Savage Island

 
  • Deutscher Titel: Savage Island
  • Original-Titel: Savage Island
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  • Regie: Eduardo Mulargia, Ted Nicolaou
  • Land: USA/Italien
  • Jahr: 1985
  • Darsteller:

    Linda Blair (Daly), Leon Askin (Luker), Anthony Steffen (Laredo), Ajita Wilson (Muriel), Cristina Lay (Maria), Stelio Candelli (Jordan), Luciano Rossi (Cesare), Luciano Pigozzi (Paco), Cintia Lodetti (Loma), Penn Jillette (Wachmann)


Vorwort

Das hatte sich Luker, Vorsteher eines schwunghaften Smaragd-Handelsimperiums, anders vorgestellt. Sein abendlicher Termin, die hübsche Daly, ist mitnichten an Geschäften interessiert, sondern verfolgt einen persönlichen Rachefeldzug, dessen Subjekt Luker selbst ist. Daly eröffnet dem verblüfften Luker, dass die Tage des fröhlichen Smaragdabbaus gezählt sind – denn seine südamerikanische Mine, in der geknechtete weibliche Strafgefangene die kostbaren Steine abbauen, sei perdü.

Dies bedarf einer umfangreichen Flashback-Erklärung. Daly, eine ehemalige Gefangene des Lagers, hat Mary dort eingeschleust. Mit einem Gefangenentransport, den der gedungene Kapitän Orinoco über den Amazonas (oder welches Gewässer auch immer – es ist nicht so, als würde sich „Savage Island“ geographisch festlegen) schippert, infiltriert Mary das Lager und soll dort mit einer ebenfalls von Daly angeheuerten Truppe Söldner, die von einem gewissen Laredo angeführt wird, bei günstiger Gelegenheit die Smaragde klauen. Dummerweise wird Laredos Trupp zu einem Gutteil in einem Armee-Hinterhalt aufgerieben. Der Rest der Brigade schließt sich unbürokratisch Orinocos Mannschaft an. Im Lager sind die Damen dem üblichen harten Regiment des sadistischen Lagerchefs und seiner noch sadistischeren Henchfrau, einer ehemaligen Gefangenen, die salopp die Seiten gewechselt hat, ausgeliefert. Wer nicht spurt, wird ausgepeitscht, zum Trocknen aufgehängt oder – in ganz besonderen Härtefällen – bis zum Hals vergraben und dann einer putzigen Anaconda ausgeliefert. Da wird dann selbst der raffgierigste Söldner schwach. Laredo beschließt eine Planänderung: anstatt nur die Klunker zu klauen, soll eine offizielle Revolte angezettelt werden, auf dass die misshandelten Mädchen befreit werden


Inhalt

Der gute alte Italo-Sleaze. Ich hab ja schon mancherorts über die philosophischen Unterschiede (hihi) zwischen amerikanischen Frauenknast-Heulern und ihren europäisch-italienischen Äquivalenten räsonniert und festgestellt, dass die Amerikaner, nachdem „Women in Cages“ bereits 1971 so ziemlich erschöpfend die Grenzen des guten Geschmacks ausgelotet hatte, insbesondere mit Jack Hills Klassikern „The Big Doll House“ und „The Big Bird Cage“ zu einem tongue-in-cheek-approach übergingen, der die Sex- und Gewalteskapaden durch einen humorig-parodistischen Unterton abmildert. Dagegen sahen sich die italienischen Genrevertreter gern als todernste politische Parabeln, die die Sadismen als unvermeidliche Symptome des Schweinesystems darstellten, mit Downer-Enden um sich warfen und sich nicht die geringste Mühe gaben, ihre Sleaze-Elemente irgendwie ironisch zu brechen. Dem Publikum dieser Filme waren/sind die mehr oder weniger subtilen Botschaften (es ist, btw, erstaunlich, wie viele gerade italienische Schundfilmer sich explizit als linke Filmemacher verstehen) weitgehend wurscht, solange es attraktive Babes in wenig bis gar nicht bekleideter Form, denen gar schlimme Sachen angetan wurden, sehen durfte, was die Italo-Sleazebomben natürlich auch für den aufblühenden amerikanischen Heimkinomarkt der frühen 80er interessant machte.

