebe) zum mormonischen Glauben übergetreten, Young war, entgegen der Darstellung des Films, schon seit vier Jahren von der Bundesregierung als Gouverneur abgesetzt und hatte nicht mehr die Befugnisse, die der Film ihm hier andichtet. Und das sind jetzt nur die faktischen Fehler, die mit ein-zwei Stunden Google-Recherche zu finden waren. Dazu gesellen sich noch vermeidbare Fehler wie das Anspielen von „An der schönen blauen Donau“ bei einer Mormonen-Geselligkeit, obwohl Strauss den Walzer erst zwei Jahrzehnte später komponierte… Youngs kontroverse Rolle im Umgang mit Schwarzen bleibt außen vor (die Mormonen waren zwar strikte Gegner der Sklaverei, aber Brigham Young machte als Kirchenpräsident eine Doktrin rückgängig, wonach Schwarze – wie Religionsstifter Smith es vorgesehen hatte – Priester werden konnten), und auch beim wohl heikelsten Thema der Mormonengeschichte gibt sich „Savage Journey“ historisch eher zweifelhaft – Polygamie.

Kudos immerhin, dass der Film das Thema behandelt, allerdings ist es nunmal *so* synonym in der öffentlichen Wahrnehmung der Mormonen-„Frühgeschichte“, dass da wohl kein Weg dran vorbei führte (nicht zuletzt die Vielweiberei war einer der Gründe, warum die Mormonen bis weit ins 20. Jahrhundert von Staat und klassischen christlichen Religionen massiv angefeindet wurden). Die heutige Lehre, auch von den Latter-Day Saints selbst, die Polygamie, bis auf einige Splittergruppen, längst abgeschafft haben, vertreten, lautet, dass Brigham Young die Doktrin der Polygamie eingeführt habe (dafür spricht u.a., dass die einzigen diesbezüglichen „Lehren“ Smiths erst Jahre nach seinem Tod von Young als Doktrin verkündet wurden). Smith selbst praktizierte nach aller Kenntnis Polygamie, aus welchen Motiven immer, hatte aber wohl nicht vor, dies zum offiziellen Kirchengebot zu erklären (man muss dazu auch wissen, dass das mormonische Konzept der „Ehe“ ein wenig anders ist als das klassische… Es würde zu weit führen, das hier jetzt auszubreiten, man möge bitte bei Wikipedia nachschlagen, nur soviel: „zusätzliche“ Frauen wurden oft angenommen, um Witwen und deren Kinder zu versorgen, also aus durchaus philanthropischen Motiven; selbstverständlich gibt es aber auch andere, weniger wohlmeinende Implikationen). In „Savage Journey“ reagiert Young auf die hier von Smith verkündete Doktrin anfänglich extrem ablehnend, streitet sogar energisch mit dem Religionsstifter und weigert sich, weitere Frauen anzunehmen, bis seine Angetraute (die nach mormonischem Verständnis ein Mitspracherecht bzw. einen „Gehehmigungsvorbehalt“ hat) dem verblüfften Young eine „Zweitfrau“ präsentiert. Sein Sinneswandel (zu Filmende hat er 16 Frauen, im echten Leben waren es wohl über 50) bleibt im Filmkontext unerklärt.