Dort trieb sich auch unser aller Freund Charles Band, damals mit seinem aus heutiger Rückschau kultisch verehrten Imprint „Wizard Video“ um. Persönlich nie ein großer Fan des Frauenfoltergenres (auch wenn Charlies Filme ihren Anteil Nudity und Gewalt aufweisen, sind sie doch im Genrekontext überwiegend „zahm“ und selten misogynistisch), stellte Charlie die Moral hinten an, um z.B. Eduardo Mulargias Die Liebeshexen vom Rio Cannibale zu vertreiben. Als er dann einige Jahre später Futter für seinen aufstrebenden Empire-Vertrieb suchte, erinnerte er sich daran, dass er noch auf der Lizenz und der für den von Mulargia parallel geschossenen „Orinoco – Prison of Sex“ saß. In der sicheren Erkenntnis, dass ein Italo-Frauenlager-Hobel schon von Haus aus so aussieht wie der andere und diese beiden, überwiegend an gleicher Location mit gleichem Cast gedreht, erst recht, verfiel Band auf die Idee, die zwei Filme zu einer „neuen“ Produktion zu kombinieren, die man mit knackigem Artwork und fetzigem Titel versehen für Empires Direct-to-Video-Arm verwursten könnte. Um aus dem Mischmasch etwas zu machen, was halbwegs als kohärenter standalone-Film durchging, würde man einen Drehtag damit verbringen, eine neue Rahmenhandlung aufzunehmen. Und da die wenigsten Schauspieler etwas gegen leicht verdientes Geld haben, würde man sich für einen derart kurzen Dreh sogar eine „name actress“ leisten können. Enter Dämonenbraut Linda Blair, deren „Exorzist“-Ruhm sich nicht in eine einträgliche A-Listen-Karriere hatte ummünzen lassen und die nach Grützefilmen wie „Savage Street“ oder „Chained Heat“ froh war, die Bluse anbehalten zu dürfen.

Der Auftrag, die neue Story zu schreiben und den Kram dann auch gleich zu filmen, schanzte Band Ted Nicolaou zu, der mit einer Episode in Herrscher der Hölle seine Feuerprobe erlebt hatte und offenbar als der richtige Mann angesehen wurde, um schnell und zuverlässig zu arbeiten (man darf durchaus dankbar sein, denn eine mögliche Alternative aus der damaligen Empire-Hausregisseur-Hackordnung wäre Tim „Robot Holocaust“ Kincaid gewesen…). Nicolaou, der seine Arbeit an „Savage Island“ ehrlicherweise nicht für eine seiner Sternstunden hält, legte sich sicherheitshalber das Pseudonym Nicholas Beardsley zu (Beardsley war der Name seiner Katze) und machte sich fröhlich ans Werk.

Der Meister widersteht zumindest der Versuchung, seine Archivaufnahmen und den neuen Stoff großartig integrieren lassen – das ist ja genau der Punkt, an dem’s bei den meisten Patchwork-Filmen peinlich wird (wir erinnern uns an die mit größter künstlerischer Sorgfalt zusammengekleisterten Joseph-Lai- oder Tomas-Tang-Filme). Die neuen Aufnahmen sind Bookends, und zwischendurch darf Linda Blair per voiceover versuchen, die italienische Footage in den neuen Kontext zu setzen, aber filmische Beziehungen bestehen nicht. Beim Umgang mit den italienischen Aufnahmen hat er den in der Tat nicht zu unterschätzenden Vorteil, dass Mulargias zwei Südamerika-Sleazer wirklich weitestgehend austauschbar sind. Aus „Orinoco“ (zu gut Deutsch „Das Foltercamp der Liebeshexen“) stammen die Charakternamen und die Smaragd-Plotline, der Großteil der Lager-Szenen, der Prolog und das Finale, in dem die geflüchteten Frauen von Soldaten verfolgt werden, aus „Femmine Infernali“ („Die Liebeshexen vom Rio Cannibale“). Nicolaou arrangierte die Szenen nach Gutdünken um und wirft die beiden Quellfilme munter durcheinander, was zu einem lustigen Kuddelmuddel führt, weil die gleichen Darsteller in unterschiedlichen Rollen agieren, die mühselig über voiceover und Neusynchro ein eine Rollengestalt gepresst werden müssen (so macht z.B. Laredos Anwesenheit als Gast im Lager im Sinne der Orinoco-Smaragd-Geschichte keinerlei Sinn, aber in der „Femmine Infernali“-Footage ist Anthony Steffen als Lagerarzt halt auch in tragender Funktion tätig).