Wenden wir uns mal von den Fakten und dem freimütigen Umgang mit selbigen ab und wenden uns dem Film an sich zu. Wie schon erwähnt leidet „Savage Journey“ dramaturgisch stark unter der Episodenhaftigkeit und dem enormen Tempo, das der Streifen vorlegen muss, um alle wesentlichen Punkte abzuarbeiten – nicht viel schindet wirklich Eindruck. Das Massaker in Haun’s Mill ist eine durchaus passabel gefilmte Schocksequenz (ohne dabei graphisch-explizit zu werden), steht aber ohne rechten Kontext da. Gleiches gilt für das Mordkomplott in Nauvoo, dessen Zusammenhang mit Smiths Anordnung der Presse-Zerstörung und seiner direkt daraus resultierenden Ermordung sich für thematisch Unbeleckte nicht wirklich erschließt; vom reinen Storytelling her kann „Savage Journey“ nach Smiths Tod nicht wirklich Packendes draufsetzen (ist halt blöd, wenn einem die echte Geschichte insofern ins Handwerk pfuscht) – die Beschwerlichkeiten des „Mormon Trail“ sehen so arg schlimm nicht aus, die Salzwüste Utahs wird in kürzester Zeit in blühende Landschaften verwandelt (und eine nach meiner Kenntnis nicht belegte Heuschreckenplage durch ein „Wunder“ besiegt), der Indianerkrieg muss aufgrund der undurchsichtigen Rolle der Mormonen (es ist historisch unklar, ob und inwieweit die Mormonen mit den marodierenden Indianern gemeinsame Sache machten oder ihnen zumindest die Erlaubnis erteilte, durchreisende Siedler auszuplündern) sehr knapp und undramatisch gehalten werden, aber wenigstens gibt’s als Abschluss (wenn die vergeistigten Young und Smith das moderne Salt Lake City betrachten) einen wirklich guten Spruch (den ich hier natürlich gnadenlos verrate: Smith: „Du hast ein echtes Wunder vollbracht, mit Gottes Hilfe!“ Young: „Du hättest es sehen sollen, als Gott es allein hatte!“). Erfreulich ist, aus religionsneutraler Sicht, dass „Savage Journey“ erstaunlich „un-preachy“ ist. Mit Ausnahme der Polygamie-Geschichte bleiben Smiths Lehren weitgehend außen vor (mehr als eine generelle Lehre der Freundschaft, Liebe und Toleranz vermittelt der Film nicht, vergißt aber nicht, in seiner Anfangsphase darauf hinzuweisen, wie sehr sich dieser Ansatz von der zeitgenössischen katholischen und protestantischen Lehre unterscheiden soll); selbst ein story-übergreifender Arc um ein Ehepaar, dessen Frau glühende Mormonin ist, ihr Ehemann allerdings Agnostiker und nur ihr zuliebe immer mit den Mormonen mitzieht, ist überraschend un-missionarisch (auch wenn er vorhersehbar mit der Konvertierung des Ungläubigen endet) und „matter-of-factly“ gestaltet. Dieser Ansatz hat Vor- und Nachteile – der Vorteil ist natürlich, dass der Streifen für Nicht-Mormonen problemlos genießbar bleibt, der Nachteil ebenso selbstverständlich, dass dem Zuschauer zwangläufig nicht nur jegliches Verständnis über die Dimension des Kampfes der neuen Glaubensrichtung verschlossen bleibt, sondern auch die Attraktivität der Lehre an sich, weil nie deutlich wird, *wofür* Smith und seine Religion eigentlich steht, was seine Anhänger an der neuen Lehre anzieht. Aber das ist der Kompromiss, den ein Filmemacher eingehen muss, wenn er hauptsächlich ein historisches Drama drehen will und keinen Missionsfilm.

Die Inszenierung kämpft mit den Beschränkungen des episodischen Formats; zwar ist der Streifen, wie nun schon mehrfach gesagt, allein durch die rasche Abfolge der verschiedenen Vignetten, recht flott, aber eben auch sehr oberflächlich. Potentiell starken Szenen fehlt der dramaturgische Zusammenhang mit dem Restfilm, manch anderes wirkt dagegen wie reines Füllmaterial (was freilich auch an den Kürzungen durch die TV-Bearbeitung liegen kann). Der betriebene Aufwand ist nicht überwältigend, aber achtbar für eine unabhängige Produktion; Bauten und Kostüme wirken authentisch, manchmal vielleicht etwas übertrieben (die Missouri-Siedler sehen *knapp* zivilisierter aus als Höhlenmenschen). Der Score von Lex de Azevedo (der nun wirklich fast nichts anderes macht als Beschallung von mormonisch geprägten Bibelfilmen), aufgepeppt mit ein paar Klängen des legendären Jaime Mendoza-Nava (Orgy of the Dead) ist angemessen, trägt nicht zu dick auf, außer in den Momenten, in denen McGowan auch filmisch im Pathos schwelgt (und das sind eigentlich nur zwei – das „Wunder“ nach der Heuschreckenplage und das Schlussbild). Die Kameraführung, die deutlich „fernsehmäßiger“ ist als es einer durchaus für den Kinoeinsatz konzipierten Produktion ziemt, besorgte Doug Knapp (Dark Star, Assault on Precinct 13, „Star Trek: Enterprise“).

Ganz ohne Gewalt geht’s im religiösen Film bekanntlich nicht – zu Beginn dürfen wir Augenzeugen werden, wie Joseph Smith vor seinem Durchbruch von wütenden Dorfbewohnern geteert und gefedert wird (hinterlässt aber keine sichtbaren Spuren), das bereits erwähnte Massaker liefert den Body Count, und auch später – im Indianerkriegkapitel z.B. – liegt noch die ein oder andere Leiche rum, aber graphische Gewalt bzw. Blut bleibt außen vor.