Die englische Synchronfassung macht deutlich, dass die USA als anglophoner Markt so gut wie keine Synchronkultur haben – das klingt genauso wie eine dieser ranzigen Lai-Ninjafilm-Synchros, in denen gerne mit weitgehend sinnfreien Füllfloskeln wie „is that right“ oder „what’s that“ um sich geworfen wird, die im realen Leben kein Mensch verwendet, aber halt in diesem Fall italienische oder spanische (in den Originalfilmen spielt ja auch ein Rudel Spanier mit) Redewendungen, für die es keine echte englische Entsprechung gibt und sich die Synchronautoren auch keine Mühe geben wollten, hier vielleicht etwas freier zu amtieren.

Wie schon gesagt ist Band kein spezieller Freund des sexuelle-Gewalt-gegen-Frauen-Sujets, das ja unbestritten Brot und Butter des Frauenknast/-lagerfilms ist. Gerade die beiden Mulargia-Filme sind in der Hinsicht ziemlich heikel („Orinoco“ soll in seiner ungeschnittenen Fassung sogar Hardcore-Einlagen aufweisen). Nicolaou entfernt praktisch alle Sexszenen, weder die Vergewaltigungen durch die Wärter noch die lebischen Liebesspiele der Gefangenen erfreuen das Auge des „Savage Island“-Betrachters. Dave Jay merkt in „Empire of the B’s“ nicht ganz zu Unrecht an, dass sich „Savage Island“ ein wenig anfühlt wie ein Buffet, zu dem man zu spät kommt und bei dem alle guten Sachen schon weggefressen sind. Was nicht heißt, dass alle sleazigen Exploitation-Einlagen fehlen – was nicht in erster Linie sexuell aufgeheizt ist, geht auch bei Charles Band durch: die Ersäufung der sadistischen Wärterin, das dekorative Aufhängen zweiter renitenter Gefangener (nicht am Hals, aber, da wir hier keinen Cirio-H.-Santiago-Film kucken, auch nicht an den Haaren. Buuh!), die kuriose Massenauspeitschung (in der die Gefangenen im Kreis laufen müssen, während die Wärter auf sie einprügeln), das Vergraben der Gefangenen im Boden, auf dass die Anaconda sie würgt, und natürlich die Szene, in der Ajita Wilson (hoffentlich) einer Gummischlange den Kopf abbeißt. Zudem gibt’s Catfights, ausgiebige Geballer-Action. Das ergibt eine fürchterlich inkohärente, aber nicht wirklich langweilige gute Stunde Italo-Materials, die, sofern man die Originalfilme nicht in- und auswendig kennt, durchaus unterhalten kann.

Das neu gedrehte Material um Linda Blair kann nicht mehr als eine Handvoll Dollar gekostet haben. Im typischen unterkühlten Mid-80’s-“neo noir“-Look entert Linda Blair einen Wolkenkratzer, legt Penn um und konfrontiert dann den Bösewicht. Das ist so unaufwendig gefilmt (Linda Blair hat nicht mal Zeit, ihren Mantel abzulegen – ist aber auch ganz gut so, denn darunter versteckt sie ihre Maschinenpistole), dass ich mich glatt wundere, dass Nicolaou einen ganzen Drehtag dafür gebraucht hat.

Der größtenteils elektronische Score wirkt dezent unpassend, was aber auch daran liegt, dass Phil Davies und Mark Ryder sich hier in der Empire-music library bedienen konnten/durften/mussten, und so manches Theme bereits in Trancers oder anderen filmischen Großtaten des Band-Imperiums reüssiert hatte.

Linda Blair, die natürlich in keiner Sekunde ein Outfit wie das auf dem sexy Filmplakat trägt, behält ihre Würde – soweit man noch „Würde“ hat, wenn man sich für ein solches Unternehmen hergibt. Sie erledigt den Job professionell und versucht auch, in ihre Performance etwas Emotionalität zu legen. Ihr Gegenüber in den neuen Szenen ist Leon Askin, den ein breites Fernsehpublikum als General Burkhalter aus der Straflager-Sitcom „Ein Käfig voller Helden“. Der österreichische Emigrant war auch in Billy Wilders „Eins, Zwei, Drei“ zu sehen und pendelte bis ins hohe Alter regelmäßig zwischen Übersee und Europa (er hat z.B. einen Cameo in „Die unglaubliche Reise in einem verrückten Flugzeug“ und war mehrfach bei „Kottan ermittelt“ dabei). Hier gibt er sich alle Mühe, einen widerlichen Fettsack zu spielen. Wie schon erwähnt markiert „Savage Island“ den ersten öffentlichkeitswirksamen Auftritt von Penn Jillette, der mittlerweile mit seinem Partner Raymond Joseph Teller ein erfolgreiches Illusionisten-/Skeptiker- und Debunker-Duo bildet, das auch eine langjährige eigene Fernsehshow hatte. Full Moon behauptet, auch Teller wäre in „Savage Island“ dabei, aber das ist glatt gelogen (false advertising bei Charles Band? Who would’ve thought?).

Die Stars der italienischen Filme sind der brasilianische Spaghetti-Western-Haudegen Anthony Steffen (gebürtig Antonio Luiz de Teffè), der nach dem Abklingen der Italowestern-Welle auch in Gialli wie Die Grotte der vergessenen Leichen oder Inferno unter heisser Sonne amtierte. Ihm zur Seite stehen der geschlechtsumgewandelte ehemalige Hardcore-Pornstar Ajita Wilson („Sadomania“, „Die schwarze Nymphomanin“, „Das Syndikat des Grauens“) als Queen-Bee-Gefangene und Cristina Lai, die abseits der zwei Mulargia-Heuler nur noch in zwei niemals im Ausland gelaufenen spanischen Filmen (in „Los Energeticos“, was sich irgendwie wie ein Lucha-Libre-Tag-Team-Name anhört, immerhin schon mit Ajita Wilson). Italienische Routiniers wie Stelio Candelli („Ein Käfig voller Narren II“, „Rush 2 – Final Game“, Nuda per Satana), Luciano Rossi („Zwei außer Rand und Band“, „Das Syndikat des Grauens“, „Mörderbestien“) und Luciano Pogazzi („Robowar“, „Einer gegen das Imperium“, Blutige Seide“) runden das Ensemble ab.

Bildqualität: Nachdem ich mittlerweile einige Titel aus der „Full Moon Grindhouse Collection“, in der Charlie ehemalige Wizard-Video-Releases wiederveröffentlicht gesehen habe, komme ich immer mehr zur Überzeugung, das neue Sublabel ist nicht mehr als die lasche Ausrede für Band, auch noch jeden angeranzten schimmligen VHS-Print, den er in einem seit 1985 nicht mehr gewischten Keller zwischen toten Ratten und ermordeten Geldgebern gefunden hat, noch auf DVD klatschen und verkaufen zu können. Auch „Savage Island“ kennt eine digitale Überarbeitung nur vom Hörensagen – das ist ein liederlicher 1:1-VHS-Transfer, bei dem sich mein Flatscreen beinahe zu Tode erschreckt hat. Ich hab noch alte Third-Generation-Kopien, die besser aussehen (4:3-Vollbild, über technische Details breiten wir den Mantel der Barmherzigkeit).

Tonqualität: Für den englischen Ton gilt natürlich gleiches – man kann’s verstehen, aber das macht die Sache nicht besser. Untertitel gibt’s selbstverständlich nicht.

Extras: Als Bonusmaterial gibt’s die hinlänglich bekannte Grindhouse-Einführung von Charles Band, die ebenso bekannte Grindhouse-“Featurette“ (nicht mehr als ein Serien-Trailer) und die übliche recht umfangreiche Full-Moon-Trailershow.

Fazit: Charies Bands Talent, noch aus dem letzten unterbelichteten (höhö) Filmfitzel Kohle rauszupressen, ist schon irgendwie bewunderungswürdig – und hätte er’s dabei belassen und sich nicht in Abenteuer wie Studiokäufe, große Kino-Releases u.ä. gestürzt, wäre er wahrscheinlich nicht so oft pleite gegangen… Die Wiederverwertung von „Orinoco“ und „Femmine Infernali“ ist für sich genommen keinen großartigen Schuss Pulver wert; der Genrefreund hat auf jeden Fall mehr davon, sich die unbearbeiteten Originalfassungen zuzulegen, die auch all den schmierigen Schmuddelsex, den „Savage Island“ vermissen lässt, in ergötzlicher Menge beinhalten. Wer sein Herz aber an Trash-Kuriosa verloren hat, kann aus dieser Verhackstückung zweier eh schon nicht besonders, eh, guter Filme mit der neuen Rahmenhandlung schon einigen Unterhaltungswert ziehen. Zu einer „Empfehlung“ kann ich mich aber nicht ganz durchringen, dafür ist allein die DVD-Umsetzung viel zu schäbig…

2/5
(c) 2015 Dr. Acula


mm
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