Auch wenn der Re-Edit versucht, den Fokus etwas vom Biopic zum allgemeineren Historiendrama zu verschieben, dominiert der Charakter von Brigham Young den Film und benötigt daher auch einen entsprechend dominanten Darsteller, was allerdings nun wieder mit der historischen Tatsache, dass der echte Young eben nicht sonderlich charismatisch war, im Clinch liegt. Maurice Grandmaison („Night Train to Terror“) hat denn auch fast wieder etwas zu viel „frontiersman“-Screenpräsenz. Zum „Glück“ ist er kein sonderlich guter Schauspieler und hat die emotionale Bandbreite einer Eisenbahnschiene. Richard Moll (kreditiert als „Charles Moll“) erweist sich in seiner ersten Filmrolle nicht nur als physisch imposant (ich hab keine Ahnung, ob der echte Joseph Smith auch zwei Köpfe größer war als seine Zeitgenossen), sondern erledigt auch einen passablen Job als zwar charismatischer, aber auch latent überforderter Führer einer stets anwachsenden Kirchengemeinde. Terrence Gehr (nur noch in „Cross Creek“ in kleiner Rolle auffällig geworden) ist ein akzeptabler „ungläubiger“ Begleiter, sozusagen ein Kommentator, Faith Clift („Horror-Express“) hat wie die meisten Nebendarsteller, die nur als Stichwortgeber oder Szenenauffüller gebraucht werden, nicht viel zu tun. Der Großteil der Darsteller ist anderweitig nicht in Erscheinung getreten, was dann doch wieder für einen mormonisch finanzierte Produktion sprechen könnte.

Bildqualität: Mill Creek hat hier einen erlesen scheußlichen Vollbildprint aufgetrieben. Wesentliche Bildinformationen fehlen wohl nicht, da man das Format für die Fernsehausstrahlung wohl entweder angepaßt hat oder auch die ursprüngliche Fassung schon auf 1.33:1 ausgelegt war, aber es ist eine milchige, grieselige, unscharfe, kontrastarme Gesamtkatastrophe.

Tonqualität: Der englische Mono-Ton ist noch erträglich, das Grundrauschen vernehmbar, aber nicht entscheidend störend, der Dialogton dumpf und der Musikmix flach und drucklos.

Extras: –

Fazit: Komische Sache, dieser Film. Von der historischen Genauigkeit eher fragwürdig und als Werbefilm für die Latter-Day Saints untauglich, ist „Savage Journey“ möglicherweise für religionsgeschichtlich interessierte Zuschauer vielleicht in der Hinsicht sinnvoll und sehenswert, als dass er als Ausgangspunkt für persönliche Recherchen dienen kann, weil eben sehr viel angerissen wird, das im Rahmen eines 90-Minuten-Films überhaupt nicht zu klären und zu erklären ist. Was der Film leisten kann, ist, Ereignisse vorzustellen, über die man an anderer, ausführlicherer Stelle nachlesen und sie in den richtigen Kontext setzen kann (ich pausierte die Disc immer wieder, um kurz mal nachzuschlagen, wie sich z.B. das Haun’s Mill-Massaker wirklich zutrug oder wie genau die Umstände von Smiths Ermordung waren). Fraglos ist, dass die mormonische Kirchengeschichte – völlig ungeachtet aller religiösen Lehren – durchaus faszinierend und erinnerungswürdig ist; der Film wird dieser Geschichte nicht gerecht, dafür ist er einerseits zu knapp, andererseits zu einseitig (recht lustig ist allerdings, dass manche Mormonen wiederum „Savage Journey“ des „Hasses“ auf Mormonen beschuldigen). Der interessierte Zuschauer ohne thematische Vorkenntnis findet jedoch genügend Stoff, um von diesem Film ausgehend tiefer in die Materie einzusteigen. In der Hinsicht: mission accomplished, und überdies der Beweis, dass es möglich ist, selbst religiöse „Nischenfilme“ für den neutralen Beobachter verträglich, sprich eben nicht plump missionierend und zwanghaft predigend, zu machen. Unter dieser Maßgabe vorsichtige Empfehlung für ebenjene historisch interssierte, aber noch nicht mit der Materie vertraute Zielgruppe – halt als Anfang, nicht als Ende der Beschäftigung mit dem Thema. Als Film an sich ist „Savage Journey“ nicht eben *gut*, d.h. der Wille, sich mit der Thematik weiter zu beschäftigen, ist mitzubringen (ist der nicht vorhanden, bitte ich mindestens einen Punkt abzuziehen).

3/5
(c) 2009 Dr. Acula


mm
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